15
Die Reise nach Italien, zwei Tage später, dauerte fast über sechszehn Stunden. Eine Non-stop-Verbindung gab es leider nicht, weshalb wir einen Zwischenstopp in Rom und dort eine viel zu lange Aufenthaltszeit hatten. Obwohl es ein Nachtflug war, machten wir beide kein Auge zu und schauten uns deshalb einen Film nach dem anderen an – weshalb unsere Launen zu wünschen übrigließen.
»Und was sollen wir jetzt hier machen?«, kam es gereizt von Valentina, während wir uns an das nächste Gate setzten und das Handgepäck auf den Boden stellten. Sie hatte zwar nur eine Handtasche dabei, allerdings schien diese mit Wackersteinen gefüllt zu sein.
»Keine Ahnung, kauf dir ein Buch oder irgendetwas anderes. Aber geh mir bitte nicht auf die Eier«, giftete ich zurück, holte aus der Laptoptasche das Döschen mit den Schmerztabletten und schüttete mir zwei davon auf die Hand. Mit dem Wasser aus dem Duty-free-Shop spülte ich sie hinunter und legte den Kopf in den Nacken.
»Sorry«, entschuldigte ich mich und spürte ihren argwöhnischen Blick von der Seite. Ihre Augenringe waren auch nicht zu übersehen und es war verwunderlich, dass kein schnippischer Kommentar von ihr kam. Sicherlich war sie genauso am Arsch wie ich. Diese verdammten Flugzeugsitze waren nämlich so gemütlich wie ein Sack Kartoffeln gewesen.
Mir war die Harmonie der letzten zwei Tage nicht ganz geheuer, doch ich mochte sie auch nicht beschreien und lieber genießen. Zwischen Val und mir war es immer ein Spiel mit dem Feuer. Ein Wort reichte aus, um alles in die Luft fliegen zu lassen.
»Ich schau mal, was die in dem Laden haben. Treffen wir uns einfach in einer Stunde drüben im Café und frühstücken?«, schlug Valentina vor und stand auf. Ich nickte, tat es ihr gleich.
»Okay, ich setze mich schon mal an einen Tisch und arbeite ein bisschen. Komm dann einfach dazu.« Den Henkel der Laptoptasche legte ich mir über die Schulter und ging in die entgegengesetzte Richtung.
»Ehhhm …«, folgte mir meine Verlobte und hielt mich am Handgelenk zurück.
»Was ist?«
»Mit was soll ich zahlen? Mit Knöpfen, oder wie?«, fragte sie und sah belustigt auf meine Hosentasche. Sie hatte nicht allen Ernstes kein Geld mitgenommen? Typisch Val. Kurz überlegte ich und entschied mich dazu, ihr die Kreditkarte der Firma zu geben.
»Bitte schön. Kauf auf die Kosten von Dad ein. Ist schließlich eine Geschäftsreise«, zwinkerte ich ihr zu und hoffte, sie ließ es ordentlich krachen, denn momentan war mir alles recht, den alten Bock zu verärgern. Zufrieden nahm sie die Karte entgegen, wobei sich ein verschwörerisch teuflisches Grinsen auf ihren Lippen ausbreitete, ehe sie mit gerecktem Kinn davonstöckelte. Im Café suchte ich mir einen Platz am Fenster, schaute zunächst den Flugzeugen dabei zu, wie sie abhoben und landeten, und wartete darauf, dass die beschissenen Kopfschmerzen endlich nachließen. Eine Kellnerin kam zu mir, ich bestellte einen extra starken Kaffee. Nach einem Cola Energy musste ich hier bestimmt nicht fragen. Kaum war das Getränk da, klappte ich den Laptop auf und fuhr ihn hoch.
Obwohl ich vor dem Abflug das Postfach gecheckt hatte, quoll es wieder über. Zuletzt war eine Mail von Mister Esposito gekommen, dass er uns heute Abend zum Essen einlud. Fuck, ich war jetzt schon total am Arsch und Val würde sicherlich nicht darüber erfreut sein, dass wir am gleichen Tag einen Termin hatten.
Auf dem Bildschirm öffnete ich die zuletzt bearbeiteten Baupläne, sah mir die eingebrachten Änderungen an und schrieb eine Nachricht an den Kunden. Der Kaffee schmeckte dabei wie wässrige Plörre und bewirkte rein gar nichts. Der Kopf platzte mir demnächst, so stark, wie es unter meiner Schädeldecke pochte, und meine Sicht wirkte trüb, flimmerte und die Schrift auf dem Bildschirm war kaum zu erkennen. Daraufhin winkte ich die Kellnerin her, bestellte ein Wasser und nahm zwei weitere Tabletten aus der Pillendose. Mittlerweile konnte ich die wie Gummibärchen essen und spürte nicht das Mindeste. Vielleicht sollte ich Val fragen, ob sie mir welche empfehlen konnte? Für einen Bruchteil gluckste ich über die Vorstellung. Scheiße, darüber durfte ich keinesfalls lachen.
Wenige Minuten später kam die junge Frau zurück, stellte das Glas vor mir ab und lief davon. Sofort warf ich die Pillen ein und trank einige Schlucke Wasser. Statt weiterzuarbeiten, klappte ich den Laptop zu, beobachtete die Leute, von denen sich immer mehr ins Café drängten und um die Tische scharten. Die große Uhr in der Flughafenhalle zeigte an, dass es halb neun morgens war. Zeit, zu frühstücken. Perfekt getimt fing auch mein Magen an zu knurren.
Der Druck an den Schläfen ließ, Gott sei Dank, endlich nach und mein Blick klärte sich. Ich zückte das Handy, antwortete auf Alvaros Nachricht und versprach ihm, mich zu melden, wenn wir wieder zu Hause waren. Genau in dem Moment spürte ich eine zarte Berührung im Nacken. Ich drehte meinen Kopf leicht zur Seite und nahm Vals Konturen im Blickwinkel wahr. Sie strich mir mit den Fingern über die empfindliche Haut unter dem Haaransatz, sodass sich die feinen Nackenhärchen dort aufstellten und sich eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper verteilte. So zärtliche Gesten war ich von ihr keinesfalls gewöhnt, aber einen Scheiß würde ich tun, etwas dagegen zu sagen.
