16

Maya

Nachdem ich ungefähr eine Minute geschwommen bin, wird mir klar, wie mies diese Idee tatsächlich ist. Das Wasser ist scheißkalt. Ich werde erfrieren, als menschenförmiger Eiswürfel auf den Grund des Sees sinken, und Jordy wird eine widerlich romantisch-verklärte Sondersendung über seine unendliche Trauer bekommen, weil er mit ansehen musste, wie seine Ex-Freundin direkt vor seinen Augen stirbt.

Möglicherweise sogar zwei Ex-Freundinnen, wenn ich Skye nicht bald einhole.

Sie beobachtet mit einer Mischung aus Belustigung und Verärgerung und einer hochgezogenen Augenbraue, wie ich mich ihr Zentimeter um Zentimeter nähere. »Brauchst du Hilfe?«, ruft sie mir zu.

»Du brauchst Hilfe«, keuche ich.

Sie blickt sich mit vorgeschobener Unterlippe um. »Ehrlich gesagt komm ich ganz gut klar. Ist wirklich ein wundervoller Tag für eine Bootsfahrt.«

Gott, ich bin so froh, dass wenigstens eine von uns im Augenblick die Energie hat, Witze zu reißen. Das hier wäre entschieden einfacher, wenn das Kajak nicht fast genauso schnell davontreiben würde, wie ich schwimmen kann. In einem wahren Kraftakt wechsle ich in den Kraulstil, Kopf nach unten. Ja, verflucht, so komme ich endlich vorwärts. Ich schwimme ungefähr dreißig Sekunden lang in vollem Tempo, bevor ich aufblicke, um meinen Fortschritt zu begutachten. Eigentlich hatte ich erwartet, ich hätte das Kajak inzwischen erreicht, doch zu meiner großen Frustration bin ich immer noch gut sechs Meter davon entfernt. »Halt an«, stöhne ich zwischen zweimal Nach-Luft-Japsen.

»Tut mir leid«, erwidert Skye trocken, »ich werde mir mehr Mühe geben.«

Langsam, aber sicher schließe ich zu ihr auf. Als ich endlich eine Hand auf den Kunststoffrand des Kajaks klatsche, sehe ich alles schon leicht verschwommen.

Skye stützt ihr Kinn auf ihren verschränkten Fingern ab. »Meine Heldin.«

»Weißt du, ein bisschen weniger Sarkasmus und ein bisschen mehr Dankbarkeit könnten wirklich nicht schaden«, presse ich hervor.

Skyes Mundwinkel zucken. »Ich werde mir auch dabei mehr Mühe geben. Aber sag mir vorher noch: Wie sah dein Plan denn genau aus? Schließlich bist du – mal wieder – von dem abgewichen, was wir eigentlich vereinbart hatten.«

Ich schweige kurz. »Was?«

»Willst du mich ans Ufer zurückziehen?«

Wasser strömt von meinem Haar in meine Augen und ich streiche es mir genervt aus der Stirn. »Wenn du reinspringst, kann ich mit dir zurückschwimmen.«

Sie prustet vor Lachen. »Vergiss es.«

»Schon okay, versprochen. Ich pass auf dich auf.«

»Kannst du hier stehen?«

»Na ja, nein, aber …«

»Maya, hör mir jetzt ganz genau zu. Ich würde noch nicht mal zu dir reinspringen, wenn du mir eine Million Dollar und Jordys Kopf auf einem Silbertablett anbieten würdest.«

»Okay.« Ich lege die Unterarme vorsichtig auf dem Bug ihres Kajaks ab. Durch das Gewicht kippt es ein wenig und Skye schaut erschrocken ins Wasser. »Also, was jetzt?«

»Ausgezeichnete Frage.« Sie runzelt die Stirn, während ihr Blick über meinen Kopf hinwegwandert. »Oh. Offenbar sind wir gerettet. Wundervoll.«

Ich schaue über meine Schulter. Zwei Boote rasen in unsere Richtung. In einem sitzen Isaac, Gwendolyn und ein Kameramann – der uns filmt, also wenigstens dieser Teil unseres Plans hat funktioniert –, im anderen Jordy. Gwendolyn muss ihm gesagt haben, dass er posieren soll, denn er steht breitbeinig da, starrt uns an und hält sich mit einer Hand an der Windschutzscheibe fest, während er mit der anderen seine Augen vor der Sonne abschirmt. Er ist noch zu weit weg, um es mit Sicherheit sagen zu können, aber ich würde vermuten, er hat einen dramatisch-besorgten Ausdruck auf dem Gesicht.

