Nach der Schule habe ich heute nichts anderes zu tun, als mich um meine Rosen zu kümmern. Solche Tage sind mir die liebsten. Gerade warm genug für kurze Ärmel, aber nicht so heiß, dass das Hemd klebt. Sonnenschutz kann, muss aber nicht.
Während Riley im Haus sitzt und lernt, schlüpfe ich in meine dreckigen Klamotten, setze meinen großen Strohhut auf und gehe hinaus. Neulich habe ich eine Blattlaus gefunden. Die von mir ausgesetzten Marienkäfer reichen nicht, also mache ich heute meine Runde und suche jede einzelne Pflanze nach den kleinen, grünen Viechern ab. Der Mai ist eine kritische Zeit. Ich möchte, dass meine Rosen den ganzen Sommer über blühen. Blattläuse sondern eine klebrige Substanz namens Honigtau ab, die Pilzbefall hervorruft und den Pflanzen ihren Lebenssaft raubt. Wenn man eine Pflanze mit eingerollten, gelben Blättern sieht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es an Blattläusen liegt. Sie sind der Albtraum eines jeden Rosenzüchters.
Die Rosen, die draußen stehen, sind ziemlich befallen. Besonders mache ich mir Sorgen um die Englischen Rosen direkt am Gewächshaus. Ich halte eine Victorian Spice in der Hand, eine pfirsichrote David-Austin-Rose, die mir immer gut gelungen ist. Sie sieht aus, als wäre sie grün gepunktet.
Ich gehe ins Gewächshaus. Meine Sämlinge haben neue Blüten. Ich streiche mit den Händen darüber, suche nach Blattläusen. Hier drinnen scheinen sie noch nicht zu sein, Gott sei Dank. Einige dieser Sämlinge sind absolut unbrauchbar. Einer hat kümmerliche Blätter und unansehnliche Blüten. Ich reiße ihn aus der Blumenerde und werfe ihn in meinen Recycling-eimer, bevor er die anderen Blumen kontaminieren kann.
Ich sehe mir meine frisch gekreuzten Mutterpflanzen an. Sie werden verblühen und zu Hagebutten heranreifen, die wie rote Samenschoten aussehen. Die meisten Leute, die Rosen pflanzen, bekommen sie nie zu sehen, weil sie die Rosen entweder köpfen, bevor es so weit ist, oder weil ihre Rosen steril sind. Bräuchte ich diese Hagebutten nicht zum Züchten, würde ich sie essen. Sie sind voller Vitamin C.
Rose G42 sieht prächtig aus. Ich drehe sie, um sie mir näher anzuschauen. Pflanzen – alle Pflanzen – recken sich beim Wachsen der Sonne entgegen. Das habe ich schon als Kind durch die Beobachtung der Farne bei meiner Mutter gelernt. »Sie wachsen schief, wenn man sie nicht dreht«, sagte sie.
Das trifft auch auf mein Gewächshaus zu, obwohl die Sonne indirekt hereinscheint. Ich muss G42 täglich drehen. Inzwischen hat sie weitere Blüten bekommen. Die eine Blüte, die sie bei der Rosenschau hatte, hat inzwischen mehr Blütenblätter, was sie voller wirken lässt. Die Farben sind so grell, dass sie fast blenden.
Ich beuge mich vor und rieche daran, in der Hoffnung, dass sie auf magische Weise einen Duft entwickelt hat. Nichts. Mir juckt es in der Nase. Sie riecht so gut wie gar nicht, nur ganz normal etwas nach Pollen.
Ich verwende nicht so gern Insektizide, weil sie auch die Nützlinge töten. Aber ich darf nicht riskieren, dass die Blattläuse ins Gewächshaus eindringen. Normalerweise funktioniert das Abwaschen mit Wasser gut, aber in diesem Jahr gibt es einfach zu viel Ungeziefer. Widerwillig hole ich das Gift hervor und mische es in einer kleinen Kanne mit dazugehöriger Spritze, die ich nur zu diesem Zweck benutze.
»Was tust du?« Plötzlich steht Riley hinter mir.
»Meine Güte, Riley, hast du mich erschreckt!«
»Entschuldige.« Sie lehnt sich an den Tisch, berührt G42 mit dem Hintern.
