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In der folgenden Woche verdränge ich den Gedanken an die Rosenschau. Ich kann jetzt sowieso nichts mehr ändern, es sei denn, in der Zwischenzeit würde eine noch hübschere Rose aufblühen, wogegen ich natürlich nichts einzuwenden hätte. Wir haben beschlossen, dass Riley mich zu der Show nach San Luis Obispo fährt.

Riley steht pünktlich auf, überraschenderweise ohne zu murren, zieht ihre Uniform an und fährt früh mit mir zur Schule. Ich bin gern eine Stunde vor Unterrichtsbeginn dort, falls ein Schüler Hilfe braucht. Meistens geht Riley rüber in Daras Raum und zeichnet.

Sie sollte wirklich mit den anderen Schülern am Förderunterricht teilnehmen. Riley ist in meinem Biologiekurs und hat alles, was sie an ihrer alten Schule gelernt haben mag, entweder vergessen oder noch gar nicht gehabt. Sie starrt ins Mikroskop und kann die richtigen Zellen nicht erkennen. Eine Blutzelle scheint für sie genauso auszusehen wie eine Pflanzenzelle. Ich weise sie auf die Unterschiede hin, sie gibt mir recht, aber am nächsten Tag hat sie es schon wieder vergessen. Außerdem kann sie sich überhaupt keine wissenschaftlichen Namen für irgendwas merken.

Ursprünglich dachte ich, sie hätte ein eher bildliches Vorstellungsvermögen, weil sie sich so zur Kunst hingezogen fühlt. Inzwischen glaube ich, dass sie durch Ausprobieren lernt. Ihr größtes Problem ist, dass sie nicht besonders gut abstrakt denken kann. Kurzum, sie könnte jede Unterstützung brauchen, die sie in den Naturwissenschaften bekommen kann, weil ihr nichts in den Schoß fällt.

»Ich lerne lieber allein«, erklärte mir Riley, als ich ihr vorschlug, mitzukommen und sich ein bisschen helfen zu lassen. Wir hatten bisher noch keinen Test, sodass ich nicht sagen kann, wo sie in meiner Klasse steht. Allerdings müsste ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mir um sie keine Sorgen mache.

»Sei nicht so stur«, sage ich. »Es ist kein Verbrechen, wenn man keinen Draht zur Biologie hat. Vielleicht ergeht es dir ja in Physik besser.«

Ich spreche Dara beim Mittagessen darauf an. »Was zeichnet sie?« Riley hat mir nicht gezeigt, was sie im Kunstunterricht macht, und Dara hält das meiste bis zum Ende des Jahres zurück, um dann für die Eltern eine Ausstellung zusammenzustellen.

»Meistens Menschen.« Nachdenklich knabbert Dara an ihrem Salat herum. »Die meisten zeichnen normalerweise entweder Menschen oder Landschaften. Sie bevorzugt definitiv Menschen. Aber ich versuche gerade, sie etwas von der gegenständlichen Kunst wegzubringen, damit sie mit unterschiedlichen Medien experimentiert.«

Ich habe keine Ahnung, wovon sie redet. »Du verwandelst sie also in einen Picasso?«

Dara schenkt mir ein kurzes Lächeln. »So ungefähr. Picasso wusste auch, wie man realistisch zeichnet, bevor er sich auf die abstrakte Kunst einließ.«

»Es ist doch komisch. In ihrer letzten Schule hatte sie nur eine mittelmäßige Zensur in Kunst. Und im Sozialverhalten war sie auch nicht besonders.« Ich überlege, woran es gelegen haben könnte. Quatschen im Unterricht? Hausaufgaben nicht gemacht? Diese Betragensnoten, die zusätzlich zu den fachlichen Zensuren ausgegeben werden, kommen mir oft willkürlich vor und variieren von Lehrer zu Lehrer. Manche bestrafen die Kinder sogar dafür, dass sie zu wenig gesagt haben. Für mich schadet Schweigen dem Lernen nicht.