Außerdem ist sein Hemd mal wieder aufgeknöpft.

Gwendolyn zaubert ein Megafon hervor. »Maya! Spring wieder ins Wasser!«

»Ich bin bereits im Wasser«, sage ich zu Skye. »Verwechselt sie uns?«

»Ich glaube, sie meint, du sollst das Kajak loslassen«, erwidert Skye hilfsbereit.

»Lass das Kajak los!«, dröhnt Gwendolyn prompt mit metallisch verzerrter Stimme.

Ich tue, wie mir befohlen wurde, und Skye treibt sofort wieder von mir weg.

»Halte durch, Maya!«, brüllt Jordy aus vollem Hals. »Halte durch!«

»Mir geht’s bestens, Leute«, murmle ich, im Wasser dümpelnd. Hinter mir kann ich Skyes Gekicher über das Donnern der herannahenden Schnellboote hinweg hören. Ich vermute, sie werden das aus der finalen Version rausschneiden.

»Versuch nur! Dich über! Wasser! Zu halten! Ich bin gleich da!«

Gwendolyn gestikuliert wie wild in meine Richtung. Mir wird ein kleines bisschen zu spät bewusst, dass ich so tun soll, als würde ich ertrinken. Mir bleibt gerade noch genügend Zeit, einmal schwach im Wasser zu spritzen und mein Kinn unter die Oberfläche sinken zu lassen, bevor Jordys Boot mich erreicht. Er lehnt sich über den Rand und streckt eine Hand zu mir aus, sein Gesicht die perfekte Definition von Besorgnis, unter die sich – beeindruckenderweise – sogar ein winziger Anflug von Angst mischt. Beinahe glaube ich es ihm selbst.

»Alles okay?«, fragt er.

»Mir geht’s g…«

»Alles okay?«

Ich funkle ihn an und nehme seine Hand. »Ja, mein Gott.«

Mit einem Grunzen zieht Jordy mich mit Leichtigkeit ins Boot, wo er mich so grob an sich drückt, dass ich beinahe an meinem eigenen Japsen ersticke. Hinter seiner Schulter habe ich freie Sicht auf den See und auf Skye, die wieder kleiner wird, während sie davondriftet. Ich finde irgendwie, dass wir sie nicht ignorieren sollten. Ihr wisst schon, angesichts der Tatsache, dass Skye – im wahren Leben, nicht in einer gestellten Reality – diejenige ist, die tatsächlich Gefahr läuft, zu ertrinken. »Hey, Skye ist …«

»Jetzt bist du in Sicherheit«, übertönt Jordy mich.

»Ja, danke. Das war …« Ich suche nach einem Kompliment, das ich tatsächlich über die Lippen bringen kann, ohne sarkastisch zu klingen. »Sehr ritterlich von dir.«

»Gut gemacht, Maya«, ruft Isaac vom anderen Boot aus und zeigt mir zwei Daumen hoch, während es uns umkreist.

»Das war großartig«, stimmt Gwendolyn ihm zu. »Können wir die Rettung nur noch mal aus einem anderen Winkel kriegen? Ein bisschen anmutiger diesmal? Denkt an Erotik – wie auf dem Titelbild eines altmodischen Liebesromans.« Sie umrahmt mit den Händen ein imaginäres Bild. »Der ungezähmte, gut aussehende Held rettet die atemlose junge Maid aus den Fängen des Todes und bringt sie anschließend vor Leidenschaft um den Verstand. Metaphorisch gesprochen.«

»Sexy Ertrinken!«, fasst Jordy zusammen und Gwendolyn nickt strahlend. »Find ich gut.«

Isaacs Lächeln wirkt plötzlich furchtbar angespannt.

