10
Die Emotionen in meinem Inneren überschlugen sich, mein Magen brannte. Kein klarer Gedanke kam mir in den Sinn. Als würde eine eisige Hand über meine Schulterblätter wandern und langsam den ganzen Körper mit Kälte erfüllen. Das Gefühl, alles, woran ich hart gearbeitet hatte, verdorben zu haben, überfiel mich. Die Verdrängung, die Tabletten. Ausdruckslos starrte ich auf das Armaturenbrett. Meine Beine zappelten und ich gab keinen Laut von mir.
»Fuck«, hörte ich neben mir, drehte den Kopf zu Caden, der das Lenkrad umriss, rechts auf den Seitenstreifen fuhr und anhielt. Am Rande vernahm ich die quietschenden Reifen und das ohrenbetäubende Hupen der anderen Fahrer. »Verdammt, bist du scharf darauf, uns umzubringen?«
»Das fragst du nach deiner Aktion vorhin?« Punkt für ihn. »Valentina.« Seine Stimme klang weich, er legte eine Hand auf meinem Oberschenkel ab und fuhr mit dem Daumen darüber. Momentan konnte ich die Gefühle in mir nicht sortieren. »Sprich mit mir. Bitte.« Ich blieb stumm, wusste nichts darauf zu antworten, ohne die Wahrheit zu offenbaren. Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und komm nicht damit an, dass alles in Ordnung ist. Verflucht. Ich kenne dich, was verheimlichst du mir?« Mein Hals fühlte sich trocken an, wollte seinem Blick ausweichen, schaffte es nicht. Seine Fingerspitzen hinterließen eine brennende Spur, wie sie über die Wange zur Kehle bis zum Oberarm strichen. Ich bekam wieder Luft, die Hektik wich und die Angst wurde merklich geringer. »Ich sehe es in deinen Augen, dass da irgendetwas ist, Val.« Der Mistkerl brachte mich um den Verstand und fegte gleichzeitig alle negativen Gedanken weg. »Ich wäre so gerne für dich da.« Sein Atem traf dabei meine überhitzte Haut und eine neue Welle von Emotionen rieselte wie ein Schauer über mich. In dem Moment wurde mir bewusst, dass die Gefühle für ihn unter allen noch so widrigen Umständen existieren würden, egal was geschah. Caden blieb der Einzige, der mir aus der Dunkelheit helfen und mir eine Sekunde lang das Licht schenken konnte, welches ich mit aller Macht suchte.
Mein Herz hämmerte gegen den Brustkorb, ich fasste einen Entschluss, erhob mich vom Sitz und kletterte rittlings auf ihn, schlang die Beine um seine Hüfte. Überraschung machte sich in Cadens Gesicht breit, es war ein seltsames Gefühl, ihm wie früher näherzukommen. Trotzdem prickelte direkt mein ganzer Körper. Ich wollte ihn bei mir haben wie einst. Einen Moment die verfickte Scheiße ausblenden und darauf pfeifen, was alle sagten. »Sei für mich da, wie ich es möchte.« Hauchend kamen die Worte über meine Lippen, ich legte eine Hand in seinen Nacken, zog mit der anderen das Hemd aus der Hose und ließ sie darunter wandern.
»Val …« Seine Stimme klang genauso gefährlich, wie seine Augen funkelten. Ich wusste, es gab kein Zurück, wenn ich das Spiel weitertrieb. Umkehren kam nicht infrage, wir hatten uns zu lange in Zurückhaltung geübt. Langsam rieb ich mich an seiner Erektion, die sich deutlich anhob.
