KAPITEL 13

Den Montag verbrachte ich damit, die Bibliothek aufzuräumen und bei jedem noch so kleinen Geräusch erschrocken zusammenzuzucken, weil ich davon überzeugt war, dass Chariot zurückkehrte. Die Alarmanlage hatte ich getestet und dabei zufrieden festgestellt, dass niemand ohne mein Wissen das Grundstück betreten konnte. Trotzdem ließ sich die Angst nur schwer abschütteln. Während ich mich durch die Aufzeichnungen arbeitete, um einen Weg zu finden, den Kuss des Todes abzuwehren, sagte ich mir immer wieder, dass das Amulett, selbst wenn sie es entdecken sollten, wertlos war, solange sie nicht an mein Blut kamen.

Besonders beruhigend war das nicht.

Ein Großteil des Mobiliars war unrettbar zerstört, und die Aufzeichnungen gaben enttäuschend wenig Informationen her. Außerdem wartete ich immer noch auf Nachrichten von Lux und Arkady sowie darauf, dass mein Blank fertig wurde, also war es eine fast schon willkommene Ablenkung, als Levi sich plötzlich meldete und mich um Hilfe bat. Bis wir uns in meinem Büro trafen und er mir die Einzelheiten verriet.

»Golf«, sagte ich trocken. Ich kritzelte einen Schläger in einem Kreis und zog dann eine Linie hindurch. »Das steht nicht in meinem Arbeitsvertrag.«

»Du musst nicht selbst spielen.« Levi saß mir in Jeans und einem kurzärmeligen Hemd gegenüber. Sein rechtes Bein wippte nervös auf und ab. »Meine Mutter nimmt am Turnier für das Vancouver General Hospital teil, und ich brauche Hilfe, damit sie sich mit mir trifft.«

Ich verzog das Gesicht. »Nicola spielt Golf?«

»Das ist keine ansteckende Krankheit. Sie unterstützt einen Haufen Wohltätigkeitsorganisationen, und diese Spendensache gehört zu ihren Favoriten.«

»Warum soll ich dahin? Soweit ich mich erinnere, bin ich verbrannte Erde.« Ich malte dem Golfschläger noch Hörner.

»Offensichtlich nicht so sehr wie ich«, murmelte er. »Du hattest recht damit, dass sie das durchziehen wird und … Ich hatte eine Kurzschlussreaktion, als du es mir erzählt hast.«

Levi gestand sonst nie eine Schwäche ein, aber deswegen war er jetzt noch lange nicht vom Haken. »Denkst du immer noch so von mir?«, fragte ich.

Er rieb sich mit einer Hand über den Mund. »Ich glaube, dass du immer das getan hast, was du tief im Herzen für richtig hältst.«

»Dann brenne ich also in guter Absicht Dinge nieder.«

»Du warst nicht die Einzige, die verletzt wurde, und du warst auch keine unbeteiligte Dritte in unserer Beziehung. Du hast einige echt harte Entscheidungen getroffen, Ash. Und es macht …« Er stockte und fluchte leise. »Es macht einen Unterschied, dass du in guter Absicht handelst, weil das manchmal das Einzige ist, was mich hier durchhalten lässt.« Er deutete mit einer Hand zwischen uns hin und her.

Er tat ebenfalls, was er tief im Herzen für richtig hielt. Deswegen war es auch so unfair. Wenn Levi nur ein bisschen weniger auf sein Herz gehört hätte, wäre ihm Isaac egal gewesen, und ich hätte ihn nicht verloren. Aber auf der anderen Seite wollte ich auch nicht, dass er sich änderte.

Nichts davon erklärte seine Bitte. Mein eigenes Familiendrama war mir schon zu viel, warum sollte ich da noch eine Arschbombe ins Montefiore-Meer machen? Es musste einen besseren Weg geben. »Warum kannst du Nicola nicht einfach anrufen?«

Ein Muskel in Levis Wange zuckte, und er wandte den Blick ab. »Sie spricht nicht mehr mit mir.«

Ich versuchte, dem gehörnten Golfschläger noch Fangzähne zu verpassen, aber mein Kugelschreiber gab den Geist auf. Ich schüttelte ihn ein paarmal, um die Tinte wieder zum Fließen zu bringen. »Weil du dich wie ein Arsch verhalten hast.«

Er nickte ernst. »Ja. Aber nicht nur ihr gegenüber.« Damit zog er eine Phiole mit klarer Flüssigkeit aus der Tasche.

»Blank.« Ich verstaute die Phiole in meiner Schreibtischschublade. »Du hast es schneller besorgt, als ich erwartet hätte. Und dann auch noch eine persönliche Lieferung. Ist das ein Bestechungsversuch?«

»Es ist eine Entschuldigung. Ich würde unsere geschäftliche Vereinbarung nie auflösen, und es tut mir leid, dass ich das gesagt habe.«

»Du hast niemand anderen, an den du dich wenden kannst, oder?« Ich lachte leise.

