Im Mai 1970 landeten die Jackson 5 in Philadelphia, um ihre erste landesweite Tour als offizieller Motown-Act anzugehen. Erst zwei Jahre davor hatte sie das legendäre Detroiter Label unter Vertrag genommen, und ihre Debütsingle »I Want You Back« war im Herbst zuvor in den Billboard-Charts sofort nach dem Erscheinen auf Platz 1 gelandet. Diese Leistung schafften sie auch mit ihren drei nächsten Singles, was die Jackson 5 zum ersten Act der Geschichte machte, der mit seinen ersten vier Singles die Spitze der Charts erreichte. Durch Plattenverkäufe und Radio hatte die Gruppe eine solche Beliebtheit erreicht, dass über dreitausend Fans den Terminal stürmten, als ihre Maschine auf dem Philadelphia International Airport aufsetzte. Während ihres Auftritts am Abend darauf brauchte es einen Kordon von hundert Polizisten, um ein Publikum von sechzehntausend davon abzuhalten, die Bühne zu stürmen.
Michael Jackson war gerade mal elf Jahre alt, aber das Drehbuch für sein Leben war bereits geschrieben. Die nächsten vier Jahrzehnte verfolgten ungeheure Menschenmassen jeden seiner Schritte in der Öffentlichkeit, belagerten seine Hotelzimmer, campierten, wo immer er wohnte, vor den Toren. Und als am 30. November 1982 Thriller herauskam, sah er selbst die Verehrung, die ihm als Mitglied der Jackson 5 zuteilgeworden war, in den Schatten gestellt von einem Ruhm, wie er in der Geschichte des Entertainments nicht seinesgleichen hat. Thriller hielt sich geschlagene achtzig Wochen in den Billboard-Top 10; siebenunddreißig Wochen davon war das Album die Nummer 1. Sieben der neun Songs auf dem Album schafften es als Singles in die Top 10. Das Album bekam acht der zwölf Grammys, für die es – ein Rekord bis dahin – nominiert war. Allein im ersten Jahr verkaufte Thriller sich über 22 Millionen Mal. Wie ein Jackson-Beobachter damals schrieb, wuchs Thriller über seinen Status als bloße Sammlung von Songs hinaus und wurde zu einer Art Haushaltsware – es war einfach etwas, das man hatte.
Die Popmusik hatte natürlich schon vor Michael Jackson ihre Superstars gehabt. Frank Sinatra, Elvis und die Beatles hatten die Musikszene in ihrer jeweiligen Zeit dominiert. Michael Jackson jedoch erschien in einem besonders günstigen – und im Nachhinein flüchtigen – Augenblick in der Evolution von Musik und Technik zugleich. Das terrestrische wie das Satellitenfernsehen festigten eben ihren Einfluss auf die internationale Medienlandschaft, und noch hatte die blitzartige digitale Verbreitung von Daten des Internetzeitalters diese Landschaft nicht in eine Million winziger Nischen zersprengt. Es war eine Zeitspanne, in der die Welt wie nie zuvor bereit war für ein globales kommerzielles Phänomen, und dieses Phänomen war Michael Jackson, der frisch gekrönte König des Pop.
Als im August 1987 Bad, der Nachfolger von Thriller, auf den Markt kam, schoss das Album nicht nur in Amerika, sondern gleich in fünfundzwanzig Ländern auf Platz 1, womit Jackson ein weiteres Mal alle Rekorde brach. Fünf Songs von Bad brachten es als Singles auf Platz 1; das Album selbst verkaufte sich allein im ersten Jahr siebzehn Millionen Mal, zu zwei Dritteln im Ausland. Bad war denn auch das Sprungbrett für Jacksons erste Solotour. Er gab 123 Konzerte in fünfzehn Ländern auf vier Kontinenten, spielte dabei vor einem Publikum von 4,5 Millionen Menschen hundertfünfundzwanzig Millionen Dollar ein, was Bad zu der bis dahin meistbesuchten und finanziell erfolgreichsten Tour aller Zeiten machte. In jeder Stadt, in der Jackson auftrat, hielt er mit einem Konvoi aus gepanzerten Fahrzeugen Einzug – etwas, das es vor ihm nur bei Staatsoberhäuptern gab.
