Kitt für die Gesellschaft: SPD und Kirche

Zu den ideellen Übereinstimmungen, welche die Schmidts miteinander hatten, zählten auch ihre Haltungen zur Sozialdemokratie und zur Kirche.

»Aus der SPD tritt man nicht aus«, das war die feste und auch erklärte Meinung der beiden. Als sie 2005 die meisten ihrer Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden mit dem Hinweis auf ihr fortgeschrittenes Alter kündigten, gab es zwei Ausnahmen: ihre Mitgliedschaft in der evangelischen Landeskirche und die in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. In der SPD summierte sich für das »einfache« SPD-Mitglied Loki Schmidt am Ende die Zeit ihrer Mitgliedschaft auf fast fünfzig Jahre, für den ehemaligen Abgeordneten, Senator, Bundesminister und Bundeskanzler Helmut Schmidt waren es nahezu siebzig Jahre.

Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind die im Godes

Die große Übereinstimmung in politischen Fragen rührte nicht zuletzt auch daher, dass Loki Schmidt die politische Expertise ihres Mannes anerkannte, sich darauf verlassen wollte und das auch konnte. Das blieb so bis ins hohe Alter des Ehepaares, seine eher »linksorientierte« Kritik am »Raubtierkapitalismus« der Finanzmärkte teilte sie ohne Einschränkung. Womöglich hätte sie sich in seiner Kanzlerzeit von ihm und der Regierungspartei SPD ein stärkeres Engagement in Umweltfragen gewünscht, öffentlich geäußert hat sie das aber nie. Ohnehin vertrat sie in der Umweltpolitik einen Kurs, der die Interessen von Naturschutz und Wirtschaft im Auge behielt. Loki Schmidt war also politisch eine Parteigängerin ihres Mannes. Im Übrigen galt das auch weitgehend für Susanne Schmidt. 1980 trat sie der SPD bei, ohne damit eine Funk

Loki Schmidt trat auch nach außen vorbehaltlos für die Positionen ihres Mannes ein. Friede Springer, mit der Loki gut befreundet war, schilderte, diese habe Helmut Schmidt in politischen Fragen selbst in privater Runde »wie eine Löwin« verteidigt.[292] Das galt auch bei innerparteilichen Konflikten um die Linie des Kanzlers. Als Oskar Lafontaine 1982 auf dem Höhepunkt der parteiinternen Diskussionen zum NATO-Doppelbeschluss im Stern formulierte, dass man mit den von Schmidt angeblich hoch gehaltenen »Sekundärtugenden« auch »ein KZ betreiben« könne,[293] war das für beide Schmidts sehr verletzend. »Sollte es auch sein. Das hat gewirkt«, sagte Schmidt noch Jahre später.[294] Loki Schmidt war in der Sache und in der Form von dieser unsäglichen Äußerung so aufgebracht, dass sie im Freundeskreis verkündete: »Wenn ich den Kerl treffe, dann knall ich ihm eine.« Wer sie aus der Schulzeit kannte, wusste, dass sie es mit so einer Drohung ernst meinen könnte. Die Vernunft setzte sich durch: »Wir begegneten uns kurze Zeit später, doch da war viel Presse dabei, und ich wollte denen dieses Vergnügen nicht gönnen.«[295] Gesprochen aber hat sie mit Oskar Lafontaine kein einziges Wort mehr.

Helmut und Loki Schmidt waren politische Profis und wussten natürlich, dass man auch in der eigenen Partei mit Attacken zu rechnen hatte und die »Parteifreunde« durchaus nicht immer Freunde waren. Ihre optimistische Grundannahme von den Parteien als wichtige Faktoren im Prozess der politischen Willensbildung und der Gestaltung des demokratischen Staates konnte das jedoch nicht erschüttern. Für sie persönlich kam hinzu, dass sie mit vielen der Weggefährten aus der eigenen Partei auch engere persönliche Kontakte knüpfen konnten. Auf den Hamburger Freundeskreis von SPD-Genossen ebenso wie

Loki Schmidt hatte in Bonn auch nähere Bekanntschaft mit zwei Frauen im Umkreis der SPD geknüpft. Das war zum einen Marie Schlei, die zunächst parlamentarische Staatssekretärin und dann Ministerin im ersten und zweiten Kabinett Schmidt war, und zum anderen Dorothea Bahr, die erste Ehefrau Egon Bahrs, mit der sie auch nach deren Trennung im engeren Kontakt blieb.

