Wut-Rudi – Waldi, Weißbier und der Standfußball

Jeder Trainer, der etwas auf sich hält, muss in den modernen Zeiten schon einmal eine Wutrede platziert haben. Da nicht nur Vereinstrainer dieses Privileg haben, dürfen selbstverständlich auch Nationaltrainer lauthals herumproleten. Einem ist das in herausragender Weise gelungen: Rudi Völler.

Schauen wir zurück: Die ARD-Experten Günter Netzer und Gerhard Delling hatten Rudi Völler am 6. September 2003 mit ihrer kritisch-motzigen Analyse der Partie auf die imaginäre Palme 47 b gebracht. Nach dem 0:0 gegen Island explodierte der damalige DFB-Teamchef. Es war eine Wutrede, wie es sie später in dieser Form nicht mehr geben sollte. Im Studio bei Waldi Hartmann (genau, jener „Fußball-Experte“, der im TV vor einem Millionen-Publikum nicht wusste, dass Deutschland 1974 im eigenen Lande Weltmeister wurde!) ließ der ansonsten beliebt-besonnene 80er Jahre Frisur-Romantiker seinem Frust freien Lauf.

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Ruuuuudi: „Zu 50 Prozent stehen wir im Viertelfinale, aber die halbe Miete ist das noch lange nicht!“

„Delling, das ist ein Sauerei, was der sagt. Die Geschichte mit dem Tiefpunkt, und nochmal ein Tiefpunkt. Da gibt‘s nochmal einen niedrigen Tiefpunkt. Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Da stelle ich mich vor die Mannschaft“, wetterte der von der Leine gelassene Bundes-Rudi. Zu Hause klatschten sich die Fans auf die Schenkel, während TV-Interviewer Waldemar Hartmann, seines Zeichens Berufs-Bayer, irritiert versuchte, den Mann, der das grausame Spiel der deutschen Kicker in Island zu rechtfertigen hatte, halbwegs wieder in eine TV-kompatible Interview-Situation zurechtzurücken.

„Wie so oft liegt auch hier die Mitte in der Wahrheit.“

(Rudi Völler)

Aber der ehemalige DFB-Torjäger polterte weiter: „Natürlich war das heute nicht in Ordnung. Aber ich weiß nicht, woher die das Recht nehmen, so etwas zu sagen. Das verstehe ich nicht. Dann soll er (Delling) doch Samstag abends Unterhaltung machen und keinen Sport, keinen Fußball. Dann soll er ‚Wetten dass‘ machen und den Gottschalk ablösen.“

Völler blieb ungehalten und zeterte sich nicht nur in Rage, sondern fast um Kopf und Kragen, als er noch einen besonderen Schwerthieb Richtung Experte und früherem Nationalspieler Günter Netzer setzte. „Der Günter, was die früher für einen Scheiß gespielt haben, da konntest du doch früher überhaupt nicht hingehen, die haben doch früher Standfußball gespielt“, empörte sich der DFB-Teamchef. Dem Vernehmen nach gefroren Netzers Gesichtzüge zu Stein, als er die Tiraden des Bundestrainers im Studio vernah.

Mittlerweile hatte Hartmann seine Verblüffung überwunden und meinte: „Aber Rudi, ich kann jetzt nicht verstehen, warum du Schärfe reinbringst“, woraufhin Völler entgegnete: „Die Schärfe bringt ihr doch rein, müssen wir uns denn alles gefallen lassen?“

Als der Moderator dann fast entschuldigend beteuerte, er bringe doch keine Schärfe rein, sagte Völler: „Ja, du nicht. Du sitzt hier bequem auf deinem Stuhl, hast drei Weizen getrunken und bist schön locker. “

Das saß!

Zwar nahm Völler den Weißbier-Spruch im Gespräch sofort wieder zurück, aber nun war es heraus. Nationalmannschaftsreisen sind also nix anderes als Betriebsausflüge auf Malle, es wird gesoffen, wahrscheinlich rumgehurt und, und, und…

Wir haben es doch alle gewusst. Schon Toni Schumacher schrieb in seinem aufklärerischen Werk „Anpfiff“ wie es im deutschen Fußball zugeht. Auch 2003 war das sicher kaum anders.

„Man darf über ihn jetzt nicht das Knie brechen.“

(Rudi Völler)

Letztendlich interessiert das keine Sau, wenn der Erfolg da ist. Dann können die Herren auf Reisen ja machen was sie wollen, Hauptsache sie schleppen einen Pokal mit in die Heimat, singen komische Lieder auf dem Frankfurter Römer und tragen Sonnenbrillen mit Gläsern wie Aschenbecher.

Aber schön, dass wir das nun auch von Rudi Völler quasi-beglaubigt bekommen haben. Übrigens, dem Vernehmen nach haben Völler, Hartmann und weitere Island-Beteiligte am Abend noch ordentlich einen gehoben und Völlers und Hartmanns Eintrag ins deutsche Fußball-Geschichtsbuch gefeiert.

Aber bestätigen tut das mal wieder niemand.

Typisch!