KAPITEL 7

Während Rafael sich im Auto ausruhte, eilte ich noch einmal nach oben in die Sicherheitsabteilung im fünften Stock, um meinen Hund zu holen und Priya Bescheid zu geben, dass sie sich nicht erschrecken sollte, wenn sie einen Mann in unserem Wohnzimmer vorfand, der dort seinen Rausch ausschlief.

Sie saß in ihrem kleinen Arbeitsabteil und tippte weiter wie wild auf ihrer Tastatur. »Ist er süß? Sollten mich die Umstände seiner Anwesenheit beunruhigen? Hat das was damit zu tun, dass du und Rafael auf der Krankenstation gelandet seid?«

»Ja, ja und ja. Rafael soll sich bei uns zu Hause erholen.«

Sie hielt für den Bruchteil einer Sekunde beim Tippen inne. »Okay.« Gut gerettet, du Bombenfrau, aber nicht gut genug, um mir was vorzumachen. Ich ließ es ihr trotzdem durchgehen. Priya hatte in letzter Zeit viel durchgemacht, und das Mindeste, was ich tun konnte, war, ihr hier entgegenzukommen.

»Ich muss schnell noch was erledigen, sollte aber vor dir wieder daheim sein. Ich wollte dich nur vorwarnen.«

Nachdem ich Rafael auf unserer Couch geparkt und mit Tee, einer Kuscheldecke und dem WLAN-Passwort versorgt hatte, machten Mrs Hudson und ich einen Ausflug zur Herzkönigin.

Die Goldmünze brachte uns zu einer prächtigen Rasenfläche, auf der Tische aufgestellt waren und die mit Lichterketten dekoriert war. Auf den Servierplatten lagen nur noch ein paar einsame Gurkensandwiches, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. Ich sog tief die frische Nachtluft ein und suchte mir dann einen Weg zwischen den Statuen hindurch, die in violetten Schatten um mich herum aufragten. Wieder mal ein idyllischer Trip in den Menschengarten.

Moran und Ihre Hoheit standen zwischen zwei großen Büschen, die in leuchtenden Violett- und Rottönen blühten und nach Geißblatt und Orange dufteten. Offenbar inspizierten sie gerade die Statue eines alten Mannes mit einem riesigen Muttermal auf einer Wange, der ihnen den Mittelfinger entgegenstreckte.

»Sehr dynamische Pose«, kommentierte ich, während ich mich ihnen von hinten näherte. »Nett. Ist er ein Neuzugang?«

»Ja«, antwortete Moran. »Du hast die Enthüllung verpasst.«

»Damit kann ich leben, danke.« Ich wäre beinahe selbst zum Gegenstand einer Enthüllung geworden und musste mir das Schicksal nicht ansehen, dem ich so knapp entkommen war.

Mrs Hudson legte die Ohren zurück und knurrte Moran an. »Nicht jetzt, Mrs Hudson«, tadelte ich sie.

»Ashira«, begrüßte mich die Königin. »Wie kommen wir zu dieser Ehre?«

»Es gibt Neuigkeiten.«

Die Königin warf dem alten Mann einen letzten vernichtenden Blick zu. »Ich könnte einen Drink gebrauchen«, sagte sie dann. »Komm mit.«

Moran deutete auf die Mopsdame. »Lass sie hier.«

Ich verzog das Gesicht, ließ Mrs Hudson aber von der Leine. Sie würde zwar nicht weit laufen, ich war mir aber nicht sicher, ob ich sie Mr Kopf-ab-in-Sekunden anvertrauen konnte. Außerdem hatte sie heute noch kein Häufchen gemacht und könnte daher womöglich als erster Hund in die Geschichte eingehen, der der Herzkönigin ein kleines Präsent hinterließ.

Die Königin führte mich hinauf auf die Steinterrasse, wo zwei Gläser Sangria auf einem Bistrotisch auf uns warteten. Sie ließ sich elegant in einen der Rattansessel sinken und strich mit einer Hand ihre rote Stoffhose glatt.

