Kapitel 9
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Michael schaltete das Licht im Bad aus und ging nackt ins Schlafzimmer. Julian war bereits im Bett, er lag auf dem Rücken und hatte den Blick auf die Decke gerichtet. Michael blieb am Fußende des Bettes stehen und wartete darauf, dass Julian seine Erektion bemerkte.
Es war ja nicht so, dass er sie übersehen konnte. Michaels Schaft war wie Stahl.
Nichts. Nicht einmal ein Blick.
Michael räusperte sich, und Julian stützte sich auf die Ellbogen. „Ist mir was entgangen?“ Michael nickte mit einer winzigen Kopfbewegung in Richtung seines Schritts. Julian lächelte. „Ist das für mich?“
„Ja – sobald du mir sagst, wo du gerade warst.“
Zu seiner Überraschung nahm Julian seine vorherige Position wieder ein. „Ich hab nur nachgedacht, das ist alles.“
Michael kletterte auf das Bett und krabbelte zu Julian, der unter der Bettdecke lag. „Jetzt mache ich mir wirklich Sorgen.“ Er legte seine Hand auf Julians Stirn. „Na ja, Fieber hast du nicht.“
Julian runzelte die Stirn. „Wovon redest du?“
Michael biss sich auf die Lippe. „Seit wann ignorierst du meinen Schwanz, wenn er dir angeboten wird? Es sei denn, du bist krank. Aber dann war da das eine Mal, als du –“
Julian unterbrach Michael, indem er ihm einen Finger auf die Lippen legte. „Ich hab an Kristofer gedacht, wenn du es unbedingt wissen musst.“
Der Name genügte, um Michael all seiner Absichten zu berauben.
Er erstarrte. „Wie bist du denn auf ihn gekommen?“ Seit Jahren hatte keiner von ihnen diesen Namen erwähnt. Was Michael betraf, war es keine bewusste Entscheidung, nicht über ihn zu sprechen, sondern eher eine Form des Selbstschutzes.
Es tat immer noch weh, sich an ihn zu erinnern.
Er schlüpfte unter die Bettdecke und legte sich neben Julian auf die Seite, streckte die Hand aus und streichelte über seinen Bart. „Babe?“ Als keine Antwort kam, umfasste er Julians Kinn. „Rede mit mir.“
„Vielleicht liegt es an Jim“, meinte Julian.
Man musste kein Genie sein, um herauszufinden, warum.
„Er hat etwas von Kristofer an sich, nicht wahr?“ Nicht, dass es anfangs offensichtlich gewesen wäre. Es hatte Jims Reaktion auf ihren gemeinsamen Kuss gebraucht, um deutlich zu machen, wie ähnlich sich die beiden Männer waren.
„Himmel, Michael.“ Julian schauderte. „Die Geräusche, die er gemacht hat. Wie er gezittert hat, als ich mit seinen Nippeln gespielt habe. Dieser Reh-im-Scheinwerferlicht-Blick, als er sich gehen ließ, nur ein bisschen, als hätte er erst jetzt verstanden, wie gut es sein kann.“
Oh Gott. Julian hätte über sie beide sprechen können.
Michael zog Julian in seine Arme und hielt ihn fest. Julian vergrub sein Gesicht an Michaels Brust, und Michael wurde das Herz schwer, als er die leisen Schluchzer spürte, die seinen Körper erschütterten. Es wäre ein Leichtes gewesen, Julians Trauer zu teilen – nicht, dass Michael jemals aufgehört hätte zu trauern –, aber er hatte sich schon vor langer Zeit entschieden: Trauer war kein Ort, an dem man verweilte, und einer von ihnen musste stark sein.
Er streichelte Julians Kopf und drückte einen Kuss darauf. „Oh, Baby. Ich weiß. Aber das ist der Grund, warum wir bei belanglosen Begegnungen bleiben, oder? Deshalb sind wir zufrieden mit Männern, die kommen und gehen. Weil wir das nicht noch einmal durchmachen können.“ Das würde sie vernichten.