»Na, schwer am Arbeiten?«, fragte sie, löste sich von mir und nahm auf dem Stuhl daneben Platz. Die Tüten stellte sie auf der Fensterbank ab.
»Etwas … was hast du alles gekauft?« Ich nickte zu den Einkaufstaschen und Valentina fing sofort an, verschiedene Dinge herauszuziehen. Parfüm, Zeitschriften und natürlich Zigaretten. Lachend schüttelte ich den Kopf und lehnte mich zurück.
»Du wirst es mir nicht glauben, aber ich hab sogar an dich gedacht.« Sie kramte weiter, zog einen Karton von Hugo Boss heraus und schwenkte mir mit der Parfümverpackung vor der Nase herum. »Uuuund …« Leises Gluckern erklang aus der Tüte, bevor sie zwei Dosen Cola Energy auf den Tisch stellte. »Wenn ich will, kann ich nett sein. Wo bleibt also mein Danke?« Belustigt stützte sie sich mit den Ellenbogen auf der Tischplatte ab und umgehend fiel mir der fette Brillant an ihrem Ringfinger ins Auge, den sie seit Tagen nicht mehr abgenommen hatte. Langsam erhob ich mich vom Stuhl, streckte die Hand nach ihrer Wange aus und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Danke«, pflichtete ich ihr bei und machte es mir wieder bequem. »Zufrieden?«
»Hm, ganz okay.« Mit zuckenden Mundwinkeln griff sie nach der Speisekarte und studierte sie. Die überaus handzahme Seite war ich von Val nicht gewohnt, allerdings gefiel sie mir momentan tatsächlich und wir wirkten auf Außenstehende sicherlich wie ein völlig normales Paar. Wir waren kein Pärchen, das sich in der Öffentlichkeit Liebesbekundungen zukommen ließ, sondern eher die Sorte, die auf der Toilette einen Quickie einlegte und einen Scheiß auf die Leute in den Kabinen nebenan gab. Fuck, der Gedanke gefiel mir. Und meinem Schwanz erst …
»Ich nehme das Käse-Sandwich«, versetzte mich Valentina zurück und reichte mir die Speisekarte. »Und du?«
»Das Gleiche.« Scheißegal, was mir vorgesetzt wurde. Hauptsache, ich bekam etwas zu essen und musste mich nicht mehr auf meinen Ständer konzentrieren. Ich blickte zu allen Seiten, die Kellnerinnen hatte alle Hände voll zu tun und keine schaute auch nur ansatzweise in unsere Richtung. »Vielleicht solltest du direkt an die Theke gehen und das Frühstück bestellen.«
»Kannst du gehen?« Valentina stützte das Kinn auf ihrer Hand ab und tippte auf ihrem Handy herum.
»Eher schlecht …«, antwortete ich. Sofort warf sie mir einen stechenden Blick zu. Fuck, konnte sie bitte aufhören mich, so anzusehen? »Val ...« Mein Schwanz pochte unaufhörlich, drängte darauf, aus der jetzt verdammt eng sitzenden Hose befreit zu werden. Verzweifelt wandte ich den Blick ab, fuhr mir mit einer Hand über die Stirn. »Was ist … mach ich dich etwa verrückt?« Lasziv lehnte sie sich zurück, legte einen Arm auf die Stuhllehne und überschlug die Beine. Sie wusste schon immer mit ihren Reizen zu spielen und am besten, wenn ich kurz vor dem Platzen stand. Was war nur los mit mir?
»Hach … hier ist es so heiß …« Spielerisch und mit zuckenden Mundwinkeln wedelte sie sich Luft zu und öffnete die obersten Knöpfe ihres Tops. Damn it. Ruckartig griff ich nach dem Stuhlbein, zog sie grob zu mir heran, sodass ein ohrenbetäubendes Quietschen zu hören war.
»Hör auf damit.« Ein Knurren stieg meine Kehle rauf, unversehens packte ich sie am Hals. Ob gerade der Zorn oder die Lust aus mir sprach, keine Ahnung. Ich wusste nur eins: Hörte das Getue nicht gleich auf, war sie fällig. Kokett lächelnd legte sie, ohne mit der Wimper zu zucken ihre Hand auf meinen Schritt, strich darüber und drückte sanft zu.
»Was für Gedanken muss man haben, um an einem Flughafen in Rom einen Ständer zu bekommen?«, flüsterte sie mir ins Ohr und knabberte am Ohrläppchen.
»Es reicht schon, wenn ich daran denke, wie ich ihn dir in den Hals schiebe und du genüsslich daran saugst.« Meine Stimme bebte vor Erregung und Valentina entglitt ein leiser Seufzer. Die Luft um uns herum war elektrisch geladen, nur das hörbare Knistern fehlte. Fuck, wie sehr konnte man einen Menschen wollen? Die Gier, ihr die Klamotten vom Leib zu reißen und jeden Zentimeter ihrer Haut zu erkunden, übernahm die Kontrolle über mein Handeln, weshalb ich sie näher heranzog und mit der Zungenspitze ihre Hauptschlagader entlangfuhr. Valentinas Griff wurde stärker, sie keuchte und presste sich enger an mich.
»Was kann ich Ihnen bringen?«, kam es zögerlich hinter uns von einer jungen Frau mit einem Block in der Hand. Fuck. Wir lösten uns abrupt mit einem Räuspern voneinander und mit sichtlich geröteten Wangen bestellte Val auf Italienisch für uns beide das Sandwich. Während die Kellnerin unsere Getränke und Essenswünsche auf den kleinen Notizblock schrieb, zuckten ständig ihre Mundwinkel. Keine Ahnung, was es da zu lachen gab. Vielleicht gefiel ihr auch die Vorstellung. Verdorben, verdorben. Mit einem freundlichen Nicken und Augenzwinkern steckte sie ihren Kugelschreiber in die hintere Hosentasche, verstaute den Block in der anderen und lief davon. Kaum war sie außer Hörweite, löste sich die Verkrampfung in meinem Magen und ich lehnte mich mit dem Rücken zurück.
So schnell war ich von einem Ständer noch nie auf den Boden der Tatsachen gezogen worden. Und mein Schwanz war darüber ebenfalls alles andere als begeistert. Ein unterschwelliges Ziehen im Schritt machte das Ganze nicht besser. Valentina wandte sich mir zu und leckte sich über die Lippen. »Mein Gott, da wartet man verbittert auf eine Kellnerin und niemand lässt sich blicken … und genau dann, wenn sie am wenigsten erwünscht ist, taucht sie auf …«
Ihre Beine presste sie zusammen und blickte mir in den Schritt. Sie konnte es nicht lassen.
