Gutedel und Äppelwoi

Es ist möglicherweise der Wunsch einer Generation, Adorno und Heidegger gegen ihre gegenseitige Abneigung »sachlich« zu verbinden. Als hätte man es gern gesehen, dass die [91] Wo und wie?

Kaum einmal ist Heidegger Adorno so nahe wie dort, wo er davon spricht, dass »›Werke‹ seit der Vollendung der Metaphysik nicht mehr möglich« seien. Was so aussehe, könne »wohl noch mit gesteigerter Routine gemacht werden«, doch sie vermögen nicht mehr, »Unverborgenheit des Seins anwesen zu lassen«.[92] Jenseits der Metaphysik könne es nur noch »Furchen« geben. Übrigens denkt Heidegger an philosophische oder jedenfalls an literarische Werke.

»Furchen«? Heidegger verwendet dieses Wort im esoterischen Kontext schwarz gewandeter Hefte. Es stammt aus der Bauernsprache. »Furchen« werden gezogen, auf einem Acker, von einem Pflug. Tatsächlich spricht Heidegger vom »Acker der Sprache«. Dahinein zieht der Denker sie. Es handelt sich um ein Aufbrechen der Sprach-Erde, etwas tritt aus ihrem Dunkel ans Licht, dient irgendeiner Saat, die vielleicht aufgeht. Das sind keine wohlgestalteten Werke in Anfang, Mitte und Ende.

In seiner »Philosophie der neuen Musik« schreibt Adorno: »Die einzigen Werke heute, die zählen, sind die, welche keine Werke mehr sind.«[93] Schönberg hat das Werk als runde Form in die Luft gesprengt. »Erst im fragmentarischen, seiner selbst entäußerten Werk«[94] werde Musik wahrheitsfähig. Es war die Geschichte, die sich auf diese Weise schmerzhaft in Kunst eingeschrieben hatte. Die Kunstwerke reagierten auf diese Verletzung.

Klar, es ist die Expression, die die etablierte Form von sich abstößt wie einen alten, tötenden Panzer. Davon will Heidegger in seiner Kunst des Seins nichts wissen. Adorno

Das zeigt aber nur, dass die Philosophie übers Buchstäbliche hinausdenkt, ohne es jemals hinter sich zu lassen. Denn der Buchstabe kehrt immer wieder wie der Gedanke, der sich von ihm befreit, um zum Buchstaben zu werden. Ob diese Bewegung noch einmal zu einem Werk werden kann? Dazu müsste man wissen, was ein Werk ist. Mir scheint, dass wirs beinahe vergessen haben.