Zur Jahrtausendwende hatte sich der Rummel um Jackson etwas gelegt. Als 2001 sein letztes Studioalbum Invincible herauskam, war es kommerziell für viele eine Enttäuschung im Vergleich zu seinem früheren Werk. Trotzdem verkaufte es sich elf Millionen Mal, eine Zahl, von der die meisten Künstler nur träumen können. Und mochten die Gelegenheitshörer auch mittlerweile etwas anderes hören, Jackson hatte noch immer ein leidenschaftliches Stammpublikum. Das galt vor allem für seine Hörer außerhalb der Vereinigten Staaten, wo man den Anwürfen gegen ihn in den populären Medien weniger Glauben schenkte als im eigenen Land.
Es war sogar so, dass sein Stammpublikum umso fester zu ihm hielt, je mehr Jackson sich in der Regenbogenpresse angegriffen sah; die Treue seiner Fans während all der Unbilden wurde ihm schließlich zum Ehrenzeichen. Millionen von Hörern in Dutzenden von Ländern bildeten ein komplexes Netz von Clubs und Gruppen, die Newsletters herausgaben und Memorabilien tauschten. Die treuesten seiner Fans folgten ihm, wo immer er hinging, sogar von Land zu Land. Und 2005, während des Monate währenden Verfahrens gegen ihn, fanden sich Hunderte von ihnen als Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude ein, um sein Kommen und Gehen zu bejubeln und für seinen Freispruch zu beten.
Was das Phänomen von Jacksons Stammpublikum so einzigartig machte, war nicht nur seine Hingabe an den Sänger, sondern dass er sich umgekehrt auch ihrer annahm. Sosehr Jackson das Gefängnis, das ihm sein Ruhm geworden war, schließlich verabscheuen sollte, an der Liebe für die Menschen, die ihn berühmt gemacht hatten, hielt er zeitlebens fest. Die Fans, so glaubte Jackson, nicht Labelchefs und Konzertveranstalter, waren es, die für seinen Erfolg verantwortlich waren. Er war davon überzeugt, in der Schuld all dieser Menschen zu stehen. Diese unentwegte Loyalität war etwas, das der Sänger im Privatleben selten erfahren hatte. Und da seine Fans nie ihr Vertrauen in ihn verloren, vergaß Michael Jackson auch nie seine Fans.
Bill: Die ersten beiden Wochen über war alles ruhig. Dann sahen wir die ersten Autos. Sie fuhren am Haus vorbei. Einige blieben stehen, die Leute drin sahen sich um, dann fuhren sie weiter. Schließlich kam ein roter Wagen, der auf der anderen Straßenseite parkte und einfach dort blieb. Ich behielt ihn via Überwachungskameras im Auge. Er kam mehrmals die Woche, manchmal auch jeden Tag.