Julian drehte den Kopf, um Michael in die Augen zu sehen. „Ich habe ihn geliebt, weißt du? Ich habe Kristofer verdammt noch mal geliebt .“
Michael küsste ihn auf die Stirn. „Ich weiß, Babe. Ich auch. Aber wir mussten ihn gehen lassen, richtig?“
Julians Augen funkelten. „Dieses Arschloch Ray hat uns keine Wahl gelassen.“
Michael umfasste Julians Wange. „Denk mal darüber nach. Wie würdest du dich fühlen, wenn du jemanden kennenlernst, dich leidenschaftlich in ihn verliebst, ein Leben mit ihm aufbauen willst – und dann herausfindest, dass dein zukünftiger Partner zwei Daddys hat? Ray mochte keine offenen Beziehungen.“
„Meinst du, es hat Kristofer das Herz gebrochen, so wie es uns das Herz gebrochen hat?“ Julian wischte sich mit der Hand über die Augen. „Ich hasse die Vorstellung, dass er unglücklich ist.“
„Ich weiß.“ Michael schlang die Arme um Julian. „Aber wir haben getan, was wir versprochen haben. Wir haben jeglichen Kontakt abgebrochen. Wir haben uns nicht mehr nach ihm erkundigt.“ Er drückte einen weiteren sanften Kuss auf Julians Stirn. „Wir können nur hoffen und beten, dass er glücklich ist.“
„Du bereust doch nicht, dass wir hierhergekommen sind, oder?“, murmelte Julian gegen seine Brust.
Michael seufzte. „Nein, Baby, das tue ich nicht. Ich liebe, was wir hier haben.“
„Und du denkst nicht, dass wir... weggelaufen sind?“
Das war eine knifflige Frage. „Ich glaube, wir sind ursprünglich hergekommen, um in Ruhe unsere Wunden zu lecken und ihn aus unseren Gedanken zu verbannen.“ Nicht, dass das anfangs geklappt hätte. Kristofer war mit ihnen umgezogen. Er war schließlich in ihren Herzen. Aber mit jedem Jahr, das verging, war der Schmerz über seinen Verlust ein wenig mehr von einem scharfen, stechenden Schmerz zu einem dumpfen verblasst.
„Und du bist glücklich mit unserem Leben?“
Michael hatte diese unsichere Seite von Julian schon lange nicht mehr gesehen, und es betrübte ihn. Er hatte wirklich geglaubt, sie hätten es hinter sich gelassen. „Was du Jim gesagt hast, war die Wahrheit“, versicherte Michael ihm.
Julian schniefte. „Was genau? Ich habe vieles gesagt, seit wir ihn kennengelernt haben.“
„Dass es völlig in Ordnung wäre, wenn wir für den Rest unserer Tage nur noch Sex miteinander hätten.“
Julian drehte sich wieder auf den Rücken und zog Michael auf sich. „Du bist auch dieser Meinung?“
Michael lächelte. „Von ganzem Herzen.“ Er schloss die Lücke zwischen ihnen und küsste Julian sanft auf die Lippen. „Ich liebe dich.“
Julian legte die Arme um Michaels Hals, seine Augen glänzten. „Ich liebe dich auch.“ Er schlang seine Beine um Michaels Taille. „Ich glaube, es gibt einen Ort, an dem du sein musst“, flüsterte er.
„Und wo wäre das?“ Michael ließ die Hüften kreisen, seinen Schwanz über Julians Schaft gleiten und genoss es, wie Julian der Atem stockte.
Julian umfasste Michaels Nacken und zog ihn zu einem Kuss zu sich herunter. „In mir“, murmelte er gegen Michaels Lippen.
Michael küsste ihn, dann legte er seine Hand auf Julians Herz. „Ich dachte, da wäre ich schon.“
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Nach einer Nacht ungestörten Schlafs erwachte Jim zu Vogelgezwitscher. Er streckte sich unter der Bettdecke, zufrieden damit einfach dazuliegen und die Wärme zu genießen.
Ist es nicht erstaunlich, wie gut man sich von ein bisschen Rummachen fühlen kann? Gott, wenn man dieses Gefühl in Flaschen abfüllen könnte, könnte man damit ein Vermögen machen. Er schloss die Augen und war wieder dort, zwischen den beiden, Michaels Lippen auf seinen Lippen, Julians an seinem Hals. Jim umfasste seinen Schwanz und rieb ihn langsam, konzentrierte sich auf die Erinnerung an Julians Mund an seiner Brustwarze, heiß und feucht. Und die kleine Drehung, die Julian dem harten, kleinen Nippel verpasst hatte...