Der Drink war perfekt gekühlt, und es schwammen nicht zu viele Früchte darin, sodass mir nicht ständig welche an der Nase klebten, wenn ich einen Schluck aus dem Glas nahm.

Eine Etage tiefer, auf dem Rasen, knurrte meine Hündin Moran an und sah aus, als würde sie sich jeden Moment auf ihn stürzen. Er knurrte zurück und setzte ihr mit dem Schwert in der Hand nach. Mrs Hudson war ganz außer sich, bellte und sprang begeistert um ihn herum, während Moran sie damit provozierte, dass sie ihn sowieso nie kriegen würde. Ich wusste, dass sie nur spielten, und sie hatten sichtlich Spaß daran, aber ich musste mich trotzdem zwingen, mich nicht an meinen Stuhl zu klammern.

Die Königin nippte an ihrem Getränk, während ich sie über Deepa und die geschlossene bamah informierte. Nicolas Rolle bei der ganzen Sache ließ ich aus. »Anand war im Geldverleihergeschäft. Ist es möglich, dass sie auch hier in Hedon tätig war, obwohl sie eine Weltige war?«

Die Königin strich sich die dunkelroten Haare nach hinten und goss mir nach. »Ich kenne diese Frau nicht, aber meine Leute werden sich umhören.«

»Danke.«

Mrs Hudson rannte immer wieder auf Moran zu. Er schwang seine Klinge ein bisschen zu nah über ihrem Kopf, was mich aus meinem Sessel aufspringen ließ.

»Pass doch auf!«, rief ich. »Du hättest sie beinahe geköpft.«

»Ich war nicht mal nah dran«, gab er spöttisch zurück. »Sei nicht so eine Helikoptermutter.«

Mrs Hudson bellte ärgerlich, weil ich ihr Spiel unterbrochen hatte.

Die Königin schwenkte den Inhalt ihres Glases. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig wird, den Zehn auf die Spur zu kommen.«

»Ich auch nicht.«

»Gleich habe ich dich«, drohte Moran und ließ das Schwert durch die Luft sausen. Mrs Hudson flitzte schwanzwedelnd zwischen seinen Beinen durch.

Ich nahm sie mit hierher, wann immer ich konnte, um mich bei Moran lieb Kind zu machen, aber wenn er meinen Hund filetierte, würde ich ihn flambieren. Ich nahm noch einen Schluck von der exzellenten Sangria und versuchte, nicht zusammenzuzucken, wenn die Klinge ihr zu nahe kam.

»Richte Levi meinen Dank für die Vorwarnung aus«, sagte die Königin.

Dank ihm doch selbst war vermutlich nicht die richtige Erwiderung. Und seit wann sprachen die beiden sich mit dem Vornamen an? »Wofür?«

Moran schoss einen winzigen Blitz in den Boden, der Mrs Hudson zusammenzucken ließ. Mich ebenfalls, aber anders als ich fand sie es umheimlich toll und sprang direkt auf die Stelle, an der der Funke gerade noch gewesen war. Auch den nächsten Blitz versuchte sie zu erwischen. Ganz toll. In meinem Hund steckte eine Katze.

Ich deutete mit zwei Fingern erst auf meine Augen, dann auf Morans.

»Er mochte Hunde schon immer«, meinte die Königin mit einem wohlwollenden Blick in Richtung ihres Handlangers. »Aber zurück zum Thema. Levi hat mir Informationen verschafft, deretwegen ich einen geplanten Angriff auf Hedon seitens der rumänischen Mafia aufhalten konnte. Sie wollten sich durch den festen Eingang in Bukarest Zutritt verschaffen, der nun versiegelt ist. Die Verantwortlichen wurden zur Rechenschaft gezogen.«

