Die philosophische Sprache befand sich bei Nietzsche auf ihrem Höhepunkt. Freiheit der Formen, Ausdrucksvielfalt, Kenntnis von Rhythmus und seinen Wechseln, die …, kurz gesagt, Gespür und Wissen des Stils. Die Nuance des Sinns gehörte zum Denken, machte den Unterschied. Ein Moment des Stils ist, auf die Nuance zu achten.[211]
Heute will die Philosophie vor allem verständlich sein. Dabei ist ihr die Tatsache, dass sie so davon absehen muss, in und als Sprache zu erscheinen, egal. Was solls? Hauptsache, ich werde leicht verstanden, niemand stockt und muss sich zusammenreißen. (Je verständlicher, desto verkäuflicher.)
Noch technischer ist die Ansicht, man könne doch gleich auf die im weiten Erdenrund gesprochenen Sprachen verzichten. Man verwendet zur Darstellung von philosophischen Problemen eine formalisierte Meta-Sprache. Denn die Sprachen würden die eigentlichen Probleme eher verfälschen – Nullpunkt des Denkens.
Abgesehen davon, dass jede Meta-Sprache unweigerlich in gesprochene Sprache übersetzt werden muss, um ihren Sinn zu verstehen, ist die Meinung, Philosophie bestünde aus formalisierbaren Problemen, abwegig. Sie hat das Leben verlassen und glaubt an eine Rettung durch die Mathematik. Rettung wovor? Vor dem Tod.
Doch auch diejenigen, die in didaktischer Hinsicht an eine Umgangssprache der Philosophie glauben, arbeiten an der Vernichtung der Philosophie mit. Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Renaissance des philosophierenden Aristokraten, wie es ein Platon oder ein Schopenhauer war, sondern um die Herausforderung, einen Gedanken selbst zu durchdringen – und nicht ihn als leicht verdaulichen Brei eingeflößt zu bekommen.
Die Nuance ist Abschattung, Ton in der Malerei, die durchs Licht Wolken unterscheidet, die ohnehin schon allesamt anders sind. Das Sprichwort sagt: »Der Ton macht die Musik.« Das zeigt den Ton in seiner Kunst. Wahr ist jedenfalls, dass die Nuance eine allerkleinste Differenzierung ist, die den ganzen Zusammenhang, in dem sie erscheint, betrifft. Doch ist nicht deutlich, inwiefern. Ob die Nuance den Sinn des Ganzen verändert oder ob sie ihn nur vernebelt, sozusagen verwolkt (nuance/nuage), ist letztlich schwer zu sagen. Wer aber den Blick für die Nuance mitbringt, ist an den klaren Aussagen, die sich ums Wolkige nicht kümmern, ohnehin nicht sehr interessiert.
Es ist ein Unterschied, ob man sich in einer Stadt bewegt, um so schnell als möglich von einem Ziel zum anderen zu kommen, oder ob man in ihr flaniert. Der Flaneur wird sie schließlich besser kennen, aber er hatte weniger mit den Geschäften zu tun, die an den zentralen Stellen verhandelt werden.