Für das »gemeinsame Projekt« lassen sich mannigfaltige Belege anführen: Für den viel beschäftigten Kanzler übernahm seine Frau Termine im Hamburger Heimatwahlkreis und sorgte damit für eine indirekte, aber vernehmbare Präsenz ihres Mannes. In Bonn hielt sie Kontakt zu der einflussreichen Parteigruppierung der sogenannten »Kanalarbeiter« um Egon Franke. Auch auf den großen Parteitagen der SPD war sie stets zugegen, strahlte gute Laune aus und fand für viele Genossen ein freundliches Wort. Eine bessere Unterstützung für seine Stellung in der Partei konnte sich der oft eher abweisend wirkende Kanzler kaum wünschen. Loki war die sympathische Außenvertretung des Bundeskanzlers.
Bei Staatsbesuchen ausländischer Gäste in Bonn kümmerte sie sich – vorbereitend und begleitend – um ein interessantes Damenprogramm. Dass dabei immer auch einmal Themen zu Umwelt und Natur dabei waren, gehörte zur ihrer Grundüberzeugung.
Selbst ließ sie kaum eine wichtige Auslandsreise des Kanzlers aus, erfüllte gut unterrichtet und vorbereitet die gegebenen protokollarischen Termine eines Kanzlerehepaars mit Bravour und wusste Zeichen zu setzen. In Abu Dhabi setzte sie sich, entgegen dem Protokoll, das die Anwesenheit von Frauen bei offiziellen Gesprächen eigentlich gar nicht vorsah, neben den Scheich und verwickelte ihn in ein Gespräch über die Möglichkeiten von Bewässerungssystemen für Pflanzen in seinem Land. In Riad nahm sie selbstbewusst an der Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen teil. Später erinnert sie sich an ihre damaligen Gefühle: »Du stehst hier für alle Frauen der Welt. Das ist noch nie passiert, dass in Saudi-Arabien eine Frau bei der Ankunftszeremonie dabei sein darf.«[195] Loki war stolz auf sich und hatte auch die Zustimmung und Anerkennung vieler Frauen daheim gefunden. Für einen sozialdemokratischen Kanzler, für den die Gleichstellung der Geschlechter ein wichtiger politischer Auftrag war, erwies sich diese Haltung seiner Frau auch beruflich als Vorteil.
Gute Kontakte pflegte Loki Schmidt auch zu fast allen Ehefrauen der wichtigen ausländischen Partner ihres Mannes. Sie sprach zwar nicht so perfekt Englisch wie ihr Mann, war aber geübt und sicher genug, um den notwendigen Smalltalk zu beherrschen und spontan eine kleine Rede auf Englisch zu halten. So konnte man sich im Kanzleramt darauf verlassen, dass die Kanzlergattin im Ausland souverän auftrat und nicht nur dem Ehemann mit ihren Auftritten allerorten Sympathien erwarb.
Bei den Auslandsreisen machte sie es sich auch zur Aufgabe, den Begleittross aus Journalisten, Wirtschaftsführern und Gewerkschaftern (oft waren zudem Wissenschaftler und Kulturschaffende dabei) in das Reiseprogramm einzubinden und zu betreuen. Die einzelnen Gruppen hatten bei den Besuchen oft sehr unterschiedliche Termine. Deshalb kam man abends mit der Kanzlergattin im Hotel zusammen und besprach den kommenden Tag. Das erfolgte meist allein mit ihr, da der Kanzler selbst häufig noch zu anderen Terminen oder Gesprächen unterwegs war. Die Anwesenheit von Loki Schmidt, mit ihrer Fähigkeit zuzuhören und sich auf Gespräche einzulassen, vermittelte allen den Eindruck, dass ihre Tagesplanung und ihr Einsatz bei der Kanzlerreise bedeutsam war. Sie leistete damit unschätzbare Dienste, denn im politischen Geschäft wünschte man sich, dass die Auslandsreisen mit dem Kanzler als Erfolg wahrgenommen wurden und aus den Reihen der begleitenden Gruppen positiv darüber berichtet wurde. Bei den Hintergrundgesprächen des Kanzlers mit Journalisten in kleiner und größerer Runde nahm sie mit großer Selbstverständlichkeit ebenfalls fast immer teil, und so wurde Loki Schmidt allgemein als wichtige Beraterin ihres Mannes wahrgenommen. Die beiden waren ein Team, das hatten alle bald gemerkt. Klaus Bölling, lange Pressechef von Helmut Schmidt, war sich sicher, dass bei Journalistengesprächen die Atmosphäre spürbar freundlicher und entspannter war, wenn die Frau des Kanzlers anwesend war.[196]