»Oh.« Ich blinzle. »Ähm.«

»Spring wieder rein, Maya«, fordert Jordy mich auf. »Keine Sorge. Ich bin gleich hier.« Er schenkt mir ein blendendes Lächeln und verpasst mir dann einen leichten Schubs in Richtung Bootsrand.

»Vielleicht sollten wir zuerst Skye einsammeln?«, versuche ich es. »Wir können hinterher noch filmen …«

Gwendolyn schüttelt ungeduldig den Kopf. »Nein, jetzt gleich, ruckzuck. Komm schon.«

Okay, je mehr ich protestiere, desto länger lassen wir Skye offensichtlich davontreiben. Als ich gerade wieder ins Wasser springen will, gibt Jordy mir erneut einen Schubs, und ich gehe mit einem Kreischen über Bord. Ich tauche wie ein begossener Pudel wieder auf, heftig japsend, und Jordy zuckt ein wenig zusammen, als er mich sieht. »Tut mir leid!«, sagt er. »Ich hab nur versucht, dich festzuhalten!«

Wenn keine Kamera in der Nähe wäre, würde ich das Arschloch zu mir ins Wasser zerren. Stattdessen lasse ich mich von Jordy erneut an Bord ziehen, wobei ich mein Bestes gebe, völlig verängstigt, aber auch möglichst unerklärlich sexy auszusehen, um zu vermeiden, einen weiteren Take über mich ergehen lassen zu müssen. Zum Glück lassen sie uns mit den beiden Takes meiner Rettung davonkommen und ein paar Minuten später rauschen wir Skye hinterher. Zu meiner Erleichterung ist sie unversehrt, als wir sie erreichen, wirkt allerdings auch ziemlich unbeeindruckt.

»Was ist passiert?«, fragt Jordy lachend, während wir vor ihrem Kajak anhalten.

Skye antwortet ihm, sieht dabei jedoch mich an. »Ich dachte, ich schau mir mal das andere Seeufer an.«

»Und wie war es so?«

»Auf der anderen Seite ist das Wasser immer ein bisschen blauer.« Sie wendet den Blick von mir ab und betrachtet misstrauisch das Boot. »Wie soll ich da bitte reinkommen?«

Jordy streckt seine Hand aus, und Skye kann ihre Abscheu, ihn anfassen zu müssen, kaum verbergen. Ich stehe auf, um ihr zu helfen, aber Gwendolyn bedeutet mir mit einem Winken, mich wieder hinzusetzen und aus dem Bild zu gehen.

Wenn Jordy meine Mitverschwörerin ertrinken lässt, werde ich ihn definitiv umbringen.

Zum Glück verläuft das Überwechseln jedoch reibungslos. Jordy hebt Skye ins Boot und tut dies offenbar schon beim ersten Versuch so sexy, dass sie keinen zweiten Take fordern. Das Leben ist so simpel für schöne Menschen.

»Wir müssen die Fotoshootings mit den beiden streichen«, erklärt Isaac Jordy. »Dafür bleibt uns keine Zeit mehr.«

»Alles klar.« Jordy setzt sich wieder auf den Vordersitz neben den Fahrer, während Gwendolyns und Isaacs Boot davonsaust. Skye und ich lassen uns hinter Jordy nieder, der offensichtlich vorhat, uns zu ignorieren, nun, da wir nicht mehr Gefahr laufen, zu ertrinken. Oder, genauer gesagt: nun, da wir nichts mehr tun, das für die Kameras interessant sein könnte. Nachdem mein Adrenalinrausch verebbt ist, fällt mir plötzlich auf, wie rapide die Temperatur mit Einbruch des Abends gesunken ist. Ich schlinge die Arme um meine angezogenen Beine, um mich bei der Fahrt zurück ans Ufer, die verflucht unangenehm werden wird, ein bisschen zu wärmen. Meine Schultern zittern bereits vor Kälte.