»Du wolltest, dass ich bettle. Hier ist deine Chance.« Caden öffnete seinen Mund, um irgendetwas zu erwidern, schloss ihn direkt wieder. Sein Schwanz antwortete mir mit einem Zucken. »Fick mich, bitte«, raunte ich heiser in sein Ohr, strich dabei seicht mit den Zähnen drüber. Das allein genügte. Seine Hand legte sich in meinen Nacken und er drückte hart unsere Lippen aufeinander. Heiß, stürmisch und innig. Mir und ihm entfuhr ein erleichterndes Keuchen. Er strich langsam die Seite hinab, hinterließ ein Kribbeln und presste meinen Unterkörper mit einem heftigen Stoß näher an seinen Schwanz. Direkt in seinen Mund stöhnend wanderte ich zu dem Hosenbund und öffnete mit den Fingerspitzen den Gürtel. Ich drückte den Hebel, um den Sitz weiter nach hinten zu klappen, und knallte durch den Ruck dichter an Caden. Seine Hände fuhren über mein Kreuz, glitten zur Taille und streiften unter das Kleid. Fest und zugleich sanft hinterließen sie eine heiße Spur, seine Lippen küssten sich den Hals hinunter. Das nächste Stöhnen drang direkt in sein Ohr, animierte ihn dazu, die Träger meines Kleids hinabzuziehen und meine Brüste zu kneten. Kaum hatte ich die Jeans geöffnet, hob er sein Becken und riss sie ein großes Stück herunter, sodass sein Schwanz sichtbar wurde. Ich umfasste und massierte ihn, Caden zog zischend die Luft ein. »Oh, verdammt.«
Mit einem Grinsen auf den Lippen glitten meine Finger seine Spitze entlang, verteilten die Lusttropfen und bearbeiteten ihn weiter auf und ab. Knurrend griff er mit seiner Hand unter das Kleid, packte den Slip und riss ihn mit einem Ruck von mir. Ich atmete flacher, während er die Innenseite meiner Oberschenkel hinaufwanderte und den Daumen über die Klit gleiten ließ. Ich bewegte die Hüften, wollte mehr, seine Hand legte sich mir um den Hals, hinderte mich daran, weitere Bewegungen auszuführen.
»Sag mir, was du willst.« Caden schob zwei Finger in meine feuchte Spalte, wir stöhnten beide.
»Dich … in mir.« Meine Stimme bebte, ich versuchte nicht, die Lust zu verstecken. Die Feuchtigkeit sowie das pure Verlangen in meinen Augen verrieten ihm ohnehin alles.
Er nahm die Finger aus mir, umfasste seinen Schwanz, bewegte ihn an der Klit auf und ab, brachte meine Beine zum Zittern.
»Caden«, hauchte ich benebelt, krallte die Fingernägel in seine Haare und konnte mich seinem Blick nicht entziehen, der jede Reaktion von mir aufmerksam verfolgte. Es glich einer Folter. Das Stöhnen meinerseits wurde immer lauter, er rieb mit der Eichel über die Schamlippen, schob seinen Schwanz zum Eingang, stoppte davor. Ich wollte ihm meinen Körper entgegendrängen, doch er hielt eisern meinen Hals fest, sodass ich kein Stück vorankam.
»Sieh es als Strafe. Weißt du, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe?« Er zog mich näher, leckte über die Kehle, während sein Schwanz um meine Klit kreiste. Fuck. »Ich will dich schon spüren, seit du mein verficktes T-Shirt morgens anhattest.« Der darauffolgende Kuss war hart, intensiv und jegliches Verlangen lag darin. Unsere Zungen trafen einander mit enormer Wucht. Endlich drang Caden in mich ein, was mir ein unbeherrschtes und lautes Stöhnen entlockte. So lange hatte ich ihn nicht mehr fühlen dürfen. Seine Finger krallten sich in meinen Arsch und er versenkte sich komplett in mir. Wir keuchten beide auf.
»Du machst mich wahnsinnig«, grollte er voller Erregung und stieß immer heftiger zu.
»Du bist mein Licht in der Dunkelheit, Caden. Das bist du ständig gewesen.« Je härter er mich fickte, desto mehr vergaß ich alles. Nur wir existierten. Er packte meine Haare, riss meinen Kopf nach hinten, das Keuchen wurde immer heftiger und trieb uns beide an den Rand des Wahnsinns. Wir schienen in Flammen zu stehen, ich zog mich fester um seinen Schwanz zusammen, was ihn zu härteren Stößen animierte, und stöhnte seinen Namen, bevor der Orgasmus uns überrollte. Die Scheiben waren beschlagen, unsere Lippen geschwollen, der Schweiß perlte von unseren Körpern.
»Du verdammtes Miststück«, hauchte Caden amüsiert, meine Stirn lag an seiner und ich konnte nicht anders und lachte. Er drückte mir einen sanften und intensiven Kuss auf. Mich durchströmte ein Glücksgefühl, welches ich lange nicht mehr gespürt hatte. Doch so schnell es gekommen war, verschwand es auch wieder. Er würde dich nie wieder ansehen können. Sofort öffnete ich die Augen, legte die Hände auf seine Schultern und schaffte Abstand zwischen uns.
