Deutsche Torhüter – Es kann nur einen geben…

Deutsche Torhüter sind der Prototyp des Zerberus, die letzte Instanz zwischen den Pfosten, wenn gar nix mehr geht. Die Lebensversicherung, wenn der Rest des Kaders wenig taugt, die Garanten für Titel und die letzte Hoffnung, wenn der überragende Weltklasse-Gegenspieler alleine aufs deutsche Tor marschiert. Und natürlich müssen sie pro Turnier mindestens einen, wenn nicht mehrere Strafstöße locker parieren oder zumindest am Kasten vorbeilächeln.

Die Herren Torhüter sind also wichtig und bedeutend. Dementsprechend bilden sich auf dieser Spielerposition besondere Charaktere heraus. Eben weil sie zumeist die Anforderungen des Publikums erfüllen können, dies aber zum Preis eines nicht immer einfachen Wesens, wie man ja nicht erst seit dem Verhältnis der Herren Oliver Kahn und Jens Lehmann weiß, die sich einen erbitterten Zweikampf um den Stammplatz im deutschen Tor bei der WM im eigenen Land im Jahr 2006 lieferten.

„Ein Torwart ohne Tor ist nur ein halber Mensch.“

(Rudi Kargus, ehem. HSV-Torhüter)

Oliver Kahn war Welt-Torwart, Champions-League Sieger und gefühlter 456-facher Deutscher Meister und circa doppelt so oft Pokalsieger. Mit der Nationalmannschaft gewann der grimmige Olli als deutsche Nummer 1…NIX! Immerhin brachte er ein extrem biederes deutsches Nationalteam, noch dazu unter Nationaltrainer Rudi Völler, 2002 durch großartige Paraden in das WM-Finale gegen Brasilien. In dieser Zeit verliebte sich der Münchner Torwart in den von der Presse verliehenen Spitznamen „Titan“, den er anschließend hegte und pflegte. Im WM-Finale selbst jedoch war der Druck für den bissfesten Olli dann doch ein wenig zu groß, warum sonst schmiss er nach einem Schüsschen dem brasilianischen Angreifer Ronaldo das Leder direkt in den Lauf?

Dennoch rechnete der weiter sportlich durchaus überzeugende Kahn fest mit dem Nummer-1-Status bei der WM 2006. Da hatte er aber nicht damit gerechnet, dass der neue Bundestrainer Jürgen Klinsmann eher auf Torhüter stand, die als eine Art Libero auch einen gepflegten Ball spielen konnten. Kahn hingegen war ein Vertreter der alten Schule, ein Linien-Hexer, für den das fußballerische Element eher zweitrangig war. So zog Kahn zu seinem Entsetzen die Nummer 2 für dieses WM-Turnier in der Heimat.

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„Das einzige Tier bei uns zu Hause bin ich.“ (Oliver Kahn über Oliver Kahn)

Dadurch durfte Jens Lehmann auch endlich einmal Liebling der Nation sein. Ansonsten durch sein manchmal grotesk-skurriles Auftreten eher semi-beliebt, konnte der mit überbordendem Selbstbewusstsein ausgestattete geborene Essener die Öffentlichkeit beim 2006er Sommermärchen durch seine gehaltenen Elfmeter im Viertelfinale gegen Argentinien kurzzeitig für sich gewinnen. Übrigens, nicht ohne von Kahn zuvor kameragerecht zu diesen Höchstleistungen getrieben worden zu sein.

Wir wollen uns einmal auch einige andere Legenden etwas genauer anschauen.

Toni Turek, Weltmeistertorwart von 1954 war ein gnadenlos guter Torhüter, der dennoch immer die B-Note für den künstlerischen Ausdruck im Hinterkopf hatte. Eine Parade musste bei ihm nicht nur gut sein, die musste auch gut aussehen. Der Düsseldorfer Jung kombinierte gerne das Praktische mit dem Schönen und zumeist gelang das auch. Klar, das Risiko war hoch und so ging ab und an auch etwas schief. So zum Beispiel im Endspiel der WM 1954 als Turek und Kohlmeier sich bezüglich einer Rückgabe nicht ganz einig waren und der gute Toni den Ball mit einer Hand aufnehmen wollte. Der ungarische Spieler Czibor sagte Danke und schob die Kirsche ins Netz. Aber Turek machte dies schnell wieder vergessen. Einige der Paraden in diesem Spiel waren teilweise von einem anderen Planeten und so wurde Toni prompt von Radio Reporter Herbert Zimmermann in höhere Weihen berufen und zum wohl ersten Fußballgott der Geschichte des runden Leders ernannt. Und Weltmeister wurde Turek in diesem Spiel nebenbei auch noch.

