Es ist immer ein Schritt in der Entwicklung der Vernunft, wenn ein Gedanke, der vor dem Neuen erschrickt und zum Ressentiment erstarrt, sich den Zugang zu ihm selbst erarbeitet. Erst dann wird er, der Gedanke, eigentlich philosophisch. Solange er sich in Schockstarre befindet, fällt er hinter den erreichten Stand der Vernunft zurück. So wird es manch männlichem Philosophen am Beginn des 20. Jahrhunderts ergangen sein, als er in seinem heiligen Hörsaal zum ersten Mal Studentinnen mit Hosen begegnet ist.

Heidegger hat sich in dieser Hinsicht an der Technik abgearbeitet. Man kann sich den Philosophen durchaus vorstellen, wie er eine Schreibmaschine betrachtet, vorsichtig prüfend eine Taste drückt, um einigermaßen fassungslos die genormte Letter auf dem Papier anzublicken. Da ist der Füllfederhalter mit seiner ehrlichen Tinte doch etwas anderes. Verständlich, doch weltfremd: Erst eine medientheoretische Analyse der »Aufschreibesysteme« (Kittler) war der Technologie gewachsen.

Andererseits war gerade der späte Kittler der Ansicht, dass Heideggers Denken in seiner Sensibilität für die Technik einen Meilenstein auf dem Weg zur Medientheorie darstellt. Vielleicht lässt sich deshalb auch die eine oder andere Bemerkung des Philosophen über den Journalismus und die Literatur retten, so wenn er behauptet: »Das Literatenhafte ist das versteckte Ideal der Wissenschaften und ihrer öffentlichen Wirkung.«

Das ist polemisch gemeint: »Der Literat versteht sich auf die Frisur des Darstellers. […] Die Professoren haben den Ehrgeiz, Literaten zu werden.«[222] Und: »Die Professoren

Eine wissenssoziologische Verschiebung der akademischen Situation in den letzten hundert Jahren lässt sich nicht ignorieren. Der erfolgreiche Philosophieprofessor ist längst nicht mehr der schrullige Geheimrat, der meinte, sich bei seinem Hang zu Exzentrizitäten auf ein verbrieftes Recht berufen zu können; der zudem der wenig überzeugenden Ansicht war, dass die Frage nach seinem Einkommen eine mehr oder weniger lästige Nebensache war.

Das ist heute anders. Die Philosophie muss den Gedanken begreifen, dass sie das Kommen des Einkommens an eine Ökonomie anschließt, die keineswegs eine nur störende Banalität darstellt. Die Wärme des Geldes ist in einer Welt, in der traditionelle Wärmetransformatoren längst abgewirtschaftet haben, eine Quelle auch des Denkens geworden. Es ist eine unpassende Kritik, dass das Business-Class-Reiseleben der Philosophen und Philosophinnen, ihre Auftritte bei Mercedes oder Volkswagen, ihre Anwesenheit in den Talkshows, in den populäreren Illustrierten oder auch in sozialen Netzen nichts mit Philosophie zu tun hat. Im Gegenteil – das ist Philosophie.

Daher müsste darüber nachgedacht werden, ob nicht zur akademischen Ausbildung der Philosophen und Philosophinnen ein Pflichtmodul des self-marketing hinzutreten sollte; ungefähr so, wie an den Kunstakademien die Künst

Man könnte unterrichten, wie verständliche Bücher produziert werden. Zu studieren wäre, wie man in der Öffentlichkeit auftritt, ohne dem Auditorium unangenehme Gefühle zu bereiten. Eine Habitualisierung der Heiterkeit würde jeden Philosophen und jede Philosophin in einen gerngesehenen Gast in jedem möglichen Medium verwandeln. Und ich meine dabei die echte Heiterkeit des redlichen Professors/der redlichen Professorin – keineswegs die Inszenierung des Sophisten, an die sich mancher erinnern wird.

Dass man all das jenseits des Philosophiestudiums lernen kann, ist bekannt. Doch das erwähnte Wissen ist längst keine sekundäre Qualität des Philosophen mehr. Es befindet sich in einem dialektischen Verhältnis zu dem, was er zu sagen hat. In diesem Sinne ist Philosophie heute überhaupt Marketing-Philosophie. Ich wüsste, wem ihr erster Lehrstuhl gebührte. Nicht dem, sondern …