Besprechung mit dem Kanzler im Flugzeug, 1979
In Sachen Kommunikation landete Loki Schmidt bereits im ersten Jahr der Kanzlerschaft ihres Mannes einen bemerkenswerten Coup. Im Dezember lud sie über die Parteigrenzen hinweg alle weiblichen Abgeordneten des damaligen 7. Deutschen Bundestags zu einem Kaffeetrinken in den Kanzlerbungalow ein. So ein Treffen hatte es zuvor noch nie gegeben, und so folgten tatsächlich alle der Einladung der Frau des Kanzlers. Platzprobleme gab es nicht, denn für die drei im Bundestag vertretenen Fraktionen CDU/CSU, SPD und FDP saßen gerade einmal dreißig Frauen auf den Bänken des Hohen Hauses. 5,8 Prozent betrug der Frauenanteil in den Jahren 1972 bis 1976, damit unterschritt man selbst die 6,8 Prozent des 1. Deutschen Bundestags.
Das Treffen hatte Loki mit ihrem Mann abgestimmt, politische Themen im engeren Sinne sollten nicht angesprochen werden. Vielmehr wollte die Kanzlergattin den weiblichen Abgeordneten ihre Wertschätzung vermitteln und mit der Einladung zur Stärkung ihrer Rolle im politischen Geschehen beitragen. Wenn zwischen den Vertreterinnen der drei Fraktionen ein besseres Verständnis füreinander erreicht werden könnte, wollte sie zufrieden sein. Das Treffen war ein unerwarteter Erfolg, nicht nur bei den SPD-Frauen, auch bei den Kolleginnen von CDU und FDP. Im Jahr darauf gab es eine Wiederholung.
1979 wandte Loki Schmidt die gleiche Idee auf die Presse an und lud alle in Bonn tätigen Journalistinnen ein. 1980 standen Bundestagswahlen an, und so mutmaßten sicher viele der etwa vierzig Journalistinnen, dass die Kanzlergattin sie positiv auf Schmidts Wahlkampf einstimmen wollte. Die Atmosphäre entwickelte sich vielleicht auch deshalb bei diesem Treffen nicht so wie gewünscht. Auch dass sie das Kamerateam eines Fernsehsenders zuließ, kam bei den Journalistinnen nicht sehr gut an.[197] Alles konnte eben auch einer Loki Schmidt auf der politischen Bühne der Hauptstadt nicht gelingen.
Dennoch, die Schmidts waren ein sehr erfolgreiches Kanzlerpaar. Ihre Rolle im »Schaufenster der Republik«, wie der Stern es einmal treffend beschrieb, nahmen sie mit Bravour wahr. Schmidts Ansehen war national wie international groß, er galt als hoch kompetent und welterfahren. In all den Jahren übertrafen seine Beliebtheitswerte die seiner Partei. Das hatte besonders damit zu tun, dass er bei aller Weltläufigkeit dennoch bodenständig blieb – das hatte er zuvörderst seiner Frau zu verdanken. Loki Schmidt war volksnah, ausgleichend und sie wurde als politisch kluge und in der Sache engagierte Frau wahrgenommen. Sie hatte nicht den Glamoureffekt einer Rut Brandt, aber ihre Rolle auf dem internationalen Parkett wusste sie umso souveräner zu spielen. Als 1988, anlässlich ihres anstehenden sechzigsten Geburtstags, ein Buch mit dem Titel Loki – Die ungewöhnliche Geschichte einer Lehrerin namens Schmidt erschien, konnte man darin geradezu schwärmerische Beschreibungen ihrer Person von Weggefährten, vor allem auch von führenden ausländischen Staatsmännern lesen.[198]