Seine Hand bewegte sich schneller, seine Gedanken waren jetzt auf sie drei fixiert, nur dieses Mal rieb Michael mit der Hand über Jims Schritt, und Jim hielt ihn nicht auf. Er griff fester zu, stellte sich vor, wie Michaels warme Finger unter seinen Hosenbund glitten, seinen steif werdenden Schwanz suchten, ihn streichelten.
Oh, Fuck. Dann legten sich zwei Hände um seinen Schaft und arbeiteten zusammen, und Jim merkte, dass er nur noch einen Hauch davon entfernt war zu kommen. So sehr er sich auch bemühte, er konnte es nicht zurückhalten und ergoss sich über seine Finger. Sein Bauch bebte und sein Atem hörte sich in der stillen Hütte laut an.
Es gab keinen besseren Grund, als sich säubern zu müssen, um einen Mann zum Aufstehen zu bewegen.
Als er bei seiner zweiten Tasse Kaffee angekommen war, steckte Jims Kopf voller Ideen. Die Aussicht, in einem neuen Genre zu schreiben, erfüllte ihn eher mit Aufregung als mit Beklemmung, und er wollte an diesem Gefühl festhalten. Er öffnete die Tür zu seinem Balkon und setzte sich auf einen der Stühle, eine dicke Decke über sich gelegt und das Notizbuch auf dem Schoß. Er hatte keine feste Vorstellung von einer Handlung, sondern schrieb, was ihm in den Sinn kam. Es war eine kathartische Erfahrung, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und keinen einzigen Einfall zu verwerfen.
Es war auch etwas, das er in all seinen Jahren als Schriftsteller bisher noch nie getan hatte.
„Einen wunderschönen guten Tag“, rief Michael von unten.
Jim warf seine Decke ab und spähte über die Balkonbrüstung. Michael stand in seiner dicken Jacke da und Buster beschnüffelte den Boden um seine Füße herum. „Hat Buster dich hergebracht, oder war es diesmal andersrum?“, neckte Jim ihn.
„Ich habe eine Pause gemacht. Außerdem war Busters Spaziergang fällig.“ Michael lächelte. „Hast du einen Kaffee da? Ich weiß, ist eine dumme Frage, denn leben nicht alle Schriftsteller von Kaffee? Aber ich hätte liebend gern eine Tasse, wenn du welchen hast.“
Jim gluckste. „Ich wollte gerade eine frische Kanne aufbrühen. Komm rauf.“ Eine glatte Lüge, aber er war mehr Kaffee nicht abgeneigt. Er stellte die Maschine an und hielt aber inne, als ein kleiner, drahthaariger Hund mit einem fröhlichen Kläffen durch die Hütte gerannt kam. Jim bückte sich, um ihn zu begrüßen. „Hallo, Buster. Hast du auf dem Weg hierher etwas Interessantes gerochen?“
Michael lachte, als er in den Küchenbereich kam. „Ein Kaninchen, aber es ist entkommen.“ Er schaute sich in der Hütte um.
Es war das erste Mal, dass Michael sich unwohl zu fühlen schien, und Jim war neugierig. Er wies auf die Couch. „Setz dich. Der Kaffee ist gleich fertig.“ Jetzt, wo Michael da war, fühlte sich Jim ein wenig unbehaglich. Es war zu lange her, dass Jim die Feinheiten eines typischen Nach-dem-Sex-Gesprächs hatte beachten müssen.
„Ich bin nicht hier, um dich zu drängen“, sagte Michael, als er sich setzte. Buster steuerte sofort auf seinen Schoß zu. „Ich habe gesagt, dass wir das nicht tun werden.“ Er begegnete Jims Blick. „Du fühlst dich nicht unwohl wegen letzter Nacht, oder?“
Jim entschied sich für die Wahrheit. „Ich bin mir nur nicht sicher, was ich sagen soll. Ich meine, was sagt man zu jemandem, der einem die Zunge in den Hals gesteckt hat?“, scherzte er.
„Danke schön?“, schlug Michael mit zuckenden Lippen vor. Er schien sich ein wenig zu entspannen.
