Am Freitagmorgen war ich lächerlich früh wach und verbrachte zwei ruhelose Stunden damit, einen Stapel Bücher aus der House-Bibliothek nach Erwähnungen von Bücherwürmern und bamahs zu durchsuchen. Rafael ging derweil die Sekretär-Archive durch.
Als ich ihm eine Nachricht schickte, in der ich ihm anbot, ihm ein Frühstück zu spendieren, um dabei unsere Ergebnisse abzugleichen, bat er mich um ein späteres Treffen, weil er noch Gavriellas Grab besuchen wollte. Levis Leute hatten ihre Leiche mitgenommen, nachdem sie in meinen Armen gestorben war, und nachdem Levi ihre Identität herausgefunden hatte, hatte er dafür gesorgt, dass sie unter ihrem Decknamen Gavriella Behar auf einem der jüdischen Friedhöfe der Stadt beerdigt wurde.
Das hatte ich erst von Rafael erfahren, der oft auf den Friedhof ging, weil es ihn angeblich beruhigte, an ihrem Grab zu sitzen. Er hatte mich gefragt, ob ich mitkommen wollte, aber ich fühlte mich unwohl dabei, ihn in seinen sehr persönlichen Momenten mit der Frau zu stören, die für ihn wie eine Schwester gewesen war. Und außerdem war ich noch nicht bereit, am Grab meiner Vorgängerin zu stehen.
Als ich die gleiche Seite dreimal gelesen und vom Inhalt trotzdem keine Ahnung hatte, gab ich auf und streckte mein Bein auf dem Sofa aus, um das kribbelige Gefühl rauszuschütteln, das ich dem Draufsitzen zu verdanken hatte. Levis Worte gingen mir nicht aus dem Kopf. Wie war es dazu gekommen, dass der Mensch, in den ich all mein Vertrauen gesetzt hatte, plötzlich auf der anderen Seite eines tiefen Abgrunds stand?
»Verdammt!« Ich raufte mir die Haare.
Mrs Hudson ließ ein mitfühlendes Quietschen ihrer Spielzeug-Kuh ertönen. Wie lieb mein Hund sich doch um mich sorgte.
Das Quietschen wurde rhythmisch.
Ich seufzte. »Wenigstens hat eine von uns ein aktives Sexleben.«
Priya kam gähnend in einem blauen Pinguinschlafanzug ins Wohnzimmer.
»In der Küche steht noch halbwegs frischer Kaffee«, meinte ich.
»Meine Retterin.« Sie tätschelte die Mopsdame, die mit heraushängender Zunge zu ihr aufschaute, dabei aber weiterhin ihr Spielzeug pimperte. Wir hatten sie kastrieren lassen, doch das hatte nichts an diesem Verhalten geändert. »Du bist dran damit, Pinky zu waschen«, sagte Priya.
Ich schob einen Teil von Priyas Kram beiseite, unter anderem Kabel, Haargummis und den neuesten Roman ihres Buchclubs, und stapelte die Bibliotheksbücher auf dem Couchtisch. »Musstest du ihr wirklich einen Namen geben?«
»Wir können die beiden ja schlecht als Mrs Hudson und ihre Lebenspartnerin Kuh vorstellen, oder?«
»Ich stimme insofern zu, als wir sie nicht vorstellen sollten.«
Priya schnippte ein Haargummi in meine Richtung. »Ich habe Kontakt mit Talia aufgenommen, damit sie mir ihr Handy gibt. Schauen wir mal, was sich daraus ergibt.«
»Da ist noch was, das ich dir nicht erzählt habe.« Ich offenbarte ihr das Nicola-Fiasko.
»Und so macht die Geschichte eine scharfe und unerwartete Wendung.« Sie gab einen spöttischen Laut von sich, als ich ihr einen finsteren Blick zuwarf. »Neben den Cohens und Montefiores sehen die Capulets und Montagues ja aus wie die besten Freunde.« Sie drückte meine Schulter. »Nimm es mit Humor, Holmes.«
Ich stand auf und griff nach der Hundeleine. »Ja, ja. Hab einen schönen Tag. Ich treffe mich mit Rafael.«
Mit einer schnellen Bewegung schnappte sie mir die Leine aus der Hand. »Ich nehme Mrs Hudson.«
»Du hast sie gestern schon nicht rausgerückt.«
»Gib mir meine Hundezeit, Ashira, sonst sorge ich dafür, dass du auf einer No-Fly-Liste landest.«
»Warum baust du dein Passwort-Höllen-Imperium noch aus? Die Drohung hat doch vollkommen ausgereicht. Das mit der No-Fly-Liste ist unnötig aggressiv.«
Sie tippte sich gegen den Kopf. »Neue Herausforderungen halten mich auf Trab. Sag Tschüss zu Mommy Nummer zwei. Du bleibst heute bei deiner Lieblingsmommy«, säuselte sie Mrs Hudson lieblich zu.