Schließlich sah ich auch, wer den Wagen fuhr. Es war eine Frau, klein, zierlich, helles brünettes Haar. Sie stieg immer wieder mal aus und ging dann einfach auf und ab. Ich hatte von der Sorte von Fans gehört, die Michael Jackson anzog. Sie liebten ihn. Vom Standpunkt des Personenschützers aus sah ich sie zunächst als Bedrohung. Wenn man einen Wagen vor dem Tor geparkt sieht, weiß man schließlich nicht, ob es nur ein Fan ist oder was Schlimmeres, ein Stalker, jemand, der total durchgeknallt ist. Ich hatte die Person noch nie gesehen, also ging ich eines Tages raus zu dem Wagen und sprach sie an. Sie war aus Kalifornien. Sie sagte, dass sie unweit von Neverland wohne. Sie behauptete, Michael zu kennen und mit ihm befreundet zu sein. Ich sagte: »Und da sitzen Sie einfach hier draußen rum?«
Sie sagte: »Das ist schon okay. Er weiß Bescheid.«
Immer wenn wir das Anwesen verließen, stieg die junge Frau aus und stand dann da in der Hoffnung, dass er sie sah. Normalerweise war es freilich nur ich – oder Javon –, und wir blieben nicht stehen. Das erste Mal, dass wir das Haus mit Mr. Jackson im Fond verließen, stieg sie wieder aus und stellte sich neben den Wagen. Ich sagte: »Das Mädchen ist wieder da.«
Mr. Jackson blickte auf und fragte: »Wer?«
Ich sagte: »Da, das Mädchen da drüben.«
Er sagte: »Ach, die. Die kenne ich. Halten Sie doch mal an.«
Wir hielten an, er ließ das Fenster runter, und die beiden unterhielten sich wie zwei alte Freunde. »Wie geht’s den Kindern?« »Wie gefällt’s dir in Vegas?« »Hast du vor, lange zu bleiben?« Als ich die beiden so hörte, hatte ich nicht den Eindruck, dass sie eine Stalkerin war. Sie war einfach ein echter und treuer Fan. Die Unterhaltung hörte sich harmlos an, freundlich; sie schienen einander zu trauen. Irgendwie flirteten sie miteinander, um ehrlich zu sein. Sie unterhielten sich eben. Das ging so lange, bis ich ihn erinnern musste: »Sir, wir müssen los.«
Er sagte ihr, wann er wieder nach Hause komme und dass er sie wiederzusehen hoffe. Es war so, als hätte er einer alten Freundin gesagt: »Also, bis dann.« Als wir losfuhren, meinte er: »Ja, die fährt mir überallhin nach.«
Gegen Ende Januar gab Jackson Associated Press ein Interview, in dem er bestätigte, wieder im Land zu sein. Danach begannen die Fans erst richtig aufzutauchen. Den ganzen Tag über parkten welche vor dem Anwesen. Für gewöhnlich waren es vier oder fünf Autos. Manchmal aber auch mehr. Die Leute kamen jeden Morgen, parkten vor dem Haus, setzten sich in ihre Gartenstühle, und abends zogen sie wieder ab. Immer wenn unsere Fahrzeuge das Anwesen verließen, ließ Mr. Jackson das Fenster herunter und sagte: »Hi. Wir sind in zwanzig Minuten wieder da.« Wir fuhren los, und sie saßen einfach da und warteten. Wenn wir wieder nach Hause kamen, winkte er ihnen zu, ging wieder ins Haus, und dann saßen sie wieder da und warteten weiter. Es war seine Ausstrahlung, seine Aura. Sie wollten einfach nur in seiner Nähe sein.
Javon: Den Nachbarn stieß das auf. Die Fans benahmen sich zwar in der Regel, aber es war nun mal eine exklusive Wohngegend. Der CEO von Sprint wohnte nebenan, Gary Payton, der NBA-Basketballer, zwei Häuser weiter. Da hatten die Leute Millionen für diese Häuser hingelegt, und dann hingen da all die Fremden auf der Straße rum. In den Augen der Nachbarn waren die Fans ein Ärgernis. Ständig rief jemand die Polizei. Die kreuzte dann auf und setzte den Fans so lange zu, bis sie wieder abzogen. Am nächsten Tag waren sie wieder da.