»Was ist? Hätte ich dich hier und jetzt auf den Tisch schmeißen und ficken sollen?« Ich bemühte mich nicht, leise zu sprechen, denn es war mir scheißegal, ob jemand unserer Unterhaltung folgte und jedes Wort verstand. Val heizte die Stimmung mit ihrem lasziven Getue gerade mehr als auf. Tief schaute sie mir in die Augen, legte den Zeigefinger unter das Kinn und schielte zur Decke.
»Hm, nein, ich denke nicht«, platzte es aus ihr heraus. Allerdings bemerkte ich beim Abwenden die winzigen Lachfältchen um ihre Augen. Kleines, freches …
Mir lagen die Worte für einen Konter auf der Zunge, als jemand mit zwei Tellern neben mich trat.
»Bitte schön.« Das Talent, zu den schlechtesten Zeitpunkten aufzutauchen, lag der Kellnerin anscheinend im Blut. Ohne uns eines Blickes zu würdigen, stellte sie das Essen vor uns ab und hetzte zu den nächsten Gästen, die ungeduldig mit den Händen wedelten und ihre Aufmerksamkeit suchten.
»Lass es dir schmecken«, sagte ich zu Val, wobei das eingefallene und sichtlich latschige Brot nicht gerade appetitlich aussah. Etwas angeekelt und mit verzogenem Mund hob ich den Deckel und war überrascht, dass der Belag frisch wirkte.
»Danke«, erwiderte sie, biss einen großen Happen von dem Sandwich ab und sah mir dabei tief in die Augen.
»Stellst du dir gerade vor, dass das etwas anderes wäre?«, flüsterte ich, fing selbst an zu essen und verschluckte mich exakt in dem Moment, als Val die Mayonnaise an der Brotseite ableckte. »Stopp. Das hört jetzt auf, verstanden?«, presste ich mit vollem Mund heraus und hielt sie am Handgelenk fest.
»Ich mache doch gar nichts«, antwortete sie unschuldig und grinste.
»Fuck …« Sie war heute noch sowas von fällig. Ich musste Val ignorieren, sonst überlebte ich dieses Essen nicht, ohne ihr an die Wäsche zu gehen. Die restliche Zeit schaute ich deshalb aus dem Fenster und beobachtete die Leute auf den Rollfeldern. Zum Glück waren wir keine Viertelstunde später fertig, weshalb ich zahlte und wir ans nächste Gate liefen. Bis zum Weiterflug in Richtung Verona waren es noch drei Stunden, in denen ich angestrengt versuchte, am Laptop zu arbeiten und E-Mails zu beantworten.
Valentina beschäftigte sich in der Zwischenzeit mit ihrem Handy oder blätterte in der gekauften Zeitschrift herum. Immer wieder entwich ihr ein schwerfälliger Seufzer, worüber ich nur schmunzelte. Mich wunderte es überhaupt, dass sie ruhig sitzenblieb, wo sie doch sonst ständig Hummeln im Hintern hatte und keine fünf Minuten am gleichen Fleck bleiben konnte. Hm, vielleicht hatte das schlichtweg an mir gelegen und nicht an ihrer Sprunghaftigkeit? Egal, das gehörte der Vergangenheit an. Hoffte ich zumindest. Die restliche Wartezeit verging wie im Flug und als der Aufruf zum Boarding durch die Halle ertönte, packten wir alle Sachen zusammen und stellten uns in der Warteschlange an.
»Diese Sitze sind der absolute Horror.« Brodelnd suchte ich in den durchgesessenen Polstern eine bequeme Position, ohne die Querstreben darunter zu spüren.
»O Gott, stell dich nicht so an. Wir fliegen doch nur eine Stunde. Oder ist dein Arsch so sehr First-Class-Flauschsitze gewohnt, dass er nie wieder etwas anderes akzeptiert?«, kam es zynisch von meiner Verlobten.
»O ja, spiel wieder die Karte ‚Caden ist so ein verwöhntes Stück Scheiße‘ aus. Die kam schon lange nicht mehr.« Fuck, damit erwischte sie mich völlig kalt.
»Da ist aber jemand knatschig. Wieso fliegen wir denn überhaupt Economy, wenn es dem wehrten Mister Bishop nicht passt?« Ich warf ihr einen zornigen Blick zu. Dad hatte sicherlich seine Gründe gehabt, den schäbigsten Flug zu der unmöglichsten Zeit mit Umstiegen für uns zu buchen, nachdem ich darauf bestanden hatte, dass Valentina mich begleitete. Auf ihre Frage musste ich nicht antworten, denn sie senkte den Blick und griff nach meiner Hand.
»Ich denke, heute Abend gönnen wir uns zuerst einmal eine Flasche Champagner auf Kosten der Firma«, grinste sie, wobei für wenige Sekunden ein nachdenklicher Ausdruck auf ihrem Gesicht auftauchte. Fuck, ich hatte ihr noch nichts von der Einladung erzählt.
»Was heute Abend angeht … Eventuell sind wir von Mister Esposito noch zum Essen eingeladen worden. Ich konnte leider nicht absagen. Sorry«, entschuldigte ich mich, denn auch mir fehlte die Lust darauf.
»Muss das direkt am ersten Abend sein?«
»Nein, muss es nicht. Aber abzusagen ist auch keine Option, also spar dir die Diskussion.« Gott, bitte lass die Harmonie nicht daran krepieren . Mit Streitigkeiten würden die nächsten Tage am Gardasee in einem Desaster enden. Ihre Finger krallten sich in den Stoff ihrer Hose, während sie tief ein- und ausatmete. Vielleicht ging es ihr gerade wie mir?
»Na gut, eins sage ich dir: auf die Flasche Schampus bestehe ich trotzdem! Komme, was wolle! Und du bekommst davon nichts.« Lächelnd legte ich ihr eine Hand an die Wange, zog sie sanft zu mir und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. Es schien besser zu laufen als gedacht.
