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HÖR EINFACH ZU

Griffin

Cosy steht auf der anderen Seite des kleinen Wohnzimmers, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Ihre Augen sind gerötet und geschwollen, ein klarer Hinweis darauf, dass sie geweint hat. Ich hasse Imogen dafür, dass sie mich gezwungen hat, hierherzukommen und dieses Gespräch zu führen, das wahrscheinlich zu nichts Gutem führen wird. Wie auch?

»Imogen hat vor knapp sechs Monaten die Verlobung gelöst. Was mich betraf, war es vorbei. Bis zum heutigen Tag hatte ich keine Ahnung, dass sie schwanger ist.«

»Ist sie diejenige, die Schluss gemacht hat, weil du wegen deiner Arbeit zu viel reist?«

Ich blicke auf meine Schuhe. »Ja.«

»Ist das etwa der einzige Grund?«

»Es war der wichtigste. Sie hat mir eine lange Liste mit meinen Unzulänglichkeiten dagelassen.«

»Wie eine Einkaufsliste?«

»Eher wie ein Manifest oder ein Thesenpapier.«

»Was für …« Sie schüttelt verächtlich den Kopf. »Wie weit ist sie?«

Ich hebe den Kopf. »Sechsundzwanzigste Woche.«

Sie schluckt schwer. »Also ist es deins.«

»Das wissen wir nicht genau.« Es klingt furchtbar lahm, aber es entschlüpft mir, bevor ich mir eine vernünftige Antwort überlegen kann.

»Im Ernst jetzt, Griffin?« Ihre Stimme wird entsprechend ihrer Ungläubigkeit lauter. »Bestimmt ist es deins, du warst schließlich mit ihr verlobt!«

Ich fahre mir mit den Händen durchs Haar, während ich eine Möglichkeit zu finden versuche, aus der Sache rauszukommen, ohne die eine gute Sache in meiner gottverdammten Welt zu verlieren. Ich will nicht mehr mit Imogen zusammen sein. Ich will nicht den Rest meines Lebens damit verbringen, ein Kind mit ihr großzuziehen. Was furchtbar egoistisch und mies klingt, aber es ist die Wahrheit. Ich will nicht den Rest meines Lebens mit ihr verbunden sein, doch das bin ich jetzt.

Sie macht mich nicht glücklich. Ich liebe sie nicht, und vielleicht kann ich mir jetzt, in diesem Moment, eingestehen, dass ich es nie wirklich getan habe. Jedenfalls nicht so, wie ich es hätte tun sollen. Sie war beständig und berechenbar, und sie passte in meine Welt, aber wir passten nicht zusammen. Ich weiß das, weil ich sehe, wie meine Brüder mit ihren Partnerinnen umgehen oder meine Eltern miteinander. Sie haben diese seelentiefe Liebe, die es ihnen ermöglicht, jeden Sturm zu überstehen. Ich hätte sie auch mit Imogen gemeistert, wenn wir geheiratet hätten, aber ich wäre nie richtig glücklich mit ihr geworden.

Cosy hingegen ist alles, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich es wollte. Oder brauchte. Sie ist warmherzig und gut und perfekt in dieser Welt. Sie ist nett und unschuldig; sie ist klug und abenteuerlustig. Und ich bin hoffnungslos und wahnsinnig in sie verliebt.

Die Erkenntnis trifft mich mit der Wucht eines Sattelschleppers, der mit hundert Sachen um die Kurve schliddert, und haut mich beinahe von den Füßen. Aber es sind die nachfolgenden Worte von Cosy, die das im metaphorischen Sinne tun.

»Hör zu, Griffin, ich mag dich wirklich. Es hat Spaß gemacht. Aber das hier.« Sie zeigt zwischen uns hin und her, ohne mich dabei anzuschauen. »Es hatte die ganze Zeit ein Verfallsdatum. Du wirst auf jeden Fall nach New York zurückkehren, und ich werde zum nächsten Ort aufbrechen.«

»Wir haben Pläne gemacht«, bringe ich ihr in Erinnerung.

»Nun, jemand hat die Pläne durchkreuzt, und derjenige bist du, mit Folgen für die nächsten Jahrzehnte, wenn du Glück hast. Du kannst nicht mit mir zusammen sein, wenn du mit jemand anders ein Baby bekommst, und schon gar nicht, wenn es sich dabei um deine Ex-Verlobte handelt.«

Ich will ihr etwas entgegensetzen, will ihr sagen, dass ich sie in meiner Vorstellung schon als Mitarbeiterin bei Mills Hotels gesehen habe, nicht direkt unter mir, aber als Angestellte des Familienunternehmens. Dann wäre sie ganz in der Nähe gewesen, und ich hätte Mittel und Wege gefunden, damit sie mich auf sämtlichen Auslandsreisen hätte begleiten können. Wir hätten uns gemeinsam die Welt angesehen. Aber ich bin nicht dumm. Ich weiß, wenn ich ihr irgendetwas davon sage, rastet sie aus. Und sie hätte jedes Recht dazu.

