Am Jahresbeginn 1985 berichtete Helmut Schmidt seiner Frau von der Idee, einen Kreis von interessanten Hamburger Persönlichkeiten zu einem regelmäßig tagenden Gesprächszirkel in den Neubergerweg einzuladen. Wichtig war ihm, Menschen aus verschiedenen Berufsfeldern dafür zu gewinnen, die Bedeutendes geleistet hatten und über den eigenen Tellerrand hinausschauen konnten. In Bezug auf die Frequenz des Zusammenkommens hatte er auch schon Vorstellungen: Nur im Winterhalbjahr und einmal im Monat, genauer an jedem zweiten Freitag des jeweiligen Monats, sollte dieser Kreis sich in Langenhorn treffen.

Schmidt war selbst schon einmal Mitglied einer vergleichbaren Runde im Hause der Gräfin Dönhoff in den sechziger Jahren gewesen. Daran hatte er sich erinnert, so etwas wollte er nun mit Hilfe seiner Frau ebenfalls ins Leben rufen. Ob Helmut Schmidt ihr bei diesem ersten Gespräch angetragen hat, selbst eines der Mitglieder der zukünftigen Gesellschaft zu werden, bleibt ungewiss. Gewiss ist aber, dass er gefragt hat, ob sie bereit sei, die Rolle der Gastgeberin zu übernehmen. Immer sollte es am Anfang ein schlichtes Essen geben, dazu Tischgespräche und dann im Wohnzimmer einen etwa halbstündigen Vortrag mit anschließender Aussprache. Nach Loki Schmidts Erinnerung stimmte sie seinem Vorschlag spontan zu. Für sie war es auch kein Problem, »bloß« Gastgeberin zu sein. Dass er aber in seinem ersten Schreiben an die zukünftigen Mitglieder der Gesellschaft vom 17. März 1985 seine Frau mit keiner Silbe erwähnt, ist zumindest für einen außenstehenden Betrachter irritierend.

Das erste Treffen der von Schmidt selbst titulierten »Freitagsgesellschaft«[317] wurde für den 11. Oktober 1985 angesetzt. Alle von ihm persönlich angeschriebenen Teilnehmer waren

Zu den jeweiligen Vorträgen des Abends diskutierte die Gesellschaft offen und kontrovers. Die Vorträge waren von hohem Niveau, 1999 und 2012 veröffentlichte Schmidt eine Auswahl unter den Titeln Beiträge und Neue Beiträge zum Verständnis unserer Welt. Zum Abdruck kamen auch die beiden Vorträge, die Loki Schmidt in der Freitagsgesellschaft gehalten hat. Sie referierte über ihre botanischen Spezialgebiete: die Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt und das botanische Leben an Extremstandorten. Loki Schmidt selbst erinnerte sich, dass

Während der Diskussionen bemühte sich Schmidt um Zurückhaltung, oft ergriff er am Ende noch einmal das Wort. Der eher nüchterne Physiker und ehemalige Präsident der Technischen Universität Harburg, Hauke Trinks, bemerkte dazu: »Schmidt war ein Meister darin, scharfsinnige Fragen zu stellen, die exakt auf den schwachen Punkt einer Debatte zielten. Unglaublich, was er für ein Gedächtnis hatte und wie er bis zuletzt alles durchblickt hat. […] Alle waren beeindruckt.«[318]

Das stimmt nicht ganz. Peter Schulz äußerte sich fast ein wenig mokant: »Unter dem Strich hatte Helmut Schmidt diese Runde ins Leben gerufen, um schlauer zu werden. Sein Ziel war es schlicht und ergreifend, aus profundem Munde Wissen aufzusaugen.«[319] Ein anderer Teilnehmer litt sogar ein wenig an der spürbaren Dominanz des Hausherrn, vor allem aber daran, dass im großen Kreis kaum einmal ein persönliches Wort gefallen sei, selbst dann nicht, wenn ein Mitglied schwer erkrankt oder gar verstorben war.

Zu Loki Schmidts Rolle gab es keinerlei geteilte Meinungen: Sie erfüllte die Rolle der Gastgeberin perfekt. Wenn die Gäste eintrafen, war dafür gesorgt, dass an der Bar des Hauses vom früheren Sicherheitsbeamten Otti Heuer Getränke serviert wurden und dass pünktlich nach einer halben Stunde gemeinsam gegessen wurde. Über lange Jahre bereitete Loki Schmidt das Essen für die Gesellschaft in der eigenen Küche zu. Erst als ihr die Vorbereitungen merklich schwerer fielen, beauftragten die Schmidts einen Catering-Service.

Das Wichtigste an Loki Schmidts Gastgeberrolle war allerdings, dass sie für eine freundliche Atmosphäre sorgte. Für alle

Fünfundzwanzig Jahre lang haben die Schmidts die Freitagsgesellschaft gemeinsam vorbereitet und waren sehr zufrieden, dieses Vorhaben umgesetzt zu haben. Die Debattierrunde war Helmut Schmidts Idee gewesen, aber ohne die Gastgeberin Loki Schmidt und ihre aktive Unterstützung wäre der Gesprächszirkel wohl nicht so erfolgreich gewesen. So gesehen war die Freitagsgesellschaft auch für das Ehepaar ein gelungenes gemeinsames Projekt.

Nach Loki Schmidts Tod gab es die Freitagsgesellschaft bis zu ihrer Auflösung im Oktober 2015 fünf weitere Jahre. Auf dem Platz, den Loki Schmidt fünfundzwanzig Jahre am Esstisch der Freitagsgesellschaft eingenommen hatte, saß nun Ruth Loah, die neue Lebensgefährtin von Helmut Schmidt. Gesprochen wurde darüber in der Runde nicht. Vielen mag es aber so gegangen sein wie Reimar Lüst, Mitglied der Freitagsgesellschaft von Beginn an: »Alles was Helmut Schmidt nach dem Tod von Loki guttat, habe ich befürwortet.«[320]