Ich schiebe die Blume vom Rand weg. »Sei bitte vorsichtig.«
Sie nimmt die kleine Plastikspritze mit dem Blattlausgift. »Was ist das?«
»Gift. Stell es wieder hin.«
»Gegen die grünen Viecher?«
»Du hast sie gesehen?«
Sie nickt. »Heute Morgen.«
»Hast du sie nicht von den Rosen abgewaschen?«
»Sollte ich das? Ich dachte, ich wasche Pilze ab und keine Viecher.« Gedankenverloren drückt sie den Abzug. Gift spritzt auf den Boden.
»Vorsicht.« Ich nehme ihr die Flasche weg. Ist sie wirklich schon fünfzehn? »Ja, die solltest du abwaschen. Und jetzt spielen sie verrückt.« Ich rechne. Wenn sie seit Tagen nicht abgewaschen wurden, erklärt das, wieso die Englischen Rosen so viele Blattläuse haben. Ich gehe hinaus und sprühe los.
Sie folgt mir nach draußen. »Du zerstörst ihre biodynamische Organizität.«
»Technisch gesehen sind alle Lebensformen, die auf Kohlenstoff basieren, organisch.« Ich sprühe immer weiter. »›Organisch‹ ist kein sonderlich aussagekräftiger Begriff.« Ich bin pingelig, ich weiß.
Sie legt die Stirn in Falten. »Wie dem auch sei. Die kannst du jedenfalls nicht mehr essen.«
»Die will auch keiner essen.«
»Du vergiftest unser Grundwasser.«
Ich höre auf zu sprühen und betrachte sie finster. »Riley, was willst du?«
»Hast du meinen Biotest schon zensiert?«
Ich wende mich wieder dem Sprühen zu. »Das mache ich heute Abend. Nach Sonnenuntergang. Wenn ich hier fertig bin.«
Sie gibt nicht auf. »Ich möchte wirklich, wirklich gern wissen, wie ich abgeschnitten habe.«
»Ihr kriegt sie morgen wieder.« Ich achte immer darauf, dass ich Arbeiten noch am selben Tag korrigiere, an dem sie geschrieben wurden, damit die Kinder ein möglichst direktes Feedback bekommen.
»Was essen wir heute Abend?«
Ich ignoriere sie. Ich trete von dem Rosenstrauch zurück, als alle Viecher eingesprüht sind, dann widme ich mich dem nächsten.
»Tante Gal?«
Ich sprühe den Strauch etwas heftiger ein als nötig. »Riley, es ist vier Uhr. Wenn du dir Sorgen ums Abendessen machst, kümmer dich doch schon mal darum.«
»Was?«
Ich sprühe die Rosen ein. »Als deine Mutter und ich klein waren, lief es bei uns früher so: Wer das Abendessen nicht abwarten konnte, musste es machen. Glaub mir, es war – gelinde gesagt – ziemlich interessant, was Becky uns da mit elf Jahren aufgetischt hat.«
Riley folgt mir zur nächsten Rose. Sie trägt Shorts, die blassen Beine sehen kalt aus. Natürlich hat sie ihren unvermeidlichen Kapuzenpulli an. »Was hat sie gekocht?«
Ich überlege. Becky hatte sich über Moms gegrillten Brokkoli beschwert, in Olivenöl geschwenkt, über dreißig Minuten bei zweihundert Grad im Backofen, bis er fast schwarz war und knusprig süß schmeckte. Ich mag Moms Brokkoli heute noch, nur darf ich ihn nicht mehr essen. Das erzähle ich Riley. »Kannst du dir vorstellen, dass jemand keinen Brokkoli essen darf?« Ich muss lachen.
»Was hat Mom gesagt?« Riley kann die Finger nicht von den Blättern lassen. Ich klopfe ihr leicht auf die Hand.