»Dieser Mann im Garten war nicht zufällig Rumäne?«

Sie lächelte mich an, als wäre ich ein kleines, aber schlaues Kind. »Ich vermute, dass Chariot diese Mafiagruppierung nutzen wollte, um Hedon zu übernehmen. Es bleibt abzuwarten, ob sie schon wissen, dass ich Nachforschungen zu ihrer Identität anstelle, aber es ist eine durchaus logische Schlussfolgerung, dass ich nicht tatenlos zusehe, wie sie meinen Namen bei ihren Entführungen missbrauchen.«

Ich fischte ein Stück Apfel aus meinem Drink und steckte es mir in den Mund. »Levi ist wild entschlossen, einen Bücherwurm zu finden.«

Ihre Hoheit musterte mich über den Rand ihres Glases hinweg. »Das habe ich mitbekommen.«

»Mein Sekretär meinte, dass die ziemlich selten sind, aber die Chance besteht, dass es gerade einen gibt.« Ich rührte nachdenklich in meinem Getränk und überlegte, welches Obststück ich mir als nächstes angeln sollte. »Auf digitalem Weg sind keine Antworten mehr zu kriegen, also vermuten wir, dass die nötigen Beweise in Papierform festgehalten wurden. Wissen Sie von einem entsprechenden Nefesh, oder haben Sie vielleicht Hinweise, denen ich nachgehen kann? Je schneller ich diesen Bücherwurm finde, desto schneller kann ich mich wieder dem bamah -Problem widmen.«

Der Duft ihrer Magie nach Chili und Zimt hüllte mich ein, als hätte ich die Sangria auf ex runtergekippt. Beinahe wäre ich zusammengezuckt.

»Tut mir leid, chica «, erwiderte die Königin, und nichts in ihrer Miene deutete auf eine Lüge hin. »Aber ich weiß nichts, was dir hier weiterhelfen könnte.«

Ich hätte schwören können, dass das nicht die Wahrheit war.

»Na ja, Fragen kostet ja nichts. Ist sowieso ziemlich abwegig.« Da ich den Hund dabeihatte und zu Hause ein vollgedröhnter Rafael auf mich wartete, konnte ich die Goldmünze nicht nutzen, um noch weiter in Hedon herumzuschnüffeln. Ich würde wiederkommen, doch für den Moment verabschiedete ich mich sehr höflich, sammelte meinen überdrehten Hund bei Moran ein und zischte ab.

Rafael wickelte gerade eins von Priyas Verbindungskabeln sauber auf, als wir nach Hause kamen. Mich hatte Priya zwei Tutorials ansehen und einen Test machen lassen, bevor sie mir erlaubt hatte, die Dinger beim Aufräumen anzufassen, und einen Moment lang fürchtete ich um Rafaels Leben, aber seine Technik war perfekt. Er legte das Kabel zu dem Stapel Netzteile, die er bereits ordentlich zusammengerollt hatte.

Mrs Hudson sprang neben ihn aufs Sofa.

»Geht’s dir besser?«, fragte ich.

Er ließ die Schulter kreisen. »Die Schulter ist besser, aber ich habe furchtbare Kopfschmerzen.«

Ich ließ mich in einen Sessel sinken und trat mir die Stiefel von den Füßen, um sie mir zu massieren. »Ich wünschte, ich könnte dir faszinierende neue Informationen liefern, für die deine Leiden sich ausgezahlt haben, doch das bleibt noch abzuwarten. Die Gigis hatten nicht viel beizutragen, bloß dass ich heute Abend eine göttliche Rute suchen gehen soll. Chariot betet zwar nicht Aschera an, sehr wohl aber das Sefer und sein Versprechen auf ewiges Leben. Was, wenn die bamah , nach der Isaac sucht, die Stelle ist, wo das Sefer ursprünglich zur Erde gefallen ist?«

»Alles ist möglich.« Rafael faltete die Decke zusammen, die er benutzt hatte. »Das sind sinnvolle Überlegungen, aber bis wir eingegrenzt haben, um welches Heiligtum es sich handelt, bleiben sie leider reine Spekulation.« Er schaute auf das House-Sweatshirt runter, das er noch immer trug. »Wenn ich dich heute Abend begleiten soll, sollte ich nach Hause gehen und mich umziehen.«

»Darf ich dich irgendwann mal in deiner Wohnung besuchen?«

Er verzog das Gesicht. »Ist das unbedingt nötig?«

»Ja. So was machen Freunde.«

»Wann hattest du hier das letzte Mal jemanden zu Besuch?«

»Ich habe Arkady zu uns eingeladen«, antwortete ich.