Skye sieht mich an und runzelt die Stirn. »Habt ihr ein Handtuch oder eine Decke oder so?«, fragt sie. »Ihr ist eiskalt.«

Der Fahrer schüttelt den Kopf. Jordy dreht sich mit fragender Miene um. »Ich könnte mein Hemd ausziehen?«, bietet er an.

Damit er auch noch seinen gemeißelten Rücken zur Schau stellen und vor den Kameras noch mal den edlen Ritter spielen kann? Das glaube ich verdammt noch mal nicht. Ich schüttle zuckersüß den Kopf. »Um der Show willen solltest du es lieber anbehalten«, erwidere ich. »Du kannst nicht während der kompletten ersten beiden Folgen nackt sein, sonst sind die Zuschauer zu Hause schon nächste Woche immun dagegen.«

»Gut mitgedacht«, lobt Jordy mich, bevor er sich zurück nach vorne dreht und uns wieder völlig vergisst.

Skye seufzt und durchbohrt Jordys Rücken förmlich mit ihrem finsteren Blick, legt einen Arm um meine Schultern und zieht mich zu sich heran. Okay, dann sind wir also jetzt Freundinnen, die sich berühren.

An ihre Brust geschmiegt bin ich ein wenig vor dem beißenden Wind geschützt und plötzlich nehme ich nur noch den intensiven Parfümduft an ihrem Hals wahr. Und den Druck ihres Arms. Und den gleichmäßigen Rhythmus ihrer Atmung, als sie ihren Kopf auf meinen legt.

»Er verpasst hier eine goldene Gelegenheit für die perfekte Promo-Aufnahme«, flüstert Skye mir zu, gerade so laut, dass ich sie über das Dröhnen des Motors hinweg hören kann. »Eigentlich sollte er hier sitzen.«

Ich grinse zu ihr hoch und blicke mich dann nach dem Kameramann um. Er filmt pflichtbewusst unser Boot und winkt mir kurz zu, als er bemerkt, dass ich ihn anschaue. Ich hebe erwidernd eine Hand.

»Ich würde jede Wette eingehen, dass das hier nicht in der finalen Version landet«, sagt Skye. »Kannst du dir das vorstellen? Ein Off-Kommentator, untermalt von dramatischer Musik, der versichert, wie romantisch und wie zugetan Jordy uns allen ist – nein, ehrlich, Leute, wir schwören euch, es ist nicht so, wie es hier grade aussieht.«

»Und dann schwenkt die Kamera zu Jordy, der vorne im Boot sitzt und so tut, als würden wir gar nicht existieren.«

»Und dann Schnitt zu einem Clip, wie er dich ins Wasser schubst.«

»Oh, das hast du gesehen?«

»Das hab ich gesehen. Weißt du, ich glaube allmählich, unser Ex-Freund könnte ein Psychopath sein.«

»Das hab ich dir doch die ganze Zeit zu erklären versucht

Als wir endlich den Steg erreichen, sind die anderen Mädchen bereits verschwunden, zurück in die Villa gescheucht, um sich auf die nächste Notte Infinita vorzubereiten.

»Du hast nicht mehr genügend Zeit, um zu duschen, Maya«, teilt Isaac mir entschuldigend mit. »Also … binde dir einfach die Haare zusammen, zieh dir was an, und ich husche schnell mit Jordy ins Hotel und bringe dir einen seiner Mäntel, damit du ihn dir überwerfen kannst. Wir sagen einfach, er hat dich gerettet und ist dann direkt mit euch beiden hierhergekommen.«

»Danke«, erwidere ich ironisch und Isaac wackelt mit den Augenbrauen. Wenigstens ist er begeistert von der dramatischen Rettungsaktion, die wir ihnen beschert haben.

Ist nur ein Jammer, dass sie den Falschen zum Helden gemacht hat.