»Sie fand sie zu ölig. Also hat Oma gesagt, Becky sollte uns am nächsten Abend was kochen.« Ich grinse, und Riley grinst mit leuchtenden Augen zurück. »Eine seltsame Mischung aus Thunfisch, extrem bissfesten Nudeln und einer Dose Erbsen mit Ranch-Dressing.«
Riley lacht begeistert. »So kocht sie mehr oder weniger immer noch.«
»Ach ja? Was ist denn dein Lieblingsessen bei deiner Mom?«
»Tiefkühlkost.« Wir kichern beide. Riley überlegt. »Einmal, als ich fünf war oder so, hat sie mir zum Geburtstag einen Kuchen gebacken. Eine Backmischung, aber immerhin, der war soooo lecker. Teufelskuchen. Ich dachte, ich käme in die Hölle, weil ich Teufelskuchen gegessen hatte.«
Ich lache. »Teufelskuchen mag ich lieber als Engelskuchen.« Ich komme zum letzten Rosenstrauch. Dieser ist nicht befallen, aber ich sprühe ihn trotzdem ein, falls sich doch noch irgendwelche Blattläuse darauf niederlassen wollen.
»O nein.« Riley bückt sich und hebt etwas auf. Einen toten Marienkäfer.
»Ich fürchte, den hat’s erwischt.«
Sie wirft den kleinen Käfer auf das Beet und deckt vertrocknete Blätter darüber. »Tut mir leid, Tante Gal. Nächstes Mal mach ich es besser.«
»Ist nicht deine Schuld.«
»Ich sollte sie abwaschen. Nächstes Mal mache ich es besser.«
»Riley, bitte. Erledige du die Sachen, die ich dir auftrage, und ich mache das hier.«
Sie reibt mit der Hand an ihrem Auge herum, willigt weder ein, noch widerspricht sie mir.
»Du hast doch hoffentlich kein Gift an den Fingern, oder?« Ich halte ihre Hand fest und untersuche ihren Augapfel. »Eben gerade hast du die Blätter angefasst.« Ihr Auge ist leicht gerötet, das andere aber auch. Darunter leuchten dunkelviolette Halbmonde.
»Es geht schon. Da ist nichts.« Sie reißt sich los.
»Wie lange bleibst du immer auf, wenn ich bei der Dialyse bin?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Ich lese. Da vergesse ich die Zeit.«
»Riley, du musst um zehn im Bett sein, Licht aus um halb elf.« Ich nehme meine Giftkanne. »Hab ich gerade erst wieder gelesen: Teenager kriegen weniger Schlaf, obwohl sie mehr bräuchten. Deshalb schläfst du am Wochenende immer ewig lange. Die Schule sollte besser um halb zehn anfangen, nicht um halb acht.«
Sie gibt einen tiefen Seufzer von sich, dann kneift sie die Augen zusammen und spricht ganz schnell, um nicht zu vergessen, was sie zu sagen hat. »Tante Gal, ich brauche dringend Hilfe bei dieser Sache mit der Blide.«
»Beim Maßbandablesen?« Ich stelle den Topf wieder ab. »Ich dachte, inzwischen könntest du es. Du musst dir doch nur die Maßeinheiten merken. Ich weiß, das metrische System ist anders, aber eigentlich ist es viel einfacher.«
»Das meine ich nicht.« Sie tritt von einem Bein aufs andere. »Ich meine das, wo wir grafisch berechnen sollen, wo wir unsere Ziele aufstellen müssen.«
Ich nicke. Beim Training üben die Schüler mit unterschiedlichen Projektilen – und den entsprechenden Gegengewichten – ein paar Blöcke umzuwerfen, die eine Burg darstellen. Im Wettkampf bekommen die Schüler dann die Gewichte und Gegengewichte und müssen herausfinden, wie diese am besten einzusetzen sind. Auch für diese Berechnungen gibt es Punkte, und man braucht alle Daten aus den Probeläufen.
»Brad hat versucht, es mir zu erklären, aber ich kapier’s nicht.« Sie spricht ganz leise, schämt sich.
»Du bist in Mr Mortons Team. Er sollte es dir beibringen.«
»Möglicherweise habe ich ihm gesagt, ich hätte es verstanden.« Rileys Stimme wird immer leiser, was mich zwingt, mich vorzubeugen, wenn ich sie verstehen will.
»Oh.« Ich schenke ihr ein mildes Lächeln. Das ist bei Kindern nicht unüblich. Wie oft habe ich schon vor einer Klasse gestanden und gesagt: »Hat noch jemand Fragen?«, und nur Köpfeschütteln geerntet. Und trotzdem macht ein Viertel dieser Kinder alles falsch. »Gehen wir rein und üben.«
Ich stelle meine Giftkanne im Gewächshaus auf den Tisch und laufe Riley voraus ins Haus.