»Alles in Ordnung?« Irritiert von dem Stimmungswechsel betrachtete Caden mich, ich nickte und stieg von ihm ab. Ich rutschte auf den Sitz zurück, ließ die Finger durch mein Haar gleiten und schlagartig wurde mir bewusst, was ich angerichtet hatte. »Val?« Schnell richtete ich den Blick wieder auf ihn.
»Alles in Ordnung. Wir sollten nur fahren, bevor uns jemand wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses meldet.« Ich ließ die Worte amüsiert klingen, wollte keinen Verdacht erregen und Caden lachte: »Das fällt dir früh ein.« So wie einiges. Der Beschluss vorhin war impulsiv gewesen. Sowie fast alle Entscheidungen in den letzten Wochen. Fuck, es regte mich auf, so hilflos zu sein. Womöglich könnte ich weitere, dumme Entschlüsse treffen. Mein Körper prickelte weiterhin, langsam wurde ich es leid, von ihm fernzubleiben. Lieber wollte ich mehr von dem fühlen. Aber war es das Risiko wert, dass er irgendwann hinter das Geheimnis kam? Er startete den Motor erneut, trat auf das Gaspedal und fuhr los.
»Wie wäre es, wenn wir uns gleich eine Dusche genehmigen?« Grinsend sah Caden zu mir rüber, ich legte lachend den Kopf in den Nacken. »Du glaubst doch nicht, dass ich schon genug von dir habe.« Hungrig und absolut verführerisch sah er mich an. Ich schluckte, war mir nicht sicher, wohin das führen würde. Womöglich direkt in die Hölle. Mein Fluchtinstinkt setzte ein, ich versuchte, das Gefühl zu ignorieren, griff nach der Handtasche und umfasste das silberne Armband, was ich immer bei mir trug. In der Tasche spielte ich damit herum, sodass Caden es nicht sah, und ließ es erst wieder los, als er den Wagen in der Einfahrt bei ihm zu Hause parkte. Den Augenblick zwischen uns im Bentley hatte ich vollkommen genossen, doch im Gegensatz zu ihm wusste ich, dass es ein Fehler gewesen war. Ein verdammt geiler Fehltritt. Verflucht.
Ein wenig ersehnte ich die Zeit zurück, wo in meinem Zimmer den ganzen Tag lang traurige Musik gelaufen war, ich eine Decke über den Kopf ziehen hatte können und ich seinen Instagramaccount durchgeschaut hatte. Bis der Account vom einen auf den anderen Tag deaktiviert worden war und ich gewusst hatte, mein Leben musste weitergehen. Der Schmerz war nicht verschwunden, nur dumpfer geworden. Aber ich hatte gelernt, wieder zu atmen und zu funktionieren. Die Einsamkeit, die mich seitdem plagte, ertrug ich kaum, doch alles war besser als dieses halbwegs vertraute Gefühl, welches mich gerade durchflutete. Caden hielt mir die Tür auf, dankend nahm ich seine Hand entgegen, aber schüttelte sie gleich wieder ab, als meine Füße den Boden berührten. Wütend hörte ich, wie die Tür zuknallte, und drehte mich überrascht zu Caden um. »Hat der Bentley dir etwas angetan?«
»Nein, ich dir etwa?« Seine Lippen waren schmal aufeinandergepresst, die Augen dunkel und aufmerksam auf mich gerichtet. Fuck, genau das, was ich vermeiden wollte.
»Hast du nicht. Der Sex bedeutet aber nicht, dass jetzt irgendetwas anders ist.«
»Und du wirst mir nicht erzählen, was vorher mit dir los war?«
»Da war nichts.« Ich versuchte, die Worte kalt klingen zu lassen, doch die Erschöpfung hörte man mir deutlich an. Caden verzog das Gesicht, als bereitete ihm die Lüge körperliche Schmerzen.
»Fuck, Val. Es reicht.« Er kam näher, so dicht, dass ich gegen den Bentley gedrückt wurde. Langsam näherte sich seine Hand, mit einem Finger wickelte er eine Haarsträhne herum und sah mir dabei die ganze Zeit intensiv in die Augen, ließ die Strähne wieder fallen. Sofort starrte ich auf seine Lippen.