Ich ging vor dem Mops in die Knie und gab ihm einen Abschiedskuss. »Lass sie in dem Glauben«, flüsterte ich überlaut. »Wir wissen doch beide, wen du am liebsten hast.«
* * *
»Auf einer Skala von ›Einkommensteuerprüfung‹ bis ›Duschen im Gefängnis‹, wie lustig war da unser gestriges Team-Meeting?« Ich bremste scharf an einer roten Ampel.
»Es war überhaupt nicht lustig, Ashira, und ich weiß beim besten Willen nicht, warum du immer wieder derart sinnbefreite Fragen stellst.« Rafael saß mit verschränkten Armen auf Moriartys Beifahrersitz. »Abgesehen davon konnte Elke nichts Fundiertes liefern, was beweisen würde, dass momentan ein Bücherwurm existiert, und ich bin nicht glücklich darüber, wie viel Zeit die Suche nach einem in Anspruch nehmen könnte. Die bamah hat Priorität für uns.«
»Das sehe ich genauso.« Ich drosselte das Tempo, um nicht den Fußgänger umzunieten, der bei Rot die Straße überquerte. »Danke, dass du die Kommunikation mit Levi übernimmst.«
»Ja, tja, diese Aufgabe war am Anfang recht unangenehm, nachdem er in seinem Haus diese Sache mit der magischen Heilung beobachtet hat.«
»Ach komm schon, das war doch das i-Tüpfelchen auf einem echt beschissenen Abend.« Als der Fußgänger an meinem Auto vorbei war, trat ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch, was Rafael nach hinten in den Sitz presste.
Er klammerte sich an den Notfallgriff über dem Beifahrersitz. »Du bist durchaus etwas eigen, Ashira.«
»Lachen ist billiger als Alkohol. Und Therapie.«
»Wie dem auch sei, er hat den Zwischenfall nicht mehr angesprochen …«
»Na ja, nachdem er erfahren hat, dass sein Vater meinen ermordet hat, ist das für ihn irgendwie in den Hintergrund getreten. Alles eine Frage der Perspektive.«
»Und da das Spannungsverhältnis zwischen euch beiden größer ist …« Ich schnaubte. »… trage ich gern meinen Teil dazu bei, die Harmonie im Team zu gewährleisten.«
»Wirklich? Oder geht es dir wie Priya, und du hast das Gefühl, dass du dich zwischen uns aufreibst?«
»Diese Gruppe ist so was von dysfunktional«, meinte er. »Doch anders als Priya bin ich dem House gegenüber nur insofern loyal, als es unserer Mission dient. Als dein Sekretär nehme ich dir ab, was immer ich kann, damit du dich auf das Endziel konzentrieren kannst.«
Da klebte mir doch glatt so ein Vollpfosten am Kofferraum, also fuhr ich erst recht im Schneckentempo weiter, bis er genervt genug war, um mit einem lauten Hupen die Fahrbahn zu wechseln. Sobald er das getan hatte, steigerte ich das Tempo und zog an ihm vorbei.
»Ashira, vielleicht könntest du … langsamer fahren?«, quiekte Rafael.
Sein Wunsch wurde ihm erfüllt, als wir die Straßen um den Platz hinter der Vancouver Art Gallery erreichten, wo Nefesh-Demonstranten gegen den Gesetzesentwurf der Reinheitsallianz protestierten und den Verkehr damit zum Erliegen brachten.
Auf der Treppe stand eine Frau mit Megafon, die eine Ansprache über die Menschenrechte von Nefesh hielt. Hinter ihr wartete eine Gruppe, vermutlich weitere Redner. Sie waren zu weit weg, um ihre Gesichter genau zu sehen, aber selbst auf diese Entfernung erkannte ich Levi.