Aber er saß einfach nur da, legte die gefalteten Hände auf die Schreibtischplatte und wartete. »Gibt es dir ein gutes Gefühl, das immer wieder rauszuholen?«

Mein Stift zerkratzte das Papier. Und schrieb weiterhin nicht. »Wie bitte?«

Der Ausdruck in seinen blauen Augen war weiterhin distanziert, aber sie erinnerten eher an die dunkle Tiefe des Ozeans als an die Kälte eines Gletschers. »Jedes Mal wirfst du mir das vor. Dass ich dich als letzten Ausweg benutze, weil ich sonst niemanden mehr habe. Allmählich ist das ganz schön abgedroschen, und das weißt du. Du bist der Mensch, dem ich mehr vertraue als irgendwem sonst. Auch jetzt noch und obwohl du mir gerade derart auf die Nerven gehst, dass ich mir die Haare ausraufen will.«

In meinem Büro war es so still, dass man nur das Klicken der Klimaanlage über uns hörte.

Levi schob seinen Stuhl zurück. »Wenn das mit meiner Mom zu viel verlangt ist, sag es einfach. Ich bin erwachsen. Mir fällt schon was anderes ein.«

Er war zu mir gekommen, nicht weil er musste, sondern weil er mir vertraute. Als er sich am Strand bei mir ausgesprochen hatte, hatte mich das unglaublich wütend gemacht, weil es eine emotionale Nähe zwischen uns voraussetzte, der er selbst ein Ende gesetzt hatte. Das war egoistisch von ihm, und es verletzte mich, dass er mich in diese Position brachte, vor allem, weil ich gefühlstechnisch einen klaren Schlussstrich brauchte.

War das anders, wenn es um Vertrauen ging? Welche Rolle sollte Levi im Kampf gegen Chariot spielen, wenn ich ihm nicht mehr vertraute? War er einfach nur noch die Bank? Das wusste ich nicht, ich musste es aber auch nicht wissen, wenn ich ihm in dieser Sache helfen sollte. Je besser seine Beziehung zu Nicola war, desto besser war es für meinen Fall. Wenn es hart auf hart kam, konnte Levi wesentlich schneller einen Kontakt zu seiner Mutter herstellen als ich.

Ich stopfte den toten Kugelschreiber in die »Baker Street Boys«-Tasse zu seinen Tinten-impotenten Kumpanen. »Mach dir keinen Knoten ins Gemächt, Leviticus. Ich helfe dir.«

Er hielt sich schützend eine Hand vor den Schritt, doch als ich lachte, holte er einen teuer aussehenden silbernen Kugelschreiber aus seiner hinteren Hosentasche und schrieb »Danke« auf meinen Notizblock. Den Stift ließ er dann darauf liegen. »Nachfüllminen kann man online bestellen«, sagte er.

Mit diesem Kugelschreiber hatte ich nach der Manifestation meiner Kräfte die Registrierungspapiere für die House-Datenbank unterschrieben. Ich war so arrogant gewesen, so sicher, wohin mein Leben mich führen würde, jetzt, wo ich Magie besaß. Aus dem vermeintlich schnurgeraden Weg zum beruflichen Erfolg war ein serpentinenreicher Pfad durch einen dunklen Wald geworden, voller Schmerz und Verlust. Doch seit ich ihn beschritt, hatte ich auch ein ganz neues Ausmaß an Durchhaltevermögen und Mut gefunden. Ich hatte schwer gekämpft, und meine Narben machten mich nur stärker.

»Nimmst du deine königlichen Schreibutensilien überallhin mit, falls du mal einen Erlass unterzeichnen musst?«, fragte ich, schnappte mir aber den Kugelschreiber und sicherte ihn in meiner Schreibtischschublade.

»Nein, dafür habe ich ein Wachssiegel.«

Wir fuhren getrennt zu dem protzigen Golfclub, der das jährliche Spenden-Event ausrichtete. In der Stadt wurde an vielen Stellen gebaut – wie immer. Ich kam auf der Westseite an einer Baustelle vorbei, wo die hohen Sperrholzwände, die Leute vom Betreten abhalten sollten, mit Plakaten zugepflastert waren, auf denen »Nefesh-Rechte sind Menschenrechte« stand.

Ein Mann war gerade dabei, sie Stück für Stück runterzukratzen, während sein Partner die frei gewordenen Stellen mit dem weltigen Parolen-Gegenstück beklebte. Zwei Fußgänger blieben stehen, und zwischen den vieren entbrannte ein lauter Streit.

Selbst wenn wir es schafften, den Gesetzesentwurf aufzuhalten, wie sollten wir diesem Hass ein Ende machen?

Das einzig Gute an dem Turnier war der kostenlose Parkservice, der in der Eintrittskarte inbegriffen war, die Levi für mich besorgt hatte. Moriarty stotterte und hustete Rauch, sobald sich der hochnäsige Angestellte hinters Steuer setzte.