»Caden, lass die Scheiße.« Ich versuchte, neutral zu klingen. Doch er schlang einen Arm um meine Taille, blieb mir eine Antwort schuldig und küsste mich, leidenschaftlich und drängend. Als er sich von mir löste, grinste er.
»Renn vor dem Rest der Welt weg, aber nicht vor mir.« Verdattert sah ich ihm hinterher, denn er drehte sich um und lief zum Haus. Ich hingegen blieb einige Minuten stehen, versuchte, die Gedanken zu sortieren. Wenn es doch nur so simpel wäre.
Langsam folgte ich ihm, allerdings war er verschwunden. In der Küche stand Monicá am Herd und briet etwas in der Pfanne an. »Miss Caruso, schön Sie zu sehen!« Sofort bildete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
»Wann wirst du mich endlich Valentina nennen?«, fragte ich sie mit einem Augenzwinkern.
»Wenn du aufhörst, dafür zu sorgen, dass ich hier jedes Wochenende eine neue Einrichtung bestellen muss.« Amüsiert sah Monicá bei den Worten zu mir, ich schüttelte lachend den Kopf. Cadens Haushälterin mochte ich wirklich gerne. Schon früher hatten wir uns gut verstanden und des Öfteren ein Schwätzchen gehalten – und doch legte sie die höfliche Anrede nie ab, außer wenn ich sie darauf hinwies. »Wo ist der Verursacher denn?« Mein Blick glitt dabei zu der umgeschmissenen Vase in der Küche.
»Unter die Dusche«, kam es prompt von ihr, sie schaltete den Herd ab und bückte sich zum Schrank daneben, um etwas herauszuholen. »Trinkst du ein Glas Wein mit mir?« Alkohol hörte sich fantastisch an. Es war keine Lösung für Schmerz, aber es betäubte ungemein.
»Wie sollte ich das abschlagen?« Sofort ging ich hinüber in den Vorratsraum, holte eine Flasche und schlenderte zurück in die Küche. Beim Laufen öffnete ich diese und goss die Flüssigkeit in die beiden bereitgestellten Gläser.
»Caden bemüht sich wirklich sehr.« Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar, zerzauste es und seufzte.
»Ich weiß«, hauchend kamen mir die Worte über die Lippen, mein Blick richtete sich auf den Boden. Er gab sich Mühe, seine Fehler auszuradieren. Zaghaft griff ich nach dem Weinglas, kippte mit einer schnellen Bewegung den Inhalt herunter und stellte das Glas wieder ab. Seine Bemühungen änderten nichts daran, dass ich meine Vergangenheit nicht aus unserer Zukunft löschen konnte.
»Er wird mich sicherlich umbringen, wenn ich es Ihnen sage, aber er war nach der Trennung am Boden zerstört.« Monicá gehörte schon lange zu Cadens Leben. Früher hatte ich mich immer darüber lustig gemacht, dass sie sich viel mehr um ihn sorgte als seine leibliche Mutter. Heute war ich dankbar, dass er sie an seiner Seite hatte.
»Trotzdem hat er sich kaum gemeldet.« Ohne es zu wollen, klang ich verbittert. Er hatte sich damals entschuldigt, vor der Haustür gestanden, hatte mit mir sprechen wollen, doch ich hatte ihm keine Chance gegeben. Zwei Wochen später hatten meine Eltern erzählt, dass er ins Ausland gereist war, um ein Fernstudium zu beginnen. Mir spielte es in die Karten, denn so war ich gezwungen gewesen, ihn zu vergessen, und hatte das Geschehene verdrängen können. Jetzt drohte es, jede Minute aus mir herauszuplatzen.
»Valentina … es gab einen Grund …« Sofort sah ich zu ihr, öffnete den Mund, wollte eine Frage stellen, doch hörte hinter mir ein Räuspern. Caden stand an dem Türrahmen angelehnt, trug eine schwarze Jogginghose und ein dunkles Muskelshirt. Schnell wischte sich Monicá ertappt die Hände an ihrer Schürze ab. »Ich mache mich dann mal auf den Weg. Essen steht auf dem Herd.«
Nachdem wir uns verabschiedet und sie uns allein gelassen hatte, fing Caden an zu grinsen – wohl, weil ich ihn zu lange angestarrt hatte.
