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In den 1980ern, als er einer der reichsten Entertainer der Welt war, gab Michael Jackson das Geld mit vollen Händen aus – weil er es sich leisten konnte. Aber er mochte Unsummen für den Bau seines eigenen Freizeitparks und andere Unterfangen ausgeben, Jackson war bekannt dafür, sich persönlich darum zu kümmern, wo jeder Cent davon blieb. Er ging persönlich Rechnungen durch, um sicherzustellen, dass ihn niemand ausnutzte, und er feuerte Leute, von denen er das Gefühl hatte, er könnte ihnen nicht trauen. Dieser Michael Jackson war irgendwann auf der Strecke geblieben. Er kümmerte sich um nichts mehr, fing an, den falschen Leuten zu trauen, und sein Vermögen begann zu verschwinden.

Nach dem Chandler-Skandal 1993 begannen Jacksons Einnahmen zu schrumpfen, nicht aber seine überdimensionalen Ausgaben. Über die jährlichen Betriebskosten für Neverland hinaus gab Jackson weiterhin mehrere Millionen Dollar im Jahr für Chartermaschinen, Antiquitäten, Gemälde, Hotels und andere persönliche Aufwendungen aus. Wenn dieser aufwändige Lebensstil sein einziges Laster gewesen wäre, er hätte ihn sich vermutlich leisten können. Aber der Sänger investierte obendrein weiterhin kräftig in seine Karriere.

Um seine künstlerischen Visionen in den Kurzfilmen zu »Thriller« und »Bad« umzusetzen, hatte Jackson diese Projekte größtenteils selbst finanziert – und diese Investitionen hatten sich bezahlt gemacht. In den 1990ern hielt er das immer noch so und versenkte zig Millionen bei verschiedenen Film- und Videoprojekten. Nur dass jetzt, wo seine Plattenverkäufe zurückgingen, diese Investitionen sich nicht mehr im gleichen Maße auszahlten. Mehr und mehr mischten sich diverse Betreuer und Finanzmanager in die Angelegenheiten des Sängers und steckten sein Geld in fragwürdige Deals, die ihm mehr juristische Probleme einbrachten als finanziellen Profit.

1995 verkaufte Jackson Sony für hundert Millionen Dollar fünfzig Prozent der Anteile am Katalog von ATV. 1998, als seine Schulden immer noch wuchsen, nahm Jackson bei der Bank of America zusätzliche hundertvierzig Millionen Dollar auf; als Sicherheit diente ihm sein Anteil am Sony/ATV-Katalog, wie dieser jetzt hieß. 2000 hatte man Jacksons Kredit bei der Bank auf zweihundert Millionen Dollar aufgestockt; außerdem stand er bei Sony in der Kreide, da die Firma ihm weiterhin beträchtliche Summen im Hinblick auf spätere Einkünfte vorgestreckt hatte – Einkünfte, die jedoch weiterhin im Schwinden begriffen waren.

Als Jacksons Prozess begann, kostete ihn allein sein Schuldendienst – zu schweigen von Lebenshaltungskosten und Anwaltsgebühren – über vier Millionen Dollar im Monat. Als der Prozess sich in die Länge zog, kam Jackson einige Monate lang seinen Verpflichtungen der Bank of America gegenüber nicht nach, worauf sein Darlehensgeber seinen Kredit an die Fortress Investment Group, einen auf problematische Werte spezialisierten Hedgefonds, verkaufte. Ende 2005 war Jackson hinsichtlich seiner eben refinanzierten Schulden bereits wieder im Rückstand, worauf Fortress ihm mit der Fälligstellung des Kredits drohte, was wiederum in der Chefetage von Sony Nervosität aufkommen ließ. Falls der Sänger seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen sollte, würde sein Anteil am Sony/ATV-Katalog – einigen Schätzungen zufolge mittlerweile eine Milliarde Dollar wert – meistbietend versteigert, was dem Label möglicherweise einen unliebsamen Partner bescheren würde. Die Krise wurde im folgenden April vorübergehend abgebogen. Um Jackson finanziell über Wasser zu halten, erklärte Fortress sich zu einer Umstrukturierung des Kredits bereit. Im Rahmen dieser Refinanzierung nahm er eine Hypothek über dreiundzwanzig Millionen Dollar auf Neverland auf.

Bei aller Mühe, seinem Schuldendienst nachzukommen, verdiente Jackson immer noch Millionen im Jahr, größtenteils durch Verkäufe aus seinem lukrativen Backkatalog. Da sein Label freilich einer seiner wesentlichen Gläubiger war, behielt es Jacksons Einkünfte zur Deckung seiner Schulden zurück. Das hatte zur Folge, dass Jackson andere Gläubiger nicht bedienen konnte, was zu einer Reihe von Klagen gegen ihn führte, die seine finanzielle Lage weiter unterminierte. Produzent Marc Schaffel, der Michael Jackson während ihrer Partnerschaft Millionen – in Cash – geliehen hatte, verklagte den Sänger im Herbst 2004 und bekam in einem Vergleich neunhunderttausend Dollar zugesprochen. Außerdem hatte ihn jüngst Prescient Capital verklagt, eine Finanzgruppe, die bei der Vermittlung von Jacksons Refinanzierungsdeal mit Fortress mitgewirkt hatte; sie behauptete, er sei ihr die Gebühren für die Transaktionen schuldig geblieben. Jackson einigte sich im Juni 2007 mit Prescient auf drei Millionen Dollar. Das war kurz vor seiner Abreise aus Las Vegas.

Andere Prozesse verfolgten ihn bis nach Virginia. Dieter Wiesner, Jacksons Manager während der Jahre vor dem Prozess, hatte ihn verklagt – ihm standen angeblich dreißig Millionen Dollar für Deals zu, die während seiner Zeit als Manager von ihm arrangiert worden waren. Jackson sah sich mehrmals gezwungen, irgendwelcher eidesstattlichen Erklärungen wegen zu Venable, seinen Anwälten in Washington, D.C., zu fahren. Zu allem Überfluss drohte ihn dann auch noch Scheich Abdullah von Bahrain zu verklagen – der hatte während Jacksons Zeit in Übersee sieben Millionen Dollar in ihn investiert.

Über ein Jahrzehnt lang hatten Jacksons Gläubiger und Manager seine Verschwendungssucht wie seine Neigung zu schlechten Investitionen begünstigt. Alle waren sie nur daran interessiert, den Sänger notdürftig über Wasser zu halten, um noch einen weiteren Tag von ihm zu profitieren. Aber all die Jahre der Misswirtschaft hatten Jackson schließlich an den Rand des Ruins geführt. Sein Milliarden-Dollar-Imperium war am Kollabieren; während es von innen her verfaulte, machten sich die Aasgeier darüber her. Sehr zur Sorge seines neuen Security-Teams tat Jackson jedoch nichts, um dem Einhalt zu gebieten.

Bill: Schon in Vegas waren unsere Gehaltsschecks eher zögerlich gekommen; sie waren immer ein paar Tage, vielleicht eine Woche lang hintendran. Und in dem Augenblick, in dem wir in Virginia waren? Da kamen überhaupt keine mehr. Von dem Tag an war mit unserer Bezahlung Schluss.

