Kapitel 23
Das letzte Mal hatte ich Luce auf der Trauerfeier in Connecticut gesehen, sie hatte mich nicht aus den Augen gelassen. Ich war nicht sicher, wann sie und Parker sich getrennt hatten – oder warum. Es gab den Streit auf der Party, aber auf der Trauerfeier schienen sie wieder zusammen zu sein. Ich wusste nicht, ob es wirklich nur eine Pause gewesen war, wie Parker es genannt hatte, oder ob etwas anderes die Trennung verursacht hatte.
Um halb sechs war ich wach, meine Gedanken rotierten. In meiner Tasche war das zusammengefaltete Blatt, auf dem ich die Uhrzeiten notiert hatte.
Ich – 18 Uhr 40
Luce – 20 Uhr
Connor – 20 Uhr 10
Parker – 20 Uhr 30
Immer wieder ging ich die Ereignisse der Nacht durch, versuchte, etwas Neues zu entdecken. Fragte mich, ob jede Person wirklich für die ganze Zeit ein Alibi hatte.
Als wir alle da waren, hatte dieses Spiel mit Greg Randolph stattgefunden; Luce hatte mir das kaputte Fenster gezeigt; dann der Stromausfall und Ellie Arnolds Sturz – oder Stoß – in den Pool; Parker, der mir hinterher half, das Bad zu putzen; danach sein Kampf mit Luce oben; und Connor, der auf dem Weg zum Ausgang war, bis ich ihn aufhielt.
Und jetzt, um halb acht Uhr morgens, stand ich bereits an der Seitentür der Klinik und wartete, dass sie aufschlossen. Ein leises automatisches Klicken, und ich war drin.
Ich fand ihr Büro hinten in dem weißen Labyrinth aus Fluren. Ihren Name auf einem Schild an der Tür zusammen mit drei anderen. Obwohl ihre Dienstzeit erst um acht Uhr dreißig begann, war ich sicher, dass sie früher hier sein musste.
Ich sah zuerst den Schatten – keine Schritte –, der um die Ecke kam. Dann eine Frau: flache Schuhe mit Gummisohlen, Anzughose, eine blaue taillierte Bluse. Das Haar im Nacken mit einer Spange zurückgebunden, Kaffee in einer Hand, Telefon in der anderen. Es war Luce. Sie hielt an, sobald sie um die Ecke war, blickte immer noch auf ihr Handy, als würde sie etwas Ungewöhnliches spüren.
Sie sah auf und blinzelte zweimal, ihr Gesicht verriet nichts.
»Hi«, sagte ich.
Sie schaute mich weiter an, als sei sie nicht sicher, wen sie vor sich hatte.
Und dann schien der Groschen zu fallen – sie stellte mich in einen Kontext, kramte mich aus ihrer Erinnerung hervor. »Avery?« Sie blickte über ihre Schulter, als würde ich vielleicht auf jemand anderes warten.
»Ich hatte gehofft, dich vor deinen Behandlungszeiten zu erwischen.« Ich tippte auf das Schild an ihrer Tür, eine Erinnerung, dass ich nur den öffentlichen Informationen folgte. »Ich wollte mit dir reden.«
»Ist alles in Ordnung?« Sie trat dichter an mich heran, und ich fragte mich, ob sie von Parker sprach. Ob sie sich immer noch nahstanden und sie sich nun Sorgen um ihren Freund machte – sie machten ja nur eine Pause oder vielleicht auch nicht einmal das. Vielleicht war sie nur wegen der Arbeit nicht mitgekommen, und Parker hatte gelogen. Es wäre nicht das erste Mal .
»Ja. Nein, ich bin nicht sicher. Sadies Gedenkfeier findet diese Woche statt, weißt du? Parker ist da. Und die Untersuchung – es ist doch nicht so einfach, wie es erst schien.«
Sie steckte ihr Telefon in die Handtasche, nahm ihre Schlüssel heraus und öffnete die Tür. »Ich hab von Anfang an nicht geglaubt, dass es einfach ist.« Sie hielt mir die Tür mit dem Fuß auf, bat mich hinein, während sie das Oberlicht einschaltete und ihre Tasche hinter den Schreibtisch fallen ließ. Es war ein kleines Büro, ein paar Stühle an der Wand gegenüber des Rezeptionstisches und ein Gang mit ein paar offenen Türen, die man von da, wo wir standen, sehen konnte.
