Kapitel 7

Durchsagen auf Englisch:

»Kiip se gängs fry!«

Die Deutsche Bahn und die englische Sprache: Seit Jahrzehnten ist das eine Kombination, die nicht so recht zusammen­passen will. Und das nicht nur, wenn es um Fehler und Versprecher bei Ansagen im Zug geht. Schon 1972 sorgte die Werbekampagne »Go easy Go Bahn« dafür, dass sich so manchem die Nackenhaare aufstellten. Sie richtete sich an Jugendliche zwischen 10 und 21 und sollte beweisen, dass die Deutsche Bundesbahn ein ganz schön abgedrehtes Unternehmen ist, voll easy und very crazy. Angeboten wurden vergünstigte Tickets für Jugendliche, Disco-Zugfahrten sowie Slogan-Limonadendosen und -T-Shirts. Sogar ein passender Song wurde von einer Gruppe namens »Joy Unlimited« aufgenommen. Ein paar Textzeilen daraus: »Komm doch mit uns, wir kennen den Plan/ Steig bei uns ein, Go easy Go Bahn. Nutz deine Zeit, eh’ sie ganz vertan / Steig bei uns ein, Go easy Go Bahn.«

»Englisch bei der Deutschen Bahn war Quatsch vom ersten Tage an«, sagte Wolf Schneider, Sprachexperte und Autor zahlreicher Lehrbücher, einmal der »Bild«-Zeitung. Denn »Go ­easy« war erst der Anfang: Bald hießen Bahnschalter Counter, Auskunftsstellen Service Point und Kurzzeitparkzonen Kiss & Ride. Wer am Bahnhof in München, Köln oder Freiburg eilig nach dem Klo sucht, kann erst Erleichterung finden, wenn er kapiert, dass es sich bei »McClean« nicht um einen Wäscheservice handelt. Wegen so viel Missachtung des Deutschen verlieh der Verein zur Wahrung der deutschen Sprache gleich zwei Bahnchefs den Titel »Sprachpanscher des Jahres«.

Im Februar 2010 schrieb ein BBC-Reporter in einem Artikel, dass er sich in Deutschland durch die vielen englischen Ausdrücke wie bei der British Rail fühle – »wären da nicht die Würstchenverkäufer und Brezelstände«. Bahnchef Rüdiger Grube versprach schließlich Abhilfe: Er verbannte zumindest einige Anglizismen aus dem Sprachgebrauch seines Unternehmens und ordnete an, dass Durchsagen während der Fahrt nicht mehr vor jedem Provinzbahnhof auch ins Englische zu übersetzen seien. Keine Chance mehr für »Go Bahn« also – eine Werbekampagne mit dem ­Slogan »Geh einfach, geh Bahn« wird es aber wohl trotzdem nie geben.

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Einmal hatte ich auf einer Fahrt von Berlin nach Köln im ICE vor jedem Stopp das Vergnügen folgender Durchsage: »Ladies and gentlemen, we apologize for any conveniences.« (Auf Deutsch: Meine Damen und Herren, wir bitten, alle Annehmlichkeiten zu entschuldigen.) Vor dem Hintergrund so einiger in den Wochen davor in der Presse berichteten Pannen der Deutschen Bahn war diese Ansage von besonderem Witz. Wir Reisenden grinsten uns schon vor jedem Bahnhof an, die Fahrt wurde erheblich kurzweiliger.

Heinz-Josef Vendel, Brühl

Kurz vor Köln gab es dann noch ein englisches Leckerli des sehr sympathischen Schaffners: »Leh än schännelmen, we häf nau fifi minut dielät, the S-Bahn to Aachen, Horrem, Düren not be rietscht, Taxi … Gutschein!«

Steffen Schmitz, Köln

In einem Intercity in der Nähe von Nürnberg. Zunächst kam die Ansage in der deutschen Fassung mit deutlich bajuwarischem Zungenschlag: »Wochenendtickets sind in diesem Zug nicht gültig.« Dann die beruhigende englische Übersetzung: »Ze weekend tickets in zis train are not … äh … guilty!« (Die Wochenendtickets sind nicht schuldig!)

Tim Romberg, Brüssel, Belgien

Irgendwo auf der Strecke zwischen Stuttgart und Berlin wurde durchgesagt: »Tu se dschäntelmän hu ordert se Bistro Baguette, your Bistro Baguette is räddi.« Großartig, der halbe Zug war aus dem Häuschen.