Die ersten zwei Wochen schien es sich nur um die übliche Verzögerung zu handeln. Dann waren es drei Wochen, vier, fünf, sechs. Wir riefen Raymone an und bekamen jedes Mal die gleichen Ausreden zu hören. Sie warte auf den Abschluss irgendeines Deals. Mr. Jackson sei im Augenblick nicht flüssig. Sie wisse noch nicht mal, wie sie ihre eigenen Leute zahlen solle. Und so weiter.

Wir nahmen das persönlich. Andere bekamen schließlich ihr Geld. Grace bekam ihr Geld. Die Security-Leute in Neverland bekamen ihr Geld. Ich sah eine Menge finanzieller Dokumente hin und her gehen, und seine Anwälte bedienten sich mit fünfstelligen Vorschüssen und sechsstelligen Gebühren. Wie ich später herausfand, zahlte Raymone sich um die dreißigtausend Dollar im Monat, dazu das Apartment, das sie sich in Vegas gemietet hatte.

Es war also Geld für alle da, nur nicht für das Gehalt von Bill und Javon. Und dabei arbeiteten wir rund um die Uhr, während Mr. Jackson unterwegs war. Und das bisschen, das man uns an rückständigem Lohn schuldig war? Das waren doch Peanuts im Vergleich zu dem, was sich all die anderen nahmen. Javon ist ein bisschen heißblütiger als ich; ihm können schon mal die Gäule durchgehen. Immer wenn er so ein Dokument über einen von den riesigen Geldtransfers sah, sagte er: »Scheiße, und für uns ist keine Knete da? Was ist mit unserem Scheißgeld?«

Javon: Alles, was bei uns beiden reinkam, waren unsere täglichen Spesen. Das waren fünfundsiebzig Dollar am Tag, und davon sollten wir unterwegs unsere Mahlzeiten bezahlen. Wissen Sie, was wir gemacht haben? Wir haben davon Top Ramen gekauft, Hotdogs, Sandwichbrot. Wir kauften uns einen Karton von dem Zeug, und davon lebten wir; den Rest unserer Spesen schickten wir nach Hause. Mehr war nicht drin.

Bill: Die Spesen reichten natürlich hinten und vorne nicht. Mitte August rief meine Tochter an und sagte: »Daddy, die haben uns den Strom abgedreht.«

Ich hatte Angehörige und Freunde, die bei ihr blieben, immer wenn ich beruflich unterwegs war; die kümmerten sich um sie. Aber ich hatte auch rund um mein Haus ein Überwachungssystem eingerichtet, das ich online checken konnte, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war. Als jedoch kein Strom mehr da war, gab es auch kein Bild. Ich machte mir Sorgen. Sie hatte keine Klimaanlage mehr, und die Temperaturen in Las Vegas lagen bei 46° Celsius. »Okay, Baby, ich kümmere mich drum.« Ich forderte ein paar Gefallen ein; ich tat, was zu tun war.

Javon: Mir haben sie auch den Strom abgedreht, gleich nach Bill. Ich hatte ein Neugeborenes im Haus. Zu dem Zeitpunkt war Raymone für uns praktisch nicht mehr zu sprechen; ich brauchte Tage, um zu ihr durchzukommen. Als ich sie schließlich an der Strippe hatte, sagte sie, sie könne mir eine Kreditkartennummer geben, sodass man den Strom wieder einschaltete, aber was das Gehalt anging, könne sie auch nichts tun. Als ich bei meinem Stromversorger anrief, um den Strom wieder anschalten zu lassen, wollte man die Kreditkarte nicht akzeptieren. Ein paar Wochen darauf holte man mein Auto ab, weil ich die Raten nicht bezahlt hatte – die Bank ließ den Wagen einfach von meiner Auffahrt wegholen.

Bill: Als wir mit dem Wagen nach Virginia zurückgefahren waren und Raymones Team abgelöst hatten, wusste ich, sie würde stinksauer sein. Grace ließ mich das wissen. Sie sagte: »Raymone ist gar nicht glücklich drüber, dass ihr das andere Team vergrault habt. Die Leute haben sich extra freigenommen, um die Security für den Boss zu übernehmen.«

Ich sagte ihr: »Ihr Pech.«

Nicht, dass Raymone je einfach gesagt hätte: »Hey, ihr seht kein Geld mehr von mir, weil ihr mich blamiert habt.« Aber für uns war es offensichtlich, dass man unsere Zahlungen deswegen gestoppt hat.

Javon: In Vegas hatte Mr. Jackson immer eisern darauf bestanden, dass wir Raymone über seine Schritte nicht unterrichteten. In Virginia sagte er uns, wir sollten sie einfach ignorieren. Er sagte: »Wenn ich Raymone was zu sagen habe, sage ich euch das schon. Reagiert einfach nicht, wenn sie anruft.«

Sie versuchte uns mit Panikmache zu manipulieren. Sie rief an und sagte: »Ich hatte hier einen Anruf von einer Radiostation, man habe Mr. Jackson im Pyjama in Chantilly herumlaufen sehen. Was macht er im Pyjama? Ich muss wissen, wo Sie sind, damit ich auf den Bericht antworten kann.«

Während sie das behauptete, saß Mr. Jackson neben mir im Wagen. Und nicht etwa im Pyjama – und wir waren noch nicht mal in der Nähe von Chantilly. Sie versuchte mich nur aufzubringen, um zu erfahren, wo wir waren. Meiner Ansicht nach befürchtete sie, Mr. Jackson könnte ohne sie zu einem der Meetings gehen.

Bill: Ich und Javon waren vielleicht nicht auf Raymones Level, aber sie sprang mit uns um, als hätte sie unseretwegen keine Kontrolle mehr über ihn. All die kleinen Spielchen liefen nur auf eines hinaus: Wer immer Mr. Jacksons Gehör hatte, der kontrollierte sein Geld.

Für uns war es also offensichtlich, was sie da versuchte. Unserer Ansicht nach versuchte sie uns auszuhungern, indem sie uns nicht bezahlte. Damit konnte sie Druck auf uns ausüben; sie konnte uns das Leben so schwer machen, dass uns nichts anderes übrig blieb, als zu gehen. Sie war dabei noch nicht einmal sehr subtil. Nach zwei Wochen ihrer üblichen Ausflüchte rückte sie einfach raus damit. Ich rief sie wegen unseres Gehaltsschecks an, und sie sagte: »Wissen Sie, Mr. Jackson bringt Sie beide in eine schreckliche Situation. Er steckt bis über beide Ohren in Schulden. Nie im Leben würde ich so lange bleiben, ohne mein Geld zu bekommen. Wenn ich Sie wäre, ich würde einfach gehen.«

Als wir sie so hörten? Dass wir einfach aufhören und ihn im Stich lassen sollten? Für mich hieß das nur eines: dass sie ihre eigenen Leute wieder ins Spiel bringen wollte. Ich sagte Mr. Jackson sofort Bescheid. Er wusste, dass unsere Schecks bis dato nie so ganz pünktlich gekommen waren, und es war ihm immer sehr peinlich gewesen, aber ich glaube nicht, dass ihm die Dringlichkeit der Situation so ganz klar war, und wir sprachen ihn eben nur ungern darauf an. Prominente? Die setzen sich nicht mit dem Taschenrechner hin und gehen Stundenzettel durch. Dazu haben die Manager und Buchhalter. Man spricht mit dem Klienten nicht über Geld. In einer gesunden Organisation wäre das alles zwischen Raymone und uns geregelt worden. Aber so lief das hier nicht, und meiner Ansicht nach sollte Mr. Jackson das wissen. Eines Tages, wir waren im Wagen unterwegs, drehte ich das Radio leiser und sagte: »Sir, stört es Sie, wenn ich Ihnen was sage?«