Eine Stunde später und pünktlicher denn je landeten wir in Verona und kamen zügig durch die Passkontrolle. Auf das Gepäck mussten wir ebenfalls nicht lange warten, schnappten es vom Band und stürmten aus der Ankunftshalle, um vor dem Gebäude noch eines der Taxis zu ergattern, bevor alle weg waren. Die Klamotten klebten an unseren Körpern und ich wünschte mir nichts sehnlicher als eine warme Dusche. Valentina lief voraus, während ich die beiden Koffer hinter mir herzog und versuchte, mit ihr Schritt zu halten. Ich war keineswegs unsportlich, ganz im Gegenteil, aber Vals Gepäck fühlte sich an wie ein Sack Zement. Winkend trat sie durch die Glasschiebetüren an die frische Luft und zum Glück hielt gerade ein Taxi direkt vor dem Eingang. Schnell packten wir das Gepäck in den Kofferraum und stiegen ein. Val unterhielt sich mit dem Fahrer auf Italienisch, setzte sich auf den Rücksitz in die Mitte und lehnte sich nach vorne, nachdem ich ihm einen Zettel mit der Adresse gereicht hatte. Sie blühte dabei richtig auf, lachte und strahlte über das ganze Gesicht. Keine Ahnung, was der Typ ihr erzählte, aber die Unterhaltung schien ihr zu gefallen. Auf jeden Fall wirkte sie losgelöst, zufrieden, weshalb ich mich umso mehr auf den Aufenthalt freute. Kein Entkommen, nur wir beide.
Da es in dem Auto ziemlich stickig war, öffnete sie ihr Fenster ein kleines bisschen, wodurch ihre langen Haare in der Luft herumwirbelten und mich sogar am Hals kitzelten. Eine Stunde brauchten wir bis nach Limone, wo uns der Taxifahrer vor dem Fünf-Sterne-Hotel EALA absetzte.
»Also ich habe jetzt irgendwie etwas anderes erwartet.« Valentina kam neben mir nicht mehr aus dem Staunen heraus, als sie das imposante Gebäude aus weißem Kalkstein vor uns betrachtete.
»Wieso?«, fragte ich und hievte unser Gepäck aus dem Kofferraum, drückte dem Fahrer Geld in die Hand, bevor er davonfuhr.
»Na ja, dein Dad hat uns in die Holzklasse von irgendeinem Billigflieger manövriert. Und jetzt das? Passt irgendwie nicht zusammen.« Irritiert sah sie mich an und umgriff den Henkel ihrer Handtasche etwas fester.
»Leider hatte er bei der Unterkunft kein Mitspracherecht. Das Hotel gehört Mister Esposito, wodurch es für Vater kein leichtes Spiel gewesen wäre, uns woanders unterzubringen. Italiener sind sehr stolz, wie du vielleicht weißt, und akzeptieren keinen Widerspruch.« Ich zwinkerte ihr zu, wofür sie die Fäuste in die Hüften stemmte.
»Ich hab keine Ahnung, was du meinst«, erwiderte sie, drehte sich um und stampfte in Richtung Eingang. In der Empfangshalle entdeckte ich sie an der Rezeption vertieft in ein Gespräch mit einer älteren Dame. Kaum blieb ich stehen, eilte ein Page zu mir und nahm die Koffer entgegen. Ich sagte ihm meinen Nachnamen und er versprach, das Gepäck in unsere Suite zu bringen. Danach gesellte ich mich zu Valentina und lauschte den vielen italienischen Worten, die über ihre Lippen kamen.
»Deine Buchung ist schon in Bearbeitung. Dora sagte gerade, das Zimmer wäre schon gerichtet.« Die Angestellte tippte auf der Tastatur des Computers herum, drehte sich um und fischte von einem Holzbrett einen Schlüssel mit einem Schwanen-Anhänger aus Gold. Sie reichte ihn mir mit einem freundlichen Nicken und wünschte uns einen schönen Aufenthalt.
»Ciao!«, verabschiedete sich Valentina und blickte erstaunt drein, als ich nach ihrer Hand griff und sie in Richtung Ausgang zog. »Wo zur Hölle gehst du hin? Da hinten geht es zu den Zimmern hoch!«, sagte sie und zeigte über ihre Schulter.
»Glaubst du wirklich, wir haben hier nur ein Zimmer?«, kam es belustigt von mir, während ich sie über einen schmalen, gepflasterten Weg um das Gebäude zog, vor einem separaten Eingang stehenblieb und die Tür aufschloss. Ich erinnerte mich viel zu gut an meinen ersten Aufenthalt hier und die Bitte, nur ein kleines Zimmer zu bekommen. Darüber, dass ich Mister Espositos Willkommensgeschenk abgeschlagen hatte, ärgerte sich Dad heute noch. Dieser Fehler passierte mir sicherlich nie wieder. Mit einem Ruck stieß ich die Tür auf, trat ein und Val folgte mir augenblicklich. Lustigerweise standen unsere Koffer längst vor der Garderobe. Wie schnell war der Typ bitte gewesen? Vor allem bei Vals zehn Zentner schwerem Gepäckstück. Wahrscheinlich war er solche schon gewohnt. Hier ging die Creme de là Creme sicherlich mit fünfzehn Koffern pro Frau ein und aus. Schließlich mussten diese mindestens drei Outfits pro Tagen dabeihaben. Wobei ich bei Val eher darauf tippte, dass sie tausende Schuhe und bequeme Sportklamotten eingepackt hatte.
»Was …« Langsam ging sie an mir vorbei, überblickte die Suite und blieb vor der großen Glasfront, durch die man einen traumhaften Blick auf den See hatte, stehen. »Ein Whirlpool! Ha, ich weiß schon, wo ich die Flasche Schampus genießen werde!« Glücklich klatschte sie in die Hände und erstarrte, als ich ihr meine von hinten auf die Hüfte legte, ihre langen schwarzen Haare aus dem Nacken strich und einen Kuss darauf hauchte. »Caden …« Sie wand sich aus der Berührung.