Ich ignorierte die Aufforderung des Kerls, dass ich zurückkommen sollte, und ging stattdessen ins Clubhaus. Hier tummelte sich alles an Nefesh und Weltigen, was in der Wirtschaft Rang und Namen hatte, zusammen mit Philanthropen und Leuten, die schlicht und einfach steinreich waren. Anders als bei anderen Galas gab es hier jedoch keine getrennten Bereiche, sondern nur versetzte Abschlagzeiten für Gäste mit und ohne Magie. Das angestrengte Fake-Lächeln auf den Gesichtern der Leute, wenn sie sich gezwungen sahen, an den Getränketischen oder beim Warten auf Häppchen höflichen Small Talk miteinander zu betreiben, war eine echte Wonne.

Ich klaute mir von einem Tisch einen Button, der mich fortan als ehrenamtliche Helferin auswies, und pinnte ihn mir an den schwarzen Blazer, den ich mir aus der Tasche mit Undercover-Outfits in Moriartys Kofferraum geholt hatte. Der passte perfekt zu meiner blonden Perücke, die zu einem geraden Bob frisiert war, den blauen Kontaktlinsen und den Pfennigabsatzsandalen, auf denen ich langsam eine Runde durch den Raum drehte.

Sofort fing mich ein It-Girl in einem entzückenden Outfit mit Schirmmütze ab und forderte mich auf, ihr noch einen Drink zu bringen.

Ich schenkte ihr das Lächeln, das ich mir speziell für arrogante reiche Arschlöcher aufsparte, aber sie war zu angetrunken, um es zu würdigen. »Ich kümmere mich sofort darum«, versicherte ich ihr.

Mir fehlte es noch an Requisiten, deshalb suchte ich nach dem Raum, wo der Ehrenamtskoordinator die Abläufe managte. Er telefonierte gerade, und drei weitere Leute warteten auf ihn, also schnappte ich mir ein Klemmbrett mit Teilnehmerliste und einen Kugelschreiber und zeigte ihm ein Daumen-hoch.

Er nickte und scheuchte mich mit einer Handbewegung raus.

Mit dieser Requisite ausgestattet, positionierte ich mich in einer Ecke der großen Terrasse, wo ich einen guten Überblick über die Anwesenden hatte. Neben mir stand ein untersetzter Mann in einem grünen Poloshirt und mit einer Pilotensonnenbrille, der an einem Bier nippte und die Aktivitäten auf der Rasenfläche beobachtete.

Das für mich Interessanteste war die Journalistin Leah Nichols, die gerade Jackson Wu interviewte. Um sie herum hatten sich mit etwas Abstand ein paar Leute versammelt, die das Ganze verfolgten. Ich erkannte Wus Assistenten und einige seiner Parteigenossen, aber selbst wenn wir uns direkt gegenüberstehen würden, würde keiner von ihnen meine Verkleidung durchschauen und meine Anwesenheit hinterfragen.

Levi war überzeugt, dass ein Beweis für die Geldwäsche ausreichen würde, um Jackson zum Rücktritt zu zwingen und nicht nur die Glaubwürdigkeit der Reinheitsallianz zu untergraben, sondern auch den Gesetzesentwurf komplett zu kippen. Ich hatte da jedoch so meine Zweifel. Natürlich sollte ein Mann, dessen Karriere auf einer Anti-Nefesh-Haltung fußte, sang- und klanglos untergehen, wenn seine geschäftlichen Verbindungen zur magischen Unterwelt aufgedeckt wurden, doch Wu war durch und durch Politiker. Er würde einen Weg finden, sich aus der Sache rauszuwinden, ohne dass Dreck an ihm haften blieb.

Seiner Körpersprache nach zu urteilen, verlief das Interview mit Nichols, einer erfahrenen Reporterin, glatt und routiniert. Auch danach hatte Wu eine angenehme, charmante Ausstrahlung, als er sich mit den Leuten unterhielt, die ein paar Minuten seiner Zeit in Anspruch nehmen wollten.

Was sollte ihn daran hindern, die Vorwürfe einfach zu leugnen? Das war ein klassischer Fall von Aussage gegen Aussage, wobei die eine Partei – nämlich Olivia – tot war. Wu war ein Meister darin, Tatsachen zu verdrehen. Wie könnte ein stichhaltiger Beweis aussehen, den er nicht abstreiten konnte? Das wusste ich noch nicht, aber ich hatte eine Theorie, der ich nachgehen konnte.

Gleich nachdem ich Nicola gefunden hatte.

Ich entdeckte sie schließlich, als sie zusammen mit ein paar anderen Leuten aus einem Golfmobil ausstieg. Sie sah sehr stylish aus in ihrer Caprihose und dem eleganten Tanktop. Die Frau hatte verdammt gut trainierte Oberarme.