Joerg Hildenbrand, Berlin

Aus der Zeit, als es in den Ansagen noch »Thank you for traveling with Deutsche Bahn« hieß (statt »choosing«): Ich stieg in einen schon 60 Minuten verspäteten ICE ein. Der Zug­begleiter wiederholte unbeirrt nach jedem Bahnhof seine Ansagen. »Wegen Verzögerungen im Betriebsablauf …«, »Wir entschuldigen uns für die entstandene Verspätung …«, »Ihre nächsten Anschlussmöglichkeiten Richtung München …« Dann sagte er ebenso tapfer noch mal alles in klassischem Bahn-Englisch: »We apologize for the inconvenience … thank you for traveling with Deutsche Bahn.«

Aber irgendwann, die Verspätung näherte sich inzwischen 120 Minuten und die Stimmung der Reisenden war am absoluten Nullpunkt, hielt der Zugbegleiter selbst nicht mehr durch. Seine Ansage klang immer gehetzter, genervter, müder. Er ließ Informationen aus, stolperte über die Wörter, und bei der letzten Ansage, die ich hörte, hieß es am Ende nur noch: »We apologize for traveling with Deutsche Bahn.« Entschuldigung angenommen: Der Spruch war die Wartezeit wert.

Leo

nie Olesch, Freiburg

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Auf einer Fahrt zwischen Hamburg und Bremen informierte die Zugchefin über Anschlussmöglichkeiten am Bremer Hauptbahnhof. Dabei nannte sie eine falsche Uhrzeit und korrigierte sich sogleich. Bei der anschließenden Durchsage in (wirklich gutem!) Englisch hielt sie sich hundertprozentig an das deutsche Original: Sie baute den gleichen Fehler auf Englisch ein, um sich dann wieder zu korrigieren.

Eike Dämmig, Tarp

Eine skurrile Bahndurchsage hörte ich auf der Fahrt mit einem Intercity von Hamburg nach Köln. Im Anschluss an einen Zwischenstopp wurde den Fahrgästen nicht nur in zweifelhafter Aussprache das Croissant-Frühstück im Bordrestaurant empfohlen, sondern sie erfuhren auch, dass beim letzten Halt der Mann mit der mobilen »Snake-Bar« zugestiegen sei. Na denn: Guten Appetit!

Jörn Bullwinkel, Hamburg

Eine Durchsage im ICE, die ich zu Fußballweltmeisterschaftszeiten 2006 in Göttingen erlebt habe: »Meine Damen und Herren, bitte beachten Sie: Wagen Nummer 1 bis 6 fahren weiter nach Hamburg, Wagen Nummer 7 bis 11 verbleiben in Göttingen.« Dann das Ganze auf Englisch: »Ladies and gentlemen, coaches number 1 to 6 go to Hamburg, coaches number 7 to 11 believe in Göttingen.«

Wolfgang Schenke, Speyer

Auf der Strecke zwischen Hannover und Wolfsburg kam es durch einen Zugausfall zu einer gehörigen Verspätung. Einen Teil der Strecke legten wir mit Ersatzbussen und den Rest mit einem neu eingesetzten Intercity zurück. In diesem verteilte die Zugbegleiterin schon Fahrgastrechteformulare. Als ein ausländischer Reisender auf Englisch fragte, was das denn sei, kam die hilflose Antwort der Zugbegleiterin: »Ähm, Fahrgastrechte – this word I don’t know.«

Nadine Steinhardt, Wolfsburg

Ich habe mal folgende Durchsage gehört: »Mein Name ist Koch. Ich begrüße Sie im ICE auf der Fahrt nach Frankfurt!« Die Durchsage auf Englisch begann er mit den Worten: »My name is Cook.«

Günter Veith, Weilrod

Durchsage in einem Zug der Deutschen Bahn irgendwo ­zwischen Holland und der Schweiz: »Meine Damen und Herren, bitte halten Sie die Gänge frei.« Okay, ein paar Fahrgäste entfernen ihr Gepäck von den Gängen. Dann versucht es der Zugführer auf Englisch: »Leidiiis änd tschentlmään, ääähm ääähh, pliiis äh pliiis ääähm … kiiip the äääh GÄNGS ähhm FRY!« Ja natürlich, gerne halten wir die Banden fritiert.