»Ich weiß, zu viel. Aber ich konnte nicht widerstehen.« Man konnte es nur falsch machen. Eventuell sollten wir irgendwann Regeln aufstellen, wann etwas erlaubt war. Stirnrunzelnd hob ich entschuldigend die Hände und lief rückwärts davon, als es an der Tür klopfte. Hing es vielleicht mit ihren Tabletten zusammen, dass sie körperliche Nähe auf diese Art nicht ertrug? Irgendetwas musste vorgefallen sein, denn früher hatte sie sich nie gegen meine Berührungen gesträubt. »Schau dich noch ein bisschen um«, wandte ich mich noch mal an sie und kaum ausgesprochen schob Valentina die Terrassentür auf und trat hinaus. Im Blickwinkel sah ich, wie sie sich die Schuhe auszog und barfuß über den Rasen bis zum Rande des eigenen Pools lief und die Zehen hineintauchte. Kurz beobachtete ich sie dabei, erkannte sogar aus der Ferne ihr sanftes Lächeln und musste selbst grinsen. Nein, ich konnte sie nicht darauf ansprechen. Nicht hier. Das würde wohl den schlimmsten Sturm in Lebzeiten heraufbeschwören. Ich setzte mich in Bewegung, schob die Gedanken zur Seite und öffnete die Tür. Davor stand ein Mitarbeiter des Hotels und überreichte mir eine Champagnerflasche und zwei Gläser. Zur Begrüßung des Hauses. Mister Esposito ließ sich in nichts lumpen. Ich bedankte mich, übergab ihm ein bisschen Trinkgeld und ging zurück in den offenen Wohnbereich.
»Tja, um die Flasche Schampus müssen wir uns nicht mehr kümmern.« Erstaunt stellte ich fest, dass es sich Valentina schon auf dem großen Boxspringbett gemütlich machte. »Willst du etwa schlafen?«
»Wenn du das Essen heute Abend schon nicht verlegen kannst, möchte ich zumindest etwas die Augen zumachen. Damit ich dort später nicht wie ein Zombie aufschlagen muss.« Es wunderte mich immer noch, dass sie bei der Einladung so schnell klein beigegeben hatte, dachte aber nicht im Traum daran, nach dem Grund zu fragen. Sein Glück sollte man nicht überstrapazieren.
»Okay.« Die Flasche stellte ich auf dem Glasesstisch neben der kleinen Küchenzeile ab und legte mich ebenfalls auf das Bett. Sofort schnappte sich Valentina eines der Kissen, drückte es zwischen uns auf die Matratze und wandte mir den Rücken zu. »Wehe, du kommst mir heute Nacht auch nur einen Zentimeter zu nahe. Dann breche ich dir was.« Belustigt griff ich nach dem Polster, warf es auf der anderen Seite zu Boden und drängte mich von hinten gegen Val. Ihr Hals lag frei und ihre Hauptschlagader schlug sichtbar schneller. Sogar ein Seufzer kroch über ihre Lippen, als ich die Fingerspitzen ihre Hüfte und Oberschenkel entlangwandern ließ.
»Ich hab verstanden. Sex ist erlaubt, aber keine Zärtlichkeiten …«, flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste sie im Nacken. »… wie diese hier.« Meine Hand wanderte wieder nach oben zu ihrem Becken, die Finger krallte ich in den Stoff ihrer Kleidung. Valentina drückte mir ihren Hintern gegen den Schritt und stöhnte auf. »Die Spielchen im Café werden dir noch leidtun.« Während ich die Hand zwischen ihre Beine gleiten ließ und ihr meinen heißen Atem auf ihre Schulter hauchte, klopfte es ein weiteres Mal an der Tür. »Ignorier es«, sagte ich mit kehliger Stimme und öffnete den Knopf ihrer Hose, als das Klopfen lauter wurde.
»Senior Bishop?«, hörte man dumpf vor der Tür. Durch das in der Mitte eingelassene Milchglas sah man einen Schatten auf der anderen Seite.
»Fuck …« Genervt stand ich auf und schritt darauf zu, riss die Suite-Tür schwungvoll auf und blickte in zwei braune Augen. Schon wieder ein Mitarbeiter. Wie oft wollten die heute noch aufkreuzen? Gab es etwa ein weiteres Begrüßungsgeschenk? Wenn ich mir etwas wünschen durfte, war es definitiv meine Ruhe!
»Senior Esposito möchte Sie wissen lassen, dass Sie in einer Stunde von einer Limousine abgeholt werden und Sie diese zu seinem Haus bringen wird. Außerdem soll ich Ihnen diese Broschüren übergeben, damit Sie Ihren Aufenthalt gestalten können. Er hat für Sie einige Anwendungen in unserem Spa-Bereich gebucht, für die Sie Ihren Wunschtermin an der Rezeption ausmachen können. Falls Sie noch irgendwelche Fragen während Ihres Aufenthalts bei uns haben, können Sie sich gerne an mich wenden. Ich stehe Ihnen rund um die Uhr zur Verfügung.« Dabei zog er ein Visitenkärtchen aus seinem Jackett und überreichte es mir. Pasquale . Darunter standen eine Festnetznummer und sogar eine Handynummer.
»Danke, Pasquale«, sagte ich und wollte schon die Tür schließen.
»Nennen sie mich Lino, das ist einfacher.« Zum Abschied hob er die Hand und verschwand wieder in Richtung des Haupteingangs. Kopfschüttelnd schloss ich die Tür hinter mir, lief zum Bett zurück und blieb verwundert stehen, als ich die andere Bettseite leer vorfand. Im Bad nebenan wurde im selben Moment die Duschbrause angestellt und ich konnte es mir nicht nehmen lassen, Valentina Gesellschaft zu leisten. Schnell öffnete ich die Knöpfe meines Hemds, ging auf die Badezimmertür zu und drückte die Klinke hinunter. Verschlossen. War das ihr Ernst? Direkter konnte sie es mir nicht unter die Nase reiben, dass sie keine Lust auf mich hatte. Stöhnend zog ich das Hemd aus, schmiss es auf das Bett und raufte mir die Haare. Bis sie aus dem Bad kam, vergingen gefühlt Stunden, weshalb ich in die Küche lief und den Kühlschrank öffnete. Das nannte ich doch mal Gästebetreuung. Drei Flaschen Bier waren kaltgestellt, eine davon nahm ich heraus und löste den Deckel mit dem Flaschenöffner, der in der obersten Schublade lag. Mit der Bierflasche machte ich es mir auf der Terrasse gemütlich, schaute mir die Berglandschaft auf der Ostseite des Sees an und entdeckte in den Höhen einige Gleitflieger. Endlich mal etwas anderes vor der Nase als die ständigen Wolkenkratzer. Scheiße, sogar die Luft war hier tausend Mal besser als in dem von Abgasen verseuchten New York. Gedankenverloren genoss ich die Landschaft und die vollkommene Ruhe. Vielleicht war es irgendwann eine Option, hier ein kleines Ferienhaus zu kaufen. Zum einen wäre es eine perfekte Alternative, man entkam dem Lärm und Trubel, zum anderen blühte Valentina hier quasi auf. Ihr Lächeln versteckte sich hier nicht hinter einer meterhohen Mauer, die ich zu Hause nur schwer zu Fall bekam. Immerhin hatte ich dadurch das Gefühl, dass die Abwehrhaltung in New York nicht nur an mir lag. Zumindest nicht ausschließlich. Wo wir wieder bei dem Thema mit den Pillen wären.