Sie schaute auf die Uhr. »Wir haben vielleicht zehn Minuten, bis die Sekretärin kommt. Sie ist immer früh.«
Ich starrte sie weiter an, und sie runzelte die Stirn. Aber ich war einfach so überrascht von ihr. Sie schien so anders als die Person, die ich vorigen Sommer kennengelernt hatte, in weißen Caprihosen, mit Goldschmuck und perfekt gelocktem Haar bis zum Schlüsselbein. Ich nahm an, dass ich ihr auch anders vorkam, außerhalb von Littleport. Der Ort selbst machte etwas mehr aus den Menschen. Deshalb kamen die Touristen dorthin. Umgeben von Bergen und Ozean wurde mehr aus dir als anderswo. Jemand, der ein Kajak durch die Stromschnellen steuern konnte; jemand, der auf einen Berggipfel wanderte, über den Wald hinwegblickte, geradewegs bis zum Meer, und glaubte, er verdiene das alles. Der rechtzeitig zu Hause sein konnte, um am Abend Champagner zu Hummer zu trinken. Jemand, der alles wert war, was dieser Ort zu bieten hatte.
Luce warf einen Blick auf die geschlossene Tür und räusperte sich. Ich verlor sie, jetzt wo sie Zeit hatte, die Dinge zu durchdenken. Als ihr klar wurde, dass ich sie ausfindig gemacht hatte, einen halben Tag gefahren war, nur damit ich hier vor ihr stehen konnte.
»Wann hast du zuletzt mit Parker gesprochen?«, fragte ich .
Das schien sie zurückzuholen, denn ihre Augen weiteten sich etwas, ihr Atem beschleunigte. Fast als hätte sie Angst. »Wir haben nicht viel gesprochen, nachdem wir uns getrennt haben.«
»Wann war das?«
Sie senkte den Kopf. »Letzten September. Na ja, eigentlich in der Nacht. Der Nacht der Party.«
»Was?« Ich sah sie wieder vor mir, wie sie oben aus dem Schlafzimmer kam. Ihren wilden Blick. Hatte er sie da abserviert? Oder sie ihn?
»Wir hatten uns in der Nacht gestritten, aber das war nur der letzte Tropfen. Das, was es dich schließlich aussprechen lässt, verstehst du?«
Ich hatte sie vom Bad aus gehört. Das Donnern gegen die Wand. Ich senkte die Stimme. »Hat er dir wehgetan?«
»Parker? Nein. So war das nicht … Er hat die Tür aufgemacht, um zu gehen, und ich hab sie wieder zugeknallt.« Sie schüttelte den Kopf. »Nur einmal wollte ich die Wahrheit hören. Ich hatte die Lügen so satt.«
»Aber ich hab euch gesehen. Auf der Trauerfeier.« Sie hatte neben ihm gestanden und mich beobachtet. Er hatte sich hinuntergebeugt, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, und sie war zusammengezuckt, hatte sich abgewandt …
»Ja, er hatte mich gebeten – na ja, er meinte es würde nicht gut aussehen , wenn wir uns in der gleichen Nacht getrennt hätten, in der seine Schwester starb.« Sie verdrehte die Augen. »Kannst du das fassen? Sogar da dachten sie an die Wirkung der Dinge. Wir haben vereinbart, den Schein bis nach der Trauerfeier zu wahren, bis sich alles beruhigt hatte und ich meinen Job anfing.« Sie zeigte durch den Raum. »Wir haben uns voneinander … entfernt, danach. Es gab nichts mehr zu sagen. Ich habe mich seitdem bemüht, den Lomans nicht mehr über den Weg zu laufen. Bisher ist mir das gelungen. «
»Ich dachte du … Also sie schienen dich wirklich gemocht zu haben. Du schienst sie gemocht zu haben.«
Da lachte sie, überraschend. »Sicher. Sie scheinen eine Menge Dinge.« Sie kaute auf ihrer Wange und betrachtete mich. Eine nervöse Angewohnheit, die mir zuvor nie aufgefallen war. »Hast du mal Schach gespielt?«
»Meinst du, sie spielen ein Spiel?«, fragte ich.