Rileys Note im Biologietest ist mal wieder nicht berauschend. Wie bei den meisten in der Klasse. Ich verteile die schlechten Arbeiten umgedreht auf den Tischen. Wer seine Arbeit umgedreht bekommt, weiß, dass sie allerhöchstens ausreichend ist. Die Schüler sinken auf ihre Tische und stöhnen. Den Besten gratuliere ich.
»Wenn euer Schnitt abgerutscht ist«, sage ich und gehe nach vorn vor die Klasse, »dann werdet ihr in der Abschlussprüfung besonders gut sein müssen, um das wieder auszugleichen.«
Ein kräftiger Junge namens Javier meldet sich. »Können wir irgendwie Pluspunkte sammeln, um die schlechte Note auszugleichen?«
Ich lache freundlich. »Keine Pluspunkte dieser Welt können den dicken Brocken einer Abschlussnote ausgleichen.«
Ich meide Rileys Blick, der mich durchbohrt. Riley hätte eine bessere Arbeit schreiben müssen. Ich habe ihr gesagt, was sie lernen soll. Ich habe ihr gesagt, wie sie lernen soll. Das Einzige, was ich nicht gemacht habe, war, den Test für sie zu schreiben.
Ich sollte Mr Morton nicht darauf hinweisen müssen, dass es nicht besonders schlau war, eine durchschnittliche Schülerin bei der Wissenschaftsolympiade zur Repräsentantin einer doch angeblich so anspruchsvollen Schule zu machen. Auch wenn sie meine Nichte ist. Gerade weil sie meine Nichte ist. Man wird mir Vetternwirtschaft vorwerfen, obwohl alles nur an Mr Morton liegt.
Es klingelt. Javier, dem wahrscheinlich jetzt erst klar wird, dass er das Ringerteam verlassen muss, stöhnt und stopft seinen Test in die Tasche, damit seine Eltern ihn unterschreiben können. »Leck mich doch am Arsch«, murmelt er.
»Mr Gutierrez, verwenden Sie derlei Ausdrücke nicht in meiner Klasse. Bestimmt fallen Ihnen dafür ein paar Synonyme ein.«
Er grinst höhnisch. »Für Arsch?«
Ich zähle sie an meinen Fingern ab. »Po, Gesäß, Hintern, Hinterteil, Allerwertester.« Er nimmt seinen Rucksack und geht. Trotz der eigentlich gedrückten Stimmung lachen die anderen Schüler, als ich ihm auf den Flur hinaus folge und hinterherrufe: »Podex, Popo, vier Buchstaben.«
Grinsend dreht er sich um. »Das bedeutet aber nicht dasselbe.«
»Dann sag einfach: ›Wie unerfreulich.‹ Ohne ›lecken‹ und ohne ›Arsch‹.« Ich entlasse ihn, und er taucht im Meer der Schüler unter.
Ich sehe mich nach Riley um, aber sie ist schon weg.
Dr. O’Malley steht vor mir. Ich zucke zusammen. »Liegen Sie hinter den Spinden auf der Lauer, Dr. O’Malley?«
»Auf ein Wort, Miss Garner.« Er geht in mein Klassenzimmer. Ich habe eine Freistunde. Ich straffe meine Schultern und folge ihm.
»Ich nehme an, Sie haben die Zensuren der Bioarbeit gesehen.« Ich habe sie gestern in den Schulcomputer eingegeben. Wir verfügen da über so ein System, damit jeder sofortigen Zugang zu den Zensuren hat und die Eltern nicht aus allen Wolken fallen, wenn Junior sitzen bleibt.
Er nimmt an meinem Pult Platz, als wäre es seins. Die Sonne scheint ihm voll ins Gesicht, und vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er sich an einen Schülertisch gesetzt hätte. Er steht auf und schließt die Jalousien.
»Ich weiß, was Sie sagen werden. Und Sie wissen, was ich darauf entgegnen werde. Warum müssen wir dieses Gespräch schon wieder führen?« Ich starre ihn an, warte auf Antwort.