»Was starrst du denn so ins Leere?«, riss mich Valentina aus den Gedanken und ich staunte nicht schlecht, als ich ihr Outfit begutachtete. Sie trug ein knielanges, dunkelrosanes Kleid aus Seide und dazu weiße High Heels. Der Ausschnitt zog sich tief bis zur Mitte des Bauches, entblößte allerdings nicht zu viel und wirkte nicht zu aufreizend. Ihre Haare fielen glatt über die Schulter und versteckten die dünnen Träger des Kleides.
»Ich genieße die Ruhe, davon gibt es in New York eindeutig zu wenig.« Meine Augen hingen weiterhin am Ausschnitt, wanderten über ihre Schlüsselbeine hinauf, bis wir uns eindringlich ansahen. Sie konnte sagen, was sie wollte, und sich endlos wehren, aber die Luft lud sich bei jedem einzelnen Blick zwischen uns auf. War das vielleicht das Geheimrezept für unsere Beziehung? So weit wie möglich von New York entfernt zu sein?
»Dann solltest du vielleicht öfters hierherkommen, wenn es dir so gut gefällt«, unterbrach sie den Moment und lief zurück in die Suite.
Das werde ich auch tun. Mit dir an meiner Seite.
Ich trank den letzten Schluck aus der Flasche, stand auf und folgte ihr. Mittlerweile durchsuchte sie ihren Koffer und zog einen weißen Blazer heraus. Widerwillig verzog ich kurz das Gesicht, allerdings war es in der Nähe der Geschäftskunden keine schlechte Idee, nicht zu viel Haut zu zeigen. Sollte sie jedoch das Kleid wechseln, würde ich Einspruch einlegen. Bei dem Anblick schossen mir einige warme Gedanken in den Kopf. Dadurch würde das Essen nicht allzu langweilig werden. Die Bierflasche stellte ich auf der Arbeitsplatte ab, schnappte mir den Koffer und legte ihn auf das Bett. Nachdem das Gepäckstück geöffnet war, entschied ich mich für den klassischen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd und ging damit ins Badezimmer, um zu duschen.
»Jetzt wird es aber Zeit, ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr heraus. Der Fahrer hat schon geklopft.« Valentina stand in voller Montur und mit verschränkten Armen vor der Badezimmertür, als ich eine halbe Stunde später hinaustrat. Ungeduldig tippte sie mit dem Fuß auf den Boden.
»Woher plötzlich der Sinneswandel, so schnell wie möglich zu dem Essen zu kommen? Du wolltest doch eigentlich gar nicht hin.«
»Mein Problem ist, dass ich einen verdammten Hunger habe und unser Kühlschrank, außer zwei Flaschen Bier und der Champagnerflasche, nichts beinhaltet.« Frauen und Hunger. Schlimmer konnte es einen nicht erwischen.
»Ich mach ja schon …« Schnell lief ich hinüber zum Koffer, zog die schwarzen Slipper heraus und schlüpfte hinein. Keine fünf Minuten später saßen wir in der Limousine.
Die Fahrt dauerte circa eine halbe Stunde und führte uns über schmale Straßen durch kleine Dörfer, die aus nicht mehr als fünf Häusern bestanden, von denen der Putz nur so herunterbröckelte. Genau wie ich blickte Valentina die ganze Zeit aus dem Fenster und sog jedes noch so winzige Stückchen Landschaft in sich ein. Immer, wenn ein Auto entgegenkam, zuckte ich zusammen und sah uns schon den Abhang hinunterfallen. Eine entspannte Fahrt nannte ich das sicherlich nicht. Doch kaum gelangten wir auf den Berg, erstreckten sich plötzlich zu allen Seiten breitgebaute Villen, die nicht imposanter hätten sein können. Das Auto hielt vor einem mit vielen Strahlern beleuchteten Betonklotz und die Trennscheibe fuhr hinunter.
»Wir sind da. Senior Esposito erwartet Sie bereits«, sagte der Fahrer und schaute uns über den Rückspiegel an. Dankend nickte ich ihm zu, öffnete die Tür und stieg aus. Val rutschte währenddessen auf meine Seite und ich reichte ihr zum Aussteigen die Hand.
»Danke«, hauchte sie und rückte das Kleid zurecht. Wie ein eingespieltes Team drehten wir uns zu dem großen Rolltor herum, Valentina hakte sich bei mir unter, als es schon aufglitt und der Gastgeber mit ausgebreiteten Armen auf uns zukam.
»Willkommen in Italien«, begrüßte er uns, nahm Vals Hand in seine und platzierte einen Kuss auf ihrem Handrücken. Elendiger Schleimer. Mit einem Handschlag hieß er auch mich herzlich willkommen und führte uns in sein Haus. Im Esszimmer erwartete uns schon seine Frau, die über beide Ohren strahlte und sich sofort Valentina zum Plaudern schnappte. Zuerst blickte mir meine Verlobte überfordert entgegen, wünschte mir sicherlich den Tod, da ich ihr das zumutete, jedoch erhellte sich ihre Miene mit jeder Minute ein bisschen mehr.
»Wie war Ihr Flug?«, fragte Vincenzo und reichte mir ein Glas Wein.
»Ganz okay«, erwiderte ich. Selbstverständlich erzählte ich ihm nichts von Dads blöden Einfällen, uns zu piesacken. »Sie wissen ja, wie das mit dem Jetlag ist.«
»Nur zu gut.« Er nickte dabei eindringlich und nippte an seinem Glas. »Ich hoffe, es gefällt Ihnen hier bisher?«
»Allzu viel haben wir noch nicht gesehen. Wir sind erst vor zwei Stunden im Hotel angekommen, aber das werden meine Verlobte und ich die nächsten Tage auf jeden Fall nachholen.« Ich nahm ebenfalls einen Schluck und staunte nicht schlecht über den intensiven Geschmack des Rotweines. »Übrigens, vielen Dank für die Einladung. Wir haben uns sehr darüber gefreut.« Wenn er nur wüsste.