Sie fuhr sich mit der Hand über ihr Haar, den Pferdeschwanz entlang. »Ich glaube, sie sind das Spiel, Avery. Läufer und Springer. Könige und Damen. Bauern.«
Ich verlor den Faden, die Metapher. »Du glaubst, du warst ein Bauer?« Oder vielleicht meinte sie mich.
Sie presste die Lippen zusammen, antwortete nicht. »Für den König würden sie alles opfern.«
Ich rief mir ins Gedächtnis, was Grant mich gelehrt hatte – dass man etwas riskieren musste, wenn man gewinnen wollte. Du musstest gewillt sein, dich von etwas zu trennen. Bereit zu verlieren.
»Die Familie ist so verkorkst«, fuhr sie fort, ihre Stimme kaum noch ein Flüstern. »Sie hassen sich.«
»Nein …«, sagte ich wenig überzeugend. Dachte: Sie halten zusammen. Wenn die Dinge schlecht laufen, gehen sie in Deckung. Bereiten Parker darauf vor, die Firma zu übernehmen. Ändern Sadies Karriere. Begleiten ihre Leben. Doch die Feindseligkeit zwischen Sadie und Parker hatte ich auch bemerkt. So wie Luce. Ich hatte das für Eifersucht gehalten, wegen der Erwartungen ihrer Eltern – eine typische Geschwisterrivalität –, aber vielleicht lag ich falsch.
»Es ist alles unecht«, sagte sie. »Stell dir vor, was sie alles auf sich nehmen müssen, sie alle, um dich daran glauben zu lassen. Alles ist unecht. Nichts ist real.«
Aber Luce hatte mit dem Finger auf mich gezeigt, das hatte mir Detective Collins gesagt .
»Du hast der Polizei gesagt, ich sei besessen von Sadie.«
Sie holte tief Luft. »Dieser Detective … er suchte nach etwas. Und ich wollte nicht, dass er es in mir fand. Er fragte immer wieder nach jedem Schritt, den ich getan hatte. Wo ich war, jede Sekunde. Es ist so schwer, sich an jeden Moment zu erinnern. Was du getan hast, was du gesehen hast …« Sie schloss die Augen, sie bewegten sich unter ihren Lidern. »Aber was sollte ich auch glauben? Als ich letzten Sommer dort ankam, warst du alles andere als begeistert. Es war nicht gelogen, was ich ihm erzählt habe.«
»Ich wusste nur nicht, dass du da sein würdest«, sagte ich. »Niemand hatte es mir erzählt.«
Sie drehte den Kaffeebecher in der Hand, nahm einen großen Schluck und ließ ihn dann in den Mülleimer neben dem Schreibtisch fallen. »Erst dachte ich, du seist hinter Parker her. Aber dann sah ich, wie du und Sadie miteinander wart. Ich weiß nicht, was über den Sommer mit euch passiert ist, aber ja, ich hab es der Polizei erzählt. Es war eine erniedrigende Nacht für mich gewesen, und ich hatte es satt, sie immer wieder neu abzuspulen. Und dann Sadie, mein Gott. Ich wollte nur noch da raus.« Ein Schauer durchlief sie, als sie zu Ende sprach.
»Du meinst, es gab einen Grund, warum sie sich auf dich konzentriert haben?«
Sie verzog den Mund zu einer dünnen Linie. »Nein, nicht mich.«
Parker. Sie meinte Parker. Parkers Beteiligung würde sie mit ins Chaos ziehen. Man konnte jemanden in eine andere Welt hinaufheben, aber auch mit nach unten reißen. Eine Lektion, die wir beide von den Lomans gelernt hatten.
Luce zog sich ihren weißen Kittel über. Klemmte ein Namensschild daran. Es gab so viele Arten, wie wir uns kleideten, um uns zu präsentieren. Wir schlüpften in eine Rolle, eine andere Haut. Veränderten unsere Erscheinung, um uns gegenseitig etwas mitzuteilen. Luce jetzt: Ich bin eine Person, die dir helfen wird. Oder: Ich gehöre hierher.
