Obwohl ich angewiesen worden war, den Golem nach seiner Fertigstellung zum Rabbiner zu bringen, dauerte es viele Monate, bis ich ins jüdische Viertel zurückkehrte. Ich zögerte es hinaus, indem ich die Puppe in jeder Hinsicht perfektionierte. Ich gab ein kleines Vermögen aus, um bei einem Perückenmacher in der Altstadt die teuersten Haare zu kaufen: glänzende kastanienbraune Locken, die der Puppe bis zur Taille fielen. Ich ließ von einer Schneiderin Kleider anfertigen – ein luxuriöses Seidenkleid in Rosa, das zu dem Ballkleid passte, das Violaine in der Nacht ihres Todes getragen hatte. Nicht nur eine Lage Seide, sondern gleich fünf, sodass sie sich um ihre Beine herum öffneten wie die Blütenblätter einer Blume.

Aber Ende April konnte ich nicht länger warten. Ich packte den Golem in einen Lederkoffer, legte ihn in einen Karren aus der Werkstatt und transportierte ihn durch die Altstadt ins Judenviertel. Ich ging langsam, widerstrebend. Jede Unebenheit auf dem Kopfsteinpflaster, jedes Drängeln eines vorbeilaufenden Kindes erfüllte mich mit dem Drang umzukehren. Ich war verpflichtet, Violaine aufzugeben, das wusste ich, aber mit jedem Schritt spürte ich, wie falsch es war, sich von ihr zu trennen. Ich betrachtete sie inzwischen als mein Eigentum, obwohl es dafür gewiss keine Rechtfertigung gab.

Über sechs Monate waren vergangen, seit ich das letzte Mal im jüdischen Viertel gewesen war, und es hatte sich in dieser Zeit erheblich verändert. In den Fensterkästen wuchsen Blumen, und die Straßen waren voller spielender Kinder. Ich klopfte an die Tür des

»Kommen Sie, kommen Sie herein und setzen Sie sich zu uns«, sagte Jakob. Sein Blick richtete sich auf den Karren. »Wir sitzen gerade beim Abendessen.«

Ich betrat ihr Haus und zog den Karren hinter mir her. Alles war genauso wie im Herbst – der Klang einer Geige, der Duft einer Mahlzeit –, aber ein Gefühl tiefer Entfremdung hatte sich in mir breitgemacht. Als Jakob mir den Mantel abnehmen wollte, wich ich zurück. Als seine Mutter mir Tee anbot, lehnte ich ihn ab. Anstatt mich willkommen zu fühlen, wie zuvor, fühlte ich mich bedroht.

Jakob war von dieser Veränderung überrascht, aber er drängte mich nicht zu einer Erklärung, und ich hätte mein Verhalten wohl kaum rechtfertigen können, selbst wenn ich es versucht hätte. Wie konnte ich mein Bedauern über unsere Abmachung zum Ausdruck bringen? Wie sollte ich ihm sagen, dass ich mich wie ein Vater fühlte, der sein eigenes Kind weggibt? Ich kannte meine Verpflichtungen, und ich hatte die Absicht, sie zu erfüllen, aber es schmerzte mich.

Der Rabbiner betrat den Raum und begrüßte mich. Sein Bart war in den Monaten, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, länger geworden. An der Art, wie er mich ansah, konnte ich erkennen, dass auch er die Veränderungen an mir bemerkte.

»Ich habe Ihren Auftrag erledigt«, sagte ich und ließ Jakob für uns übersetzen. Ich hob den Koffer aus dem Karren und stellte ihn auf den Tisch zwischen uns. »Sie werden zufrieden sein. Dieses Geschöpf repräsentiert den Gipfel meiner Fähigkeiten, und, verzeihen Sie mir meine Arroganz, es ist perfekt.«

»Man benötigt bei einem Golem keine Perfektion«, sagte der Rabbi. »Nur Robustheit und Haltbarkeit.«

»Bitte«, sagte ich und spürte die Hitze, die in meine Wangen stieg. »Darf ich Ihnen das außergewöhnliche Geschöpf zeigen, das ich erschaffen habe?«

Der Rabbiner starrte mich mit ausdrucksloser Miene an. Er

Violaine lag auf einem Bett aus Holzspänen, gepolstert wie ein Vogelei in einem Nest, ihre grünen Glasaugen starrten nach oben. Das cremefarbene Porzellan ihrer Haut reflektierte den Schein der Kerzen; ihr glänzendes kastanienbraunes Haar fiel ihr über die Schultern. Ich erinnerte mich an den hässlichen Golem, den ich auf derselben Empore gesehen hatte, mit seiner zerbröckelnden Tonhand. Der Unterschied zwischen meiner Kreatur und dem Golem von Rabbi Löw war extrem: der eine von stumpfer, derber Machart, bereits im Verfall, die andere wunderschön wie ein echtes Kind. Aber der Rabbiner und Jakob reagierten nicht so, wie ich es erwartet hatte. Eine ganze Minute lang starrten sie Violaine an, und dann begannen sie, wie ich vermutete, eine Diskussion über die Kreatur, mit eiligen, mir unverständlichen Worten.

Jakob wandte sich schließlich an mich. »Wir sind überrascht, dass der Golem weiblich ist«, sagte er mit fragendem Blick.

»Sie haben das Geschlecht nicht angegeben«, sagte ich und erkannte mit einem Mal, wie weit mein schöner Golem von ihren Erwartungen entfernt war. Sie hatten sich eine Porzellanhülle gewünscht; ich hatte ihnen ein Meisterwerk geschenkt. »Aber ich versichere Ihnen, sie ist robuster, widerstandsfähiger und tauglicher als jede andere Puppe, die ich herstellen könnte.« Ich zeigte ihnen die gelenkigen Gliedmaßen, den beweglichen Kopf und das versteckte Fach am Halsansatz. Die ganze Zeit über sagte der Rabbiner nichts. Schließlich wandte er sich an seinen Sohn und gab ihm ein Zeichen zu übersetzen.

»Sie ist gut, sagt mein Vater«, sagte Jakob erleichtert. »Sehr gut. Der Geist könnte hier in dieser Kreatur leben. Wir nehmen Ihre Arbeit an und danken Ihnen für Ihre Bemühungen.«

»Aber warten Sie«, sagte Jakob. »Mein Vater hat noch eine letzte Bitte, Monsieur LaMoriette.«

»Was wünschen Sie noch?«, fragte ich, und mein Stolz mischte sich mit Trauer. »Ich habe Ihnen mein bestes Werk gegeben. Es ist so hell und strahlend wie die Sonne.«

»Was nützt die Sonne, wenn man sie nie hat scheinen sehen?«

Wäre ich ein weniger stolzer Mann, ein weniger neugieriger Mann gewesen, hätte ich mich in diesem Moment abgewandt und wäre gegangen. Aber ich wollte die Geheimnisse des Rabbinerkreises verstehen. Ich wollte den Schleier zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen lüften und das Wunder der Schöpfung sehen. Ich wollte das Leben in meiner Violaine brennen sehen. Und so blieb ich, zu meinem ewigen Bedauern.