Ich ging mit einem höflichen, aber leicht verwirrten Lächeln zu der Gruppe rüber. »Ist eine von den Damen Nicola Montefiore?«, fragte ich mit einer Geste zu meinem Klemmbrett. »Es gibt hier ein Problem mit Ihrem Anmeldeformular.«

Ach, die Macht des Klemmbretts – es war mächtiger als das Schwert. Nicolas Freunde verabschiedeten sich mit der Versicherung, sich nachher wieder zu treffen.

»Was ist denn los?«, fragte sie freundlich.

»Ich bin’s«, erwiderte ich und tippte auf ein leeres Feld auf dem obersten Formular, bevor ich ihr den Stift reichte. »Ash.«

»Ist etwas passiert ?« Nicola füllte die Anmeldung aus. Nichts an ihrer Körpersprache ließ auf die Sorge schließen, die in ihrer Stimme lag. Sie strahlte bloß eine gewisse Ungeduld aus, weil sie den Papierkram noch mal machen musste. Die Frau war wirklich gut.

»Levi bittet um ein Treffen.«

Nicola hielt kurz inne, bevor sie weiterschrieb. »Ich weiß nicht, was das bringen soll.«

»Danke für Ihre Geduld«, sagte ich fröhlich und nahm das Klemmbrett zurück. Dabei steckte ich ihr einen altmodischen Schlüssel zu, den Levi mir für sie mitgegeben hatte. Eine Erklärung dazu hatte ich nicht bekommen, und ich hatte auch nicht danach gefragt, obwohl ich echt neugierig war.

Nicola drehte ihn mit großen Augen herum, bevor sie die Hand fest darum schloss. »Wo ist er?«

»Konferenzraum B im Keller des Clubhauses.«

Sie seufzte. »Das ändert nichts. Sagen Sie ihm, dass er mich nicht kontaktieren soll, ragazza. « Sie stopfte den Schlüssel in ihre Hosentasche und ging dann über die Rasenfläche davon.

Ich griff nach meinem Handy, doch es erschien mir gemein, Levi in einer Nachricht mitzuteilen, dass seine Mutter nicht mit ihm sprechen wollte.

Ich: Haben deine Agenten ein Foto von Luca machen können? Wenn ja, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt dafür, deine Illusionsfähigkeiten rauszukramen und mal zu testen, ob Jackson den Mittelsmann aus Hedon erkennt.

Seine Selbstherrlichkeit antwortete, dass er ein Bild von ihm hatte, und fügte eine kurze Beschreibung des Manns hinzu, damit ich wusste, wie er aussah.

Leider entpuppte sich meine brillante Idee als Flop.

Wu zeigte keinerlei Anzeichen, dass er den Mann mit dem dunklen Teint erkannte, der ihn versehentlich anrempelte. Levi entschuldigte sich bei ihm und ging weiter, während Wu den Zwischenfall lächelnd mit einem Schulterzucken abtat. Einen Versuch war es wert gewesen.

Ich folgte Levi, der, immer noch in Luca-Verkleidung, wieder ins Clubhaus ging. Nach der Hitze und den vielen Menschen war der kühle Kellerflur, an dessen Wänden sich Golfschläger in Halterungen aufreihten, eine Erleichterung. Kamen die männlichen Mitglieder hier runter, um ihre Putter zu vergleichen?

»Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich etwas höher als normal. »Sie dürfen sich nicht in diesem Bereich aufhalten.«

Levi-in-Verkleidung drehte sich lächelnd zu mir um. »Mein Feh…« Er verengte die Augen und kam auf mich zu. »Nicht schlecht, aber Brünett steht dir besser.«

Ich strich meinen Blazer mit einer Hand glatt. »Ach, komm schon. Andere Haare, Kleidung, Augenfarbe, Körpersprache … Das hätte dich länger als zwei Sekunden täuschen sollen.«

»Ich hab dich immer schon zu gut gekannt, als dass du unter einer Verkleidung verstecken könntest, wer du bist.« Er richtete meine Perücke ein wenig und strich dabei mit den Fingern über meine Wange.

Seine Berührung verursachte mir eine Gänsehaut. Ich öffnete den Mund, und … Levi stieß mich zu Boden. Golfschläger flogen über uns hinweg und rammten sich wie Messer in die Wand.

Der Mann in dem grünen Poloshirt stand da, und vier weitere Schläger schwebten um ihn herum. »Du hättest in Hedon bleiben sollen.«

Ha! Wu hatte Levis Luca-Illusion sehr wohl erkannt.

Die Golfschläger rasten wie Geschosse auf uns zu. Ich drehte uns herum und beschwor meine Rüstung herauf, um Levi unter mir abzuschirmen.

»Ich brauche deinen Schutz nicht«, protestierte er und versuchte, mich von sich runterzuschieben.

»Ach, halt die Klaaaa…« Mir entwich ein abgehacktes Stöhnen, als die Golfschläger mich im Rücken trafen. Die Rüstung hielt, aber der Aufprall war trotzdem schmerzhaft. Ich schnappte mir einen der Putter und sprang auf, während ich ihn über den Kopf schwang.

