12

Der Tag der Rosenschau, der letzte Samstag im April, beginnt bedeckt. Ich hoffe, die grauen Wolken verziehen sich noch, und die Sonne kommt heraus. Irgendwo habe ich gelesen, es sei ein Zeichen von mangelnder Geisteskraft, wenn man seine Stimmung vom Wetter beeinflussen lässt, und es tut mir leid, sagen zu müssen, dass mein Geist heute mottenzerfressen ist wie ein uraltes Nachthemd. Ich bleibe einen Moment auf der Bettkante sitzen. Stelle mir einen sonnigen Tag vor. Einen perfekten Tag. Perfekte Rosen. Queen of Show. Es klappt nicht. Meine angeborene Verdrossenheit ist übermächtig. Ich gebe es auf.

Ich habe eine Überraschung für Riley, halte sie mit einer Hand hinterm Rücken. Ein rosa Handy, für sie ganz allein. Sobald meine Mutter von meiner Idee mit den Handys erfuhr, hat sie uns zu ihrem Familienvertrag hinzugefügt und zwei Handys gekauft.

»Riley!« Ich klopfe an ihre Tür. »Bist du so weit?«

»Komme schon.« Riley schießt hervor, schließt die Tür eilig hinter sich. Sie trägt knallenge, schwarze Jeans und eine weite, weiße Bauernbluse, die aussieht, als könnte sie aus dem Schrank meiner Mutter stammen, zirka 1975. Der nächste Stilwechsel, ein Chamäleon, das sich einfügen möchte. Kurz habe ich den Eindruck, als wollte sie etwas vor mir verbergen, aber ich wüsste nicht, was. Warum sollte ich so etwas denken? Ich habe keinen Anlass. Nimmt mein elterliches Radar langsam die Arbeit auf? »Alles okay?«

»Klar.« Sie sieht mir in die Augen, und ich weiß, dass sie mir nicht die Wahrheit sagt.

Aber ich möchte die Überraschung nicht verderben. Ich werde mich über meine eigene Laune hinwegsetzen und ignorieren, was dieses Mädchen vor mir verbergen mag. »Rate mal, was ich hier habe.«

Ihre Erleichterung ist fast greifbar, als ich das Thema wechsle. Ich hole meine Hand hinter dem Rücken hervor und zeige ihr das Telefon. Ein kleines, rosafarbenes Handy.

Statt begeistert zu sein, weicht sie zurück. Wieso reagiert dieses Mädchen immer anders, als ich es erwarte? »Meine Mom hat gesagt, sie will mir eins besorgen.«

»Na, das hat sie aber noch nicht getan, und bis dahin reicht auch das hier.« Ich dränge es ihr auf. »Es ist kein besonderes Handy, aber man kann damit telefonieren.«

»Toll. Danke.« Ihre Stimme klingt ausdruckslos.

Ich schätze, Becky hat ihr ein iPhone versprochen. Mal sehen, ob sie ihr Versprechen auch einlöst. Innerlich zucke ich mit den Schultern. »Dann wollen wir uns jetzt mal ins Vergnügen stürzen.«

Ich habe Riley nach unserer kleinen Auseinandersetzung um das Wissenschaftsteam in Ruhe gelassen. Mr Morton meinte, es sei jemand ausgestiegen, als ich weg war, und wir bräuchten einen Ersatz. »Ich kümmere mich darum, dass Riley vorbereitet ist«, sagte er, als ich ihn nach der Schule im Chemieraum auf seinen unzulässigen Kuhhandel ansprach. Er verschränkte die Arme.

»Es gibt eine Warteliste. Wir nehmen den ersten Anwärter«, sagte ich.

Er zog ein langes Gesicht. »Davon wusste ich nichts.«

»Sie haben mich nicht gefragt.« Die Leute fragen mich nie. Sie vermuten irgendwas. Es ist, als hätte ich überhaupt nichts zu sagen. »Das Wissenschaftsteam ist hier sehr beliebt.«

Er löste die verschränkten Arme. »Ich bin der Meinung, dass alle interessierten Schüler mitmachen sollten, nicht nur ein paar. Sollen doch alle davon profitieren.«

»Nur die besten Schüler kommen ins Team. Die anderen müssen warten und können als Ersatz einspringen oder es nächstes Jahr noch mal versuchen. Die Teams sind begrenzt.« Ich bin nicht eben begeistert, Mr Morton so zu konfrontieren und unsere bis dato harmonische Beziehung zu belasten. Jeden Donnerstag haben wir uns nach der Schule getroffen, um unsere Teams zu coachen, er mit der Blide, ich mit meinen Physiologieschülern. Für mich sind zehn in meiner Gruppe genug, außerdem passen nicht mehr als zwanzig Kinder in den kleinen Klassenraum. Aber er hatte die grenzenlose Energie und Begeisterungsfähigkeit eines neuen Lehrers. Wahrscheinlich würde es ihm nichts ausmachen, noch ein halbes Dutzend Schüler mehr aufzunehmen.