Zurück in der Villa schlüpfen Skye und ich hastig in die Kleider, die wir für heute Abend bereits ausgewählt haben: Skyes ist ein zweiteiliges Ensemble in Knallpink, das in der Taille einen Streifen ihrer gebräunten Haut entblößt, meins ist zartviolett, mit Puffärmeln und schulterfrei. Dann packen wir unsere Koffer fertig – nur für den Fall, dass Jordy beschließt, eine von uns nach Hause zu schicken, obwohl er uns gerade erst so dramatisch das Leben gerettet hat –, und rennen nach unten, wo alle anderen am Fuß der Treppe versammelt sind.

»… Fotoshooting hat wirklich richtig Spaß gemacht«, verkündet Francesca den anderen. »Ich glaube, ich fange allmählich wirklich an, ihn zu mögen, zumindest ein bisschen. Ist das zu früh? Er hat gesagt, er findet, ich könnte ein Model sein, was natürlich total lächerlich ist, aber es hat mir trotzdem …«

»O mein Gott, Skye!«, stößt Lauren aus, als sie uns sieht. »Geht’s dir gut?«

Die Mädchen scharen sich um uns.

»Wir haben den Produzenten gesagt, dass du davontreibst«, erklärt Kim uns. Auch sie steht mit gepacktem Koffer da, bereit, direkt nach Drehschluss heute Abend von Jordy entführt zu werden. »Aber da warst du schon so weit draußen! Sie haben uns zurück in die Villa geschickt, noch bevor sie dich erreicht haben!«

»Ich kann nicht glauben, dass du ihr nachgeschwommen bist«, sagt Francesca zu mir, und auch Lauren und Kim drehen sich zu mir um, die Augen weit aufgerissen, ihre Mienen ernst.

»Ja, das war echt wild«, bekräftigt Kim.

»Es war mutig«, fügt Lauren hinzu.

»Es war gefährlich«, findet Perrie und betrachtet mich stirnrunzelnd.

Ich zucke mit den Schultern, mein Blick gesenkt und verlegen angesichts all dieses Lobs. Wenn ich es verdient hätte, vielleicht, okay. Wenn sie wüssten, wie nicht zufällig die ganze Sache war, wären sie wahrscheinlich etwas weniger beeindruckt von mir. »Mein Kajak war festgemacht, Skye ist immer weiter abgedriftet, und von den Produzenten hat mich keiner gehört, deshalb dachte ich, wenn ich ihr schnell nachschwimme, kann ich sie vielleicht erreichen.«

Perrie kneift die Augenbrauen zusammen, weil sie weiß, dass das gelogen ist, aber die Gute verpfeift mich nicht bei den anderen.

Lauren legt eine Hand auf meine Schulter. »Das«, findet sie, »sagt eine Menge über dich aus.«

Die anderen nicken zustimmend, während Skye tapfer ein Lachen unterdrückt.

Na, dann wollen wir es doch mal von der positiven Seite betrachten: Verdient oder nicht, es ist das erste Mal, dass sie mich anschauen, als würden sie sich möglicherweise doch nicht darüber freuen, wenn ich auf der Stelle und völlig unerwartet tot umfiele. Wir haben es vielleicht nicht geschafft, mein Image für die Kameras zu verbessern, aber wäre es möglich, dass wir – ganz aus Versehen – mein Image bei den anderen Mädels verbessert haben?

»Tja, ich schätze, ich habe dir mein Leben zu verdanken«, sagt Skye, als wir zu dem Zimmer gehen, in dem heute Abend gedreht wird.

»Cool. Ich find’s gut, wenn andere mir was schuldig sind.« Ich grinse. »Gut möglich, dass ich das schamlos ausnutzen werde.«

»Ich würde nichts anderes erwarten.«

Vor dem Raum wartet Isaac bereits auf uns, wie versprochen mit einem riesigen braunen Mantel. »Jordy hatte keinen, der passend aussah«, sagt er, »deshalb hab ich mir den hier von einem der Kameramänner geborgt.«

Ich ziehe ihn an. Und ertrinke praktisch darin.

Gwendolyn steckt den Kopf aus der Tür, um nach uns zu sehen. Sie legt eine Hand aufs Herz, als sie mich entdeckt. »Du siehst so bemitleidenswert aus«, sagt sie seufzend. »Wie ein begossener Welpe. Oh, Isaac, es ist perfekt

Sobald sie wieder verschwunden ist, reiße ich mir den Mantel vom Leib, aber Skye und Isaac zwingen ihn mir in einem kurzen Ringkampf wieder auf und überreden mich, so den Raum zu betreten.