Maria Wieland, Biel

Lustig war die Ansage eines Schaffners, als der Zug in den Bahnhof »Jena Paradies« einfuhr. Im englischen Teil seiner Durchsage wurde daraus »Dschiina Pärädeiß«. Klingt »Gina Paradise« nicht irgendwie nach einer Porno-Darstellerin?

Rüdiger Becker, Berlin

Auf der Fahrt von Wien nach Dresden: »Ladies and gentlemen, se high-water is se ground for our delay from forty minutes. Please be sorry for that.«

Domi Premauer, München

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Englische Formulierungen geraten den Schaffnerinnen und Schaffnern ja manchmal etwas nuschelig oder verkürzt. Den prägnantesten Fall erlebten wir im ICE zwischen Frankfurt und Basel, wo der Ansager vor jedem Bahnhof sagte: »In e fju minitts wischelfitt Karlsruhe.« – »In e fju minitts wischelfitt Freiburg.« Erst nach einigem Rätseln wurde uns klar, dass es sich wohl um eine Kurzform von »we shall arrive at« handeln dürfte. Aber ganz sicher waren wir uns nicht.

Reinhard Wendler

Ich befand mich in einem Regionalzug von Luxemburg nach Trier. Vor der Einfahrt in den nächsten Bahnhof mit Halt machte das Zugpersonal die Durchsage jeweils erst in deutscher, dann in englischer Sprache. Als sich der Zug dem Grenz­ort Wasserbillig näherte, ertönte aus dem Lautsprecher die Durchsage: »Nächster Halt: Wasserbillig – next stop: ­Cheap Water.«

Monika Klein, Hamburg

Im ICE von München nach Berlin. Der Schaffner kontrollierte die Fahrscheine bei einer Familie hinter mir, die nur Englisch sprach. Der Vater sagte dem Schaffner, dass seine Frau die Fahrscheine habe, aber gerade im Speisewagen sei. Der Schaffner antwortete im besten sächsischen Englisch: »Okay, I guck leder«. Das klang wie »I cook later«. Ich war überrascht, wie weit die Personaleinsparungen bei der Bahn mittlerweile gehen, wenn der Schaffner jetzt auch noch kochen muss.

Andreas Ziska, Berlin

Im Sommer 2010: Der deutschen Durchsage folgte kurz vor Berlin Hauptbahnhof: »Shortly we will arrive in Böörlin Äitsch-bie-eff!«

Wilhelm F. Weidmann, Kassel

Ich saß in einem Zug vom Frankfurter Flughafen nach Köln, da war die Ansage zu hören:

»Meine Damen und Herren, wir erreichen in Kürze Köln Hauptbahnhof. Der Zug wird hier geteilt.« Dann auf Englisch: »Ladies and gentlemen, we will now reach Cologne central station. The train will be broken here. Säng ju for träwelling wiss Deutsche Bahn!«

Daniel Bird, Köln

Durchsage im ICE von Hamburg nach Berlin: »Thank you for shooting Deutsche Bahn. Goodbye.«

Susanne Steindamm, Hamburg

Meine Lieblingsdurchsage ist diese hier: »Sorry for traveling with Deutsche Bahn!«

Tobias Utikal, Stuttgart

»Einen wunderschönen guten Tag, Sir!«, »Welcome to se Deutsche Bahn!« – so schallte es mir einmal in der Weihnachtszeit in einem ICE entgegen. Ein junger, schlanker Mann Mitte zwanzig mit kurzen blonden Haaren strahlte mich an, als ob es sein Hochzeitstag wäre. In seinem Enthusiasmus nutzte er jede Gelegenheit, sich am Mikrofon zu melden und den Fahrgästen mit starkem sächsischen Akzent etwas mitzuteilen. Ich hatte gehofft, noch ein wenig arbeiten und später ein ­Nickerchen halten zu können. Weder der einen noch der ­anderen Tätigkeit sollte ich schlussendlich nachkommen.

Der junge Mann unterbrach jede Ruhepause nach einigen Minuten, kündigte mehrfach das lecker mundende Schnitzel mit Bier und Nachtisch im Speisewagen sowie Snacks und weitere Getränke an. Bei jeder Ansprache wünschte er höflich einen guten Tag und verabschiedete sich stets überschwänglich, wodurch sich die Ansagen stark in die Länge zogen. Kaum war er verstummt, kaum versuchte ich, die Augen zuzumachen, kam die nächste Information. Man war kurz gewillt, irgendetwas in Richtung des Lautsprechers zu werfen. Doch der konnte ja auch nichts dafür. Der Fahrgast-Entertainer hielt uns auf Trab, schon bald wurde jede neue Wortmeldung von der Mehrzahl der Mitfahrenden entweder mit einem breiten Grinsen oder einer verzweifelten Grimasse quittiert.

