KAPITEL 29

Levi empfing mich in einem locker sitzenden grauen T-Shirt, Jeans und barfuß an der Eingangstür seines Hauses. Er schob mit einer jungenhaften und ein wenig ungeschickt wirkenden Geste seine Brille höher auf die Nase. »Komm rein.«

Ich schnupperte hoffnungsvoll, doch er hatte keine Biscotti gebacken.

»Wir haben Olivias Code geknackt«, informierte er mich.

»Mazel tov.« Ich streifte mir die Schuhe von den Füßen.

In seinem Arbeitszimmer angekommen wackelte ich mit den Fingern vor der Scheibe des Aquariums herum, und ein schlanker kleiner Neon schwamm heran, um mich unter die Lupe zu nehmen.

Levi griff in den Karton neben seinem Laptop und holte einen Stapel Kassenbücher heraus. »Voilà.« Er winkte mich zu sich und schlug das oberste Buch auf der ersten Seite auf.

»Was habt ihr gefunden?«

Levi tippte auf die Seite. »Olivia ist misstrauisch geworden, als Jackson Wu wollte, dass Allegra das Jugendzentrum finanziell unterstützt, weil alle anderen Spenden an prestigeträchtigere Organisationen gingen. Als sie davon erfuhr, dass die Notunterkunft urplötzlich auch Nefesh-Jugendliche aufnahm, hat sich ihr Misstrauen noch verstärkt.«

»Wegen Wus Anti-Nefesh-Gesinnung.«

Levi nickte und legte das Kassenbuch auf seinen Schreibtisch. »Sie hat angefangen, alle Gespräche und Einzelheiten zu dokumentieren, die auch nur im Entferntesten mit der Unterkunft zu tun hatten.«

»Weil sie Wu nicht mochte?«

»Deshalb und wegen Richard Friedens Erkrankung. Olivia hatte da mit seiner Geldwäsche eine gute Sache am Laufen, weil sie einen Teil vom Kuchen abbekam.«

»Das hat Olivia in dem Kassenbuch zugegeben?«

»Nein. Die Königin wollte nicht, dass Hedons Existenz publik gemacht wird und damit die Aufmerksamkeit von Abenteuerlustigen auf sich zieht, also hat sie uns die Erlaubnis gegeben, mit Luca zu sprechen. Er hat es uns verraten.« Levi rieb sich über den Nacken. »Moran stand während des ganzen Treffens mit seinem verdammten Schwert hinter mir.«

Ich lachte. »Das kommt mir bekannt vor. Okay, dann hat Olivia also die Zeichen der Zeit erkannt und sich eine Versicherung geschaffen.«

»Richard hat die Geldwäsche vor Wu versteckt, aber Olivia wusste, dass Wu bei seinem Tod alles herausfinden würde. Mit ihren Worten ausgedrückt: Wenn er versuchte, sie zu Fall zu bringen, würde sie ihn mit sich reißen.«

»Es geht doch nichts über eine Frau mit einem Sinn für Rache. Was war der verschwommene Teil, den ich gesehen habe? War das nur verschmierte Tinte?«

»Nein.« Levi griff erneut in den Karton und holte dieses Mal einen Schlüssel heraus. »Der hier war über einen Teil des Codes geklebt.«

»Ah. Isabels Magie zeigt nur gedrucktes Material, und der Schlüssel hat die Informationen verdeckt. Wofür ist der? Eine Schatztruhe?«

»Könnte man so sagen. Der gehört zu Olivias Spind in ihrem Fitnessstudio. Sie hat Wu von einem Privatdetektiv beschatten lassen und die Foto- und Audioaufnahmen dort deponiert. Sie belegen die Meetings, in denen es darum ging, die Nefesh-Teenager Chariot zuzuführen.«

»Das ist jetzt doch endlich genug, oder?«

»Wenn es vorher nicht gereicht hat, dann haben wir den Mistkerl nun auf jeden Fall festgenagelt.« Levi lächelte. »Ausgerechnet Talia droht nun damit, jede Leiche aus Wus Keller ans Licht zu bringen, falls die Partei den Gesetzesentwurf weiter durchbringen will. Und nicht nur seine, sondern die der gesamten Reinheitsallianz.«

Ich ließ mich schwer in seinen Schreibtischstuhl sinken. »Du machst Witze.«

»Nein. Deine Mutter ist Furcht einflößend.« Bewunderung schwang in Levis Tonfall mit. »Sie wollte seinen Kopf auf einem Silbertablett, aber das konnten wir ihr ausreden. Der aktuelle Deal sieht vor, dass Wu zurücktritt, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen.«

Ich schnaubte und deutete Anführungszeichen in der Luft an.