Im Wahlkreisbüro in Hamburg-Bergedorf

Für die Schmidts war die SPD also nicht nur eine abstrakte politische Gemeinschaft, in der SPD fanden sie Weggefährten, die ihnen auch persönlich viel bedeuteten. Wenn man sich auch nach den Bonner Jahren nicht mehr regelmäßig sah, ein Gefühl der Verbundenheit blieb bestehen. Die SPD war für die Schmidts auch ein Stück gemeinsame Heimat geworden.

Zur evangelischen Kirche gestaltete sich das Verhältnis der Schmidts – trotz der Zugehörigkeit über viele Jahrzehnte hinweg – bedeutend diffiziler. Seit ihrer Heirat (und Taufe) im

Die eher weltliche Begründung ihrer kirchlichen Hochzeit ist bereits erwähnt worden. Tiefere religiöse Gefühle verbanden sie nicht mit ihrer kirchlichen Trauung. Beide konnten sich nicht an einen Trauspruch erinnern, und als die Zeremonie beendet war, standen bei Loki Schmidt die Sorgen des Alltags sofort wieder im Vordergrund: »Da die Trauung nach dem Gottesdienst stattfand, war die Kirche schon leer, doch auf der Empore standen meine ehemaligen Schülerinnen und Schüler und sangen. Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf: Wie wird unsere gemeinsame Zukunft aussehen? Werden wir überhaupt zusammen leben? Wird es eine Zeit ohne Krieg und ohne Nazis für uns geben?«[296]

Die Schmidts hatten sich als Ehepaar den kirchlichen Segen geholt, also folgte für sie daraus, 1944 ihren Sohn Helmut Walter und 1947 auch ihre Tochter Susanne taufen zu lassen. Einen Grund für die Erziehung ihrer Tochter im christlichen Glauben sahen die Schmidts mit der christlichen Taufe allerdings nicht gegeben. Zumindest kann sich Susanne Schmidt nicht an Gespräche über den Glauben, Gebete oder regelmäßige Kirchbesuche erinnern. Das änderte sich auch nicht, als sie sich – auf eigene Faust – zum Konfirmationsunterricht angemeldet hatte, so wie alle anderen Mitschüler auch.

Kirche und Glauben spielten im Leben der Familie Schmidt kaum eine Rolle, auch nicht zu Weihnachten. Keine Weihnachtslieder, kein Verlesen der Weihnachtsgeschichte, noch

Die Beziehungen der Schmidts zu Geistlichen, Priestern und Kirchenvertretern waren überkonfessionell und hatten weitgehend persönlichen Charakter. So pflegte Loki Schmidt in Bonn eine vertrauliche Beziehung zum Benediktinerpater Athanasius Wolff aus dem Kloster Maria Laach. Ihr Briefwechsel zeigt, dass sie ihm mit ihrer Lebensklugheit in spirituell schwierigen Lebenslagen helfen und er mit großem Feingefühl auch auf sie eingehen konnte. Lokis Freundschaft mit dem katholischen Pater Wolff scheint auch Auswirkungen auf Helmut Schmidt gezeitigt zu haben, zumindest berichtete er später von drei Vertretern der katholischen Kirche als persönliche Ansprechpartner: den Jesuiten Oswald von Nell-Breuning, den ersten Bischof der neu gegründeten Diözese Essen, Franz Hengsbach, und den Wiener Kardinal Franz König. Als engagierte Befürworter der katholischen Soziallehre wurden sie für Schmidt wichtige Ratgeber in der Sozialpolitik.[298]

Zu der Gemeinde ihrer Hochzeitskirche in Hambergen nahmen die Schmidts in den achtziger Jahren erneut Kontakt auf, was dazu führte, dass Loki Schmidt 1983 die Schirmherrschaft für das 230. Kirchenjubiläum übernahm. Auch anlässlich ihrer goldenen und diamantenen Hochzeit bedachten die Schmidts die Kirche in Hambergen mit einer großzügigen Spende.[299]

Ihre Treue zur evangelischen Kirche und ihre Verbunden

Der Tradition der Hansestadt Hamburg entsprechend, werden Trauerfeiern für bedeutende Bürger in der Hauptkirche St. Michaelis abgehalten. Daher gaben auch die Schmidts ihre Einwilligung dafür. Der kirchliche Anteil solle nicht allzu groß sein und es müsse eine deutliche Trennung zum Staatsakt erkennbar sein, hatte Helmut Schmidt zuvor für seinen Abschied verfügt. So gab es den Kitt der Kirche, der gerade auch in der Trauer eine Gesellschaft zusammenhält, am Ende dann auch für das Leben von Loki und das von Helmut Schmidt.