„Braver Junge!“, lobte Tom seinen Hengst. Er beugte sich vor und klopfte Storm auf den Hals.
Die Grasebene breitete sich bis in die Ferne vor ihnen aus. Im Mondlicht wirkte sie verlassen und unheimlich. Nur das Donnern von Storms Hufen unterbrach die nächtliche Stille. Silver raste durch das wogende Gras. „Hoffentlich kommen wir rechtzeitig am Vulkan an“, dachte Tom.
Plötzlich wich Storm zur Seite aus und bäumte sich auf. Elenna klammerte sich fester an Tom, beide rutschten ein Stück nach hinten.
„Ruhig, Junge“, sagte Tom sanft. Mit einer Hand hielt er die Zügel, mit der anderen strich er dem Hengst beruhigend über den Hals.
„Was ist das?“, fragte Elenna. Sie deutete auf etwas Kleines, das im Dunkeln an ihnen vorbeiflog.
„Wahrscheinlich eine Fledermaus“, antwortete Tom.
Das Wesen flatterte nun aufgeregt über ihren Köpfen.
„Es sieht wie eine Schwalbe aus“, meinte Elenna. „Solche haben immer bei uns im Dorf genistet.“
Verwundert sah Tom zu, wie der Vogel neben Silver im Gras landete. Der Wolf starrte den Vogel aus großen Augen an.
„Silver, sitz!“, befahl Elenna.
Der Vogel piepte, legte den Kopf schief und sah sie an. Dann flog er ein paar Meter weiter, landete wieder und zwitscherte ihnen zu.
„Vielleicht will er, dass wir ihm folgen“, meinte Elenna.
„Es könnte auch eine Falle sein“, sagte Tom warnend. „Vielleicht gehört das zu Malvels Plan.“
„Aber er fliegt auch nach Osten, also müssen wir ihm sowieso folgen“, wandte Elenna ein.
Die Schwalbe erhob sich in die Luft und flog voran, gegen den dunklen Himmel war sie kaum zu sehen. Tom verstärkte den Druck seiner Beine und Storm trabte hinter dem Vogel her.
Spöttisches Gelächter hallte auf einmal durch die Nacht. Toms Nackenhaare stellten sich auf.
„Hört ihr das?“, fragte er und brachte den Hengst zum Stehen.
Elenna spitzte die Ohren. „Hyänen“, sagte sie schaudernd. „Es klingt, als seien sie auf der Jagd.“
Storm stampfte mit den Hufen. Silver knurrte und die Haare auf seinem Rücken richteten sich auf. Vorsichtig näherten sie sich dem schrillen Gelächter. Dann entdeckte Tom das Rudel, die Augen der Hyänen glühten in der Dunkelheit. Sie umringten eine verletzte Kreatur, die auf dem Boden lag.
„Sollen wir sie retten?“, fragte Elenna. Doch bevor Tom antworten konnte, trillerte und zwitscherte die Schwalbe laut und flog dicht über die schnappenden Mäuler der Hyänen hinweg.
Die Kreatur auf dem Boden stöhnte.
„Es ist eine Frau!“, keuchte Tom. Er drängte Storm vorwärts. Die Hyänen stoben auseinander. Die Frau kam auf die Knie und schwang ihren Spazierstock um sich. Die Hyänen wichen Storms Hufen aus und näherten sich wieder. Ein Tier schien der Anführer des Rudels zu sein. Es war größer und sah grimmiger aus als der Rest, hatte riesige Zähne und dunkles Fell. Mit schnappendem Kiefer sprang es auf die Frau zu.
„Verschwinde, du Vieh!“, schrie die Frau und hieb dem Tier mit ihrem Stock auf die Schnauze. Eine andere Hyäne griff sie von hinten an und riss ein Stück Stoff aus ihrer Kleidung.
Silver mischte sich knurrend und mit gefletschten Zähnen ein. Er sprang der Hyäne an den Hals, die daraufhin mit dem Stoff im Maul flüchtete.
Elenna spannte einen Pfeil auf ihren Bogen und schoss ihn surrend ab. Er traf eine Hyäne am Bein, die vor Schmerz aufjaulte. Tom lenkte Storm näher an die Frau heran und sprang mit gezücktem Schwert neben ihr ins Gras. Im Kreis gehend wehrte er die wilden Tiere ab und drängte sie Schritt für Schritt zurück. Elenna kam ihm zu Hilfe und ließ ihren Dreschflegel auf die Hyänen niedersausen.
Die Tiere jaulten und flohen in die Dunkelheit. Mit einem kräftigen Tritt wirbelte Storm die letzte Hyäne durch die Luft. Sie rappelte sich auf und rannte dem Rudel nach.
„Hier, nimm meine Hand“, sagte Tom zu der Frau. Er half ihr beim Aufstehen. Sie stützte sich schwer auf ihren Stock und wischte den Schmutz von ihrer Kleidung. Tom sah, dass sie zitterte. Er bemerkte außerdem, dass sie rote Flecken im Gesicht hatte, wie von Verbrennungen. Ihre Kleider und der Beutel, den sie über der Schulter trug, waren mit Brandlöchern übersät. Ihre Augen waren zugeschwollen.
„Das war keine Hyäne“, dachte Tom. „Das kann nur etwas sehr Grausames gewesen sein.“