»Sie und Ihre Verlobte sind immer willkommen bei uns.« Mister Esposito wollte schon weitersprechen, als eine Angestellte das Zimmer betrat und uns bat, Platz zu nehmen. Wir setzten uns alle an den großen Tisch aus Eiche, Valentina neben mich und die Gastgeber gegenüber von uns. Aufgeregt fing seine Frau Ofelia an, ihm zu erzählen, dass meine Verlobte italienische Wurzeln hatte – was ihm anscheinend sehr gefiel. »Woher kommt Ihre Familie denn?«, fragte er höflich und bedachte Val mit einem interessierten Gesichtsausdruck.
»Aus Kalabrien«, antwortete sie und fing an zu berichten. Das Eis schien gebrochen und meine Angst, dass der Abend aus trockenen Unterhaltungen bestand, war damit wie weggewischt.
»Waren Sie schon einmal dort?« Ofelia erzählte kurz von ihrem letzten Urlaub in Cosenza.
»Einige Male haben wir meine Großeltern besucht. Seit diese tot sind, war ich allerdings nicht mehr dort«, entgegnete Val daraufhin.
»Das eignet sich doch dann super als Hochzeitsreise«, beteiligte sich Vincenzo am Gespräch und lächelte uns amüsiert an. Sofort verdunkelte sich Valentinas Miene.
»Ja, mal schauen«, kam es schnippisch von ihr. Für ihn nicht bemerkbar, für mich umso mehr. Natürlich musste er das schlechteste Thema ansprechen.
»Übrigens haben Sie ein schönes Haus«, versuchte ich schnell das Ruder herumzureißen. Während die Eheleute Esposito mich anschauten, bemerkte ich, wie sich Val neben mir zurücklehnte und den Blick senkte. Vincenzo fing ausführlich an über den Bau letztes Jahr zu erzählen. Währenddessen kamen die Angestellten rein, servierten das Carpaccio und tischten jedem etwas davon auf. Wir fingen alle an zu essen und ich warf immer wieder eine Frage in den Raum, worauf Vincenzo oder Ofelia breitgefächert und detailliert über die Einrichtung und den Bau des Pools erzählten. Mein Ziel, die beiden erstmal von Valentina abzulenken, gelang und mit jedem Bissen, den sie zu sich nahm, beteiligte sie sich wieder am Gespräch. Der Hauptgang bestand aus, wie mir erklärt wurde, Ossobuco. Kalbfleisch mit Safranrisotto. Erst jetzt merkte ich, wie ausgehungert wir überhaupt waren. Ich häufte gerade etwas Reis auf meine Gabel, als im Türrahmen ein bekanntes Gesicht auftauchte.
»Caden Bishop!«, kam es freudig von Vincenzos Tochter Nuria. Lässig lehnte sie sich an den Türrahmen und sah mich schmunzelnd an.
»Nuria, ich dachte, du kommst erst morgen?« Überrascht stand Ofelia auf und begrüßte ihre Tochter.
»Mein Termin für morgen früh hat abgesagt. Ich dachte, ich überrasche euch. Natürlich wollte ich nicht in das Essen reinplatzen.« Verwirrt spürte ich Valentinas Blicke auf mir, die zwischen uns umherwanderten. Mit einem Räuspern schluckte ich den Reis hinunter, legte die Gabel ab und stand höflicherweise auf, um sie zu begrüßen.
»Schön, dich wiederzusehen.« Langsam ging ich auf sie zu und reichte ihr die Hand. Doch Nuria überrumpelte mich und umfasste mein Gesicht.
»Sei nicht so förmlich«, lachte sie und drückte mir Küsse auf die Wangen. Wir beide kannten uns von meinem letzten Aufenthalt und hatten eine lustige Zeit gehabt. Nicht auf die Weise, wie man es vielleicht denken würde, aber sie hatte mir definitiv gezeigt, wo an einem so verlassenen Ort die Partys stiegen.
Plötzlich fing Val hinter mir an zu husten. Schnell drehte ich mich um, sah, wie sie ihre Hand auf der Brust ablegte und sich nach vorne beugte.
»O Gott, Valentina …«, kam es geschockt von Ofelia, die sofort vom Stuhl aufsprang. Mit rasendem Puls eilte ich zu ihr, setzte mich neben sie. Kaum ließ man sie eine Sekunde aus den Augen, verschluckte sie sich an einem verdammten Stück Fleisch.
»Hey, ganz ruhig atmen.« Besorgt legte ich ihr eine Hand auf den Rücken, klopfte leicht darauf und strich darüber. Val hustete weiter, griff nach der anderen und atmete tief ein.
»Geht’s wieder?«, fragte ich sie und zog sie zu mir. Erschöpft lehnte sie ihren Kopf kurz gegen meine Schulter, nahm einige Atemzüge, bevor sie sich aufrichtete.
»Ja, alles okay«, antwortete sie und warf Nuria einen bissigen Blick zu. Sie hatte doch wohl nicht … Fuck! Val war eifersüchtig. Ich verkniff mir ein Lachen und richtete mich an die Tochter des Gastgebers.
»Nuria, das ist übrigens meine Verlobte, Valentina.«
»Schön, dich kennenzulernen«, sagte diese und reichte ihr die Hand. Wenn Val nur wüsste, dass Vincenzos Tochter ebenso wenig Interesse an mir wie ich an ihr hatte.
»Ebenfalls«, antwortete Val und schenkte ihr ein aufgesetztes Lächeln. Diese Eifersucht in ihren Augen zu sehen … Scheiße, von mir aus konnten wir nicht schnell genug zurück in die Suite kommen.
»Ich möchte aber gar nicht weiter stören und wollte nur kurz Hallo sagen. Auf mich wartet noch ein bisschen Arbeit für heute. Wir sehen uns die Tage bestimmt noch, oder?«
»Bestimmt«, entgegnete ich. Nuria nickte und verabschiedete sich. Nachdem der Schreck verdaut war, aßen wir still weiter. Den Nachtisch servierten die Angestellten im Wohnzimmer, wo wir auch den restlichen Abend verbrachten und über alles Mögliche sprachen. Ofelia empfahl uns viele Restaurants direkt am Wasser und Vincenzo Sehenswürdigkeiten, die wir uns anschauen sollten.