Sie sah wieder auf die Uhr. »Bist du deshalb gekommen? Sind wir fertig?«
»Jemand hat Sadie umgebracht. Diese Nachricht war nicht von ihr.«
Sie starrte mich lange an, die Hände erstarrt an ihrem Namensschild. Schließlich strich sie sich seitlich über den Kittel. Senkte die Stimme. »Fragst du mich, ob ich glaube, dass einer von ihnen es getan haben könnte?«
Tat ich das? War es das, weswegen ich hier war? »Du weißt besser als ich, wie sie waren.« Ich räusperte mich. »Du hast gesehen, wie sie alle waren.« Ich war zu nah dran. Und, das hatte sie mir an dem Tag, an dem wir uns kennenlernten, gesagt: Sie kannte sie länger.
»Ja, das frage ich dich.«
»Ich glaube, Sadie wollte da raus. Ich glaube, sie hat etwas über ihre Familie herausgefunden.« Ich sah zur Seite, ließ meinen Anteil daran weg – dass was auch immer sie herausgefunden hatte, nicht nur mit ihrer, sondern auch mit meiner Familie zu tun hatte. Der Diebstahl, die Zahlungen – alles hing zusammen, und ich war ein Teil davon.
»Ich weiß nicht genau, ob sie gehen wollte«, sagte Luce. »Ich glaube, sie wollte einfach gesehen werden, so wie Parker. Er braucht es, weißt du, von allen um ihn herum. Die Vergötterung des Parker Loman.« Sie verdrehte die Augen. »Aber Sadie machte da nie mit.« Ein kleiner Star-Protegé. Ein Junior-Arschloch. »Ihre Sticheleien gingen ihm unter die Haut. Ich hab Parkers Miene sich nie so verdunkeln sehen, wie wenn Sadie ihn reizte. Ständig war irgendetwas. Sie ärgerte ihn immer wieder wegen seiner Narbe. Ich glaube nicht, dass es so eine große Sache war. Wir waren alle mal jung.« Sie berührte ihre Augenbraue, zuckte mit den Schultern. »Aber sie ließ nicht locker. Sagte: Oh, erzähl Luce doch mal von deiner wilden Jugend. Parker kommt mit allem davon. Was war das noch mal? Ein Streit mit zwei Typen? Ein Streit wegen eines Mädchens? Er sagte nichts, aber sie machte immer weiter. Sagte etwas wie, Parker, jetzt musst du sagen: ›Ihr solltet den anderen Typen sehen.‹ Oder hab ich das falsch verstanden? Komm schon, sag es uns. Oder, Die Sünden seiner Jugend. Für immer verborgen.«
Ich sah es vor mir, wie Sadie das tat, den Ausdruck auf ihrem Gesicht. Bohren und bohren, bis etwas überschnappte. Parker kommt mit allem davon. Sie hasste ihn. Natürlich tat sie das. Das Leben, das sie nie haben konnte, nicht einmal, obwohl sie im selben Haus aufwuchs, mit denselben Eltern, denselben Möglichkeiten.
»Warum hast du dich denn von ihm getrennt? Hattest du Angst vor ihm?«
»Nein, ich hatte keine Angst. Ich hatte einfach die Nase voll .« Sie sah zur Seite und schniefte. »Es ist mir peinlich. Diese Nacht. Das Fenster. Erinnerst du dich?«
Ich hielt die Luft an. Hielt ganz still.
»Ich habe drinnen nach Parker gesucht. Aber schließlich hab ich ihn durchs Fenster gesehen. Ich lächelte. Ich erinnere mich, dass ich lächelte .« Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. »Bis ich sah, dass seine Hände ausgestreckt waren. Er redete mit einem Mädchen und versuchte, sie zu beruhigen. Und dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht … ich kenne diesen Ausdruck. Wut, ja, aber auch ein gebrochenes Herz. Und dann nahm sie eine dieser Säulen, die auf der Terrasse standen, und wollte ihm den Kopf damit einschlagen.« Luce schwang ihre Arme, als würde sie einen Schläger halten – um es zu zeigen oder sich zu erinnern. Mir blieb der Mund offen stehen.