»Ich muss mich entschuldigen«, sagte Mr Morton und berührte mich am Arm. »Aber ich habe eine Idee. Wenn wir noch mehr Freiwillige unter den Eltern finden, können wir so viele Schüler aufnehmen, wie wir Platz haben.«

Sprachlos starre ich ihn an. Er weiß nicht, wie schwer es ist, freiwillige Eltern zu finden, besonders an einer Schule, bei der das Schulgeld sämtliche Kosten decken sollte. Und wie schwierig es erst wird, wenn man wohlmeinende Eltern hat, die gern helfen wollen, vom Thema aber keine Ahnung haben. Die stehen nur im Weg. »Ich weiß, dass es unter egalitären Gesichtspunkten schön wäre, alle ins Team aufzunehmen, aber so funktioniert das nicht. Wir begrenzen die Größe, genau wie das Footballteam.«

Gerade denke ich über diese Auseinandersetzung mit Mr Morton nach, als mir meine Nichte auf dem Flur gegenübertritt. Sie scheint ihren Sturz verwunden zu haben.

Riley bindet ihre Bluse zu. »Wollen wir hier noch den ganzen Tag rumstehen, oder was?«

»Oder was.« Mir fällt auf, dass ihre Haare braun nachwachsen. »Sollten wir dir dafür eine Tönung kaufen?«

Sie zuckt mit den Schultern, dann fasst sie sich an den Kopf. »Sieht es denn schlimm aus?«

»Geht schon. Und für deinen Kopf wird sowieso niemand Augen haben. Nur für meine Rose.« Ich gehe raus zum Wagen, wo die Rose schon in einer Kühltasche im Kofferraum steht. »Komm. Heute kriegst du ein bisschen Übung im Highwayfahren.«

Sie klatscht in die Hände. »Yay! Im August werde ich sechzehn. Ich brauch noch reichlich Übung!«

»Ich weiß.« Ich händige ihr die Schlüssel aus. »Aber ohne gute Zensuren kein Führerschein. Abgemacht?«

»Abgemacht.« Darauf geben wir uns die Hand.

Riley ist auf dem Freeway noch vorsichtiger als ich, hält sich stur an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit, obwohl die anderen Autos an ihr vorbeirasen. »Du musst dich an die Geschwindigkeit der anderen anpassen«, sage ich und kralle mich in meine Armlehne.

»Die fahren viel schneller, als sie dürfen!« Ihre Knöchel am Lenkrad werden weiß.

»Nimm die nächste Ausfahrt und halt an. Ich fahre.«

»Ich kann es. Ich kann es.« Sie klingt wie ein Sprechchor. »Ich kann es, Tante Gal.«

»Bau bloß keinen Unfall. Du machst noch die Rose kaputt.« Rose G42 steht eingewickelt in ihrem Topf, und der wiederum befindet sich in einem provisorischen Getränkehalter in der Kühltasche, damit er nicht herumklappert. »Von dir und mir mal ganz abgesehen.«

Sie schnaubt. »Schön zu wissen, wo ich stehe.«

»Hey, ich hab mich selbst ans Ende der Liste gesetzt.«

Der Veranstaltungsort in San Luis Obispo ist klein, in einem angemieteten Gemeindeheim. Allerdings bietet er einen Blick aufs Meer. Jenseits des steilen Abhangs breitet sich das Wasser aus. Wir stellen den Wagen ab, stehen auf dem Parkplatz und starren in die Wellen unter uns. Von hier oben sehen die Surfer aus wie wild gewordene Ameisen. Riley atmet tief ein. »Die Luft riecht gut und salzig. Wie zu Hause.«

Ich denke, ich sollte sie in den Arm nehmen, aber ein physischer Zuneigungsbeweis scheint mir doch zu peinlich. Lieber stopfe ich die Hände in die Taschen meiner Jeans. »Ja. Bestimmt bist du das kühle Wetter in San Francisco gewöhnt.« Ein weiteres Detail, das ich bei Rileys Akklimatisierung an ihre neue Umgebung übersehen habe. Daran habe ich kaum einen Gedanken verschwendet. »Aber der menschliche Körper gewöhnt sich an alles.«

»Ich weiß.« Wieder klingt Riley genervt. Ich bin es nicht gewohnt, dass Teenager so unverhohlen von mir genervt sind. Im Unterricht geben sich die Schüler normalerweise Mühe, ihren Ärger hinunterzuschlucken.