»Überhaupt nicht, Bill. Was ist denn?«

»Wir haben Raymone darauf angesprochen, wann wir wohl unser Geld kriegen könnten, und sie meinte, Sie hätten sich da in finanzielle Schwierigkeiten gewirtschaftet, und an unserer Stelle würde sie einfach gehen.«

Worauf er aber schon so was von nervös wurde. Er sagte: »Bill, tut das nicht. Das könnt ihr nicht.« Er wirkte derart besorgt, als er das sagte – als befürchtete er, wir könnten tatsächlich gehen. Er sagte: »Steht das einfach durch. Ich sorge dafür, dass ihr euer Geld kriegt.« Einige Minuten war es still im Wagen, dann wurde er plötzlich laut. »Was untersteht die sich?! Was untersteht die sich, euch zu sagen, dass ihr mich und die Kinder im Stich lassen sollt?!« Ich beobachtete ihn im Rückspiegel: Er schüttelte den Kopf. Er war außer sich.

Das war aber nicht alles. Ich nahm E-Mails und FedEx-Sendungen für ihn entgegen. Eine Menge von dem Kram sah ich mir nicht näher an. Wenn mir auf der ersten Seite was auffiel, sah ich nach, von wem es war, damit ich ihm Bescheid sagen konnte. Regelmäßig kamen Päckchen von Raymone, und während wir in Virginia waren, kam ein Dokument von ihr rein. Es war ein Kreditantrag; es ging so um die dreihundert Millionen Dollar. Sie hatte ihn mir geschickt, damit Mr. Jackson ihn unterschrieb. Sie rief mich an und sagte: »Wenn Sie es schaffen, da seine Unterschrift draufzubekommen, kann ich Sie endlich bezahlen.«

Wenn es um Dinge ging, die Mr. Jacksons Zustimmung bedurften, unterschrieb er, was immer man ihm vorlegte. Seine Anwälte sagten: »Mr. Jackson, das hier muss erledigt werden, damit das und das für den und den passiert.« Und schon unterschrieb er. Egal, was es war. Es kam selten vor, dass er fragte, für wen etwas sei oder worum es gehe. Nicht ein einziges Mal hörte ich ihn sagen: »Nein, das ist falsch. Ich will das anders angehen.« Er setzte einfach seinen Namen da hin, wo man mit dem Finger hinwies. Was immer man ihm vorlegte, er wollte, dass es verschwand.

Da draußen in Middleburg hatte niemand Zugang zu ihm außer mir. Ich hatte langsam, aber sicher das Gefühl, dass Raymone unseren ausstehenden Lohn als Druckmittel einsetzte, damit ich Mr. Jacksons geschäftliche Entscheidungen in ihrem Sinne beeinflusste. Sie und Greg Cross stritten noch immer über den Kredit, über den sie sich mit Mr. Jackson schon in Vegas gestritten hatten. Ich begann von beiden Dokumente zu bekommen, das heißt Anträge von verschiedenen Banken. Greg schickte mir was, worauf Raymone mich anrief, um mir zu sagen: »Lassen Sie ihn das nicht unterschreiben, sehen Sie zu, dass er meinen unterschreibt.«

Gleichzeitig rief Greg Cross an und sagte: »Was immer Raymone Ihnen schickt, lassen Sie es ihn nicht unterschreiben. Ich muss mir das erst ansehen.« Greg hatte keine direkte Kontrolle über unser Gehalt, trotzdem sagte er immer wieder: »Ich versuche dafür zu sorgen, dass Sie Ihr Geld bekommen.«

Soweit ich das verstand, war das Kreditpaket nötig, um Mr. Jacksons finanzielle Probleme zu lösen, und der, dessen Antrag er unterschrieb, würde den Geldfluss – Millionen von Dollar – kontrollieren.

Das zog sich wochenlang hin. Mitte August bekam ich eine E-Mail von Raymone, in der es hieß, dass Mr. Jackson einen Bonus über fünfundzwanzigtausend Dollar für mich und Javon genehmigt habe, als Entschädigung für unseren Ärger, und dass wir das Geld bekommen würden, sobald »einige größere Transaktionen« unter Dach und Fach seien. Es kam mir wie ein Bestechungsversuch vor. Ich meine, da lebten ich und Javon von Top Ramen und Hotdogs, und sie ging in die Vollen: »Sehen Sie zu, dass er unterschreibt, und jeder kriegt seinen Teil – und Sie bekommen einen Bonus von fünfundzwanzigtausend Dollar.«

Javon: An einem Tag stritten Greg und Ms. Raymone sich mit Bill, am nächsten Tag schmierten sie ihm Honig ums Maul. Ich hielt mich da raus. Man hatte mir als Kind beigebracht, den Mund zu halten. Bill musste das Gezanke über sich ergehen lassen, aber er ist nicht der Typ, der was auf seine Integrität kommen lässt. Er hielt sich ebenfalls raus, so gut es nur ging. Die Dokumente von Greg und Raymone? Bill brachte sie Mr. Jackson einfach mit einem Post-it vorne drauf: Das hier ist von Ms. Raymone, und das hier ist von Greg Cross. Er versuchte den Boss nicht zu beeinflussen, das eine oder das andere zu unterschreiben. Unsere Position war immer die: Mr. Jackson ist schließlich ein erwachsener Mann. Soll er selber entscheiden, was er unterschreiben will.

Bill: Das Problem mit dem Kredit zog sich hin, und schließlich kam der Punkt, an dem ich einfach jemanden fragen musste: »Was ist da los? Was soll ich tun?« Ich sprach mit Grace. Sie war ganz meiner Meinung – das sollte mich eigentlich nichts angehen. Das war der Augenblick, in dem man mich mit Peter Lopez bekannt machte.

Peter Lopez und Mr. Jackson kannten sich schon eine ganze Weile. Lopez war Anwalt, eine große Nummer in der Musikbranche und bis zu seinem Tod 2010 mit der Schauspielerin Catherine Bach verheiratet – der Daisy Duke von den Dukes of Hazzard. Er war mit Arnold Schwarzenegger befreundet, der ihn in die California State Athletic Commission bestellt hatte, das Gremium, das für die Regulierung von Kampfsportarten verantwortlich ist. Mr. Lopez war einer der Anwälte, die sich um den einen oder anderen Teil von Mr. Jacksons Geschäft kümmerten. Die beiden unterhielten sich von Zeit zu Zeit, aber ihre Beziehung war eher freundschaftlicher Art als eine zwischen Anwalt und Mandant. Ihre Unterhaltungen waren recht persönlich – »Wie geht’s den Kindern? Was macht die Familie?«

Ich wusste, Mr. Lopez war jemand, dem Mr. Jackson vertraute, also setzte ich mich mit ihm in Verbindung und erklärte ihm die Situation. Beim Gespräch mit ihm hatte ich den Eindruck, dass ich nicht der Erste in Mr. Jacksons Welt mit diesem Problem war. Mr. Lopez meinte: »Bill, ich weiß genau, was Sie durchmachen. Am besten, Sie sprechen mit Michael selbst.«

Nun hatte ich aber mit dem schon gesprochen. Wir hatten das Problem Mr. Jackson gegenüber längst angedeutet, aber es war nichts passiert.