Der Mann starrte meine Rüstung mit offenem Mund an. »Was ist das?«

Hatte er noch nie eine stachelbewehrte, blutrote Ganzkörperrüstung gesehen? Ich strich mit einer Hand darüber, als würde ich sie wie ein Model präsentieren. »Oh, das hier? Das ist ein Designerteil.«

Ich warf den Schläger nach ihm, doch er hob eine Hand, und das Gerät fiel zu Boden.

Das Klappern von Absätzen kam näher. »Bist du noch da?«, rief Nicola, als sie den Fuß der Treppe erreicht hatte.

Levi fuhr zu ihr herum, versuchte aber schnell, die Bewegung zu kaschieren und den Mann abzulenken, indem er mit einem Schläger auf den Boden klopfte. »Du willst mich? Dann komm und hol mich.«

Weitere Schläger wurden aus den Wandhalterungen gerissen und flogen auf die ahnungslose Nicola zu, die aufschrie und mit erhobenen Händen erschrocken stehen blieb. Ich manifestierte eine Peitsche, deren Ende ich um ihr Fußgelenk wickelte, und zog kräftig daran. Nicola landete japsend auf dem Rücken, während die Schläger gegen die Wand krachten und dann klappernd zu Boden fielen.

Ich rannte zu ihr und ging neben ihr in die Hocke. »Alles in Ordnung?«

»Sì.« Sie rieb sich den Knöchel. »Nur der Schreck.«

Unser Angreifer schrie auf. Levi saß auf ihm und versetzte ihm systematisch und eiskalt einen Schlag nach dem anderen ins Gesicht. Seine Luca-Illusion blieb dabei vollkommen intakt, und dieser Anblick gehörte zu den gruseligsten Dingen, die ich je gesehen hatte.

Ich zerrte Levi von dem Mann runter, der sich daraufhin stöhnend zusammenkrümmte. Von seinem Gesicht war unter Blut und Schwellungen nicht mehr viel zu sehen. In Levis blauen Augen stand der gleiche beängstigend tote Ausdruck, wie wenn er seine magischen Fähigkeiten überbeanspruchte, und an seinen Händen und seinem Hemd klebte Blut.

»Hey.« Ich strich ihm übers Gesicht. »Komm zu mir zurück.«

Er machte sich von mir los. »Es geht mir gut«, erwiderte er schroff.

Nicola kam zögerlich zu uns rüber. »Ragazzo.«

»Mi dispiace, mamma.« Der Blick, den er ihr schenkte, war so verloren, dass es mir das Herz brach.

Sie schlang die Arme um ihn, und er vergrub das Gesicht an ihrer Schulter. Ich schleppte den Mann im Poloshirt in einen leeren Konferenzraum, um den Montefiores ein wenig Privatsphäre zu ermöglichen, und rief Miles an.

Eine Weile später befragte er mich in seinem Büro zum zehnten Mal darüber, was genau passiert war. Unser Angreifer wurde von Miles’ Leuten zur Befragung »festgehalten«, da weder Levi noch ich ihn anzeigen konnten, damit formell Anklage gegen ihn erhoben wurde. Wir durften nicht riskieren, dass man unsere echten Identitäten mit diesem Zwischenfall in Verbindung brachte.

Nicola hatte uns im Clubhaus nachdrücklich versichert, dass es ihr gut ging und sie sich von einer Freundin nach Hause fahren lassen würde.

»Bring diesen Kerl dazu, dass er Wu verpfeift«, sagte ich. »Damit und mit dem Beweis für die Geldwäsche können wir Druck auf ihn ausüben und ihn dazu bewegen, dass er gesteht.« Ich zog mir den inzwischen warmen Kühlbeutel vom Rücken, den mir jemand gebracht hatte, und stand auf.

Das Wasser in dem kleinen Zimmerbrunnen in der Ecke gurgelte beruhigend, und ein neues Muster war in einen der vielen Sandgärten, die der Sicherheitschef bei sich kultivierte, eingerecht worden. Hier gab es sogar echte Pflanzen, die dem Büro das Flair eines großen Wintergartens verliehen.

Miles ging gerade von Pflanze zu Pflanze und goss jede einzelne mit einer kleinen, altmodischen Metallgießkanne. »Gehst du zu ihm?«

»Ich habe Nicola versprochen, dass ich Levi nach seinem Check-up dazu bringe, sie anzurufen. Schließlich konnte sie nicht mit uns ins Hauptgebäude kommen.« Ich wappnete mich innerlich gegen einen seiner üblichen biestigen Kommentare, doch Miles nickte nur und widmete sich weiter seinen Pflanzen.

Auf der Krankenstation fand ich Levi in einem sauberen Hemd auf einem der Betten sitzend vor. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah alles andere als glücklich aus. »Was ist denn mit dir los, Sonnenschein?«, fragte ich.