Levi grinste. »Der Gesetzesentwurf wird zurückgezogen. Sollte jemand aus der Partei versuchen, ihn neu aufzulegen, informieren wir die Medien über alles.«

»Dann ist es endlich vorbei«, meinte ich.

»Ein paar Dinge sind schon noch offen.« Er verließ den Raum.

»Wo willst du denn hin?« Eilig folgte ich ihm.

Levi führte mich ins Wohnzimmer, wo eine braune Holzuhr auf dem Couchtisch stand. Daneben lag ein Hammer.

»Das sieht nach einer befriedigenden Abendbeschäftigung aus.« Ich setzte mich aufs Sofa und las die Inschrift.

Ihr sollt euch keinen Götzen machen noch Bild und sollt euch keine Säule aufrichten, auch keinen Malstein setzen in eurem Lande, daß ihr davor anbetet; denn ich bin der Herr, euer Gott. Isaacs Uhr.

Levi drehte den Hammer in den Händen. »Ich starre das Ding schon seit zwei Tagen an. Das sollte eigentlich ganz einfach sein.«

»Pass mal auf: Aschera hat mir zwar die Jezebel-Magie genommen, mir dafür aber Klärungsmagie verliehen, weil ich ihr offenbar noch weiter dienen soll.« Ich machte ausladende Gesten in seine Richtung. »Sei dir im Klaren, Levi.«

Er starrte mich äußerst unbeeindruckt an.

Ich runzelte die Stirn. »Nichts? Das sollte funktionieren. Ich dachte, ich hätte den Dreh inzwischen raus.«

»Oh nein, es hat funktioniert. Du solltest nur an deiner Performance arbeiten.«

»Wie lautet deine Entscheidung, Leviticus?«

»Ich ziehe einen Schlussstrich.« Er schwang den Hammer mitten ins Herz der Uhr. Die kleine, runde Glasscheibe zerbrach, das Holz splitterte.

Ich kletterte über die Rückenlehne der Couch und ging dahinter in Deckung, während Levi die Uhr systematisch zu Kleinholz verarbeitete.

Irgendwann landete der Hammer klappernd auf dem Tisch, und ich spähte vorsichtig über die Lehne. »Fühlst du dich jetzt besser?«

»Ja.«

»Sehr schön.« Mit schwitzigen Händen sammelte ich meine Sachen ein. Wir hatten eine gute Zeit.

Levi wollte einen Schlussstrich ziehen. Das war seine Entscheidung, und ich musste sie respektieren. Er hatte den Abschluss bekommen, den er brauchte, und nur weil so vieles für mich noch offen war, bedeutete das nicht, dass er die falsche Wahl getroffen hatte. Es war schlicht und einfach seine Entscheidung.

Klarheit. Ich atmete langsam aus und wandte mich zur Tür. Tja, Klarheit konnte manchmal auch echt bescheiden sein.

»Hey!«, rief Levi mir hinterher. »Wo willst du denn hin?«

Ich blieb stehen. »Du hast einen Schlussstrich gezogen. Ich hab’s verstanden.«

»Ich habe symbolisch der Macht ein Ende gesetzt, die mein Vater mein Leben lang über mich hatte.« Er dreht die verbogenen Minuten- und Stundenzeiger auf der zerschmetterten Uhr und schien seine nächsten Worte abzuwägen. »Ich war mir nur nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, die Uhr zu zerstören, oder ob das bedeutet, dass er gewonnen hat, weil er mir so unter die Haut gegangen ist. Aber das war tatsächlich sehr befreiend.«

»Schön, dass ich helfen konnte.«

Er winkte mich zu sich heran. »Hattest du irgendwelche Erleuchtungen? Du wurdest immerhin angeschossen.«

Die vielen sorgfältig formulierten Varianten davon, dass wir es langsam angehen sollten, weil wir so viel durchgemacht und uns gegenseitig so sehr verletzt hatten und wir noch Zeit brauchten, schnürten mir die Kehle zu. Ich hätte schwören können, dass ich mich nicht bewegte, aber irgendwie kam ich ihm trotzdem näher. Ich versuchte anzuhalten, weil ich Angst hatte, dass meine Gefühle wie Zunder brennen und ich in Flammen aufgehen würde, wenn wir uns berührten.