Javon: Er merkte irgendwie, dass uns was runterzog. Eines Tages, wir waren unterwegs, da meinte er plötzlich: »Sagt mal, gibt’s da was, was ich wissen sollte? Ihr seid so anders in letzter Zeit.«

Wir waren ganz offen mit ihm. »Mr. Jackson«, sagten wir, »bei uns stapeln sich die Rechnungen. Wir sind Ihnen gegenüber loyal, wir sind hier für Sie, aber unsere Familien leiden unter der Situation.«

Er sagte: »Was? Ihr habt euer Geld immer noch nicht?!«

»Nein, Sir.«

»Aber ich habe Raymone doch gesagt, sie soll euch bezahlen. Ich hab’s ihr gesagt! Bill, würdest du mich mal mit ihr verbinden?«

Er rief sie auf der Stelle an, in unserem Beisein, und stellte das Handy auf Mithören. Sie ging ran, und er sagte: »Raymone, die Moral der Jungs ist auf null. Was ist mit ihren Schecks? Wann willst du sie endlich bezahlen?«

Er blies ihr gehörig den Marsch. Hörbar entgeistert stammelte sie sich durch dieselben alten Ausreden. »Ich kümmere mich drum. Es sind nur noch ein paar Sachen zu regeln. Ich kümmere mich drum.«

Er begann sie zu übertönen. »Raymone … Raymone … Raymone! Du bezahlst mir die Leute. Sie beschützen mich und meine Familie. Ohne mich läuft überhaupt nichts mehr.«

Sie sagte: »Ich werd sie bezahlen. Ich werd sie noch diese Woche bezahlen.«

»Wann diese Woche? Ich habe die Jungs hier neben mir, Raymone. Sie hören alles mit. Wann diese Woche?«

Wir hatten Dienstag. Sie sagte: »Ich bezahle sie am Donnerstag.«

Am Donnerstag kam immer noch kein Geld. Wir sagten uns: Wow! Soll das ein Witz sein? In dem Augenblick wurde es uns klar: Mr. Jackson hatte keinerlei Kontrolle über sein eigenes Geld. Er gab ihr direkte Anweisungen, und sie ließ ihn auflaufen. Er entschuldigte sich immer wieder dafür. Er sagte: »Jungs, ihr wisst doch, dass ich nichts dafür kann, oder?«

»Ja, Mr. Jackson. Das wissen wir.«

»Ich habe ihr gesagt, sie soll euch bezahlen. Sie sagt, ihr kriegt euer Geld bald. Aber ihr wisst, dass ich nichts dafür kann, oder?«

Bill: Es war ihm wirklich ernst damit, dass er nichts dafür konnte. Aber andererseits glaube ich nicht, dass er das ganze Ausmaß des Problems kapierte – was passiert, wenn Leute wie wir nicht bezahlt werden, wenn man uns den Strom abdreht, das Telefon abstellt. Das verstand er nicht.

Javon: Man sieht, wann einem jemand irgendwelchen Schnee erzählt und wann es ihm ernst ist, und ihm war es ernst, als er sagte, dass es nicht in seiner Macht stünde. Trotzdem regte es uns auf. Man hätte ihn am liebsten schütteln wollen: »Aber es könnte in Ihrer Macht stehen. Warum nehmen Sie sich die Macht nicht einfach? Warum haben Sie Ihre eigenen Leute nicht im Griff?«

Bill: Einmal meinte er zu mir: »Es ist so weit. Die haben einen großen Deal vor dem Abschluss, und ihr Jungs kriegt euer Geld noch diese Woche.« Der Deal kam und ging. Unser Geld kam nicht. Er rief mich an und sagte: »Bill, tut mir leid. Ihr hättet euer Geld wirklich bekommen, aber meine Schulden bei Gregs Kanzlei waren größer, als ich gedacht hatte, da haben die das ganze Geld einfach für ihre Rechnung einbehalten.«

Ich dachte: Spinn ich jetzt? Es sind deine Anwälte. Wieso geht das Geld nicht erst an dich und du entscheidest, was du damit machst? Greg hat für ihn gearbeitet, klar, und er erwartete Geld dafür. So viel verstand ich auch. Aber wir waren in der gleichen Situation – und wir waren total pleite.

Michael Jackson war ein Milliarden-Unternehmen, das rund um die Uhr lief, und kein Mensch saß am Steuer. Es gab keine Organisation, keine eigentliche Firma, nur einen Haufen Leute, die verschiedensten Lager, und alle kochten sie ihr eigenes Süppchen. Er hatte ja noch nicht mal ein Büro. Sein Büro war immer da, wo er grade stand. Sein Geschäftstelefon war das, das man ihm grade in die Hand drückte. Er hatte noch nicht einmal eine E-Mail-Adresse. Der größte Teil seiner Korrespondenz lief über Raymone. Die Leute schickten ihr Sachen, die sie dann per Express an mich weiterschicken ließ. Fans, die wussten, wer ich war, schickten ihre Post sogar heim zu mir.

Mr. Jacksons Ansicht nach leitete Raymone seine Firma von einem offiziellen Washingtoner Büro aus. Eines Tages musste ich zu ihr, um eine Sendung abzuholen, und fuhr zu der Adresse, die sie mir gegeben hatte. Es war eine Privatadresse. Sie leitete seine Geschäfte von zu Hause aus! Ich hörte ihn eines Tages sagen, Raymone würde sein Büro managen. Ich sagte: »Sir, Raymone hat kein Büro.«

»Doch, hat sie. Sie leitet mein Büro in D.C.«

»Nein, Mr. Jackson. Sie lebt in D.C. Sie arbeitet von zu Hause aus.«

»Sie meinen, ich habe gar kein Büro?«

Nicht nur hatte er kein Büro, er wusste noch nicht mal, dass er kein Büro hatte. So wenig Einblick hatte er in seine eigenen Angelegenheiten.

Greg und Raymone waren die beiden Leute, mit denen er persönlich vor allem zu tun hatte, aber es gab noch eine Menge andere: Anwälte, Buchhalter, Assistenten, Lakaien. Einige von ihnen konnten Schecks ausstellen. Es gab Leute, die in seinem Namen Deals abschlossen und Verträge unterschrieben. Aber wer wem und wofür verantwortlich war, das war nie so ganz klar. Das Ganze lief ohne Sinn und Verstand ab.

Zum Teil, so denke ich mal, lag das an deplatziertem Vertrauen: Er vertraute einfach den falschen Leuten, er wollte ihnen glauben, und sie nutzten ihn aus. Teils war es aber auch Apathie. Er war zu dem Zeitpunkt einfach geschafft. Er wollte mit seinen Kindern zusammen sein, er wollte seinen kreativen Projekten nachgehen; darüber hinaus hatte er mit Blick auf eine ganze Menge Dinge einfach dichtgemacht. Ich meine, ich erledigte damals seit Monaten seine Korrespondenz. Er bekam nichts, was nicht erst durch meine Hände gegangen wäre. Ich wusste also, dass er keine monatlichen Finanzaufstellungen oder dergleichen bekam. Er hatte kein Scheckheft. Er setzte sich nicht regelmäßig mit seinen Buchhaltern zusammen, um einen Überblick zu haben, was da passierte.