Ich öffne den Kofferraum und nehme die Kühltasche heraus. »Willst du mir helfen oder nur dumm rumstehen?«

»Ich wusste nicht, dass du Hilfe brauchst.« Aber sie hebt das eine Ende an, und plötzlich ist meine Last viel leichter.

Ich ziehe den Griff heraus und bewege mich allmählich über den Parkplatz. »Danke.«

Diese Rosenschau hat nur etwa hundert Teilnehmer in knapp zehn Kategorien. Es ist eher eine Ausstellung des örtlichen Rosenzüchtervereins als eine große Show, aber ich musste nicht weit fahren, und es ist ein guter Test für G42. Hier zählen nur die großen Kategorien: die Hybriden, die Floribundarosen, die Zwergrosen, die Neue Rose.

Bei anderen, größeren Shows gibt es Dutzende Unterkategorien, bei denen die Präsentation der Rosen zu einer komplexen Kunstform gerät. Es gibt Kategorien für einzelne Blumen in Vasen, die »English Box«, einen Kasten mit einer Reihe von sechs Löchern für die Rosen, und Farbpaletten, in denen die Blüten in den Löchern stecken, die normalerweise für die Farben des Malers vorgesehen sind. Außerdem gibt es Kategorien, die sich den besten Gestecken widmen, oder Kategorien, in denen ein Preis für Blüten vergeben wird, die am hübschesten in kristallenen Wasserschälchen schwimmen.

Alle anderen scheinen schon aufgebaut zu haben. Teilnehmer an Rosenschauen sind gern früh da, um sich die besten Vasen und Plätze unter den Nagel zu reißen.

Ich brauche keine Vase, und ebenso wenig glaube ich, dass es etwas ausmacht, wo man sitzt. Die meisten Rosen werden geschnitten vorgeführt, es sei denn, es sind Sämlinge wie meine oder Zwergrosen. Ich habe meine G42 in ihrem Topf dabei, in ihrer ganzen Blütenpracht. Ich wische ihre Blätter mit einer ausgedienten Strumpfhose ab.

Riley beobachtet mich. »Wozu ist das gut?«

»Glanz.« Ich betaste die Blätter. »Man sieht die fettigen Finger darauf.«

Sie runzelt die Stirn. »Das ist doch irgendwie geschummelt.«

»Es ist nicht mehr geschummelt, als wenn sich Miss America die Lippen anmalt.« Ich setze meine Pflegemaßnahmen fort, achte darauf, die Blätter nicht einzureißen.

Eine Frau kommt herüber und rümpft die Nase. »Das ist doch keine Rose, oder?«

»Es ist eine Hulthemia.« Riley verschränkt die Arme und richtet sich zu ihrer vollen Größe auf. Ich bin stolz auf sie. »Eine Rosenart.«

»Ich finde sie zauberhaft«, sagt eine andere weibliche Stimme. Es ist Miss Lansing, die Jurorin, der ich vor Jahren begegnet bin, als ich Byron kennengelernt habe. Sie ist immer noch so stark geschminkt wie damals. Dem Veranstaltungsort am Meer entsprechend trägt sie offene Sandalen mit knallrosa Nagellack. Sie beugt sich herüber und haucht mir einen Kuss auf die Wange. Ich verziehe ein wenig das Gesicht. »Wie geht es Ihnen, Galilee?«

»Auf so einer kleinen Show hätte ich Sie gar nicht vermutet.« Ich schüttle ihre Hand und stelle ihr Riley vor.

»Herzchen, wenn man mir das Hotel bezahlt, fahre ich sonst wohin.« Sie würdigt meine Nichte kaum eines Blickes, lässt die Rose nicht aus den Augen. »Duft?« Sie beugt sich vor und schnüffelt. Sie macht sich keine Notizen auf ihrem Block. Ihr Bleistift bleibt in der Tasche.

»Kaum, aber sie gehört zu den Öfterblühenden.«

Miss Lansing blickt auf. Dann tut sie etwas Seltsames. Sie klopft mir auf die Schulter. »Ich freue mich für Sie, Gal.«

»Danke?« Ich bin völlig verwirrt.

»Sie sollen wissen, dass ich Sie in unseren Gebetskreis in der Kirche aufgenommen habe.« Ihr Lippenstift blutet in die feinen Fältchen um ihren Mund.

»Danke«, wiederhole ich. Byron muss ihr von meiner Niere erzählt haben. Von mir hat sie es bestimmt nicht.