»Die Eltern möchten, dass Sie die Schule verlassen.« Dr. O’Malleys Stimme ist ruhig und gefasst.
Ich lasse mich am ersten Tisch nieder.
»Mrs Garner …«
»Miss. Ich war nie verheiratet.« Entlassen? Die Eltern wollen, dass man mich entlässt? »Kamen die Anrufe heute Morgen?«
Er nickt. »Aber es war schon eine ganze Weile abzusehen, Gal. Das wissen Sie.«
»Sie können mich nicht entlassen. Ich habe nichts Unrechtes getan. Es ist nicht meine Schuld, wenn sich die Schüler keine Mühe geben.« Aber dann denke ich an Riley. Riley scheint sich doch in gewisser Weise Mühe gegeben zu haben, wenn ich an ihre Lernkarten denke und daran, wie dringend sie ihr Ergebnis wissen wollte.
Was ist, wenn tatsächlich ich das Problem bin? Könnte ich irgendwas besser machen?
Dr. O’Malley breitet seine Handflächen auf meinem Pult aus. »Hören Sie, so wie Sie unterrichten viele Lehrer in den Naturwissenschaften. Sie unterrichten die Kinder, als würden Sie von ihnen schon ein gewisses Maß an Vorwissen erwarten, als könnten Sie nicht begreifen, wieso Ihre Schüler es nicht begreifen. Für Sie ist es leicht. Für die Kinder nicht.«
Das lässt er einen Moment im Raum stehen.
Ich denke an meine Lehrmethoden. Daran, wie Dara und Dr. O’Malley im Flur über mich gesprochen haben. Sie haben sich gegen mich verschworen, und das ist jetzt das Ergebnis. »Dr. O’Malley, Sie haben gesehen, wie ich unterrichte. Warum haben Sie mich nicht früher darauf aufmerksam gemacht?«
Er lächelt. »Das habe ich getan, wenn auch eher indirekt. Sie sind nicht eben aufgeschlossen für Kritik von außen, Miss Garner.«
Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück. »Gut. Wenn wir hier kein Blatt vor den Mund nehmen: Wieso jetzt? Ich unterrichte schon seit acht Jahren so. Wieso wollen Sie mich jetzt plötzlich rauswerfen?«
»Wir würden Sie gern auf Teilzeit setzen.« Seine Hände entspannen sich, und er legt sie wieder auf seinen Schoß. »Ich glaube, das wäre alles in allem das Beste für Sie.«
Er denkt an meine Niere. Er denkt an die Zeit, die ich gefehlt habe, weil der Shunt in meinem Bein verstopft war, weil ich den IVP-Test machen musste, weil ständig irgendwas ist.
Ich schäume. »Ich fühle mich diskriminiert. Ich bin meiner Aufgabe gewachsen. Das können Sie nicht machen. Ich werde mich wehren.«
»Dann gestalten Sie Ihre Tests wenigstens zugänglicher.«
Es ist also ein Ultimatum. »Zugänglicher? Diesen Schülern mangelt es nur am Wunsch und an der Bereitschaft zu lernen.« Ich trete an das Pult und nehme mein großes schwarzes Zensurenbuch. »Ich weiß nur eins: Die Schüler, die am Förderkurs teilnehmen, haben allesamt gut bis sehr gut abgeschnitten. Was sagt Ihnen das? Wer um Hilfe bittet, soll sie kriegen.«
»Was ist mit Riley?«, fragt Dr. O’Malley nachsichtig. »Sie helfen ihr, und trotzdem bekommt sie keine gute Zensur.«
»Ich helfe ihr nur ein bisschen.« Riley war nicht zum Förderunterricht erschienen. Ich überlege einen Moment. Wer weiß, ob sie die Lernkarten eigentlich benutzt hat, die sie anlegen sollte? Ich war bei der Dialyse und habe nicht danebengesessen und aufgepasst, ob sie lernt. »Schüler sind auch selbst dafür verantwortlich, ob sie lernen oder nicht.«
Er nickt und steht auf. »Denken Sie mal über das Angebot einer Teilzeitstelle nach, Gal. Vielleicht wäre es das Beste.«
Er geht hinaus und schließt die Tür hinter sich.