Er war sein ganzes Leben über derart reich gewesen, dass ich wirklich glaube, der Gedanke, er könnte bankrottgehen, leuchtete ihm einfach nicht ein. Er ging schlicht davon aus, dass das immer so weitergehen würde. Er hatte ja immer Bargeld am Mann. Er hatte in dem Haus in Las Vegas Hunderttausende verbunkert, hier etwas, da etwas, und ich wusste, dass er auch in Virginia Geld mithatte. Für ihn war das richtiges Geld, auf das er zurückgreifen konnte, wann immer er sofort was brauchte. Und solange er das hatte, so denke ich mal, dachte er nicht an den Rest, an all seine Investments, an die Verlagsrechte, den ganzen Kram. Und ich hatte den Eindruck, dass seine Betreuer genau wussten, solange sie ein paar Hunderttausend in bar für ihn bereithielten, würde er nicht so genau hinschauen, was mit dem Rest seines Vermögens geschah. Und genauso war es.

So fuhr ich ihn eines Tages durch Washington, als ein Anruf von Peter Lopez reinkam. Ich bekam ihre Unterhaltung streckenweise mit und hörte Mr. Jackson sagen: »Peter, ich weiß nicht, wo mein Geld ist. Oder wie viel Geld ich überhaupt habe. Kannst du mir da helfen?«

Allein so etwas aus seinem Mund zu hören – also für mich war das entsetzlich. Damit nicht genug, brachte es ihm eine Menge juristischer Probleme ein, seine finanziellen Probleme zu ignorieren und andere damit zu betrauen. Michael Jackson war das reinste Fliegenpapier, was Prozesse anging. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt hatte der Mann buchstäblich Hunderte von Klagen am Hals. Einige waren völlig aus der Luft gegriffen. Vaterschaftsklagen von Stalkern und dergleichen mehr. Aber eine ganze Menge dieser Klagen waren durchaus ernst zu nehmen, weil es um Millionen ging. Da sein Imperium am Abbröckeln war, bekamen eine Menge Leute ihr Geld nicht. Verträge wurden nicht erfüllt.

Es gab da eine ganze Kompanie von Chargen. Ehemalige Manager und Geschäftspartner, die behaupteten, bei dem und dem Projekt mitgewirkt und dafür nie Geld gesehen zu haben – oder sie hätten einen Anteil an dem einen oder anderen Projekt. Leute, die an seinen Alben und Musikvideos mitgewirkt hatten, wollten endlich ihre Tantiemen sehen. Ein Problem jagte das andere. Ich bekam die ganzen juristischen Dokumente per FedEx, damit er sie unterschrieb; ich sah also mit eigenen Augen, wie viel Geld da zum Schornstein rausging. Er einigte sich für eine Viertelmillion mit dem einen, für eine halbe Million mit dem nächsten, was immer gerade nötig war. Die Leute verklagen einen nun mal, wenn sie meinen, es sei was zu holen. Und alle Welt wusste, man brauchte Michael Jackson nur zu verklagen und bekam seinen Vergleich. Lediglich die völlig aus der Luft gegriffenen – wie die Vaterschaftsklagen – focht er an. Die waren auch schnell abgebügelt. Aber wenn man auch nur den geringsten Anspruch hatte, der einen Prozess rechtfertigen könnte? Dann bezahlte er einen allein schon, damit man verschwand – nach der Geschichte von 2005 wollte er nie wieder einen Gerichtssaal von innen sehen.

Javon: In Virginia fuhren wir ihn mehrmals zur Aufnahme eidesstaatlicher Erklärungen in die Kanzlei von Greg Cross in D.C. Wir hatten das in Vegas schon einige Male durchexerziert; hier standen auch ein paar an. Er hatte einen Horror davor.

Diese Aussagen waren jeweils eine ganztägige Tour de Force. Man setzte ihn auf einen Stuhl, und die gegnerischen Anwälte nahmen ihn stundenlang in die Mangel. Natürlich war auch ein Team von Mr. Jacksons Leuten dabei, und alle stellten ihm Hunderte von Dollar die Stunde in Rechnung, und das für endlose Stunden. Da man ihn derart lang dortbehielt, gab es für gewöhnlich auch was zu essen. Da war dann in einem der Konferenzzimmer ein Lunch aus Sandwiches, Snacks und Obst aufgebaut. Einmal kam Greg heraus und fragte, ob wir nicht etwas essen wollten, also gingen ich und Bill nach oben, um uns was zu holen. Wir schauten nach, was es gab, machten uns unsere Sandwiches und unterhielten uns dabei: »Mann, wie lang soll denn das noch dauern? Ich kann’s verdammt noch mal kaum noch erwarten, hier wieder rauszukommen.« In dem Augenblick hörten wir ein Geräusch hinten aus der Ecke. Wir drehten uns um, und da saß Mr. Jackson. »Hey, Leute«, sagte er.

»Oh, hey! Mr. Jackson!«

Ich war völlig baff. Sie hatten ihn einfach da sitzen lassen, ganz allein, wie ein kleines Kind in der Ecke. Als hätte man ihn zur Strafe in die Ecke gestellt. Ich schwöre es, genauso sah es aus – als müsste er auf Anweisung seiner Anwälte in der Ecke stehen. Dann, nachdem man gegessen hatte, brachte man ihn wieder ins Konferenzzimmer, setzte ihn wieder auf den Stuhl und nahm ihn weiter in die Mangel.

Als er dann auf dem Heimweg wieder im Wagen saß, zerriss es ihn. Die ganze Fahrt über machte er seinem Frust Luft. »Ich bin diesen ganzen Scheiß so leid. Ich bin diese Erklärungen so leid. Diese Leute stellen mir immer und immer wieder dieselben blöden Fragen. Ich will bloß noch heim zu meinen Kindern.«

Bill: Man sah ihm an, dass ihm das alles zu viel zu werden begann. Die Schlaflosigkeit wurde immer schlimmer. In Middleburg patrouillierten wir nachts auf dem Gelände. Es gab keine Straßenlaternen, nur das Licht aus den Häusern. In der unmittelbaren Umgebung gab es nur sein Haus und unseres, sodass es für gewöhnlich stockfinster war. An einem Abend drehte ich so gegen halb drei Uhr morgens meine Runde. Es war praktisch Vollmond, also war es heller als sonst. Ich fuhr mit dem Wagen das Gelände ab, als ich jemanden zu Fuß daherkommen sah. Ich hätte zuerst nicht sagen können, wer es war. Er trug eine grüne Jacke mit einer Kapuze, darunter einen Schlafanzug. Ich dachte, es wäre vielleicht ein Nachbar, irgendjemand aus der Gegend. Ich fuhr ein paar Schritte hinter ihm her und richtete schließlich den tragbaren Scheinwerfer auf ihn. Er drehte sich noch nicht mal um. Er ging einfach weiter, die Hände in den Taschen. Ich zog mit ihm gleich und sprach ihn an: »Hallo?«

Der Typ hob den Kopf und sah unter seiner Kapuze hervor – es war der Boss. Ich war überrascht. Ich sagte: »Hey, Mr. Jackson? Alles in Ordnung?«

»Ja, ja, mir geht’s gut.«

Ich sagte: »Soll ich Sie mitnehmen?«

»Nein. Ich bin okay«, sagte er. »Das tut mir gut.«

Ich wusste nicht so recht, was ich machen sollte. Ich war überrascht, klar, aber er verhielt sich völlig normal, also dachte ich mir, es wäre alles in Ordnung mit ihm. Ich sagte: »Okay, Sir. Dann gute Nacht.«

Ich machte das Licht wieder aus, blieb zurück und sah ihn weitergehen. Ich behielt ihn im Auge, bis er wieder im Haus war.

