Kapitel 15
Ich zitterte, als ich den Detective wegfahren sah, er wendete zu schnell in der Sackgasse, fuhr auf dem Weg nach unten am Sunset Retreat vorbei.
Sie würden wiederkommen. Das war es, was er angedeutet hatte. Sie würden wiederkommen, und sie würden sich ansehen, auf welche Weise jemand die Party an dem Abend verlassen haben könnte.
Ich war die ganze Zeit dort gewesen – das hatte ich bewiesen. Aber das Handy hatte etwas zu bedeuten. Es bedeutete, auf der Party gewesen zu sein, sprach uns nicht frei. Wenn ihr Handy in der Nacht ihres Todes dort liegen geblieben war, hatte jemand sie möglicherweise auf
der Party ermordet.
Diese Liste, die Detective Collins mir gereicht hatte, die Details, die ich ihm im Gegenzug gegeben hatte …
Ich – 18 Uhr 40
Luce – 20 Uhr
Connor – 20 Uhr 10
Parker – 20 Uhr 30
Die Liste, die einmal über unsere Alibis informieren sollte, wurde nun zu einer Liste von Verdächtigen
.
Es sah nicht gut aus, dass ich so lange allein dort gewesen war. Es sah nicht gut aus, dass ich diejenige war, die das Handy gefunden hatte. Detective Collins hatte sich auf die Rolle fixiert, die ich in den Leben der Lomans spielte, als hätten auch ihn die Gerüchte erreicht.
Es hatte keinen öffentlichen Streit gegeben. Nichts, was Leute hätten bezeugen oder mit Sicherheit wissen können. Nur eine schleichende Kälte. Ein Gefühl, wenn man wusste, wonach man suchte. Ein kurzes Abschütteln in der Öffentlichkeit bei ihrem geplanten Geburtstagslunch, wo ich hinterher versucht hatte, sie zu erwischen – ich kann jetzt nicht mit dir reden
–, sie hatte meine Hand an ihrem Arm angesehen, nicht mich. Und ein erniedrigender Moment am nächsten Abend, obwohl ich dachte, da wären wir allein gewesen.
Ich war auf dem Weg zum Fold – sie hatte nicht auf meine Anrufe, meine Nachricht reagiert –, als ich sie mit Luce aus dem Eingang schlüpfen sah. Sie standen nah beieinander, Sadie einen Kopf kleiner als Luce, die eine Geschichte erzählte mit einer Stimme, die zu leise und zu schnell war, um sie deutlich zu verstehen, zur Unterstreichung ihrer Thesen gestikulierte sie mit den Händen. Aber an der Ecke trennten sie sich, Luce ging auf den vollgestopften Parkplatz, Sadie in Richtung Ortszentrum.
Ich wartete, bis Luce außer Sichtweite war, um sie zu rufen, dann noch einmal: »Sadie!«, das Wort hallte die leere Straße entlang. Sie hielt an, genau unter einer schwachen Eckstraßenlaterne. Ihre Haut sah blass und wächsern aus, ihr Haar mehr gelb als blond im Lichtschein. Im Umdrehen fuhr sie sich mit den Fingern durch die Spitzen, sah flüchtig die Straße entlang und flüchtig über mich hinweg – tat so, als würde sie mich nicht da stehen und sie anschauen sehen. Die Art beiläufige Grausamkeit, die sie mit Parker perfektioniert hatte. Als wäre ich unsichtbar. Belanglos. Etwas, was sie sowohl erschaffen als auch auslöschen konnte, wie es ihr gefiel
.
Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, drehte sie sich wieder um.
Jetzt fragte ich mich, ob Greg Randolph diese Worte schon mal geflüstert hatte – Sadies Monster
. Ob andere das auch getan hatten.
Ob das den Detective allem anderen gegenüber blind werden ließ.
Ich musste meinen Zeitstrahl konkretisieren und auch die der anderen, bevor alles sich verwickelte.
Aber zuerst musste ich dieses Haus aufräumen. Ich dachte darüber nach, die Familie, die im Blue Robin untergebracht werden sollte, in das Sunset Retreat auf der anderen Seite der Straße zu verlegen – das war noch größer, und beschweren würden sie sich bestimmt nicht. Aber ich musste es erst überprüfen, besonders, weil ich sicher war, dass ich einen Schatten bemerkt hatte, der mich beobachtete, an dem Tag, als ich das Telefon gefunden hatte.
Der Schlüssel für das Haus war in meinem Auto. Sobald ich die Schwelle überschritten hatte, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Die Luft war schwer, von einer unklaren Qualität, die ich nicht richtig benennen konnte, bis ich einen langsamen Atemzug nahm.
Ich schlug die Hand vor den Mund, auch wenn ich instinktiv schon wieder zurückwich. Der Geruch von Gas, so intensiv, dass ich es fast schmecken konnte.
Der Raum war voll davon. Ich schloss die Tür hinter mir, rannte die Auffahrt zurück.
Ich wählte den Notruf aus dem vorderen Zimmer des Blue Robin auf der anderen Straßenseite, sicher hinter einer Schicht Holz und Beton
.