Bill: Einmal hatten wir gleich drei Streifenwagen auf einmal vor der Tür. Mr. Jackson sah sie vom Fenster aus. Er kam heraus zum Security-Trailer und sagte zu mir: »Ich möchte nicht, dass man meine Fans schikaniert. Ich möchte, dass Sie der Polizei sagen, man solle sie in Ruhe lassen, solange sie auf meiner Seite der Straße bleiben.«
Ich ging raus und sagte das den Beamten. Der Cop fragte mich, ob ich dort wohne. Ich sagte: »Nein, aber ich besorge den Personenschutz für den Besitzer des Hauses.«
Er sagte: »Und wer ist das?«
Ich ging nicht darauf ein. Ich zuckte einfach die Achseln. Dann sagte einer von den Fans: »Michael Jackson wohnt hier.«
Ich bestätigte es weder, noch stritt ich es ab. Ich sagte einfach: »Der Besitzer des Hauses hat kein Problem mit den Leuten hier draußen.«
Die Fans klatschten und sagten: »Seht ihr? Seht ihr?«
Der Beamte ermahnte sie, keinen Lärm zu machen, sonst würde er wiederkommen und alle festnehmen. Ich hatte so das Gefühl, dass es damit nicht getan wäre, und so war es denn auch. Die Nachbarn beschwerten sich weiter, und die Polizei kam immer wieder vorbei. Schließlich sagte Mr. Jackson, er würde mit seinem Anwalt reden. Ich habe keine Ahnung, mit wem die beiden dann sprachen oder welche Fäden da gezogen wurden, jedenfalls ließ die Polizei sich nicht mehr sehen, und die Fans blieben da.
Javon: Sie waren die Wintermonate über da. Sie waren die Sommermonate über da. Bei der größten Hitze saßen sie auf der Straße und warteten. An wirklich heißen Tagen schickte Mr. Jackson uns mit Limonade und Tellern mit Snacks hinaus. Da brauchte nur einer lange genug zu bleiben, schon mussten wir ihm einen Klappstuhl bringen. Sogar die Gartengarnitur aus dem Poolhouse schleppten wir raus.
Und dann gab’s da das Mädchen, das Mr. Jackson unbedingt sehen wollte. Sie bestand darauf. Sie war immer draußen, Tag für Tag. Sie hatte auf der Straße ihren Claim abgesteckt, gleich neben der Zufahrt, und sie versuchte Mr. Jackson jedes Mal was durchs Wagenfenster zuzustecken. Einmal lief sie auf den Wagen zu und drückte Mr. Jackson einen Stapel Nacktfotos von sich in die Hand. Irgendwie fand er immer Zeit, anzuhalten und mit ihr zu plaudern, wenn wir vom Anwesen fuhren.
Bill: Jedes Mal, wenn wir rausfuhren, kamen die Fans auf den Wagen zugelaufen, um ihn zu sehen. Wenn wir die Kinder mithatten, ließen wir die Fenster zu und fuhren an ihnen vorbei; Mr. Jackson wollte nicht, dass man den Kindern zu nahe kam. Aber wenn die nicht dabei waren, bestand er darauf, dass wir anhielten und so viele Autogramme gaben, wie es nur ging. Die Leute waren größtenteils respektvoll, höflich, hier und da lief das aber auch mal aus dem Ruder, dann musste ich aus dem Wagen springen und die Leute zurückdrängen. Immer, wenn ich so richtig zur Sache ging, redete Mr. Jackson mir ins Gewissen. »Bill, seien Sie nett zu den Fans«, sagte er dann. »Die tun mir nichts. Die sind harmlos.«
Unsere Befürchtungen rührten nicht zuletzt daher, dass wir seine Beziehung zu seinen Fans nicht verstanden. Wie wir zu unserer Überraschung feststellten, hatte er immer noch Kontakt zu einigen, denen er sogar schrieb. Sie riefen sein Management an und ließen ihm Nachrichten zukommen. Wenn er mit ihnen sprach, dann ging das ständig »Ich liebe dich« und »Ich liebe dich noch mehr«. Und ständig brachten sie ihm Geschenke, ganz persönlichen Kram. Da ging’s dann: »Ich hab das extra für dich gemacht«, »Ich hab ein Stofftier für dich« oder »Ich hab dir einen Peter-Pan-Anhänger mitgebracht«.