Ein Teil von mir wollte rechts ranfahren und ihm dabei zuschauen, wie er Emotionen in der Menschenmenge weckte. Er stand zu seinen Überzeugungen und setzte sich für sie ein, trotz der vielen Anfeindungen, mit denen er sich als Anführer der Nefesh-Gemeinschaft auseinandersetzen musste. Er war wirklich ein echter Watson. Mit einem wehmütigen Lächeln bog ich scharf nach links ab. In meinem Rückspiegel wurde die Demonstration immer kleiner.
Noch ein paar Blocks, dann erreichten wir die Vancouver Public Library. Der Bau stammte aus den frühen Neunzigerjahren und erinnerte an das römische Kolosseum. Auf dem Dach befand sich eine grüne Oase mit Bäumen, wo an sonnigen Tagen viele Leute mit einem Buch saßen oder ihre Mittagspause verbrachten.
»Siehst du? Ich habe uns in einem Stück hergebracht.« Ich stellte Moriarty auf einem der gebührenpflichtigen Parkplätze in der Homer Street ab, und Rafael lockerte seinen Todesgriff.
Durch die gläserne Eingangstür gelangte man in ein Atrium mit kleinen Coffeeshops und einem Pizzaimbiss, deren Tische gut besetzt waren.
In der eigentlichen Bibliothek angekommen, atmete ich tief durch und sog den Anblick der pyramidenförmigen Aufbauten mit Mitarbeiterempfehlungen und der Reihen von Bücherregalen in mich auf, die sich in der Tiefe des Gebäudes verloren. Natürliches Licht strömte durch die bodentiefen Fenster herein, und die Besucher badeten zufrieden im Sonnenschein, während sie das Bücherangebot durchstöberten.
Rafael hielt sofort zügig auf die Treppe zu, wartete dann aber im zweiten Stock auf mich, als ich vor der Rolltreppe zur nächsten Etage zögerte.
»Du musst nicht nervös sein«, sagte er. »Dafür gibt es keinen Grund.«
»Abgesehen von der Tatsache, dass du es nie für nötig befunden hast, mich darüber zu informieren, dass es immer noch Aschera-Anhänger gibt. Sind die wie durchgeknallte Sportfans, nur für Göttinnen? Haben sie Aschera-Trikots, tragen Gesichtsbemalung und brüllen Fangesänge?« Ich riss dramatisch die Augen auf. »Haben wir Teamfarben?«
Rafael warf mir einen missbilligenden Blick zu.
»Fandoms können ganz schön extrem sein.«
»Das sind keine Fußball-Hooligans.«
»Fußball spielt hier in den Kolonien kein Mensch.« Ich machte einer Mutter samt Kleinkind mit klebrigem Gesicht Platz.
»Wir können uns gerne ein andermal über den Mangel an Sportzivilisation in der Neuen Welt unterhalten«, erwiderte Rafael. »Ich versichere dir, dass diese Leute harmlos sind. Aber eine Kultstätte kann sich überall befinden – selbst wenn wir die Auswahl auf Orte einengen, die Aschera geweiht sind –, und wir werden keine Fortschritte machen, wenn wir nicht jeder Spur nachgehen.«
»Bamahs nennt man auch hohe Stätten. Und geschlossen ist die bamah , die wir suchen, außerdem.«
»Sehr gut, Ashira. Deine Recherchefähigkeiten sind herausragend. Vielleicht ist es ein Penthouse? Wie wäre es mit einem Hain auf einem Hügel, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, weil er sich auf Privatgrund befindet? Deine Theorie, dass Chariot die Schriftrollen in dem Wäldchen auf der Sinaihalbinsel sucht, ist durchaus nachvollziehbar, aber es sind immer deutlich noch zu viele Variablen im Spiel. Deswegen dieses kurze Treffen mit den Gigis. Sie wissen vielleicht, ob es im Moment einen Ort gibt, der bedeutender ist als andere.«
»Gigis?«
»GGs. Eine Abkürzung für Göttinnen-Groupies.«
»Aaaalles klar. Aber meine Sportfan-Analogie war total daneben.« Ich schob ihn in Richtung Rolltreppe. »Bringen wir es hinter uns.«
Unser Treffpunkt befand sich im fünften Stock vor mehreren metallenen Bücherregalen, die direkt aneinanderstießen. Wollte man Zugriff auf eine bestimmte Reihe, musste man auf einen Knopf drücken, dann glitten die Regale auseinander.