»Vielleicht hat man ihr vorher keine Chance gegeben, oder vielleicht kommt ihr auch die kleinere Schule entgegen.«

»Ich glaube, es liegt an der Uniform.« Riley sitzt am Mittagstisch bei Sam und ihren Freundinnen. Ihre schwarzen Haare sind ein Stück herausgewachsen, sodass ein heller Ansatz zu sehen ist. Sicher wäre es teuer und zeitaufwendig, die Farbe zu entfernen, also denke ich mir, sie soll sie ruhig rauswachsen lassen. »Uniformen lösen so manches Problem.« Mit hochgezogenen Augenbrauen mustere ich Daras Aufzug, eine knallpinke Bluse mit schwarzer Hose und schwarz-weiß gestreiftem Schal.

Sie winkt ab.

Ich stütze meinen Kopf mit einer Hand. »Bin ich nicht mütterlich genug?«

»Du meinst hegend und pflegend? Warm und kuschelig?« Dara knabbert zart an ihrer Karotte. »Wohl kaum.«

»Ich kann nicht sein, was ich nicht bin.«

»Jeder kann sein Verhalten ändern, Gal. Das verlangen wir von den Kindern doch auch.«

»Ich bin zu alt, um mich zu ändern«, entgegne ich.

Dara wischt ihre Hände ab und setzt ein Lächeln auf. Ich sehe dorthin, wo sie hinsieht. Mr Morton.

Er trägt ein lila Hemd mit kleinen Karos und einen lilaschwarzen Pullunder zu seiner Cargohose. Ich bin nicht daran gewöhnt, Männer in Lila zu sehen, aber es steht ihm gut. Ich sehe, dass alle Mädchen kichern, als er an ihnen vorbeigeht, aber davon kriegt er zum Glück nichts mit. Er setzt sich an unseren Tisch. »Ich habe mir überlegt, wir sollten für die Wissenschaftsolympiade eine Blide bauen.«

»Was ist eine Blide?«, fragt Dara.

»So was wie ein Katapult.« Ich trinke mein zugeteiltes Wasser in einem Zug aus. Verdammt. Immer noch durstig. Ich beiße in meinen Apfel, um etwas Saft zu bekommen. »Es ist für einen Wettkampf namens ›Sturm auf die Burg‹.« Ich nicke Mr Morton zu. »Das habe ich zwar noch nie gemacht, aber wenn Sie wollen, bin ich dabei.«

Dara ist ganz aufgeregt. »›Sturm auf die Burg‹? Das klingt, als würde es Spaß machen. Soll ich euch ein paar mittelalterliche Kostüme entwerfen?«

Mr Morton und ich lachen und werfen uns einen Blick zu. Seine Augen sind fröhlich. Sie tanzen fast. Er sagt: »Die könnten wir bestimmt anziehen, aber eigentlich geht es eher um die praktische Anwendung physikalischer Gesetze.«

»Das besprechen wir beim nächsten Treffen für die Wissenschaftsolympiade. Sind Sie denn handwerklich geschickt? Da wären Sie hier die große Ausnahme. Deshalb haben wir so was auch noch nie gebaut.«

Er rümpft die Nase. »Ich kann IKEA-Möbel zusammenschrauben.«

»Da haben Sie den meisten anderen was voraus. Wir bräuchten einen richtigen Handwerker. Vielleicht findet sich ja ein hilfreicher Schülervater, damit wir uns nicht gegenseitig mit den Balken erschlagen.« Wieder lache ich mit ihm gemeinsam.

Ich schaue zur Uhr. »Zeit für meine Medizin. Wir sehen uns später.« Ich stehe auf, um mein Tablett wegzubringen, und spüre ein seltsames Flattern im Bauch. Liegt das an Mr Morton? Das kann nicht sein. Ich albere doch mit allen herum. Ich stelle mein Tablett weg, drehe mich zum Tisch um und sehe gerade noch, wie Dara sich vorbeugt, mit einer Hand auf seinem Unterarm, und Mr Morton über etwas lacht, was sie sagt. Ich dachte, er ist nicht ihr Typ. Aber andererseits, wann hatte Dara jemals einen bestimmten Typ? Er ist besser als die meisten Hallodris, mit denen sie ausgeht. Ich kann gar nicht sagen, ob es Wut oder Frust ist, was mir schwer im Magen liegt. Auf dem Weg hinaus stoße ich die Tür der Cafeteria etwas heftiger auf als nötig.