»Nicht in den letzten beiden Monaten.« Geschickt meinem Freundschaftskommentar ausgewichen. Rafael schenkte mir einen resignierten Blick. »Ich nehme nicht an, dass ich mich vor heute Abend drücken kann?«

»Könntest du, aber die Bombenfrau wäre dann wirklich enttäuscht.«

Rafael hielt mir die Decke hin. »Was muss ich tun, damit du das nie wieder erwähnst?«

»Ich denk drüber nach.« Ich würde das so was von bei jeder sich bietenden Gelegenheit anbringen.

* * *

Wir trafen uns um neun im Just Dandy . Priya hielt das Gespräch in unserem Uber am Laufen und zwang Arkady und mich, uns daran zu beteiligen. Im Club angekommen verkündete sie, sie brauche dringend was zu trinken, und ließ uns einfach stehen, um an die Bar zu gehen.

Clubs waren generell nicht mein Ding. Wegen meines Beins hatte ich nie tanzen können, und es war schon ein bisschen armselig, den ganzen Abend nur rumzusitzen und den anderen dabei zuzuschauen, wie sie Spaß hatten. Auch deswegen fühlte ich mich in Bars und Spelunken wohler.

»Sieh mal einer an, Pickle«, sagte Arkady. »Du hast ja richtig Geschmack.«

»Weil ich einen Schwulenclub vorgeschlagen habe?« Hmm. Für eine Disco, in der die Mottopartys für gewöhnlich Bottoms Up und Guys Just Wanna Have Fun hießen, waren heute ganz schön viele Frauen anwesend. Der Club war nicht riesig, aber die Tanzfläche war trotzdem recht geräumig – und voll. Das überwiegend weibliche Publikum bewegte sich zu einem schnellen Song mit wummerndem Bass unter glitzernden Discokugeln und blinkenden Lichtern. Andere drängten sich um die Bar, die sich auf einer Seite des Raums befand, oder standen plaudernd in kleinen Grüppchen vor der Bühne, die von roten Samtvorhängen eingerahmt wurde.

»Hat der Besitzer gewechselt oder so? Ist dieses Etablissement nicht mehr bevorzugt den Peniszugeneigten gewidmet?«

Eine umwerfend attraktive Rothaarige in einem engen Vintage-Kleid mit herzförmigem Ausschnitt prostete mir im Vorbeigehen mit ihrem Glas zu. Meine Wangen wurden heiß, und ich fummelte am tiefen V-Ausschnitt des schwarzen Jumpsuits herum, zu dem Pri mich genötigt hatte – nachdem sie sich genug darüber aufgeregt hatte, dass ich aus unserem netten Abend mit Freunden einen Arbeitseinsatz machte. Lederhose und Rock ’n’ Roll, das war mein Ding. In dieser Menge von coolen, schönen Menschen fühlte ich mich wie ein Fisch auf dem Trockenen, insbesondere neben Arkady in seiner schwarzen Jeans und dem Hemd, das die Tattoos auf seinen Armen betonte. Seine dunklen, kinnlangen Haare trug er offen, und seine braunen Augen kamen durch den Eyeliner noch mehr zur Geltung.

Egal. Ich musste das einfach als Undercovermission sehen.