Rafael glich die entsprechenden Zahlen zweimal mit seinem Handy ab. »Da ist es.«
Ich drückte den Knopf, und ein Durchgang öffnete sich. »Wie Moses am Roten Meer«, sagte ich mit tiefer Stimme. »So teilte Ashira die Bücherregale.«
Rafael stieß ein leidgeprüftes Seufzen aus und trat zwischen die Regale. Ich folgte ihm rasch, konnte aber nur einen kurzen Blick auf einige sehr trocken klingende Titel werfen, bevor die Bibliothek um uns herum verschwand. Wurden wir teleportiert?
Heißes, grelles Sonnenlicht brannte auf meinen Kopf. Hoch über mir wölbten sich fensterlose Steinbögen, und darunter standen unzählige steinerne Sitzbänke, die jedoch bis auf eine kleine Gruppe von Menschen im untersten Rang komplett leer waren. Deren Kleidung erinnerte frappierend an die postapokalyptischen Modetrends aus Mad Max .
Staub bedeckte meine Motorradstiefel bei jedem Schritt, den ich über den ausgetrockneten, rissigen Boden auf die Gruppe zu machte. Rafael war mir dicht auf den Fersen.
»Heil und Ehre, Anhänger von Aschera.« Ich salutierte zackig. »Wer von euch ist der Houdini?« Wer auch immer dahintersteckte, hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Illusionserfahrung mit dem Geschmack nach Staub im Mund zu garnieren. Sie bestand nur aus Sonne und Hitze, aber ihr fehlte die Substanz.
»Illusionist«, entgegnete ein beleibter Mann und reckte überheblich das Kinn. Sein nackter Bauch hing über den Bund seiner Lederhose.
»Echt toll«, meinte ich. »Das ist eine solide Zwei.«
Er stand schnaufend von der Steinbank auf. Wenn ihm die Kritik nicht gefiel, hätte er sich diesen Unsinn verkneifen sollen. Immerhin waren wir mit den besten Absichten zu diesem Treffen gekommen. »Wie bitte?«
Ich deutete auf den oberen Teil des Amphitheaters. »Der oberste Ring ist ein bisschen verschwommen, findest du nicht? Und diese Wolken sehen aus, als würden sie gleich einen Disney-Song trällern. Das ruiniert die Gladiatoren-Vibes total, die du hier offenbar erzeugen wolltest.« Wegen Levi konnte ich nicht mal mehr völlig solide Illusionen würdigen. Vielen Dank dafür.
»Als könntest du das besser.« Er fummelte an einem der hellen, runden Plugs herum, mit denen er seine Ohrlöcher dehnte.
»Natürlich nicht. Ich bin keine Illusioniiiiistin.«
Rafael machte einen Schritt nach vorn. »Was soll das hier?«, fragte er mit bewusst bedrohlichem Unterton.
Auf einem Steinthron lümmelte eine Frau mittleren Alters mit einem nietenbesetzten BH wie eine selbst ernannte Kaiserin, ein Bein über die Armlehne gelegt. »Ihr wolltet Informationen von uns. Aber wir benötigen ebenfalls Hilfe.«
Ein Adonis mit goldbraun schimmernder Haut, halblangen blonden Locken und einem Sixpack, das perfekter ausgeprägt war als das einer Rüstung, erhob sich und sprang mit einem eleganten Satz über die niedrige Mauer.
Alter, genau so trug man eine Lederhose mit freiem Oberkörper – mit einem Gang, als wäre man ein Rock-Gott, der gerade von der Bühne schritt, während um ihn herum das ohrenbetäubende Gebrüll eines voll besetzten Stadions ertönte. Ich schluckte.
Er lehnte sich nach vorn und lockte mich mit einem Finger näher zu sich. Wow. Da waren gerade drei neue Bauchmuskelstränge aufgetaucht. »Hi, ich bin Gabriel.« Seine Stimme erinnerte an vollmundigen, mit Nelken gewürzten Wein, der wirklich interessante Teile meines Körpers warm werden ließ.