»Sie wollen, dass ich mich ausruhe, aber ich muss ein House am Laufen halten.«

»Und? Lass den Boss raushängen, damit sie dich gehen lassen, und fertig.«

»Kann ich nicht.«

»Warum nicht?« Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich.

»Patrice hat gedroht, dass er kündigt, wenn ich seine medizinische Fachmeinung noch einmal ignoriere.« Er klopfte aggressiv sein Kissen zurecht und stopfte es sich wieder hinter den Rücken. »Offenbar gibt es einen Mangel an Nightingales, die bereit sind, sich mit mir rumzuschlagen.«

»Wer hätte das gedacht?« Er sah so trotzig aus, dass ich beinahe gelacht hätte, aber dafür war ich zu fertig. »Ruf deine Mutter an, und sag ihr, dass es dir gut geht.«

»Habe ich schon.« Levi musterte mich von oben bis unten. »Schön, dass du die Perücke und die Kontaktlinsen wieder losgeworden bist.«

Sofort stand mir wieder das Bild vor Augen, wie er die Perücke berührt hatte. Als ich beinahe … Und das war mein Stichwort. Zeit, zu gehen. »Ja, ich auch.«

Levi und ich machten keinen netten Small Talk mehr miteinander. Wir halfen uns gegenseitig, wenn es nötig war, und darüber hinaus kümmerten wir uns um unsere eigenen Angelegenheiten. Ich hätte es fast bis zur Tür geschafft, doch dann platzte es aus mir raus: »Was war das für ein Schlüssel?«

Sherlock Holmes war mein Idol – man verzeihe mir meine unstillbare Neugierde.

Levi schaute aus dem Fenster. So viel dazu. Ich ging ein paar Schritte weiter.

»Der gehörte zur Wohnung der Eltern meiner Mutter in Rom. Die wurde vor Jahren verkauft.«

»Hm, okay. Na ja, ich muss mein Auto abholen. Das steht immer noch am Golfplatz.« Levi war zum Hauptgebäude gefahren worden, und Miles hatte den Tesla – und mich – hergebracht, damit er mich auf dem Weg schon befragen konnte.

»Als ich noch klein war«, fuhr Levi fort, »habe ich meiner Mutter immer den Schlüssel gezeigt, wenn es zu Hause … schlimm wurde, und gesagt, dass wir weglaufen sollten. Das hat sie nie gemacht, aber es hat sie jedes Mal zum Lächeln gebracht.« Er machte eine Handbewegung, und das Abbild eines glücklichen jungen Levi mit seiner ebenso glücklichen Mutter erschien. »Ich habe mich in Illusionen vergraben, bis ich die Wahrheit nicht mehr sehen musste. Aber weißt du, was das Blöde an Illusionen ist?« Er ballte die Hand zur Faust, und das Bild zerfiel. »Dass ich sie angeschrien habe, hat mich wachgerüttelt.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Das stimmt nicht. Das war eine Predigt über Entscheidungen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. Ich habe meine Mutter nicht dabei unterstützt, von ihm wegzukommen. Ich war so besessen davon, ihn bloßzustellen, ihm zu zeigen, dass er sich in mir geirrt hat, dass ich sie dort zurückgelassen und mir mit unzähligen winzigen Illusionen vorgemacht habe, dass das die richtige Entscheidung war.«

Er vertraute sich mir schon wieder an. Dieser Mistkerl.

Ich manifestierte eine blutrote Nadel und pikte ihm damit in die Hand. »Reiß dich zusammen.«

Dem folgte ein Schwall italienischer Flüche, die ich nur zu gut kannte. »Du hast mich gestochen? Schon wieder?«, brüllte er.

Ich ließ die Nadel verschwinden. »Das war nur ein Piks, du Dramaqueen.«

»Vernünftige Leute laufen nicht herum und stechen wegen Donuts oder einfach nur so auf andere Leute ein.«

»Willst du dieses Fass wirklich aufmachen? Wie verhalten sich vernünftige Leute denn, hm? Haben sie die Blutflecken auf deinem Hemd schon wieder rausbekommen?«

Levi gab mir keine Antwort auf meine vollkommen berechtigte Frage, sondern rieb sich nur schmollend die Haut, wo ich ihn gepikt hatte. Da war noch nicht mal eine rote Stelle zu sehen. So ein Jammerlappen.

»Nur weil ich nach dem Schlüssel gefragt habe, hättest du mir nicht all das erzählen müssen, und schon gar nicht, dass du auf mich gehört hast«, sagte ich. »Was soll ich jetzt damit anfangen? Das ändert nichts zwischen uns. Ich helfe dir in Situationen, die für uns beide von Vorteil sind, aber das war’s dann auch.«

Levi sah aus wie ein Hai, der seine Beute abschätzte, lächelte dann aber nur, als wäre er zu einer Entscheidung gelangt. »Okay«, erwiderte er schlicht.

Okay? Ich hatte genug von ihm und wandte mich erneut zum Gehen. »Ich muss mein Auto holen.«

»Ich fahre dich«, bot er an.