»Ja, normalerweise zielt der Club eher auf Männer ab.« Arkady winkte Rafael zu, der uns einen Tisch in der Nähe der Tanzfläche gesichert hatte. »Aber heute ist Paralypstick.« Er lachte leise. »Was du offensichtlich nicht gewusst hast.«

»Und das heißt?«

Er lächelte geheimnisvoll. »Es wird fabelhaft.« Selbstbewusst schlenderte er zwischen den Leuten hindurch und grüßte einige der Anwesenden. »Hey, Rafael. Wie geht’s der Schulter?«

Sie tauschten einen Fistbump, bei dem Rafael entzückend unbeholfen aussah. Ich krallte mir einen der Stühle, indem ich meinen Blazer über die Lehne hängte.

Arkady musterte das Glas mit der goldenen, perlenden Flüssigkeit auf dem Tisch. »Gingerale? Bist du unter die Abstinenzler gegangen?«

»Ich werde diese Kopfschmerzen einfach nicht los«, erwiderte Rafael. »Sie haben mich vorhin umfassend geheilt, deswegen kann ich mir nicht erklären, wo das herkommt.«

»Oh nein.« Priya rutschte auf einen Barhocker zwischen mir und Rafael, wobei das Bier über den Rand ihres Glases schwappte. Als sie ihren grauen Lederminirock zurechtzog, löste sich die kleine Schleife an einem der Träger ihres blauen Tanktops.

Rafaels Blick huschte zu ihrer Schulter.

»Hoffentlich hast du dir nichts eingefangen«, meinte sie und band die Schleife neu.

»Hoffe ich auch«, sagte ich. »Aber es ist wirklich Bombe von dir, dass du trotzdem gekommen bist.« Ich winkte einen der Kellner heran, einen sehr muskulösen Typen in Goldlamé-Hotpants und mit einer türkisfarbenen Federboa, um meinen üblichen Jack Daniel’s zu bestellen. Rafael warf mir einen Todesblick zu.

Der Kellner checkte Arkady ab, der jedoch nicht darauf einging, sondern nur höflich einen Gin Tonic orderte.

»Hätten wir vielleicht eins dieser Babyfone mit Videoübertragung für Mrs Hudson besorgen sollen?«, fragte ich Priya. Das war das erste Mal, dass wir den Hund allein zu Hause ließen.

»Sie kommt schon klar.«

»Das sagst du jetzt, aber du bist diejenige, die ihre Schuhe überall rumliegen lässt. Wenn sie Angst kriegt und irgendwo hinpinkelt, bin nicht ich diejenige, der eine unangenehme Überraschung bevorsteht.«

»Wir waren mit ihr spazieren, haben sie gefüttert und ordentlich beschmust, bevor wir gegangen sind. Entspann dich.« Dann wandte sich Priya Rafael zu und fragte ihn über das Aufeinandertreffen mit Baal aus, da ich ihr für ihren Geschmack zu wenige Einzelheiten geliefert hatte.

Weil ich mich noch nicht mit meinem Getränk beschäftigen konnte und Priya mir schon dreimal unter dem Tisch einen Tritt versetzt hatte, musste ich mich wohl oder übel mit Arkady unterhalten, wenn ich nicht auf der No-Fly-Liste landen wollte.

»Und … Wie läuft es mit Miles?«

»Ein Gentleman genießt und schweigt. Daran halte ich mich, außer meinen Freunden gegenüber. Und wir sind nicht befreundet.«

»Darf ich dich auf einen Drink einladen?« Ein dürrer Kerl mit Knebelbart in einem Hipster-Bandshirt stand auf einmal neben mir. Und er sprach nicht mit Arkady.

Ich bedachte ihn mit einem ausdruckslosen Blick. »Wir sind in einer Schwulenbar.«

»Heute ist Paralypstick. Lesbischer Mottoabend«, beeilte er sich hinzuzufügen.

Danke. So viel hatte ich auch schon verstanden. »Und warum genau führt dich das her?«

»Wegen des Angebots an lesbischen Freuden, Pickle«, erklärte Arkady. »Der Heilige Gral der Hetero-Männerfantasien.« Er scheuchte den Kerl weg. »Ab mit dir. Sie ist hetero.«

Der Mann wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen, als würde er diesen Trostpreis abwägen.