Noch einmal klopft sie mir schwer und übertrieben vertraut auf die Schulter, dann geht sie weiter.

»Liegt es an mir, oder war da was komisch?«, frage ich Riley.

»Definitiv komisch.« Riley ist ganz meiner Meinung.

Jetzt können wir nur noch auf die Ergebnisse warten.

Wir machen einen Rundgang. Byron ist natürlich nicht da, und ich kenne niemanden näher, also muss ich auch niemanden grüßen. So mag ich es. Ohne Verpflichtung.

Ich erkläre Riley die unterschiedlichen Rosen und raune ihr im Vorübergehen die besten Eigenschaften zu. »Was glaubst du, welche ›Queen of Show‹ wird? Außer meiner.« Ich erkläre ihr, dass es zwar Preise in jeder Kategorie gibt, die Queen aber aus allen Kategorien kommen kann. Es ist die beste Rose von allen.

Wir schlendern die Gänge auf und ab und sehen uns unabhängig voneinander die Rosen aus der Nähe an. Mir gefällt eine orangefarbene Zwergrose mit würzig-süßem Duft. Jede Blüte scheint aus hundert Blättern zu bestehen.

Schließlich bleibt Riley an einem Tisch im vierten Gang stehen. »Die hier.« Riley zeigt auf eine große weiße Rose mit hellrosa Rändern und dunkelrosa Herz. Sie steht in einer hohen Vase, mit langem Stiel, etwas abseits der anderen Blumen des Ausstellers. Den halben Gang weit ist der Duft zu riechen, erstaunlich, wenn man bedenkt, wie viele Rosen es in diesem Raum gibt. Es handelt sich um eine Moonstone-Rose, ein hübscher Name und ein prächtiges Exemplar, auch wenn es keine neue Rose ist wie meine.

»Und wieso?« Ich frage sie, um herauszufinden, ob sie mitbekommen hat, was ich ihr erklärt habe, obwohl es schien, als gäbe sie sich alle Mühe, bloß nicht zuzuhören. Ich erwarte, dass sie mit den Achseln zuckt und sagt, sie weiß es nicht.

Sie stutzt und neigt den Kopf, umkreist die Rose. Der Aussteller, ein Mann von Mitte sechzig, mustert sie besorgt, als wollte sie sich auf seine Blume stürzen und sie zerpflücken. Was immerhin eine Möglichkeit wäre, Wettbewerber auszuschalten.

Riley zählt die Eigenschaften an ihren Fingern ab. »Leuchtendes Grün. Erstklassiger Duft. Keine Spuren von Befall. Sie sieht fast aus wie eine Seidenblume, nur besser.« Sie wendet sich dem Mann zu. »Wie haben Sie das hinbekommen?«

»Geheimdünger.« Er zwinkert ihr zu. »Ich schreibe dir das Rezept auf.«

»Danke. Ich gebe es an meine Tante weiter. Sie züchtet Rosen.«

Moment mal. Der Mann will mir einfach so sein Geheimrezept verraten? Ich hoffe, das wird kein Sabotageversuch mit Arsen oder so was, um meine Pflanzen umzubringen.

»Sie brauchen Kaffeesatz und Luzerne«, sagt er und kritzelt die Zutaten auf die Rückseite einer Serviette. »Ich bin schon seit dreißig Jahren dabei, die Zusammensetzung zu perfektionieren.«

»Wow. Fast so lange, wie meine Tante alt ist.«

»Dreißig ist doch gar nichts«, sage ich und finde, dass man mit dreißig noch gar nicht so alt ist.

»O doch. Das ist lange.« Riley nimmt die Serviette von dem Mann entgegen und nickt.

»Ich kann nicht fassen, dass Sie so freigebig sind«, platze ich heraus.

Er lacht, klickt auf seinen Kugelschreiber und steckt ihn in die Tasche seines rot karierten Hemdes. »Wie kommen Sie darauf? Rosenzüchter helfen einander doch immer. Gehören Sie denn keinem Verein an?«

»Nur auf dem Papier.« Ich betrachte die anderen Rosen.

»Dann wollen Sie wohl das Rad neu erfinden.« Er schüttelt mir die Hand. »Da wünsche ich viel Glück. Winslow Blythe.«

»Danke gleichfalls.« Ich schüttle zurück, dann fällt mir ein, woher ich den Namen kenne. »Moment. Sind Sie der Winslow Blythe? Siegerrosen

»Der bin ich.« Er nickt. »Haben Sie die sechste Ausgabe? Da steht dieses Rezept drin.«

»Nein, ich habe die vierte. Ich dachte, da ändert sich nicht viel.« Außerdem bin ich zu sparsam, um mir jedes Jahr einen neuen Rosenführer zu kaufen.