»Du musst dich ausruhen.«

»Patrice!«, rief Levi. »Ich gehe nach Hause und lege mich da hin. Ash hat ein Auge auf mich.«

»Kommen Sie morgen noch mal zur Kontrolle vorbei!«, rief Patrice zurück.

Ich öffnete den Mund, doch Levi zog eine Augenbraue nach oben. »Wenn du mir widersprichst, sorge ich dafür, dass dieser Blechhaufen, den du Auto nennst, in der Schrottpresse landet, bevor du da bist.«

»Pass auf, was du über Moriarty sagst«, entgegnete ich.

»Ich zittere vor Angst. Auf geht’s.«

Er verließ die Krankenstation und erwartete, dass ich ihm folgte. Was ich auch tat, wem wollte ich denn was vormachen? Der Tesla war die deutlich bessere Alternative zu einem Taxi oder Uber.

Die Fahrt durch die stillen Straßen war so entspannend, dass ich meinen Sitz etwas nach hinten klappte und es mir bequem machte.

»Das war eine gute Idee, zu sehen, ob Wu Luca Bianchi erkennt«, sagte Levi.

»Dafür bezahlst du mein horrendes Gehalt. Ich habe übrigens noch eine.« Ich gähnte. »Ist es nicht interessant, dass Wu einen Nefesh als verdeckt arbeitenden Leibwächter angeheuert hat?«

Levi bog in einer eleganten Kurve rechts ab, und seine Oberarmmuskeln spielten unter dem Hemd. »Selbst wenn er Luca nicht erkannt hat – was macht Wu dann so nervös, dass er verzweifelt genug ist, einen Nefesh-Bodyguard zu engagieren?«

»Ja, oder? Wu muss von der Geldwäsche gewusst haben. Wenn Olivias Beweis für seine Verfehlungen existiert, wäre das vielleicht genug, um ihm ein Geständnis abzuringen, aber wir sollten auf Nummer sicher gehen. Möglicherweise hat Wu schon einmal Nefesh beschäftigt, obwohl das ja eigentlich gegen seine sogenannte politische Ideologie verstößt. Finde es raus, und nutz es zu deinem Vorteil.«

Levi hielt an einer roten Ampel und trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. »Wenn jemand unseren Angreifer dazu bringen kann, zu gestehen, dass er für Wu gearbeitet hat, dann Miles.«

Ich stellte die Klimaanlage ein wenig höher. »Ja, und zusammen mit Olivias Beweis wären das schon zwei Anlässe, bei denen Wu mit Nefesh gearbeitet hat. Beim dritten Mal haben wir ein Muster. Deine Anschuldigungen gegen Wu müssen wasserdicht sein, weil du gegen Jahre ankämpfst, in denen die Leute ihm geglaubt haben, dass er Nefesh hasst und nie etwas mit ihnen zu tun haben wollte.« Nachdem ich die Temperatur zu meiner Zufriedenheit korrigiert hatte, streckte ich die Beine aus. »Vor ein paar Jahren hat mich mal ein Kerl angeheuert, für den ich beweisen sollte, dass seine Ex ihm das Auto zerkratzt hat. Sie hat behauptet, dass sie es nicht war, und sogar ein Alibi für die Zeit präsentiert. Außerdem passte es auf den ersten Blick gar nicht zu ihr, weil sie ehrenamtlich als Ärztin für Kinder aus sozial schwachen Familien arbeitete. Also habe ich ein bisschen gegraben und einen weiteren Vorfall gefunden, bei dem sie aus Rache Sachbeschädigung begangen hat. Menschen folgen immer einem festgelegten Muster. Wir hoffen zwar, dass andere nicht klug oder beharrlich genug sind, um unsere Schwachstellen aufzudecken, aber bei bestimmten Verhaltensweisen kann man drauf wetten, dass sie mehrfach auftreten. Fang an, bei Wu zu graben. Gibt es vielleicht das magische Äquivalent eines Ex, dessen Auto er zerkratzt hat?«

Levi nickte. »Ich setze jemanden drauf an. Und danke … Na ja, dass du das mit mir durchgehst. Da will ich doch fast dieses Rätsel aus meiner Vergangenheit lösen, bei dem jemand die Telefonnummer eines unschuldigen Studenten in einer Online-Werbung für eine Sexhotline benutzt hat.«

»Der Autobesitzer, für den ich gearbeitet habe, war ein Arschloch, also war der Student vielleicht auch nicht so unschuldig.«

»Ich musste meine Nummer in diesem Sommer sechs Mal wechseln«, meinte Levi.

Ich verbarg mein Grinsen. »Hier geht es um Wu.«

Levi bog auf den Parkplatz des Golfplatzes ab und hielt neben meinem Auto an.

»Danke fürs Mitnehmen.« Ich stieg aus.

»Kein Problem.«

Er wartete, bis ich in Moriarty saß, aber mein verdammtes Auto wollte nicht anspringen.