»Ernsthaft? Zieh Leine«, wies ich ihn an.

Der Kellner brachte unsere Getränke, und der Mann machte sich aus dem Staub.

Arkady bestand darauf, für uns beide zu bezahlen, und gab außerdem noch großzügig Trinkgeld. Dann erhob er sein Glas. »Auf eine weniger misstrauische Zukunft?«

»Auf einen Waffenstillstand für heute Abend.«

Er zuckte die Schultern, und wir stießen miteinander an.

»Also? Du und Miles?«, fragte ich.

Arkady kreuzte die Finger. »Ich will es nicht beschreien. Und du? Kein Interesse an diesem herausragenden Vertreter des männlichen Geschlechts?«

»Nicht wirklich.«

»Du bist ziemlich gut darin, Leute loszuwerden, Pickle. Wie stellst du es an, wenn du mal jemanden abschleppen willst?«

Ich nahm einen Schluck aus meinem Glas und genoss, wie der kühle Alkohol meine Kehle hinunterrann. »Ich provoziere ihn fünfzehn Jahre lang bei jeder sich bietenden Gelegenheit und küsse ihn dann.«

»Das lässt aber nur enttäuschend wenig Auswahl übrig. Tun wir so, als würdest du jemanden aufreißen wie ein normaler Mensch. Jemand schickt dir eine Nachricht und fragt, ob du Lust auf spontanen Sex hast. Was dann?«

Ich nippte stoisch an meinem Whiskey.

Arkady deutete mit seinem Cocktailstäbchen auf mich. »Spiel einfach mit. Ich fand schon immer diese Soziologen cool, die sexuelle Beziehungen erforschen.«

»Und dann nichts. Es ist nie einfach nur Sex. So oder so muss ich für meinen Orgasmus arbeiten. Mein Vibrator erwartet nicht so viel Aufwand von mir.«

»Vorspiel ist Aufwand?«

»Bei manchen Männern? Du hast ja keine Ahnung.«

»Glaub mir.« Er seufzte. »Habe ich.« Wir stießen erneut miteinander an.

»Und außerdem muss ich dafür aufstehen und mich anziehen«, meinte ich.

»Einfach zu lösen. Sag ihm, dass er zu dir kommen soll.«

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Drink. »Auf gar keinen Fall. Am Ende hat der noch komische Ideen und will über Nacht bleiben.«

»Würdest du denn die Nacht in seiner Wohnung verbringen?«

»Nein. Ich muss meinen Hund füttern.«

Arkady schwenkte das Eis in seinem Glas. »So lange hast du den Hund noch gar nicht.«

»Das weiß der Kerl ja nicht. Aber siehst du? Jetzt muss ich auch noch den Überblick über meine Lügen behalten. Es ist viel einfacher, niemanden abzuschleppen. Wenn ich einen warmen Körper in meinem Bett brauche, kuschel ich mit dem Hund.« Ich drückte das kalte Glas gegen meine Stirn.

»Du vermisst ihn, oder?« Arkady neigte den Kopf zur Seite und schaute mich verständnisvoll an.

Plötzlich wurde das Licht gedimmt, und der gerade laufende Dance-Remix eines nervigen Popsongs verstummte. Dafür brandete wilder Jubel auf, als ein schlanker Mann mit indokanadischen Wurzeln, in einen leuchtend violetten Anzug gekleidet, durch die Samtvorhänge auf die Bühne schlenderte.

Die beiden oberen Knöpfe seines goldenen Hemds standen offen, und seine knittrige Fliege hing ihm um den Hals, als hätte er gerade eine verdammt gute Nacht hinter sich. Auf seiner hohen Haartolle funkelte eine Krone.

In der Mitte der Bühne angekommen, stemmte er eine Hand in die Hüfte und strich sich seinen Bleistiftbart mit einem Finger glatt. »Willkommen zu Paralypstick, meine Hübschen!«

Das war dann wohl der göttliche Rod.