Seine Beziehung zu seinen Fans – ich hatte so was bei keinem anderen Prominenten gesehen. Nicht ein einziges Mal. Egal, wie berühmt der war. Bei anderen Prominenten hingen Groupies rum, aber das hier waren keine Groupies. Mr. Jackson kannte viele von ihnen persönlich. Er wusste noch, bei welchem Konzert er sie kennengelernt hatte und wie viele Jahre sie sich schon kannten. Er zeigte uns Fans, die er bei Konzerten im Ausland gesehen hatte. Ich meine, wir waren in Las Vegas, und er meinte plötzlich: »Die dort drüben, an die erinnere ich mich aus Deutschland.«
Die Beziehung zwischen ihm und seinen Fans war wirklich interessant. Er hatte sie tatsächlich genauso gern wie sie ihn. Von seinem Schlafzimmerfester im Obergeschoss aus hatte er direkten Blick auf die Straße, wo sie campierten. Manchmal, wenn wir raufschauten, sahen wir ihn hinter dem Vorhang hervor hinunterblicken, er stand einfach nur da und beobachtete sie. Sie saßen da und warteten; er saß da und sah ihnen dabei zu.
Javon: Das einzige wirkliche Problem mit den Fans war, dass sie die Paparazzi anzogen. Meistens waren nur drei, vier Fans draußen – die, die eben immer da waren. Aber wenn es dann zehn, elf, ein Dutzend wurden? Dann hatten wir ein Paparazzi-Problem. Weil’s für die dann mehr zu knipsen gab.
Ihn selber bekamen die Fotografen allerdings kaum zu sehen. Wir ließen ihn immer in der Garage einsteigen. Außerdem setzten wir zur Ablenkung leere Fahrzeuge ein. Ich fuhr in Mr. Jacksons Primärwagen in die eine Richtung los, und Bill fuhr mit Mr. Jackson im anderen in eine andere, während sie hinter mir her waren.
Für die wirklich harten Fälle gab’s ein Stück die Straße rauf einen Baum, auf den sie kletterten, um von da aus zu fotografieren. Einmal habe ich einen Typen da oben erwischt und ihm gesagt, er solle herunterkommen. Nachdem er unten war, verlangte ich seine Kamera zu sehen. Aber er wollte sie nicht hergeben. Sei schließlich völlig legal, was er da mache, meinte er. Dass er nicht auf Privatgrund sei. Im Prinzip hieß das: »Ich kriege meine Fotos so oder so, also finde dich damit ab.« Ich konnte da im Grunde nichts machen, also ließ ich ihn einfach gehen.
Ein Foto von Mr. Jackson und seinen Kindern wäre wahrscheinlich Zehntausende, wenn nicht gar Hundertausende wert gewesen. Eines Abends brachten wir Mr. Jackson und die Kinder zum Abendessen ins Wynn. Ich hatte draußen vor dem Hotelrestaurant Posten bezogen, als ein Typ auf mich zukommt. Er beugt sich vor und flüstert mir zu: »Würden Sie gern schnell mal fünfzigtausend verdienen?«
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte ich.
»Ich weiß, für wen Sie arbeiten. Sie sagen mir, wo genau Michael Jackson und die Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt nächste Woche sind, und das Geld gehört Ihnen. Rufen Sie mich morgen an, wenn Sie mehr wissen wollen.«
Er drückte mir eine Visitenkarte in die Hand und ging wieder. Ich sagte Mr. Jackson nichts davon, gab die Karte aber Bill, damit er den Typen unter die Lupe nahm. Wie sich herausstellte, war er einer von den Paparazzi. Wir dachten uns, wenn wir einfach gar nichts machten, das Problem einfach ignorierten, dann würde es von selber vergehen. So hielten wir es denn auch. Etwa eine Woche später, wir waren im Wagen unterwegs, klassische Musik aufgedreht bis zum Anschlag, sagte Mr. Jackson mit einem Mal: »Javon, können Sie das Radio mal für einen Augenblick leiser machen? Ich muss Sie was fragen.«
Ich stellte die Musik leiser. »Ja, Mr. Jackson?«
»Hat Ihnen letzte Woche mal jemand ein ungewöhnliches Angebot gemacht?«
Ich erstarrte. Ach, du Scheiße. In dem Augenblick wusste ich, was passiert war: Er hatte mir den Fotografen geschickt, um mich auf die Probe zu stellen.