»Komm schon«, knurrte ich.

Ich hörte ein Knirschen, und dann stieg mir der beißende Geruch von etwas Verbranntem in die Nase. Mit der flachen Hand schlug ich aufs Lenkrad. Diese Karre hatte mich beinahe erfrieren lassen, war bei strömendem Regen verreckt und hatte versucht, mich mit giftigen Dämpfen zu betäuben, da sollte sich das Scheißding bloß nicht erdreisten, mich jetzt im Stich zu lassen. Wir hingen zusammen in dieser Sache drin.

Plötzlich stand Levi vor meinem Fenster und klopfte gegen die Scheibe. Ich schwöre, der Mann war zur Hälfte eine Katze. »Gibt’s ein Problem?«

»Nichts, womit ich nicht umgehen könnte.« Ich drehte den Schlüssel erneut in der Zündung. Der Motor stotterte und verstummte dann.

»Natürlich nicht. Aber da du bei dem Angriff vorhin auch verletzt worden bist, bleibe ich einfach, bis der Abschleppwagen kommt, und fahre dich dann heim.«

»Der Fahrer kann mich absetzen.«

Levi hielt seinen Autoschlüssel hoch und machte den Motor des Teslas mit einem betonten Lächeln in meine Richtung aus, indem er auf den entsprechenden Knopf drückte.

Wir blieben in unseren jeweiligen Autos sitzen, bis der Abschleppdienst eintraf und Moriarty in die Werkstatt mitnahm, in der ich Stammkundin war. Ich hatte dort angerufen und ihnen gesagt, dass sie die Mistkröte wieder flottmachen sollten, koste es, was es wolle. Dann schleppte ich mich todmüde zum Tesla zurück. Meine Nerven lagen nach dem emotional anstrengenden Tag blank. Ich gähnte und musste wohl eingeschlafen sein, weil wir uns plötzlich nur noch ein paar Blocks von meiner Wohnung entfernt befanden.

Mein Magen knurrte, und ich rieb mir darüber. Meine Wangen glühten. »Sorry.«

»Schau mal ins Handschuhfach«, erwiderte Levi.

»Hm?«

Er deutete mit dem Kinn in die entsprechende Richtung. Auf den Versicherungspapieren lag ein in Alufolie gewickeltes Päckchen.

»Zitronenbiscotti«, sagte ich. »Und es ist nicht mal ein Selbsthilfegruppentreffen.« Mir lief beim Anblick der duftenden, goldbraunen Kekse das Wasser im Mund zusammen, aber damit waren zu viele Erinnerungen verbunden, für die ich keine Energie hatte. Ich machte die Folie wieder zu.

»Es sind nur Kekse, Ash. Iss sie.«

Ach, scheiß drauf. »Könnten mehr Zitrone vertragen.« Was nicht stimmte. Die blöden Dinger waren genauso perfekt wie die anderen auch. Ich schnalzte trotzdem mit der Zunge. »Ich kriege mal wieder die B-Ware, was?«

Levi schnaubte. »Es wäre glaubwürdiger, wenn du dir nicht die Krümel von den Fingern lecken würdest.«

Der Gelee-Donut, die Biscotti … Levi versorgte mich mit Leckereien, und ich ließ es zu, eine Geste, die wirklich bedeutungsvoll war – zumindest für mich. Zukünftig durfte es kein Essen mehr geben, egal wie lecker es war oder wie niedlich er aussah, wenn er diese Falte zwischen den Augenbrauen bekam. Als würde er sich nicht insgeheim darüber freuen, wenn ich ihn aufzog.

Er hielt am Straßenrand. Ich löste meinen Sicherheitsgurt.

»Noch mal danke für deine Hilfe.« Er legte eine Hand auf meinen unteren Rücken und beugte sich zu mir, als wollte er mich auf die Wange küssen. Eine ganz normale Geste, die er auch bei anderen Frauen machte, mit denen er befreundet war.

War ich inzwischen in dieser Kategorie gelandet? Ich zuckte zurück, und Levi merkte, was er da gerade tat.

»Gott, tut mir leid.« Seine Wangen röteten sich.

»Schon okay.« Ich lehnte mich vor, um ihm den Arm zu tätscheln und damit die Verlegenheit zu mildern, doch im gleichen Moment änderte er seine Taktik und wollte mir die Hand reichen, stieß sie mir dadurch aber in den Bauch.

Levi schlug sich eine Hand vors Gesicht. »Verdammt.«

»Schon gut.« Ich wedelte so heftig mit der Hand wie die Leute in früheren Zeiten, wenn sie ihre Liebsten vor einer Transatlantikkreuzfahrt am Hafen verabschiedeten. Konnte es noch peinlicher werden? »Dann bis demnächst mal. Danke fürs Mitnehmen.«

»Gern geschehen. Versuch, nicht noch jemanden zu erstechen.«

Mein temperamentvoller Abgang wurde vereitelt. Diese verflixten leise schließenden Autotüren.