Sie grinste. »So hab ich auch geguckt. Er hat sich weggeduckt, aber sie hat die Scheibe getroffen und, nun ja, du hast es ja gesehen. Sie wollte es tun. Sie wollte ihn verletzen. Sie war so, so wütend … Später, als ich ihn darauf ansprach, behauptete er, das sei schon lange vorbei. Dass sie nicht loslassen könne. Aber im Ernst!« Sie dehnte ihre Finger. »Ich wollte die Wahrheit. Keine Lügen mehr. Man wartet doch nicht bis zum allerletzten Tag des Sommers und greift dann jemanden wegen etwas an, das vor einem Jahr passiert ist. Sie war so wütend, wütend genug, um ihn genau da zu verletzen.« Ihr Hals zitterte. »Dieser ganze Ort … es ist, als käme man hinein, und es ist eine Welt für sich. Nichts sonst existiert. Die Zeit bleibt stehen. Du glaubst, du kannst alles tun …« Dann konzentrierte sie sich wieder auf mich. »Du wusstest es nicht? Ich dachte echt, alle waren in den Scherz eingeweiht außer mir.«
»Nein«, sagte ich. »Das wusste ich nicht.« Ich hatte keine Ahnung, was Parker so machte, wenn er allein unterwegs war.
»Parker bettelte mich an, sie da rauszulassen. Und das tat ich nur, weil ich damals nicht glaubte, dass er Sadie hätte wehtun können. Wir waren den größten Teil der Nacht zusammen gewesen, und dann war da die Nachricht … ich glaubte nicht, dass er ihr wirklich etwas antun könnte. Aber jetzt weiß ich es nicht mehr. Je mehr Zeit vergeht, wenn ich zurückblicke?« Sie schüttelte den Kopf.
Aber ich hörte kaum zu. Ich stellte mir das Mädchen da draußen vor, mit einer Säule, die sie wie einen Schläger hielt. Ging eine Reihe Gesichter durch, die ich an dem Abend gesehen hatte. Gerüchte, die ich über Parker gehört oder mir eingebildet hatte. »Dieses andere Mädchen, kanntest du ihren Namen?«
»Nein. Aber ich weiß, wer sie war. Ich hatte sie schon mal gesehen. Locken, so ein rotbraun. Sie hat in der Frühstückspension gearbeitet, in der wir manchmal zum Brunch waren.« Sie erstickte an ihrem eigenen Lachen. »Er hat mich dahin mitgenommen, während des Sommers, mich vorgeführt, der kranke Arsch. Hinterher ist mir klar geworden, dass er wegen ihr wahrscheinlich da parken wollte. Deshalb hat er so lange gebraucht, bis er zur Party kam. Weil er sie erst noch getroffen hat.«
Ich trat zurück, gerade als die Tür aufschwang. Eine ältere Frau in einem geblümten Kleid stand da, halb im Eingang, die Tür an der Hüfte. Sie sah zwischen uns hin und her. »Ist alles in Ordnung?« Sie spürte die Atmosphäre, die Spannung, die in der Luft lag. An ihr Kleid war ein Namensschild geklemmt. Die Sekretärin also.
»Ich muss gehen«, sagte ich.
»Avery?« Luces Stimme verebbte, als die Tür hinter mir zuschwang. Ich ging schnell, rannte fast den Flur entlang. Trat durch den nächsten Ausgang nach draußen, in die kühle, morgendliche endsommerliche Luft, atmete tief durch.
Verdammter Connor. Er wusste es. Das Mädchen, mit dem er im Schatten gestritten hatte – das eine Säule gegen Parker erhoben hatte. Ich hatte sie durch die Risse in der Scheibe gesehen, hinten im Garten – ihr Gesicht gerade nicht mehr im Bild. Er hatte alles gesehen – und gelogen. Hatte seine Verbündete gewählt, damals und jetzt.
Ich sah sie genau vor mir, das Mädchen im Schatten. Weiße Knöchel. Ich stellte mir ihren Blick vor, als sie zurückstolperte. Konnte es ganz klar erkennen, so wie nie zuvor. Angst ja, aber auch Wut.
Faith. Es war Faith gewesen.