Ich sah aus dem Fenster zu, als die Feuerwehr ankam – erwartete eine Explosion, dass alles zu Schutt und Asche zerfiel. Aber ein Strom von Menschen in Uniform betrat das Haus, einer nach dem anderen. Irgendwann kam ein weiterer Wagen an und brachte eine Gruppe von Wartungsarbeitern.
Nachdem sie wieder herausgekommen waren, ihr Werkzeug eingepackt und sich miteinander besprochen hatten, ging ich nach draußen und auf die Straße zwischen den Grundstücken. »Ist alles in Ordnung dadrin?«
»Haben Sie uns angerufen?«, fragte der mir am nächsten stehende Feuerwehrmann. Er hatte immer noch die untere Hälfte seiner Uniform an, den Rest aber ausgezogen, und trug ein T-Shirt und ein Baseballcap. Er sah zehn Jahre älter aus als die anderen, und ich nahm an, dass er das Sagen hatte.
»Ja, ich bin Avery Greer. Ich verwalte das Grundstück.«
Er nickte. »Eine Verbindung hinten am Ofen hatte sich gelöst. Wahrscheinlich ein langsames Leck. Muss aber schon eine Weile laufen, ohne dass es jemand bemerkt hat.«
»Oh«, sagte ich. Mir war schwindelig, übel. Der Schatten im Haus – hatte er darauf gewartet, dass ich als Nächstes dort hineinging?
Er schüttelte den Kopf. »Zum Glück hat nichts einen Funken verursacht.« Dann machte er der Wartungsgruppe ein Zeichen, dass es sicher war hineinzugehen. »Ich würde es trotzdem eine Zeit lang auslüften lassen«, sagte er. Dann, als könne er etwas in mir brodeln sehen, eine offensichtliche Furcht, legte er mir eine Hand auf die Schulter. »Hey, alles okay. Sie haben das Richtige getan, und wir haben es rechtzeitig geschafft. Alles ist in Ordnung.
«
Während ich nach Hause fuhr, überlegte ich hin und her, ob ich Grant anrufen sollte. Ich tat das nur ungern, außer es war dringend, wollte nicht, dass er dachte, ich könnte die Dinge nicht allein regeln.
Als ich am Breaker Beach vorbeikam, beschloss ich, es zu machen.
Er würde wissen, wen man kontaktieren konnte, und sein Name würde mehr Gewicht haben als meiner. Es war uns beigebracht worden, immer erst mit dem Firmenanwalt Verbindung aufzunehmen, bevor wir uns auf etwas einließen. Ich hatte schon versagt, indem ich Detective Collins hineinließ. Wenn das Gasleck ein Verbrechen war, brauchte ich Grants Anweisungen, wie ich vorgehen sollte, bevor ich die Polizei weiter beteiligte.
Sein Handy klingelte, bis die Mailbox ansprang. Ich bog mit dem Auto in die Landing Lane ein und hinterließ ihm eine Nachricht. »Grant, hallo, hier spricht Avery. Es tut mir leid, wenn ich dich belästigen muss, aber es gibt ein Problem. Mit den Ferienhäusern. Ich glaube, ich muss mit der Polizei reden. Bitte ruf mich zurück.« Als ich den von Steinen gesäumten Weg hochfuhr, trat ich auf die Bremse. Da stand noch ein Auto in der Auffahrt – dunkel, teuer aussehend, vertraut.
Ich fuhr um die Garage herum, parkte auf meinem Platz außer Sichtweite. Ich konnte Stimmen hören, die hinten aus dem Garten kamen – die von Parker und von jemand anderem, tief und streng.
Ich bewegte mich so leise ich konnte, hoffte, niemand hatte meine Ankunft bemerkt. Und so war ich nicht aufmerksam, als ich die Tür des Gästehauses erreichte.
Sie war unverschlossen, ein Lichtschimmer entwich von drinnen. Ich hielt die Luft an, drückte langsam die Tür auf.
Das Wohnzimmer war ein Chaos. Mein Karton mit Sachen
mitten im Raum. Meine Kleider aus dem Schrank gerissen und auf dem Sofa angehäuft. Und mitten im Zimmer wartend stand Bianca.
»Hallo«, sagte sie. Ihr blondes Haar war so streng zurückgekämmt, dass es in ihren Skalp überzugehen schien. Sie war imposant, obwohl sie nicht größer war als Sadie und mindestens zehn Zentimeter kleiner als ich.
»Hallo, Bianca«, sagte ich. Ich hatte seit Beginn der Saison darauf gewartet, dass Bianca und Grant zurückkommen.
Niemand hatte irgendetwas über meinen Job erwähnt in der ganzen Zeit seit Sadies Tod. Das Geld kam weiter. Ich dachte, das damals sei vielleicht nur ein Moment gewesen, in dem wir Dinge gesagt hatten, die wir am liebsten zurücknehmen würden, und wir könnten es der Trauer zuschreiben, auf beiden Seiten.
Der Status meines Wohnzimmers ließ etwas anderes vermuten.
Biancas Gesicht blieb ausdruckslos, und ich wusste, ich hatte alles falsch verstanden. »Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du gehen sollst«, sagte sie.