»Sag was«, bat er leise.

Mein Herz drohte mir aus der Brust zu springen. Ich hatte nie vorgehabt, es als Erste zu sagen. Als Zweite vielleicht, irgendwann in ferner Zukunft, wenn ich mich sicher genug fühlte und keine Zweifel mehr hatte. Aber »sicher« und »zweifelsfrei« waren leere Worte angesichts der Emotionen, die mich erfüllten, und der Klarheit, die ich nicht länger verstecken wollte.

Ich holte tief Luft und riss das Pflaster mit einem Ruck ab. »Ich liebe dich.« Dann zählte ich zwölf Herzschläge, bis ich ihm einen Klaps versetzte. »Sag was.«

Das Glück in seinem Lächeln war so deutlich, dass ich es wie ein Glühwürmchen in den Händen halten könnte, wenn ich danach griff. »Ich liebe dich auch.«

Ich hätte Stein und Bein geschworen, dass sich der Boden in sanften Wellen unter mir bewegte, als ich mich zu ihm beugte. Mein Schiff hatte seinen sicheren Hafen gefunden, geborgen im Duft nach Eichenholz-Scotch und Schokolade und in dem Wissen, dass mein Name in sein Herz geschrieben war.

Ich zog mein Handy aus der Tasche.

Levi versuchte, es mir abzunehmen, aber ich schirmte es mit dem Körper ab. »Ich gestehe dir meine Liebe, und du googelst etwas?«, fragte er.

»Ja.«

»Du verblüffst mich immer wieder.«

»Als wäre das was Neues.« Ich fand, wonach ich gesucht hatte, und mein Lächeln reichte praktisch von einem Ohr bis zum anderen. Ich zeigte Levi das Display.

Er zuckte die Schultern. »Das sind Aufnahmen einer Verkehrsüberwachungskamera.«

»Von …?«, hakte ich nach.

»House Pacifica. Warum?«

Ich machte einen aufgeregten Hüpfer. »Weil es golden ist. Ein tiefes, reines Gold. Das Gebäude ist ein riesiger Stimmungsring, der auf dich ausgerichtet ist. Du liebst mich wirklich.«

Er starrte mich finster-grummelig an. »Habe ich doch gesagt.«

»Ha, aber das ist der Beweis.«

»Hm. Gutes Argument.« Er griff nach meiner Hand. »Wo ist mein Beweis? Ich meine, ich bin ein toller Kerl, der dir schon seit fünfzehn Jahren den Kopf verdreht.«

»›Den Kopf verdrehen‹ klingt ein bisschen übertrieben. Ich fand dich etwa einen Monat lang ganz nett.«

Levi strich mit dem Daumen über mein Handgelenk und erwischte dabei eine magische Stelle, die einen heißen Blitz durch meinen Körper schickte. »Und wie ich dir den Kopf verdreht habe. Wie kann ich da sicher sein, dass deine Gefühle echt sind und nicht ein Nebeneffekt deiner unglaublichen Ehrfurcht, weil du in meiner Gegenwart sein darfst?«

Ich boxte ihm gegen die Schulter. »Du hast mich total und vollkommen für andere Männer verdorben, du Knalltüte, und ich bin bis über beide Ohren in dich verliebt.«

»Hach, Beleidigungen.« Seine blauen Augen funkelten zwischen seinen dichten Wimpern. »Okay, jetzt nehme ich es dir ab.«

»Aber reicht das? Nach allem, was passiert ist?«

»Na ja, du hast meinen Vater nicht umgebracht. Dafür hätte ich es beinahe getan, nachdem der Rettungswagen dich mitgenommen hat.«

»Ach ja?«

»Ja. Frag Rafael.« Er ballte die Hände kurz zu Fäusten. »Es wird reichen, weil wir uns nach allem, was wir all die Jahre durchgemacht haben, dafür entscheiden, dass es reichen wird.«

»Jeden Tag aufs Neue«, stimmte ich ihm zu. »Wie wäre es mit einem Kuss, um es zu besiegeln?«

»Oh ja.«

Seine Lippen fanden meine, heiß und leidenschaftlich und fordernd. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, fuhr mit den Zähnen über Levis Unterlippe und vergrub die Hände in seinen Haaren.

Er schob ein Bein zwischen meine und entlockte mir damit ein Wimmern. Ich zog ihn dichter an mich und drängte ihm mein Becken entgegen. Er atmete aus und streichelte mit dem Daumen über meinen Mund. Ich saugte daran, was ihm einen wohligen Schauer bescherte.