»Eine Menge könnte passieren bis zur Geburt des Babys.« Herrje. Ich klinge wie ein Idiot.

Sie hebt den Blick, und ihr Ausdruck bricht mir mein dummes Herz. Er ist voller Schmerz, Ungläubigkeit, Unsicherheit. »Du hast recht. Eine Menge könnte passieren. Diese Frau trägt ein menschliches Wesen in sich, und du bist zu fünfzig Prozent daran beteiligt, auch wenn dir das nicht passt. Sei nicht so egoistisch, Griffin. Du musst dich um die Mutter deines Kindes kümmern. Es spielt keine Rolle, wie sehr ich dich mag, oder ob du denkst, ich würde dich glücklich machen und sie nicht. Nichts davon spielt noch eine Rolle. Ich darf da nicht im Weg stehen. Ich werde nicht der Grund dafür sein, dass ein Kind in einem kaputten Elternhaus aufwächst. Du musst dem eine faire Chance geben, und ich weigere mich, der Grund dafür zu sein, dass du es nicht tust.« Sie geht an mir vorbei den Flur entlang zur Haustür.

Ich weiß, wenn ich jetzt gehe, wird es endgültig vorbei sein. Sie wird mich nie wieder sehen wollen. Sie ist erst zweiundzwanzig. Sie wird sich davon erholen. In einem Monat ist sie irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs, und irgendein Kerl, der nicht ich ist, wird sich in sie verlieben. Während ich mich darauf vorbereite, ein Kind großzuziehen mit jemandem, den ich nicht liebe. »Cosy, bitte …«

Sie senkt den Kopf, ihr rabenschwarzes Haar fällt ihr ein paar Sekunden lang übers Gesicht, bevor sie mich schließlich ansieht, mit Tränen in den Augen und verletzt. »Bitte, Griffin, lass mich in Ruhe. Bitte sag Lebwohl. Bitte sag, ich habe recht und du verstehst.«

Ich will ihr sagen, dass sie unrecht hat, dass ich sie brauche, dass ich eine Lösung dafür finde. Aber ich kann nichts davon mit Sicherheit sagen. Anstatt ihr zu geben, was sie will, trete ich dicht vor sie hin, sodass sie nicht weg kann. Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände. »Sag mir, dass du nicht empfindest, was ich empfinde.«

Sie blickt auf meinen Mund, und der Schmerz in ihren tränennassen Augen verursacht mir ein schmerzhaftes Gefühl in der Brust. »Was ich empfinde, ist irrelevant, Griffin.« Sie schließt die Augen, weigert sich, mich anzuschauen, während ich mir ihr perfektes, wunderschönes Gesicht einpräge, dessen Züge von einem Kummer gezeichnet sind, den ich verursacht habe.

Auch wenn ich es nicht tun sollte, drücke ich meine Lippen auf ihre – eisern und unnachgiebig. Ich will nicht, dass das so endet. »Cosy.«

Das Geräusch, das aus ihrer Kehle dringt, ist reiner Schmerz, aber sie öffnet die Lippen, und ich lasse meine Zunge in ihren Mund gleiten. Sie hält ganz kurz meine Handgelenke fest, bevor sie ihre Finger in mein Haar gleiten lässt und zupackt. Wir küssen uns, bis wir ganz atemlos sind und sie sich schließlich losreißt.

Ich will sie an mich drücken. »Es tut mir leid.«

»Mir auch.« Ihr Körper ist steif und ihre Stimme müde. »Du musst jetzt gehen, Griffin.«

Mit zitternden Händen öffnet sie die Tür. Dann reckt sie das Kinn und richtet ihre azurblauen Augen auf mich. Sie hat den Schmerz weggesperrt, und an seine Stelle ist eine traurige Entschlossenheit getreten. Sie drückt die Finger gegen ihre Lippen und klopft dann damit auf meine Brust. »Bitte tu das Richtige.« Lass mich in Ruhe. Ruf nicht an. Bedränge mich nicht.

»Ich werd’s versuchen.«

»Versprich es.«

Ich atme langsam aus, als ich hinaus in den Gang trete und versuche, das Gewicht auf meiner Brust loszuwerden, aber die nächsten Worte, die ich herausbringe, sind wie ein Richterhammer, der mein Herz zu lebenslanger Leere verurteilt. »Ich werde das Richtige tun.«