»Na«, sagt Jordy, nachdem Grayson mit seiner üblichen Begrüßung für die Kameras fertig ist. »Der heutige Tag war wirklich … ereignisreich. Aber ich hoffe, ihr hattet alle genauso viel Spaß wie ich. Ich hatte heute Gelegenheit, neue Seiten an euch allen kennenzulernen, und ich muss sagen, ich bin mit jedem Tag noch beeindruckter. Aber wenn ich ein paar von euch noch besser kennenlernen möchte, muss ich leider auch eine Entscheidung treffen, welche von euch für mich nur ein echt cooles Mädchen ist und wer diejenige sein könnte, die von Anfang an die Richtige für mich war. Und deshalb behalte ich heute Abend … Lauren.«

Lauren strahlt, umarmt Jordy und gesellt sich zu Kim, die bereits neben ihm steht. Dass sie die Nacht allein zu zweit mit ihm gewonnen hat, beschert ihr selbstverständlich auch Immunität bei der heutigen Eliminierung.

»Perrie.«

»Maya.«

Auch ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken, als ich meinen Namen höre. Jordy tätschelt mir herablassend den Rücken, als wir uns umarmen, als wäre ich ein Baby, das ein Bäuerchen machen soll. »Ich bin so froh, dass es dir gut geht«, flüstert er absichtlich laut, und ich widerstehe dem Drang, ihm die Luft abzudrücken, bis er erstickt.

»Und Skye.«

Mein Magen schlägt einen erleichterten Purzelbaum, als auch Skye Jordy umarmt und sich zu uns anderen gesellt. Sie schaut mir dabei in die Augen und wir teilen ein heimliches Lächeln. Erst als Jordy verstummt, wird mir die Bedeutung des »und« bewusst.

Ich drehe mich zu Francesca um, die Jordy mit einem Ausdruck anstarrt, der nur als »Ich habe dir vertraut« beschrieben werden kann.

»Francesca, es war wirklich unglaublich, dich besser kennenzulernen«, sagt Jordy, und mir fällt wieder ein, wie aufgeregt sie vorhin von Jordy gesprochen hat. Welche Komplimente er ihr gemacht hat und dass es klang, als hätte er bei ihr so richtig seinen Charme spielen lassen. Und jetzt hat er beschlossen, sie abzusägen, als sie gerade angefangen hat, sich in seiner Nähe wohlzufühlen.

Gott. Ich frage mich, was das wohl für ein Gefühl ist.

Francesca wischt sich für die Kameras den verletzten Ausdruck aus dem Gesicht und nickt mit einem gezwungenen Lächeln.

Dann übernimmt Grayson. »Zeit, euch zu verabschieden«, sagt er mit mitfühlender Miene, die gleichzeitig wie ein Lächeln aussieht.

Francesca kommt wie betäubt zu uns. »Das … hab ich nach heute echt nicht kommen sehen«, gesteht sie leise und ihre Lippen bewegen sich kaum. »Ich, äh … wow. Okay. Es war so schön, euch alle kennenzulernen.«

»Dich auch!«

»Wir sehen uns bald wieder.«

»Wenn das hier vorbei ist, organisieren wir ein Treffen mit allen, okay?«

Dann verlässt sie, gefolgt von den Kameras, allein das Zimmer.

»Da waren’s nur noch fünf«, flüstert Skye mir ins Ohr. Die Wärme ihres Atems kitzelt an meinem Hals.

Ich bin selbst total geschockt, nicht als Erste nach Hause geschickt worden zu sein. Vor allem, weil ich heute meine Gelegenheit verpasst habe, allein mit Jordy zu reden.

Aber hier bin ich.

Und die vereinten Rachechancen von Skye und mir sind soeben auf vierzig Prozent gestiegen.

Das ist doch mal eine Gewinnquote, mit der ich arbeiten kann.