»Ja, Sir«, sagte ich. Ich drehte mich um und sah ihm fest in die Augen. Dann erklärte ich ihm, was da gelaufen war.
Er sagte: »Ich bin stolz auf Sie, Javon.« Ich hatte den Eindruck, dass er wirklich froh war, dass ich den Test bestanden hatte, dass er jemanden gefunden hatte, dem er vertrauen konnte. »Wenn Sie auch nur die Nummer angerufen hätten, ich hätte Sie gefeuert. Aber Sie haben das ganz richtig gemacht. Trotzdem, Sie hätten mir bei so was Bescheid sagen sollen.«
»Ja, Sir, ich weiß, und es tut mir leid, aber ich wollte Sie nicht beunruhigen.«
Bill sprang ein und sagte: »Ist meine Schuld, Sir. Javon hat mir Bescheid gesagt, und als ich rausfand, dass es nur um ein Foto ging und keine wirkliche Gefahr bestand, habe ich die Entscheidung getroffen, Sie damit nicht zu belasten.«
Mr. Jackson sagte: »Danke, aber künftig müssen Sie mir immer alles sagen.«
»Ja, Sir.«
Vor dem Zwischenfall, denk ich mal, hatte er nicht so recht gewusst, was er mit mir anfangen sollte. Es war immer alles über Feldman an Bill gegangen und dann erst an mich, ich hatte mit ihm direkt kaum zu tun gehabt. Nachdem ich die Probe bestanden hatte, hatte er dann eher das Gefühl, mir trauen zu können.
Bill: Dass er Javon so auf die Probe stellte, zeigte, wie wenig er den Leuten allgemein über den Weg getraut hat. Vor meiner Arbeit für Mr. Jackson hatte ich in erster Linie mit Bedrohungen von außen zu tun gehabt – Stalker, Paparazzi. Mit so was kannte ich mich aus. Mr. Jacksons Paranoia richtete sich eher gegen die Leute aus seinem Umfeld, sie waren es, vor denen er sich schützen zu müssen glaubte. Er brauchte uns, damit seine eigenen Anwälte und sein Management nicht jeden seiner Schritte mitbekamen. Er brauchte uns als Puffer zwischen sich und seiner eigenen Familie.
Uns war bekannt, dass er und seine Familie sich nichts zu sagen hatten. Dazu brauchte man ja nur in die Zeitung zu schauen. Aber darüber hinaus bekamen wir Anweisungen von seinem Management und seinen Anwälten, die uns davon ausgehen ließen, dass die Probleme in seiner Familie noch viel schlimmer waren als in der kaputten Normalfamilie. Schon ziemlich früh machte man uns klar, dass wir ihm auf keinen Fall Bescheid geben sollten, falls jemand aus Mr. Jacksons Familie ihn zu erreichen oder zum Haus zu kommen versuchte. Raymone sagte: »Wenn seine Familie aufkreuzt, rufen Sie mich auf der Stelle an. Rufen Sie in der Firma an.« Wir bekamen solche Anweisungen sowohl von Feldman als auch von Raymone.
Mit Ausnahme seiner Mutter durfte niemand aus der Familie durchs Tor, der sich nicht vorher angemeldet hatte. Wenn sie aufkreuzte, machten wir ihr auf, und sie ging direkt ins Haus. Sie durfte auch unangemeldet kommen. Jeder andere brauchte einen Termin, was gar nicht so einfach zu handeln war.