Der Münchner Sepp Maier war ein ganz anderer Typus, obwohl er keineswegs einer guten Show abgeneigt war. Im Gehäuse selbst war er eher pragmatisch, nutzte aber gerne die Spielpausen zu gelegentlichen, lustigen Einlagen. Ein Elfmeterkiller war der Sepp aber jedenfalls nicht. Er ist der bisher einzige Torhüter, der bei einem Elfmeterschießen mit deutscher Beteiligung keinen Elfmeter gehalten hat (selbst Bodo Illgner hat sich im Halbfinale 1990 geschickt anschießen lassen, OK, der Schütze war Engländer…). Bei der EM 76 jubelten ihm die Tschechen einen Ball nach dem anderen in die Maschen ohne das Maier auch nur ansatzweise die Chance hatte, eines der Dinger zu parieren. Blöderweise war auch das Panenka-Bonbon dabei, … jener in die Tormitte gelupfte Ball, der jeden Torwart wie einen Volltrottel dastehen lässt. Dennoch hat Maier bei der WM 74 Retter-Status erzielen können, allerdings eher als Wasserballtorwart. Im Spiel gegen die Polen zeigte er seine wohl beste Länderspiel-Leistung, aber vermutlich haben die Polen bei der berühmten Wasserschlacht eher gegen den Strom gespielt. Im Finale gegen Holland jedoch war Maier immer da, wo Cruyff und Co. hin zielten. Auch eine Leistung, … die ihn (und Deutschland) zum Weltmeister machte.

„Er hatte in seiner Karriere vielleicht nicht ähnliche Momente, aber ungefähr die gleichen.“

(Franz Beckenbauer über Oliver Kahns spielentscheidenden Fehler gegen Real Madrid. Kahn ließ 2004 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League in der 83. Minute einen 35-Meter-Freistoß des Brasilianers Roberto Carlos unter seinem Körper hindurch zum 1:1-Endstand ins Netz rutschen.)

Bodo Illgner ist der dritte Weltmeistertorwart, allerdings auch der unspektakulärste. Die Bezeichnung „Bodo, du bist ein Fußballgott“ fiel beim Turnier 1990 recht selten, genauer gesagt, nicht ein einziges Mal. War auch schwer, da Deutschland verhältnismäßig wenig auf den Kasten bekam. Allerdings ist es wohl etwas übertrieben, wenn einige behaupten, anstatt Illgner hätte man auch einen Stuhl ins Tor stellen können.

Illgners größte Taten waren einerseits, dem englischen Elfmeterschützen Stuart Pearce im Halbfinale erfolgreich im Weg zu stehen und andererseits Andy Brehmes Rückgabe aus 25 Metern im Finale gegen Argentinien zu parieren. Ansonsten hatte der Kölner wenige Gelegenheiten sich auszuzeichnen. Aber wenn er gebraucht wurde, was er da. Zeugen haben ihn jedenfalls im deutschen Tor ausfindig gemacht. Er war also wirklich da!

„Druck habe ich nur, wenn ich morgens auf die Toilette gehe.“

(Oliver Reck, Torwart bei Werder Bremen)

Andreas Köpke ist nach seiner Karriere nie als der ganz große Torwartheld gehuldigt worden, dabei hätte er es mehr als verdient. Im EM Turnier 1996 warf er mit seinem gehaltenen Elfmeter gegen Italien (Gianfranco Zola scheitere am deutschen Torwächter) die Azzuri durch das 0:0 aus dem Turnier. Alleine dafür müsste man ihm lebenslang lobpreisen und huldigen. Wir haben wirklich mal Italien bei einem Turnier rausgeschmissen. Unfassbar. Und das war NUR Köpke zu verdanken. Schließlich hielt er in diesem Vorrundenspiel noch mehrere, sogenannte Unhaltbare und dadurch war Italien raus (!!!). Zusätzlich parierte er im Halbfinale beim Elfmeterschießen einen wichtigen Strafstoß. Aber gut, gegen die Engländer hält ja jeder mindestens einen.

„Das hätte in der Türkei passieren dürfen, aber nicht in der zivilisierten Welt.“

(Toni Schumachers Kommentar zum Flutlichtausfall während seines Abschiedsspiels in Köln)

Ach ja, … und Europameister wurde Köpke mit Deutschland auch noch, … so ganz am Rande.

Toni Schumacher war der Torwart-Held der 80er Jahre, konnte jeweils bei den Welt-Turnieren 1982 und 1986 die deutsche Elf durch gehaltene Strafstöße ins Finale führen. Und er hatte auch keine Engländer nötig. 1982 brachte er mit seinen gehaltenen Elfmetern der Franzosen Didier Six und Maxime Bossis sein Team ins Finale. Auch 1986 war für Gastgeber Mexiko Schluss mit lustig, als Toni vor ihnen immer größer wurde und die Knie der Schützen schlotterten. Mit erneut zwei gehaltenen Elfern dufte Deutschland dann ins Finale. Blöderweise erwischte der Toni in den WM-Finals, vor allem im 86er Endspiel, eher gebrauchte Tage, wenn es um die ganz große Krone ging. Aber halt, 1980 wurde Deutschland gegen Belgien durch einen 2:1 Sieg Europameister. Dabei ließ Toni Schumacher einen Elfmeter der Belgier passieren … hmm…

Deutsche Torhüter sind also eine Klasse für sich, die genannten bilden ja nur einen Querschnitt über den Mannschaftsteil, auf den bisher bei Welt- und Europameisterschaften am meisten Verlass war. Sie sind und bleiben der natürliche Feind gegnerischer Schützen (insbesondere englischer Nationalität) und letzten Endes sind sie doch alle … Fußballgötter!

Danke Jungs!