Javon: Er meinte immer wieder zu uns: »Ihr wisst ja nicht, was ihr für ein Glück habt.« Oder: »Ihr wisst ja nicht, wie gut ihr es habt.« Die ersten paar Mal, als wir das hörten, dachten wir: Wassis? Du bist Michael Jackson. Aber im Lauf der Zeit sahen wir dann, was er meinte.

Wir waren eines Tages in der Nähe von Middleburg unterwegs, als die Kinder einen Spielplatz sahen. Sie waren sofort Feuer und Flamme. Sie wollten spielen und bettelten ihren Vater an, doch stoppen zu lassen und mit ihnen zu spielen. Wir sagten ihnen, dass wir das nicht für ganz ungefährlich hielten; es waren einige andere Kinder mit ihren Eltern in der Gegend, und wir hatten die Masken für die Kinder nicht mit. Was, wenn jemand ein Foto schoss? Mr. Jackson sagte, wir sollten ruhig gehen. Er sagte, er würde im Wagen warten, dann könnten die Kinder spielen, und niemand würde sie erkennen. Also zogen wir mit den Kindern los, und sie liefen rum und spielten im Park. Mr. Jackson blieb auf dem Rücksitz des Wagens und sah ihnen durchs Fenster zu.

Bill: Wenn man selber Vater ist und so was sieht? Wenn man sich überlegt, dass man durch getönte Scheiben zuschauen müsste, wie die Kinder mit irgendwelchen Fremden spielen? Also ich würde da nicht tauschen, was meine Tochter angeht. Ich hätte für alles Geld der Welt nicht mit ihm getauscht.

Javon: Wir waren Michael Jacksons Security-Team. Man erwartete von uns, dass wir beinharte Machos waren, Raufbolde, toughe Kerls. Bloß keine Gefühle zeigen und so, aber das war manchmal gar nicht so leicht. Es war schwierig, den Kummer des Mannes nicht am eigenen Leib zu spüren. Hätte ich ihn nicht gekannt und würde jemanden im Radio sagen hören, Michael Jackson jammere darüber, nicht mit seinen Kindern auf den Spielplatz gehen zu können, es wäre mir wahrscheinlich egal. Ich würde wahrscheinlich denken: Reiß dich zusammen, Mann. Aber das selbst mit ansehen zu müssen war etwas anderes – man wusste, was er meinte.

Es waren immer die ganz kleinen Sachen, die einem am Leben des Mannes auffielen. Eines Tages waren wir in Washington und hatten etwas Zeit zwischen zwei Terminen, also bat er uns, doch ein bisschen in der Stadt rumzufahren. Wir fuhren raus nach Georgetown und standen schließlich an einer roten Ampel direkt vor einer Bar, einer Art irischem Pub. Es war Happy Hour, die Leute kamen gerade von der Arbeit. Mr. Jackson sah die Leute aus und ein gehen und meinte: »Irgendwann mal geh ich auch in so eine Bar, setz mich hin und sage: ›Barkeeper, ein Bier!‹ Eines Tages mach ich das. Ich geh einfach rein und mach’s.«

Er sagte das, wie ein Zwölfjähriger davon spricht, dass er mal Astronaut werden wolle, wenn er groß sei. Als wäre es ein unmöglicher Traum, den er sich einmal erfüllen würde. Nachdem er das gesagt hatte, meinten Bill und ich: »Kein Problem, Sir. Wir heben einen mit Ihnen. Warum auch nicht? Auf Ihrem Geld steht genauso ›Wir vertrauen auf Gott‹ wie auf dem aller anderen. Sie sollten mal ausspannen, gehen wir doch. Wir sind ja dabei.«

Wir sprachen ihm Mut zu. Aber er hatte zu große Angst. Er sagte: »Die Leute da drin werden mich nicht lassen.«

Bill: Er traute Fremden nicht. Wenn er in eine Menge geriet, konnte er schon mal durchdrehen. Eines Nachmittags waren wir in einer Mall in Virginia. Javon war losgegangen, den Wagen holen. Ich wartete mit Mr. Jackson und den Sicherheitsleuten von der Mall am Ausgang. Jemand hatte ihn erkannt, und schon war er von Leuten umringt. Er gab ein paar Autogramme, winkte den Leuten zu. Es ging recht freundlich zu, es war nun wirklich kein Mob. Als Javon schließlich vorfuhr und Mr. Jackson die Tür aufmachte, schrie irgendein Typ in der letzten Reihe: »Du Scheißkinderschänder!«

Ich hörte es; es war nicht zu überhören. Ich sah Javon an; er hatte es auch gehört. Wir konnten nur hoffen, dass Mr. Jackson es nicht mitbekommen hatte. Aber kurz nachdem wir losgefahren waren, beugte er sich vor zu uns und sagte: »Habt ihr da eben jemanden etwas sagen hören?«

»Nein, Sir«, sagte ich. »Ich habe nichts gehört. Hast du was gehört, Javon?«

Javon schüttelte den Kopf. »Nein, Sir.«

Mr. Jackson sagte: »Ich dachte, ich hätte jemanden was wirklich Gemeines sagen hören. Ich hätte schwören können. Ihr zwei schwindelt mich doch nicht etwa an, oder?«

»Nein, Sir.«

Wir wollten ihn nicht belügen, aber wir wussten, was passieren würde, wenn wir es ihm bestätigten. Dass ihn jemand einen Kinderschänder genannt hatte? Das hätte ihn vollends dichtmachen lassen. Er wäre in seinem Zimmer verschwunden, hätte die Tür hinter sich zugemacht und sich wenigstens eine Woche lang nicht mehr sehen lassen. Und das wollten wir auf keinen Fall.

Zehn, fünfzehn Minuten lang fuhren wir so dahin, ohne dass jemand etwas gesagt hätte, dann meinte er plötzlich vom Rücksitz aus: »Niemals würde ich einem Kind etwas tun. Ich würde mir eher die Pulsadern aufschneiden, bevor ich einem Kind etwas antue.«

Was mich angeht, ich habe diese Geschichten über ihn nie geglaubt. Als lebenslanger Fan von ihm und den Jackson 5 konnte ich das einfach nicht. Ich wuchs praktisch mit dieser Familie auf. Seine Geschwister, sein Vater, sie waren meiner Familie sehr ähnlich. Für mich waren sie eine typische schwarze Familie, die es aus dem Ghetto geschafft hatte, und das wollten wir damals alle. Ich denke mal, dass eine Menge schwarzer Familien genauso dachten, was die Jacksons anging. Wir identifizierten uns mit ihnen.

