Rhythmus

Als mich letztens einmal das auf YouTube zu sehende Gespräch von Heidegger mit einem buddhistischen Mönch streifte, fiel mir Heideggers Sprechstil in Rhythmus und Melodik auf. Eigentümlich, wie er im ersten Satz das Wort »Besinnung« betont. Der Akzent auf dem i, dann geht es hinab in das ung – und wieder hinauf zum betonten i in der »Geschichte«. Erstaunlicher aber erschien mir die Rolle des Rhythmus in Sprech- und Schreibstil. Heideggers deutliche Pausen im Reden erinnern an den intensiven Gebrauch der Gedankenstriche im Schreiben:

»Die entscheidende Erfahrung – meines Denkens – und – d.h. zugleich – für die abendländische Philosophie – die Besinnung – auf die Geschichte – des abendländischen Denkens – hat mir gezeigt – dass – im bisherigen Denken – eine Frage – niemals gestellt wurde – nämlich die Frage nach dem Sein …«

Rhythmus ist Gestaltung von An- und Abwesenheit, von Laut und Stille. Heidegger hat sehr wenig über den Rhyth[296] Heidegger übersetzt zunächst nicht, deutet lediglich das alte Wort Rhythmus. Er nennt es »das Wogenspiel« und das »schwingende Hoch und Nieder von Gewähr und Entzug, von Entzug in der Gewähr, von Gewähr im Entzug«.[297]

Der Sprech- und Denkrhythmus wäre dann so etwas wie der Klang der ἀλήθεια, Stimme der Unverborgenheit. Die gliedernde Verborgenheit klingt mit an. Heideggers Stimme als Wahrheitsorgan? Als je innehaltende, der Stille nachhörende, je wieder ansetzende Orakelstimme? Sicher nicht? Rhythmus – die Wiederholung von Gabe und Verlust in der Zeit.

Dann später, in einem kurzen Text über Rimbaud, übersetzt er: »lerne kennen aber, ein wiegeartetes Ver-Hältnis/(die) Menschen hält«.[298] Das »Wogenspiel« als »Ver-Hältnis«, will sagen, dass es die Wahrheit, die Unverborgenheit, ist, die den Menschen hält. Rhythmus als Mitte zwischen Gabe und Entzug, wohlgemerkt selbst dann als eine Offenheit, die nichts Dingliches an sich hat.

Kein Sprechen, kein Denken – keine Bedeutung – ohne Rhythmus. Doch er selbst ist nichts. Er ist nicht selbst, sondern noch zwischen Gabe und Verlust. Wenn Heideggers Denken sich dem Gegenstandslosen widmet, dann ist der Rhythmus eines seiner Anzeichen. Was wäre ein Denken, das seinen eigenen Rhythmus denken könnte? Eines, das die Stille formte.