Nach etwa einer Stunde füllte sich der Zug zusehends, die Luft wurde stickiger. Der grauhaarige Angestellte eines Maschinenbauunternehmens mir gegenüber klappte entnervt den Laptop zu und versuchte, sich mit Kopfkissen und Ohrstöpseln den Störungen zu entziehen. Vor dem jungen Sachsen gab es jedoch kein Entrinnen. Der plauderte so fröhlich weiter, dass sich kein Fahrgast traute, ihn beherzt anzusprechen und zu bitten, es ein wenig ruhiger anzugehen.

Stotternd versuchte er sich nun auch auf Englisch, was dank des starken Akzents gründlich danebenging. Mir tat das besonders in den Ohren weh, da ich halber Brite bin – deshalb winkte ich ihn zu mir. Ich sagte ihm, dass er seine Aussprache optimieren könne. Zu meinem Erstaunen fühlte er sich keineswegs auf den Schlips getreten und kramte aus seiner Bahner-Jacke einen Notizblock hervor. Dann strahlte er mich erwartungsvoll an. Ich musste mich kurz sammeln, weil mir klarwurde, dass ich mich soeben in den Mittelpunkt des Geschehens katapultiert hatte und sämtliche Passagiere uns beobachteten.

Möglichst höflich versuchte ich dem Schaffner zu erklären, wie er sich ausdrücken könne. Gespannt beugte er sich hinab zu mir und kritzelte fleißig in seinem Block. Gespannte Stille herrschte im Waggon, es war fast schon gespenstisch. Endlich Ruhe. Halt, zu früh gefreut: Plötzlich sprang der junge Mann auf. Vor lauter Lerneifer hätte er fast seine Ansage vergessen. Bei der folgenden Ansprache nahm er zuallererst höflich Bezug auf meinen Hinweis. Ich sank tiefer in den Sitz vor Scham, zur Begeisterung einiger Mitfahrer, die mir auf die Schulter klopften. Die Aussprache wurde leider keinen Deut besser, sie sorgte für noch mehr Belustigung. Nach jeder Ansage kam er vorbei, um zu fragen, ob er sich denn verbessert habe. So viel Moti­vation bringe ich nicht mal an Weihnachten zur Groß­familie mit – meine Hochachtung. Man hatte dem Bahn­bediensteten einen Platz neben mir eingeräumt, obwohl das Abteil völlig überfüllt war, damit wir unserem Englischunterricht nachkommen konnten. Die Freude war mittlerweile jedes Mal groß, wenn der junge Herr wieder strahlend um die Ecke schoss.

Bei mindestens zehn Durchsage-Versuchen musste ich ihm stets mit einem Kopfschütteln signalisieren, dass keine Besserung zu hören war. So ehrlich war ich nun doch und hoffte, ihn nicht zu kränken. Etwas geknickt schaute er schon drein, doch dann hatte er eine Idee: Ich solle doch die Ansagen mit ihm gemeinsam machen, schlug er zur großen Erheiterung meiner Abteilgenossen vor. Da musste ich jetzt wohl durch, nervös folgte ich dem Schaffner. Ich muss ausgesehen haben wie ein Esel im Regen. Über Passagiere und Taschenstapel ­steigend, arbeiteten wir uns zum Zugleiterabteil vor. Über das Mikrofon stellte er mich den Zuhörern vor. Ich sackte als Häufchen Elend in mich zusammen und wünschte mich ganz weit weg. Zögernd nahm ich dann doch das Mikrofon und übersetzte, was er gesagt hatte. Als ich mit gefühlt faustdicken Schweißperlen auf der Stirn zurück in mein Abteil kam, wurde ich mit begeisterten Ovationen empfangen.

Von da an wurde ich für jede Ansage abgeholt und klatschend begleitet. Ich bin mir ganz sicher, dass kein Passagier mehr an Arbeit oder Schlaf denken konnte. Auch meine Arbeitsmoral war dahin – dafür hatte ich den Fahrgästen wohl eine höchst unterhalt­same Fahrt und Weihnachtsgeschichte beschert.

Julian Certain, Hamburg