»Selber hi. Ich bin Ashira.«
Gabriel zog eine Augenbraue nach oben. »Wie unsere Göttin. Ist das nicht ein außerordentlicher Zufall? Fast, als wäre es Schicksal.«
Gut aussehend und in der Lage, mehrsilbige Wörter zu benutzen. »Ausgesprochen außerordentlich.«
Er deutete auf Rafael. »Dein Boyfriend hier hat erzählt, dass du mächtige und überaus destruktive Magie besitzt.«
»Wir sind kein Paar.« Mein Hirn verarbeitete einen Moment später auch den eigentlich wichtigen Inhalt seiner Aussage, und damit verschwand der verträumte Tonfall aus meiner Stimme. »Ach, hat er das?«
Rafael wurde rot. »Sie haben gefragt«, erwiderte er leise. »Es klang einschüchternd, und genau genommen stimmt es auch.«
»Nennt mich Destructo«, sagte ich lauter zu Gabriel.
»Perfekt.« Er schenkte mir ein schiefes Grinsen, bei dem mir sofort das Bild von zerwühlten Bettlaken vor Augen stand.
Ich zupfte an meinem Shirt. »Hm, warum ist das perfekt?«
»Reiß dich zusammen«, zischte Rafael.
Ich hörte auf, Gabriel wie in Trance anzugaffen, und setzte meinen besten Badass-Gesichtsausdruck auf.
Kaiserin Nieten-Möpse gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen einem Knurren und einem Schnauben lag. »Mach schon, Gabriel.«
Er warf ihr ein Lächeln zu, das selbst Engel aus der Fassung gebracht hätte. »Tue ich doch, Eileen.«
»Mein Name ist Lux.« Sie strich sich die grellvioletten Haare nach hinten und entblößte so einen Undercut an den Seiten.
»Wobei sollen wir euch helfen?«, wollte Rafael wissen.
»Trotz unserer Gebete hat sich Aschera seit Jahrhunderten nicht mehr gezeigt«, sagte Gabriel. »Da unser Glaube allein nicht ausreichte, hatten wir gehofft, sie mit einem Opfer als Ausdruck unserer Hingabe wieder zu uns zu holen.« Er machte eine ausladende Geste, als würde er einen Vorhang öffnen, und ein lautes Brüllen erschütterte das Amphitheater.
Es traf mich direkt in den Solarplexus und weckte einen zutiefst animalischen Instinkt in mir, der mich dazu bringen wollte, entweder zu fliehen oder mich ganz klein zu machen und ja keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Die meisten der Gigis duckten sich, während Lux nur das Gesicht verzog und Gabriel sich mit leuchtenden Augen nach vorn beugte.
Jedes Haar auf meinem Körper stellte sich auf. Langsam drehte ich mich um, nur um sofort erschrocken zurückzufahren. »Ach du Scheiße! Was ist das denn?«
Die Kreatur war über drei Meter groß, hatte gebogene Hörner, das Gesicht einer Ziege und rot gesprenkelte Augen in Form senkrechter Schlitze. Der Ziegenkopf saß auf einem kraftstrotzenden menschlichen Körper, und hätte Miles danebengestanden, hätte man dem Sicherheitschef von House Pacifica wahrscheinlich automatisch geraten, sein Training im Fitnessstudio ernster zu nehmen.
Das Monster schlug mit seinen riesigen Fäusten gegen eine Barriere, die in der heißen Luft schimmerte und waberte, und der Houdini duckte sich tiefer.
Meine Schultern sackten nach unten. Da ging sie hin, meine Hoffnung, dass es sich bei der Kreatur um eine Illusion handelte.
»Darf ich vorstellen: Baal«, sagte Gabriel. »Gott der Fruchtbarkeit und des Wetters und zufälligerweise auch Ascheras große Liebe.« Er legte sich eine Hand aufs Herz. »Wisset, dass ihr ihm mit eurem Tod die Kraft verleiht, unsere Göttin zurückzurufen.« Er schnippte mit den Fingern, und die Barriere verschwand.
Baal stieß ein Heulen aus und stürzte in unsere Richtung, mit der Wut eines Gefangenen, der auf die Leute losgelassen wurde, die ihn festgesetzt hatten. Er schnaubte so heftig, dass Speicheltropfen aus seinem Mund flogen.
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