Nach Thriller begann sich das zu ändern. Natürlich mochten wir Michael noch immer, aber sein Leben spielte sich jetzt auf einem Level ab, auf dem man sich einfach nicht mehr mit ihm identifizieren konnte. Und dann bekommt man mit, was er so alles macht. Die merkwürdigsten Sachen. Mit Webster abzuhängen, dem kleinen Typen aus der Fernsehserie? Mit Brooke Shields? Und dass er sich einen Affen zulegte? Man wusste einfach, dass er anders war – aber nicht einen Augenblick habe ich gedacht, dass er so anders war, dass er einem Kind was tun könnte. Ich habe das beim ersten Mal nicht geglaubt; ich habe es beim zweiten Mal nicht geglaubt. Und als es dann wegen der zweiten Anschuldigung zu dem Prozess kam? Da spielte es längst keine Rolle mehr, was man glaubte. Die öffentliche Meinung hatte das Urteil bereits gefällt. Er war für alle ein Sonderling, ein Freak.

Javon: Jeder aufstrebende Komiker, der billiges Material brauchte, erwähnte einfach Michael Jackson und kleine Kinder im selben Atemzug, schon brüllten die vorderen fünf Reihen los. Darauf war Verlass. Die Leute kapierten noch nicht mal, wie empfindlich er bei so was war.

Ich bin in South Central aufgewachsen; ich lachte über diese Witze wie jeder andere auch. Ich bin nicht aus Bills Generation, die eine ganz andere Ehrerbietung für die Jacksons hat. Ich bin aus der Hip-Hop-Generation. Wir mochten Jacksons Musik, aber wir kannten ihn nur als exzentrischen Popstar. Man mochte seine Songs, aber man lachte wie alle anderen über sein Privatleben. Aber jetzt? Wenn ich jetzt Stand-up-Komiker Witze über den Boss reißen hörte, war das einfach nicht mehr komisch. Mir kam der Kaffee hoch dabei. Als hätte man sich über einen Freund oder meine Mutter lustig gemacht.

Bill: Javon fährt schnell mal aus der Haut und würde dann am liebsten zuschlagen. Wir sahen mal einen Clip von Katt Williams, in dem er über Mr. Jackson herzog, und Javon ging auf den Fernseher los. Er sagte: »Wenn mir dieser Katt Williams je über den Weg läuft, kriegt der so was von aufs Maul dafür, sich über den Boss lustig zu machen.« Und an dem Tag in der Mall in Virginia, als der Typ »Kinderschänder« geschrien hat? Noch im selben Augenblick hatte ich Javons Stimme im Ohr: »Ich seh den Typen, der das gesagt hat. Ich seh ihn. Soll ich ihn mir greifen?«

Ich musste ihm sagen: »Nein, Javon.«

Es war ihm ernst. Und es war auch frustrierend. Die Meinung der Leute über ihn konnten wir nicht kontrollieren. Nehmen wir nur Friend und Flower. Hätte man von irgendeinem anderen gehört, dass er sich ein heißes europäisches Model ins Hotel kommen lässt, es hätte niemanden weiter interessiert. Aber bei Michael Jackson hätten die Leute sofort irgendwas Schräges dahinter vermutet. Ich für meinen Teil habe ihn nie so gesehen. Ich sah unter all der Exzentrik einen ganz normalen Typen, der endlich auch ein ganz normaler Typ sein wollte. Hatte man erst mal auf einem persönlichen Level mit ihm zu tun, wurde einem klar, dass all die Gerüchte, die Zweideutigkeiten und so, also dass das einfach nicht möglich war. Als Vater, der ich war, also wenn ich je gedacht hätte, dass er einem Kind was getan hat, ich hätte ihn selbst aufgemischt.

Javon: Mit ihm persönlich zu tun zu haben hat die ganze Perspektive verändert. Das Gleiche galt für seine Beziehung zu seinen eigenen Kindern. Wir werden immer wieder gefragt: »Blanket sieht ihm ähnlicher als Prince und Paris. Glauben Sie, dass die alle von ihm sind?« Und als wir bei ihm anfingen, haben wir uns so was selber gefragt. »Was meinst du? Ob die alle von ihm sind?« Aber wenn man erst mal mit ihnen zusammen war und sah, wie er mit ihnen umging, überlegte man sich so etwas einfach nicht mehr. Es waren seine Kinder. Er war ihr Vater. Sie waren eine Familie, und damit hatte es sich.

Bill: Auf der ganzen Welt benutzen die Leute Leihmütter, Spender-Eizellen, gefrorene Embryos. Die Leute geben sich jede nur erdenkliche Mühe, zu einer Familie zu kommen, und kein Mensch äußert Zweifel an der Legitimität dieser Familien. Keiner weist mit dem Finger auf diese Familien und sagt: »Das sind nicht wirklich seine Kinder.« Aber Michael Jackson spricht man selbst das Recht auf die Vaterschaft ab. Aber nach allem, was ich gesehen habe, waren sie eine bessere und innigere Familie als eine Menge anderer, die ich so gesehen habe. Mehr gibt’s dazu eigentlich nicht zu sagen.

An einem Wochenende nahmen wir die Kinder mit nach Washington rein; und dann beschlossen wir, lieber über Nacht im Four Seasons zu bleiben, anstatt wieder zurück nach Middleburg zu fahren. Mr. Jackson rief mich an und sagte, die Kinder wollten unbedingt in den Pool. Ich setzte mich mit dem Management in Verbindung, das sich bereit erklärte, den Pool für zwei Stunden zu schließen, damit Mr. Jackson ihn für sich haben könnte. Wie üblich überzeugten wir uns erst davon, dass alles sicher war. Es gab drei hoteleigene Überwachungskameras um den Pool. Wir sorgten dafür, dass alle ausgesteckt und abgeklemmt waren. Dann eskortierten wir Mr. Jackson und die Kleinen von ihrem Zimmer aus über die Hintertreppe hinab zum Pool. Die Kinder hatten ihre Badesachen an, Flipflops, Schwimmärmel. Grace war auch mit dabei.

Wir kamen zum Pool. Prince und Paris sprangen rein; sie konnten schon schwimmen. Blanket wartete darauf, dass Grace ihm die Schwimmärmel aufblies, damit er auch reinkonnte. Während die Kinder schwammen, schlenderte Mr. Jackson um den Pool. In irgendeine Melodie in seinem Kopf versunken, sang er vor sich hin. Irgendwas an ihm kam mir merkwürdig vor. Er schien mir munterer als sonst, fast vergnügt. Erst sang er leise, summte nur so ein bisschen vor sich hin. Dann gab er mit dem Fuß den Rhythmus vor und wurde lauter. Ich sah Javon an. Javon sah mich an. Wir gingen davon aus, dass er sich sicher fühlte, also konnte er loslegen. Ich ging, um mich in der Umkleide und im Fitnessraum umzusehen, nur um sicherzugehen, dass sie auch wirklich leer waren und nicht zufällig jemand reinkam.

Javon: Alles war in bester Ordnung, bis Mr. Jackson mit einem Mal den Kopf hob und eine der Überwachungskameras sah. Er rastete total aus. Er begann zu schreien. »Ich habe euch das doch gesagt! Verflucht noch mal, ich habe euch das gesagt!« Es war, als wäre ihm eine Sicherung durchgeknallt. Er lief rüber zur Kamera, sprang hoch, bekam sie zu fassen, begann daran zu zerren, als wollte er sie runterreißen.