Levi setzte die Brille ab und legte sie vorsichtig beiseite. »Ich liebe dich so sehr.« Seine Worte waren ein Versprechen, das mir Halt gab.

Mir wurde ein bisschen schwindelig, und ich umfasste seinen Nacken, um ihn zu mir zu ziehen und erneut zu küssen. Jedes Nervenende in meinem Körper flammte auf, so richtig fühlte sich das an.

Quälend langsam ließ Levi seine Hände meine Seiten hinaufwandern, nahm dabei mein Shirt mit und zog es mir schließlich über den Kopf. Mein BH folgte kurz darauf und landete in einer Ecke des Zimmers. Levi senkte den Kopf und knabberte sacht an einer meiner Brustwarzen, bevor er sie in den Mund nahm und daran saugte.

Ich griff fester in seine Haare und strich mit den Fingern hindurch. Levi knurrte und zog mich zum Sofa. Rückwärts ließ er sich darauffallen und fing mich dabei auf. Wir lagen ineinander verschlungen da, küssten uns und erforschten den Körper des anderen genüsslich und voller Staunen. Er hob mein Kinn ein wenig an, um eine Stelle unterhalb meines Ohrs zu küssen, was mir einen lustvollen Schauer über den Rücken schickte. Schnell wurden wir auch den Rest unserer Kleidung los und verlegten das Ganze ins Schlafzimmer.

»Neue Bettwäsche?«, fragte ich wie nebenbei.

Er schmiegte sich an mich. »Ich konnte in der anderen nicht mehr schlafen. Sie hat mich zu sehr an dich erinnert.«

»Dann sollten wir die hier unbedingt einweihen.« Ich krabbelte auf die Matratze und lockte Levi mit einem Finger zu mir.

Er legte sich seitlich neben mich. »Fass mich an«, bat er und führte meine Hand nach unten.

Meine Nippel zogen sich zusammen, als ich seinen harten Schwanz unter meinen Fingern spürte, und ich stöhnte an seiner Halsbeuge.

»Dieses Geräusch. Gibt mir jedes Mal den Rest.« Er drang mit einem Finger in mich ein und liebkoste meine Klitoris mit dem Daumen.

Wir schauten uns in die Augen, und die wundervolle Hitze in mir schraubte sich immer weiter hoch, während Levi mit meiner empfindsamsten Stelle spielte. Er wurde in meiner Hand noch härter.

»Fuuuuck.« Mit einer schnellen Bewegung war er über mir, und ich schwelgte in dem Gefühl seiner warmen Haut auf meiner.

Ich holte tief Luft. Vor Verlangen wusste ich kaum noch, wo mir der Kopf stand. Levi lachte, tief und gefährlich, und griff nach einem Kondom, doch ich hielt ihn auf.

»Ich bin negativ. Die haben mich im Krankenhaus getestet, und seit dir gab es ohnehin niemanden. Bei dir?« Mein Puls pochte heftig in meiner Kehle. Ich wollte nicht, dass da noch irgendetwas zwischen uns war.

»Ebenso.« Er fing meine Lippen zu einem weiteren atemberaubenden Kuss ein, bevor er sich in mich schob.

Ein heißer Blitz durchzuckte mich, und ich klammerte mich an Levis Schultern, um ihn noch dichter zu mir zu ziehen. Wir bewegten uns ohne Eile, begleitet von wilden Küssen und liebevollen Koseworten, die wie Wolken um unsere Köpfe tanzten. Der Mond schien auf uns herab, als wollte er uns segnen, während die Wellen vor dem Fenster uns eine sanfte Melodie wisperten.

Das Feuer zwischen uns brannte heller, bis es in einer leidenschaftlichen Flamme des Verlangens explodierte.

»Schneller«, flüsterte ich.

Levi stellte sich an die Bettkante und zog mich über die Matratze, bis mein Hintern gegen seine Oberschenkel stieß. Ich lachte. »Sehr elegant.«

»Gib mir einen Moment, Frau. Und schon wieder kritisierst du mich.« Er hob meine Beine an, sodass meine Füße auf seinen Schultern ruhten.

»Immer noch kritisiere ich … Oh. Ja. Genau so.«

Levi grinste mich an, und seine Zähne schimmerten hell in der samtigen Dunkelheit des Schlafzimmers. Dann legte er meine Hand auf meine Klit. Ich berührte mich selbst, und als er sich erneut in mir bewegte, war es das. Der Orgasmus überrollte mich, und ich rief Levis Namen.