Jim starrte ihn eine Sekunde lang an, bevor er in Gelächter ausbrach. „Ja, das wäre eine Möglichkeit.“ Der Kaffee tropfte in die Kanne, und Jim würde auf keinen Fall daneben stehen bleiben und warten. Er setzte sich zu Michael auf die Couch. „Woran arbeitest du?“
Michael lächelte schief. „Um ehrlich zu sein, im Moment an nichts. Ich durchforste ständig das Internet nach Inspiration für die Skulptur, von der ich dir erzählt habe – dem Akt? Aber bis jetzt hatte ich noch kein Glück.“
„Hast du eine Ahnung, was du machen willst?“, fragte Jim. „Ich meine, wird er stehen, sich die Zähne putzen, auf der Toilette sitzen...“ Er schmunzelte. „Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass das viele Leute kaufen wollen.“
„Wie gesagt, ich habe nichts Bestimmtes im Sinn.“ Michael warf einen Blick auf Jims Notizbuch, das auf der Arbeitsplatte lag. „Was ist mit dir? Hast du schon Ideen für dein nächstes Buch?“
Jim lachte. „Jede Menge, von denen ich die meisten wahrscheinlich nicht verwenden werde. Aber wenigstens habe ich jetzt welche.“
„Das liegt an uns.“ Michael warf sich in die Brust. „Wir haben offensichtlich deine kreativen Säfte zum Fließen gebracht.“
Es lag Jim auf der Zunge, Michael zu verraten, was genau sie an diesem Morgen zum Fließen gebracht hatten. „Steht die Einladung auf Cocktails heute Abend noch?“
Michael strahlte. „Natürlich tut sie das. In der Tat...“ Seine Augen funkelten. „Du bist jederzeit herzlich willkommen. Du musst nicht auf eine Einladung warten.“
„Aber... Ihr habt doch beide zu arbeiten.“ Jim neigte den Kopf zur Seite, als er die Andeutung verstand. „Bekommt jeder, an dem ihr... interessiert seid, die gleiche Einladung?“ Er machte sich keine Illusionen. Es musste schon viele Männer vor ihm gegeben haben, die die Aufmerksamkeit ihrer Gastgeber auf sich gezogen hatten.
Michael schüttelte langsam den Kopf. „Nur du.“
Jim schluckte. „Und das nennst du nicht drängen?“
„Fuck.“ Michael fuhr sich mit der Hand über den Kopf. „Ich versuche hier mein Bestes, nicht zu sagen, was ich wirklich auf dem Herzen habe.“
„Warum?“ Jims Herzschlag beschleunigte sich.
Michaels entkam ein Stöhnen. „Weil ich das hier nicht versauen will, okay? Ich will dich nicht abschrecken. Wir wollen dich nicht abschrecken.“
Jim nahm seinen ganzen Mut zusammen. „Na komm, sag schon.“
Michael saß ganz still neben ihm. Buster spitzte die Ohren, als würde er Michaels Stimmung spüren. „Es tut mir leid“, sagte er schließlich. „Ich hatte kein Recht, das zu sagen. Es ist nicht fair. Du machst keinen Urlaub, du bist hier, um zu arbeiten, und ich sollte dich nicht wegzerren –“
„Michael, um Himmels willen, spuck’s aus!“ Die Worte kamen lauter und schärfer heraus, als er beabsichtigt hatte, aber er musste es wissen.
Das entlockte Michael ein weiteres Stöhnen. „Ich will dich mit zu uns nehmen, dich ausziehen und in unser Bett stecken. Und dann will ich, dass wir drei den Rest des Tages mit Ficken verbringen. Seit ich heute Morgen aufgewacht bin, habe ich an nichts anderes mehr gedacht.“ Er schaute Jim in die Augen. „Deshalb habe ich auch nichts zustande gebracht.“ Ein langer Seufzer entkam ihm.
Jim bemühte sich angestrengt, Ruhe zu bewahren. Michaels unverblümte Worte entzündeten eine Lunte in ihm, und obwohl sein Herz hämmerte, wollte er das Feuer, das sich in seinem Körper ausbreitete, nicht löschen. Er holte tief Luft. „Wie wäre es dann, wenn ich die Kaffeemaschine ausschalte, meinen Mantel anziehe und wir rübergehen?“
Sie mussten jetzt gehen, auf der Stelle, bevor sein Gehirn sich wieder einschaltete und versuchte, ihn umzustimmen.
Michaels stockender Atem und seine geweiteten Pupillen sagten mehr, als Worte es je könnten. Jim stand von der Couch auf, schaltete in der Küche alles aus, schloss die Balkontür ab und schnappte sich Stiefel und Jacke.
Ich kann nicht glauben, dass ich das tue.
Jetzt musste er nur noch sein Herz dazu bringen, sich zu beruhigen.