»Ich würde sagen, wir treffen uns morgen früh auf der Baustelle und besprechen dort alles Geschäftliche«, wandte er sich einige Stunden später an mich, als Valentina und ich aufbrechen wollten.
»Okay, dann bin ich um halb elf dort.«
Vor dem Haus wartete schon die Limousine, die uns wieder zurück zum Hotel fuhr. Während der Fahrt den Berg runter tippte ich die ganze Zeit auf dem Handy herum, denn im Dunkeln wirkten die Klippen umso gefährlicher. Stetig kamen wir dem Wasser näher, wodurch sich auch mein Puls beruhigte und ich entspannt im Sitz zurückfiel.
»Diese Schuhe bringen mich um«, presste Val hervor, als ich die Suite-Tür aufschloss, wir eintraten und sie sich die hohen Hacken von den Füßen trat.
»Wieso ziehst du sie dann an?«, fragte ich und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Ja, genau, hättest du es etwa akzeptiert, wenn ich mit Flip-Flops oder Sneakern zu dem Essen gegangen wäre?« Sie baute sich vor mir auf und starrte mich an.
»Natürlich«, log ich und schmunzelte. Scheiße, von mir aus hätte sie zu meinem Vergnügen nackt gehen können. Wären da nur nicht die anderen gewesen.
»Lügner.« Belustigt schlug sie mir gegen die Brust und lauschte der gedämpften Musik, die von draußen in die Suite drang. »Ist hier irgendwo eine Party?«
»Das kommt sicherlich von der Bar nebenan.«
»Uh, da hole ich mir doch direkt mal einen Cocktail.« Mit schnellen Schritten lief sie auf die Terrassentür zu, schob sie auf und ging barfuß hinaus. Auf Zehenspitzen versuchte sie neben dem Pool über die dichte Hecke zu schauen.
»Wir haben hier Champagner. Wieso willst du jetzt einen Cocktail?« Rasch lief ich ihr hinterher und stellte mich daneben.
»Zum Einstieg«, erwiderte sie und zuckte mit den Schultern. Nein, ich konnte nicht länger warten. Ruckartig packte ich sie am Oberarm, drehte sie zu herum und zog näher zu mir.
»Was sollte das vorhin eigentlich? Mit Nuria und der Verschluckt-Taktik?«, fragte ich amüsiert, blickte ihr tief in die Augen und baute mich vor ihr auf.
»Ich hab keine Ahnung, was du meinst.« Im selben Moment wirkte sie eingeschüchtert, beobachtete meine Gesichtszüge ausgiebig und versuchte, den Augenkontakt zu vermeiden. Ausweichend machte sie einen Schritt zur Seite, doch ich hielt sie zurück, ging weiter auf sie zu und drängte sie in Richtung Pool.
»Gib es einfach zu, dass du mich liebst«, flüsterte ich mit dunkler Stimme. Verunsichert schaute sie über die Schulter, entdeckte die Poolkante, die immer näherkam. »Caden!«
»Ich höre erst auf, wenn du es sagst.«
»Du willst es tatsächlich hören?«
»Ja«, knurrte ich, beugte mich zu ihr hinunter und spürte ihren heißen Atem auf meiner Wange. Sie schlüpfte aus dem Griff und stellte sich auf Zehenspitzen.
»Ich hasse dich, Caden Bishop.« Eine klare Lüge, denn ihre Mundwinkel zuckten nach oben, wodurch auch ihre Grübchen zum Vorschein kamen. Ich ging einen weiteren Schritt auf sie zu, sie einen großen zurück und knickte um, weshalb das Unglück nicht mehr zu verhindern war. Valentina rutschte auf der Kante aus und fiel mit einem Aufschrei rückwärts ins Wasser. Vor lauter Lachen hielt ich mir den Bauch, stützte mich mit einer Hand auf dem Knie ab und musste bei Vals bedröppeltem Anblick, als sie wieder auftauchte, noch mehr prusten.
»Du bist so ein Arsch«, fluchte sie mit belustigter Stimme und wischte sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. Langsam ging ich am Rand in die Hocke und streckte zur Hilfe meine Hand aus.
»Das hast du davon, wenn …« So schnell, wie Val sie packte und mich unerwartet hineinzog, konnte ich nicht reagieren. Mit einem lauten Klatscher folgte ich ihr. Untergetaucht sah ich, wie Val mit ihren Füßen auf dem Beckenboden herumtänzelte. Ich umgriff ihre Beine, zog sie unter Wasser und schluckte etwas davon, als ich von ihren wild umher schwimmenden Haaren lachen musste. Wahrhaftig sah sie aus wie eine Wasserhexe. Ihr grimmiger und belustigter Gesichtsausdruck machte es nicht besser. Wir tauchten beide auf und ich fing an, Wasser in ihre Richtung zu spritzen. Der Anzug klebte wie eine zweite Haut an mir und saugte sich komplett voll.
»Hör auf!«, lachte sie und bändigte ihre Mähne. Als sie einen Moment nicht aufpasste, schwamm ich schneller denn je auf sie zu, packte sie an den Hüften und drückte sie mit dem Rücken gegen den Beckenrand. Automatisch legten sich mir ihre Hände um den Hals und ihre Atmung ging stoßweise. Sogar völlig durchnässt sah sie wunderschön aus. Durch das Gezanke im beheizten Wasser hatten sich von meinem Hemd die ersten drei Knöpfe geöffnet. Sachte fuhr mir Val mit ihrem Zeigefinger über die Brust, ich starrte auf ihre Lippen, auf die sie sich im selben Moment biss. Irgendwann würde ich die Worte noch aus ihrem Mund hören, hundertpro. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber der Tag würde kommen. Ich sah das Funkeln in ihren Augen, das mir so viele Monate gefehlt hatte und die Vorwürfe darin verdrängte. Denn allzu lang hätte ich diese nicht mehr ertragen. Augenblicklich packte ich ihre Hüften fester, drängte mich ihr entgegen und spürte ihre Mitte durch den klebrigen Stoff an meinem harten Schwanz.