Bill: Ich hörte Grace schreien: Bill! Bill! Als ich um die Ecke gelaufen kam, war Mr. Jackson buchstäblich die Wand hochgegangen und hing an der Kamera. Er zog und zerrte daran. Ich lief hinüber und rief: »Mr. Jackson! Die ist ausgesteckt! Sie ist nicht an! Sie funktioniert nicht!«

»Das ist mir egal! Das ist mir egal!«

Er riss die Verankerung aus der Wand, sodass die Kamera nur noch an ein paar Kabeln hing. Dann sprang er noch mal hoch, bekam sie zu fassen und riss das Teil einfach aus der Wand. Einfach so, mit bloßen Händen; dann warf er sie auf den Boden, sodass sie zersprang. Er trampelte darauf herum: »Ich hasse dich! Ich hasse dich!«, schrie er dabei.

Ich hatte ihn erreicht. Er sah zu mir hoch. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er hatte Blut an den Händen, tiefe Schnitte an den Fingern von den Kabeln. Er begann auf mich einzuschreien: »Ihr müsst auf so was aufpassen! Ihr müsst euch darum kümmern! Ich möchte nicht, dass jemand Fotos von meinen Kindern macht!«

Ich versuchte ihm zu erklären, dass die Kamera nicht an gewesen war. Spielte keine Rolle. Ich war völlig entgeistert, so wie er sich aufführte. Mein erster Gedanke war, dass er irgendwas genommen hatte. Ich hatte ihn einfach noch nie so gesehen. So war er mir neu; und es machte mir Angst.

Javon: Alle wurden still. Keiner sagte was. Wir waren sprachlos. Wir hatten keine Ahnung, was wir tun, wie wir damit umgehen sollten. Er beruhigte sich schließlich wieder und entschloss sich, am Pool zu bleiben. Bill lief los und brachte den Erste-Hilfe-Kasten herunter, um Mullbinden, Desinfektionsmittel und Pflaster für seine Hand zu holen. Das Hotel berechnete ihm achttausend Dollar für die Kamera.

Es war deprimierend für uns, wenn so was passierte. Wie einen überhaupt so einiges runterzog. Unsere Aufgabe bestand darin, ihn zu beschützten, nur konnten wir ihn nicht vor etwas schützen, das schon passiert war, nicht vor dem Schaden, der bereits angerichtet war.

Bill: Eines Abends, wir waren noch in Virginia, da rief er mich an. Er hatte mich vorher schon gebeten, ihm eine Flasche Wein zu bringen. Ich hatte sie ihm dann raufgebracht, und das war so ziemlich das Letzte gewesen, was ich für ihn machte, bevor ich ins Bett ging. So gegen drei Uhr morgens klingelte das Telefon. Ich sah Mr. Jacksons Zimmernummer auf dem Display und ging ran, weil ich dachte, dass es sich um einen Notfall handelt. Er sagte: »Bill, schlafen Sie? Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt.«

»Kein Problem, Sir. Alles in Ordnung?«

Er sagte, dass er bloß mit jemandem reden wolle. Also unterhielten wir uns. Über seine Kinder, über Raymone. Er sagte: »Manchmal habe ich es einfach so satt.«

»Was meinen Sie, Sir?«

»Einfach alles«, sagte er. Er hörte sich an, als versuche er nicht zu heulen, grade so, als verbeiße er sich die Tränen. »Warum kann man mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich bin doch keine Zirkusnummer. Ich bin kein Tier im Zoo. Ich will nur einfach in Ruhe gelassen werden. Warum können die Leute das nicht verstehen?«

Es war nicht direkt das, was man unter einer Unterhaltung versteht. Er redete. Ich hörte zu. Und auf vieles von dem, was er da sagte, hätte ich auch nicht wirklich eine Antwort gehabt. Ich hatte mit dem, womit er so zu tun hatte, größtenteils nie zu tun gehabt. Ich hatte also nicht die Absicht, jetzt am Telefon so zu tun, als könnte ich das irgendwie nachvollziehen. Außerdem wusste ich, dass er nicht wirklich anrief, um meine Meinung zu hören. Er rief einfach an, um Dampf abzulassen.

»Ich möchte nur, dass meine Kinder ein besseres Leben haben als ich«, sagte er. »Ich möchte nicht, dass sie durchmachen müssen, was ich durchmachen musste. Wie würde es einem von euch gefallen, wenn seine Kinder ihn um was bitten, und er muss einen Fremden losschicken, um es ihnen zu holen? Ich weiß es wirklich zu schätzen, was ihr für meine Kinder tut, aber ich bin ihr Vater. Ich sollte das selber machen, nur dass ich mich nicht einfach ins Auto setzen und losfahren kann. Es gibt so vieles, was ich nicht für sie tun kann, weil die Leute da draußen mich einfach nicht lassen. Sie haben keine Ahnung, wie es einem da geht. Wirklich nicht. Ich will doch einfach nur mein Leben mit meinen Kindern leben.«

Ich sagte: »Das verstehe ich, Sir. Sie hätten’s verdient.«

Ich erinnere mich noch genau, wie ich in meinem Zimmer stand, in den Spiegel sah und irgendwie nicht so recht glauben konnte, was da passierte – dass ich zuhörte, wie Michael Jackson sich am Telefon mir gegenüber seine Probleme von der Seele redete. Ich hatte alle Mühe, meine Gefühle im Zaum zu halten. Es war gut, dass wir telefonierten, sonst hätte er den Mann, der für seine Sicherheit verantwortlich war, in einem schwachen Augenblick erlebt.

Ich spürte einfach die ganze Last von all dem, was er durchmachte. Zu dem Zeitpunkt war sein Schutz mein einziger Lebensinhalt geworden. Ich war nicht in Virginia, weil ich gern in Virginia war. Ich war dort, weil er dort war. Hätte er am nächsten Morgen nach Maryland abreisen wollen, wären wir nach Maryland gefahren. Ich ging hin, wo er hinging. Seine Realität war zu meiner Realität geworden. Und ich kann nicht sagen, dass mir sein Leben angenehm war. Es war alles andere als spaßig. Wir hatten ein paar spaßige Augenblicke, aber keinen Spaß. Es war keine Freude dabei. Es war eine Folge von Turbulenzen; es war ein einziges großes Tauziehen. Die ständige Unruhe. Nie zu wissen, wem man trauen konnte.

Der Umstand, dass er um drei Uhr nachts seinen Bodyguard anrief, sprach Bände. Wenn er mich anrief, dann hatte er wirklich niemand anderen. Javon und ich spürten sie auch, diese Isolation. Aber wir beide konnten wenigstens miteinander reden; wir konnten unsere Frustration teilen. Aber wir konnten nicht mit unseren Familien reden, nicht mit unseren Freunden. Wir mussten uns ständig Ausreden einfallen lassen, warum wir nicht bezahlt wurden. Alles musste unter Verschluss bleiben, streng geheim. Man trägt so was mit sich rum, und es frisst einen auf. Wenn er mir also sagte, wie satt er das alles habe, dann wusste ich, wovon er sprach. Ich lebte dieses Leben erst seit sieben, acht Monaten, und es rieb mich bereits auf. Er tat das, seit er zehn Jahre alt war.

Wir unterhielten uns noch eine Weile länger. Er entschuldigte sich mehrmals dafür, mich angerufen zu haben. Er sagte: »Ich wollte Sie damit nicht behelligen, Bill. Tut mir leid. Tut mir wirklich leid.«

»Schon in Ordnung, Sir.«

»Ich danke Ihnen. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht.«