Er schüttelt den Kopf. »Nein, nein, immer wieder neues Material.«

Riley stopft die Serviette in ihre Hosentasche. Ich halte ihr meine Hand hin. »Gib her, so landet der Zettel doch nur in der Wäsche.«

»Na gut. Moment.« Sie streicht ihn glatt.

12 Becher Luzerne-Pellets

¾ Becher Bittersalz

¼ Becher Eisenchelat

1½ Becher organischen Kompost

Wasser (nehmen Sie den Schlauch)

Großer Behälter mit Deckel (mindestens 130 Liter)

Ich empfehle, den Behälter in der Nähe der Rosen aufzustellen, bevor man beginnt. Er ist zu schwer, um ihn zu bewegen, und stinkt zum Himmel.

Füllen Sie einen großen Eimer mit Wasser. Eine Mülltonne aus Plastik wäre gut. Geben Sie sämtliche Zutaten hinein, und rühren Sie gut um (ich nehme dafür einen alten Besenstiel).

Legen Sie den Deckel drauf, und lassen Sie das Ganze vier Tage bis zwei Wochen stehen. Ist das Wetter heiß oder Ihre Tonne steht in der Sonne, geht es wahrscheinlich schneller.

Nehmen Sie den Deckel ab. Mit einem kleinen Eimer schöpfen Sie den »Tee« ab. Ausgewachsene Büsche bekommen alle zwei Wochen je vier, Zwergrosen zwei Liter. Frisch gepflanzten Rosen sollten Sie es nicht geben, weil es sie verbrennt.

»Und was werden meine erstaunten Äuglein dann zu sehen bekommen?« Ich stecke das Rezept in meine Gürteltasche, für Dara ein modisches Unding, aber dennoch praktisch.

»Sie haben noch nie etwas von Düngertee gehört?« Blythe grinst mich an. Angeblich ist er über achtzig, sieht aber eher aus wie sechzig. Er hat wache, blaue Augen und silbrige Haare, die ihm in dünnen Strähnen am Kopf kleben. »Stinkt viel weniger als Fischemulsion.«

Ich denke an meine Nachbarin. »Manchmal kann es meinetwegen ruhig stinken.«

Blythe winkt uns. »Wir sehen uns sicher noch. Wie heißen Sie?«

»Gal«, antworte ich.

Riley und ich gehen weiter. »Siehst du, ich bin nützlich.« Riley grinst, mit Grübchen und Bäckchen. Das kleine Mädchen, das sie einmal war, zeigt sich in ihrem Gesicht. Plötzlich schmerzt mich die Erinnerung an ihre pummeligen, kleinen Arme und Beine, die ich so nie wiedersehen werde.

Ich schlucke. »Riley, ich möchte dir was sagen.«

»Was?« Sie fährt auf ihren Converse-Tretern herum, weiße Latschen, mit Filzstift bemalt.

Ich sage es schnell, bevor ich es mir anders überlege. »Es tut mir leid, dass ich mich nicht öfter um dich gekümmert habe, als du klein warst.«

Ihre gute Laune verfliegt schneller als Pollen im Wind. »Warum sagst du das jetzt?«

Ich greife nach ihr, berühre ihren Arm. »Weil es mir gerade eben bewusst geworden ist.«

Riley weicht zurück, starrt aus dem Fenster neben uns. Sie legt ihre Stirn an die Scheibe, spricht ganz leise. »Es ist dir gerade eben bewusst geworden. ›Gerade eben.‹ Nach wie vielen Jahren?« Sie kratzt sich an der Nase, dreht sich zu mir um. Ihre Augen fangen alles Licht ein, das durch das Fenster hereinfällt, und funkeln mich an. »Weißt du was? Vergiss es einfach.«

Ich erschrecke über ihren düsteren, gleichmütigen Tonfall. »Riley.«

»Es ist mein Ernst. Ich mach mir jedenfalls keinen Kopf darum. Macht sich ja sonst auch keiner.« Sie sieht sich im Saal um. »Ich hol mir was zu essen, okay?«

»Ich hab dir ein Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade mitgebracht.« Ich krame die Tüte aus meiner Gürteltasche. Sie ist etwas zerdrückt, die Marmelade durchs Brot gequetscht. »Vielleicht hätte ich es lieber in die Kühltasche tun sollen.«

Kommentarlos nimmt sie die verschmierte Tüte. »Ich glaub, ich ess das draußen.« Und schon ist sie weg.