Schnell griff ich zu der Flasche Wein, füllte mein Glas und schlenderte aus der Küche. Aus dem Zimmer holte ich einen neuen Zeichenblock, der andere lag schließlich noch bei Caden, die Studienunterlagen und setzte mich draußen auf die Terrasse. In den letzten Tagen war es immer sonniger geworden und bevor sie wieder verschwand, wollte ich das gute Wetter etwas genießen und einen klaren Kopf bekommen. Deshalb zeichnete ich einige Motive nach, versuchte mich zu konzentrieren, doch schweifte immer wieder zu der Situation in der Küche bei Cadens Eltern ab.
Mit schweren Schritten verließ ich das Zimmer, froh einen Moment nicht unter Beobachtung zu stehen, und holte tief Luft. Mich beschlich trotzdem ein ungutes Gefühl. Ich lief den Gang herunter zu der Küche, um die nächste Weinflasche zu holen. In diesem Haus herrschte kein Eindruck von Geborgenheit. Das war noch nie so gewesen. Früher hatte es Caden und mich nicht davon abgehalten, uns hier die Zeit zu vertreiben und im Hobbykeller seiner Eltern Spaß zu haben. Jetzt wollte ich nur fort. Ein Grund, weshalb ich lieber zerknirscht die nächste Flasche Wein holte, anstatt weiter dort zu sitzen. Ich sollte mich am besten zu Daisy auf den Boden hocken und das Gesicht in ihrem Fell vergraben. Heute Morgen hatte ich zwar die Beruhigungstabletten genommen, doch zu gern würde ich gleich wieder eine Handvoll schlucken. Scheiße nur, dass die Dose leer war. In der Küche versuchte ich an den oberen Schrank heranzukommen, wo die Weinflaschen standen. Auf Zehenspitzen schaffte ich es nach wenigen Versuchen und gab ein erleichtertes Seufzen von mir, als ich die Flasche berührte und aus dem Regal heben konnte.
»Ist alles okay?«, vernahm ich eine Stimme, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Blitzschnell drehte ich mich um, hielt die Glasflasche fest umklammert und starrte in Roberts dunkle Augen.
»Natürlich. Man brauch keine ganze Armee, um eine Weinflasche zu holen. Also, was willst du hier?« In dem scherzhaften Ton verbarg sich eine Spur von Angst. Das Gefühl stieg in mir auf, ohne dass ich es kontrollieren konnte.
»Unsere Familie besteht aus Traditionen, hochangesehenen Unternehmern und Kontakten, die du dir nicht einmal vorstellen kannst. Ich hab dir schon auf der Veranstaltung vor einigen Wochen gesagt, dass du da nicht reinpasst. War ich nicht deutlich genug?« Vor der Gala hatte mir Celia eine Jacke von Phil überreicht, woraufhin ich mich mit ihm in einem Raum getroffen hatte und Cadens Vater hereingeplatzt war. Schon dort hatte Robert betont, was er von der Entscheidung seines Sohnes, die Verlobung durchzuziehen, hielt. Zur Krönung hatte er ihn sogar dazugeholt, versucht, mir etwas anzuhängen, und Cadens Eifersucht genutzt. Und die Panik, die sich an jenem Tag in meinem Gesicht widergespiegelt hatte, hatte wohl nicht gerade dazu beigetragen, mir zu glauben. Dabei hatte sie nichts mit den Anschuldigungen zu tun, sondern mit der Angst, dass jetzt alles herauskommen würde. »Alter, entweder werde ich Val umbringen oder du tust es. Daran führt kein Weg vorbei.« Seine Worte zu Caden pochten in den Ohren. Hätte ich Phil danach nicht zurückgehalten, wäre es das gewesen.
»Valentina. Hör mir zu, wenn ich mit dir spreche.« Robert packte meinen Arm und riss mich aus den Gedanken. Schmerzhaft zischte ich, versuchte, den Arm zu befreien, doch er hielt ihn eisern fest. »Mein Sohn bringt dir keine Disziplin bei. Aber nicht verwunderlich, er wusste nie, dich anzupacken.« Dass er so nah kam, war wie ein Schock für mich.
