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Fluch der Dunklen Ritter

„Ich wünschte, wir wüssten, welcher Gefahr wir uns als Nächstes stellen müssen“, sagte Tom. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er im Schein des Lagerfeuers die magische Kugel, die über seinen ausgestreckten Handflächen schwebte.

„Verrät dir die Karte denn gar nichts?“, fragte Elenna.

„Nein.“ Tom starrte den Globus im flackernden Feuerschein noch eindringlicher an, aber die Oberfläche blieb weiterhin dunkel. Die besondere Marmorkugel war ein Geschenk von Zauberer Aduro. Sie sollte Tom und Elenna bei ihrer Mission helfen. Auf der Kugel konnten Wege sichtbar werden, die sie zu den Rittern von Forton führten – sechs mutigen Kämpfern, die vom bösen Magier Malvel verflucht worden waren. Er hatte die Ritter aus ihren Gräbern auferstehen lassen und nun machten sie Avantia unsicher. Im Kampf verwandelten sie sich in die Biester, die sie vor langer Zeit selbst besiegt hatten.

Aber warum leuchtete jetzt kein neuer Pfad auf? Tom schüttelte den Kopf und legte die Kugel zu seinen Füßen ab. Er hoffte, dass sich auf der Marmoroberfläche bald etwas zeigen würde.

Elenna saß im Schneidersitz am Feuer und schnitzte. Neben ihr lag ihr zahmer Wolf Silver und döste. Sein graues Fell glänzte im flackernden Schein der zuckenden Flammen. Toms schwarzer Hengst Storm graste. Vor ihnen erstreckte sich die weite Grasebene von Avantia in der Dunkelheit der Nacht.

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„Ich mache mir Sorgen wegen der Nachricht, die Freya Aduro geschickt hat“, sagte Tom.

Seine Mutter hatte berichtet, dass Malvels Zorn wuchs und er plante, erneut nach Avantia zu gelangen.

Elenna schüttelte den Kopf. „Daran sollten wir nicht denken“, sagte sie. „Die Ewige Flamme hält Malvel in Gorgonia gefangen. Er kann nicht entkommen.“

„Hoffentlich hast du recht“, erwiderte Tom nachdenklich. Er erinnerte sich daran, wie er Malvel in die Ewige Flamme gestoßen hatte, die ihn nun gefangen hielt. Aber wie lange noch? „Was er wohl vorhat?“

Er stützte seinen Kopf auf den Händen ab. Es war erst einen halben Tag her, dass Elenna und er in den Bergen mit dem Schwarzen Ritter gekämpft hatten. Toms Körper schmerzte vor Erschöpfung. Der verzauberte Ritter hatte sich in Shamani, den Flammenkämpfer, verwandelt und beinahe das gute Biest Arcta getötet. „Wie viele meiner Freunde werden die Dunklen Ritter noch bedrohen?“, fragte sich Tom voller Verzweiflung.

„Wenn ich Malvel nicht in die Ewige Flamme getrieben hätte, wäre nichts davon geschehen“, murmelte er.

Elenna sah auf. „Tom!“, protestierte sie. „Du darfst dir nicht die Schuld daran geben. Du hast nur getan, was getan werden musste, um Malvel zu stoppen. Niemand konnte ahnen, dass er die Ritter von Forton auferwecken würde. Außerdem haben wir schon zwei von ihnen besiegt.“

„Du hast recht.“ Tom griff wieder nach der Marmorkugel. Sie drehte sich schlingernd im Kreis. Die Oberfläche war glatt und leer. Müde starrte Tom sie an, bis alles vor seinen Augen verschwamm. Das Aufblitzen von Elennas Messer riss ihn wieder aus seiner Starre.

„Was schnitzt du da denn eigentlich?“, fragte er.

„Einen Dreschflegel, wie der Schwarze Ritter ihn hatte“, erklärte Elenna geduldig. „Ich möchte diese Waffe selbst gern ausprobieren.“

„Ich bleibe bei meinem Schwert“, sagte Tom.

Plötzlich winselte Silver und hob den Kopf.

„Ich glaube, er hat etwas gewittert“, meinte Elenna leise zu Tom. Sie legte ihr Messer und die Waffe beiseite und starrte gespannt auf die Marmorkugel. Tom hielt die Luft an und lehnte sich vor. Sein Blick war nicht länger müde, sondern plötzlich geschärft. Auf der glänzenden Oberfläche der Kugel bildete sich wie von Geisterhand die Landkarte von Avantia. Eine dünne Linie verlief über die Karte, von der Grasebene in Richtung Osten.

Storm hob den Kopf aus dem Gras und kam näher. Er legte seinen warmen Kopf auf Toms Schulter und zu viert sahen sie zu, wie sich die Linie immer weiter nach Osten schlängelte.

„Sie führt zum Vulkan von Stonewin“, stellte Tom fest. „Dort ist meine alte Freundin Eposs, der Flammenvogel, zu Hause.“

„Aber gegen welches Biest müssen wir kämpfen?“, fragte Elenna.

„Lustor“, flüsterte Tom, als der Name auf der Karte erschien. „Wir dürfen keine Zeit verlieren. Bis zum Morgen zu warten, können wir uns nicht leisten.“ Er sprang auf und steckte den magischen Globus in Storms Satteltasche, dann schnappte er sich die Zügel.

Elenna trat das Feuer aus und griff nach ihrem Dreschflegel. Nacheinander stiegen sie auf Storms Rücken. Silver lief nervös im Kreis. Tom lenkte Storm nach Osten und trieb den Hengst zum Galopp an. Wie ein Schatten rannte Silver neben ihnen her.

Mit donnernden Hufen ritten sie über die Ebene. Tom fiel Aduros Warnung ein: „Seid wachsam!“

„Wenn wir nicht alles geben, um Lustor zu besiegen, wird ganz Avantia dem Untergang geweiht sein“, dachte er.