Geschichten aus der Praxis

Herbert, Schreinermeister, 59 Jahre

»Ich habe 40 Jahre lang körperlich schwer gearbeitet. Ich war stolz drauf, was ich in der Werkstatt alles leiste und schaffe. Plötzlich ging nichts mehr.

Seit ich 17 Jahre alt bin, arbeite ich mit Holz. Ich bin Schreiner und Forstwirtmeister für Spezialfällungen, etwa nach Sturmschäden. Außerdem baue ich Möbelstücke nach Maß. Den Großteil der Arbeit leiste ich an Maschinen. Dabei muss ich schwere Bohlen auflegen und sägen oder schleifen, dann mit Stemmeisen das Holz bearbeiten. Lange Bohlen sind etwa 30 bis 60 Kilogramm schwer. Ich arbeite allein und hebe das alles allein.

Bei den Arbeiten habe ich jahrzehntelang meine rechte Seite mehr belastet als die linke. Mein rechter Arm ist stark, links habe ich kaum Muskeln. Wie einseitig das ist, spüre ich natürlich schon lange. Ich fühlte mich oft irgendwie verzogen. Es hat jedoch nie gestört. Aber eines Tages, vor etwa zwei Jahren, spürte ich beim Autofahren ein unangenehmes Ziehen im Bein. Und dann wurde alles ganz schnell immer schlimmer. Aus dem Ziehen wurden intensive Schmerzen, und die kamen bald immer häufiger und heftiger und breiteten sich im ganzen Körper aus. Schon ein paar Wochen später konnte ich nicht mehr lange stehen, nicht mehr unbeschwert gehen, und rennen sowieso nicht. Aus Angst vor den Schmerzen mochte ich mir nicht einmal meine Socken im Stehen anziehen. Ich musste mich im Alltag alle paar Schritte für einen Moment setzen, ich habe mich regelrecht durch die Werkstatt geschleppt. Ich habe dann mittags in der Werkstatt eine Decke auf dem harten Boden ausgebreitet und mich eine Stunde draufgelegt, um meinen Nerv zu beruhigen. Danach ging es für eine Stunde etwas besser. Aber eigentlich war ich fast arbeitsunfähig, musste viele gute Aufträge ablehnen und konnte nur noch stundenweise ganz vorsichtig arbeiten. Eine Katastrophe. Ich liebe meinen Job.

Ich habe alles probiert, was mir in den Sinn kam und was meine Ärzte empfahlen. Ich ging zum Orthopäden, dann regelmäßig zur Physiotherapie. Mehr als 20 Mal. Als das nichts half, besuchte ich einen Osteopathen. Das half, aber immer nur für ganz kurze Zeit. Die Schmerzen kamen wieder und in voller Intensität. Die Ärzte haben mir dann gesagt, sie müssten operieren. Seltsamerweise habe ich nicht einmal erfahren, wo genau und was da gemacht werden sollte. Meine Schmerzen kamen aus dem Rücken, strahlten in Arme und Beine aus, sie waren irgendwie überall. Doch unters Messer wollte ich auf keinen Fall. Ich hatte oft gehört, der Erfolg sei nach einer OP nur temporär, das Problem komme früher oder später wieder.

Ich ging zu einem Arzt, der eine Behandlung praktiziert, die er selbst entwickelt hat, und erklärte ihm meine Situation. Er verstand zwar, dass ich keine OP wollte, sagte aber auch, dass er keine Heilungsgarantie geben könne. Ich begann die faszienorthopädische Therapie bei ihm. Er drückt und schiebt mit dem Ellenbogen oder der flachen Hand, legt sich richtig rein, man muss sich selbst ein wenig mitbewegen. Er streicht über Arm oder Bein, auch Rücken, Bauch, um die Faszie sozusagen in die richtige Bahn zurückzubringen. Dieses Drücken habe ich bis auf die Knochen gespürt. Während und nach jeder Behandlung hatte ich häufig Schmerzen, und danach schien mein Leiden noch schlimmer zu sein als vorher. Nach dem vierten Behandlungstermin wollte ich aufgeben.

Zum Glück habe ich der Behandlung dann doch noch eine Chance gegeben, denn bald änderte sich etwas. Ab dem fünften Termin ging es mir ein paar Tage nach den Behandlungen immer ein Stückchen besser. Ich habe es zuerst gar nicht bewusst bemerkt, aber ich konnte mich viel besser bewegen. Einmal dachte ich: »Ach Mensch, es ist schon Nachmittag, sonst hast du dich um diese Zeit immer länger hingesetzt, aber jetzt geht’s ja auch so ganz gut weiter.« Von da an ging es aufwärts. Mein Körper machte wieder mit.

Seitdem wäre ich am liebsten jeden Tag in die Praxis gegangen. Aber das hätte wohl wenig Sinn, mein Körper passt sich nur langsam an, deswegen hatte ich nur einmal im Monat eine Behandlung. Mehrere Tage nach den Terminen lag ich abends im Bett, horchte in mich hinein und hatte das Gefühl, dass der Körper weiterarbeitet. Als wenn der Therapeut nur einen wichtigen Anstoß gibt und der Körper sich dann selbst repariert.

Ich bin dann wieder mit dem Fahrrad in die Werkstatt gefahren, und bald habe ich auf dem Heimweg auch mal eine Extrarunde gedreht. Nach sieben Behandlungsterminen war die alte Leichtigkeit wieder da. Mein Körper fühlte sich an wie aufgeräumt. Als wenn alles wieder da ist, wo es hingehört. Seitdem arbeite ich wieder voll. Ich gehe auch wieder wandern, das ist eine alte Leidenschaft von mir. Zeitweise hatte ich sie aufgeben müssen, ich hatte Angst, dass ich mitten im Wald nicht weiterkann und meine Frau mich mit dem Auto rausholen muss. Das ist in der schlimmsten Phase einmal passiert. Heute lache ich darüber. Ich fühle mich wieder sicher, übernehme auch schon wieder leichte Arbeiten in der Forstwirtschaft, und ich habe mir einen Traum verwirklicht: meine eigene Werkstatt. Jahrzehntelang hatte ich mich nur bei anderen eingemietet. Nun habe ich mein eigenes Atelier nach meinen Vorstellungen, mit Tischlerei und Sägewerk. Da kann ich im Sommer draußen vor der Tür arbeiten. Mit meiner neuen Bewegungsfreiheit kam neuer Schwung, und da habe ich mir das alles aufgebaut.«