»Caden ist stark. Nur ein schwacher Mann erniedrigt eine Frau, um sich machtvoller zu fühlen, als er ist.« Sofort wurde sein Griff enormer, Tränen drängten sich in meine Augen, aber ich bezwang sie. Er presste mich gegen die Theke.
»Wenn Caden so mit sich reden lässt, bitteschön. Ich akzeptiere das nicht, Valentina. Er wird nie damit zurechtkommen, was passiert ist, zwing mich nicht dazu, es ihm zu sagen.« Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich zitterte. »Oder soll ich dir eine Auffrischung geben?« Ohne darüber nachzudenken, versuchte ich hinter mir etwas Brauchbares zu greifen. Nachdem ich den Messerblock ertastet hatte, zischte Robert Sekunden später auf und ließ abrupt von mir ab. Ein Schneidemesser hatte seinen Arm getroffen. Obwohl ich ihn kaum erwischt hatte, quoll sofort Blut aus der Wunde.
»Komm mir einmal zu nah und ich zögere nicht, es noch mal zu benutzen. Klar?!«, fauchte ich und schritt schnell aus der Küche. Caden sollte nichts von damals erfahren. Niemals. Ich könnte seinen Blick nicht ertragen und auf keinen Fall seine Reaktion. Wenn ich jetzt schon glaubte, nie eine Zukunft mit ihm zu haben, hätten wir danach erst recht nicht den Hauch einer Chance. Zügig eilte ich aus der Küche, direkt in Cadens Arme, als ich das Esszimmer wieder betrat. Das Essen unauffällig über die Bühne zu bringen, hatte eindeutig nicht geklappt.
Ich schreckte vom Sitz hoch. Caden stand hinter mir, ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Sofort legte ich die Hand auf die Stelle, wo er mir den Kuss aufgedrückt hatte. »Was zur Hölle denkst du dir dabei?«
»Dass ich meine Verlobte berühre? Fuck, Val, bei dir weiß man nie, was erlaubt ist. Das ändert sich stündlich.«
»Dann lerne endlich daraus und lass so ein Quatsch.« Mit der Hand fuhr ich mir durch die Haare, versuchte, tief durchzuatmen, langsam wieder in der Realität anzukommen.
»Was ist das Problem, Val? Ich versteh es nicht …« Verzweifelt sah er mich an, trat gegen den Stuhl, auf dem ich eben gesessen hatte. »Antworte mir. Was ist los mit dir?«
»Caden …«
»Warum benimmst du dich so kalt? Was ist verdammt noch mal passiert?«
»Du kommst zu nah, okay? Das gefällt mir nicht«, platzte es wütend heraus, ich trat selbst gegen den Tisch und fuhr wieder durch die Haare.
»Zu nah? Fuck, Val, du hast dich auf meinen Schoß gesetzt und mich gebeten, dich zu ficken!« Dieses Gespräch ertrug ich nicht, ohne mehr Wein intus zu haben. Weshalb ich nach dem Glas griff, ins Haus und hinüber in die Küche lief, wo die offene Flasche auf der Theke stand. Schnell goss ich etwas hinein und stürzte die Flüssigkeit die Kehle hinunter. »So mein ich das nicht. Berühr mich nicht einfach so. Nicht zärtlich und nicht plötzlich.« Verflucht, das klang doch krank … Genauso begegnete mir sein Blick. Verwirrung machte sich in seiner Miene breit und seine Augen wurden dunkel. Blitzschnell kam er auf mich zu, ich trat einen Schritt zurück, doch gelangte nur an die Wand, gegen die er eine Hand schlug.
»Entweder so oder gar nicht, Caden. Ich habe in diesem Haus nach deinen Regeln gespielt. Wenn du mich willst, dann musst du meine Gewohnheiten akzeptieren.«
»Als hättest du hier je getan, was ich sage.« Amüsiert sah er zu mir, seine Hand wanderte über meine Taille, zwischen den Brüsten hinauf zum Hals, den er umfasste. Fuck. »Du weißt, ich bin ein Kontrollfreak. Aber gut, versuchen wir nach deinen Regeln zu spielen. Zumindest, was das angeht.« Aufregung machte sich in mir breit. »Ich werde schon noch herauskriegen, was dahintersteckt«, hauchte Caden in mein Ohr, ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch genau in diesem Moment spürte ich seine Hand im Schritt und war definitiv verloren. Sofort traf mich ein heftiges Zucken im Unterleib.