Er kam direkt nach mir, umfasste mein Gesicht mit beiden Händen und küsste mich liebevoll, bevor er sich neben mich legte.

Völlig entspannt strich ich ihm die Haare aus der Stirn. »Wir haben während der letzten Monate beide neue Narben bekommen.«

Levi zeichnete die frische auf meinem Oberschenkel nach. »Eine sehr kluge Frau hat mir mal gesagt, dass Narben kein Zeichen von Schwäche sind, sondern von Stärke zeugen. Sie beweisen, dass wir überlebt haben.«

»Wow. Klingt nach einer unglaublich weisen Person«, erwiderte ich. Er kitzelte mich, und ich schlug lachend seine Hände weg. »Ich will doch sehr hoffen, dass du sie in deiner Nähe behalten hast.«

»Stand eine Weile ganz schön auf der Kippe. Erst habe ich die armseligste Trennung aller Zeiten hingelegt.« Träge zeichnete er Muster auf meine Haut, und ich schmiegte mich fester an ihn.

»War das so ein ›Umgekehrte Psychologie, Abwesenheit steigert die Zuneigung‹-Ding?«, fragte ich.

»Mehr ein ›Zu dumm, um zu erkennen, was ich wegwerfe‹-Szenario. Aber der Schuss ging ganz schön nach hinten los.«

Mir wurde warm ums Herz, als er zugab, dass er es verbockt hatte. »Wieso das?«

»Ich habe sie vermisst.« Levi lehnte seine Stirn gegen meine. »Keinen einzigen Abend habe ich es ausgehalten, ohne auf die Suche nach dir zu gehen. Weißt du, wie oft ich am Haus meiner Eltern vorbeigefahren bin, weil ich gehofft habe, dich da parken zu sehen?« Er machte eine kleine Pause. »Du kannst es ruhig auch zugeben. Das hier ist eine sichere Umgebung, schließlich haben wir uns unsere Liebe gestanden.«

Ich zuckte die Schulter. »Könnte ich, aber ich habe nur das Ziel ausgekundschaftet.« Ich quietschte laut auf, als Levi unsanft an meinem Bauch saugte. »Okay. Schön. Ja. Ging mir genauso.«

Levi legte den Kopf auf seinen angewinkelten Arm. »Gut, dass wir beide wieder zu Verstand gekommen sind. Du bleibst über Nacht, oder?«

»Ja, Schatz.« Ich setzte mich auf.

»Irgendwie empfange ich hier gerade gemischte Signale.«

Ich gab ihm noch einen Kuss, einfach weil er da war und wir zusammen waren. »Ich gehe mich waschen und hole mir ein Wasser. Bin gleich wieder da.«

Und so stand ich dann in der Küche meines Freundes, wartete, dass das Wasser aus dem Hahn kälter wurde, und sinnierte darüber, wie weit ich es gebracht hatte. Ich war nicht mehr das Mädchen, das überlebte – ich war die Frau, die alles hatte, wofür es sich zu leben lohnte. Mein Leben war erfüllter, als ich es mir je hätte erträumen können. Ich war glücklich.

»Ash?«

Ich zuckte zusammen und bespritzte Levi mit ein paar Wassertropfen.

Lachend wischte er sie sich von der nackten Brust. »Alles in Ordnung?« Er schlang die Arme um mich.

Ich lehnte mich gegen ihn. »War nie besser.« Nachdem ich meinen Durst gestillt hatte, reichte ich ihm eine Hand. »Bring mich ins Bett, Leviticus.«

Er hob mich auf die Arme und trug mich in unsere Zukunft.

Es waren einmal ein schlaksiger Junge mit blauen Augen und ein wütendes Mädchen mit einem Gehstock. Der eine versteckte seine Narben, die andere rieb sie der ganzen Welt unter die Nase. Und als sie erwachsen wurden, spielten sie in der Dunkelheit und waren Monster, die großen Schaden verursachen konnten.

Ihre Geschichten begannen, veränderten sich und endeten nach einiger Zeit, aber die beiden blieben. Als sie schließlich ins Licht traten, war das, was sie sahen, nicht monströs, sondern wild und wunderschön, also trafen sie eine Entscheidung. Sie entschieden sich füreinander.

Die Monster-Selbsthilfegruppe gab es nicht mehr. Aber das Mädchen bekam trotzdem noch Biscotti, wann immer es wollte.