»Ich bin vollkommen erledigt«,
stöhnte ich und fuhr mir mit der Hand in den Nacken. Der Tag hatte es in sich gehabt und ich freute mich nur noch darauf, mit den Klamotten ins Bett zu fallen. Außerdem stand morgen die Rückreise an, weshalb der Wecker uns früh aus den Federn schmeißen würde. Schwer ausatmend schmiss ich den Schlüssel der Suite auf den Esstisch, zog das Sakko aus und legte es über eine Stuhllehne. Hinter mir trat Val ein, schloss die Tür und lachte kurz auf. Fuck. Val in den Armen zu halten und gemeinsam die Sterne beobachtet zu haben, war wie aus einer Schnulze entsprungen, gab mir aber das
Gefühl, dem Sinn des Lebens einen Schritt nähergekommen zu sein. Mit ihr. Hand in Hand. Wir hatten beide an dem vertrauten und intimen Moment festgehalten, bis Nuria am Steg aufgetaucht war und die Blase hatte platzen lassen. Äußerst ungern hatten wir uns voneinander gelöst und den Rest des Abends mit leckerem Essen und Wein genossen. Tatsächlich wusste ich gar nicht mehr, wie man das überhaupt tat. Der Abstand zu New York und den vielen negativen Stimmen kam nicht nur unserer Beziehung zu Gute, sondern auch mir selbst. Hier war es für mich kein Problem, den ganzen Nachmittag über Geschäfte zu sprechen, ohne dass mir jemand im Nacken saß und darauf hoffte, einen Fehler zu entdecken.
»Ich fand es heute eigentlich ganz schön«, erwiderte Valentina und setzte sich auf einen der Stühle. Während sie die Riemchen ihrer Schuhe öffnete und sich nach vorne bückte, gewährte sie mir einen wunderbaren Einblick zwischen ihre Brüste.
»Na ja, du bist von uns beiden heute auch am besten davongekommen. Shoppen, gutes Essen und den ganzen Abend über Alkohol. Das schreit förmlich nach dem besten Tag im Leben der Valentina Caruso.« Ich fingerte an den Manschettenknöpfen herum, öffnete sie ohne Probleme und krempelte die Hemdärmel hoch. In der Suite war es total schwül und stickig. Sicherlich lag es daran, dass den ganzen Tag über die Sonne auf die Glasfront geschienen hatte und die Fenster alle geschlossen waren. Übermüdet setzte ich mich ihr gegenüber, pfriemelte nebenbei die Hemdknöpfe auf und bekam endlich das Gefühl, wieder normal atmen zu können.
»Hallo, was soll das bitte schön heißen? Du kommst doch auch auf deine Kosten. Immerhin habe ich dich hierherbegleitet, also sei mal ganz schnell ruhig, mein Freund.« Tadelnd hob sie den Zeigefinger und lachte dabei. Ihr Gelächter traf mich mitten ins Herz, erwärmte es und brachte es heftig zum Schlagen. Vielleicht sollte ich sie heimlich fotografieren, wenn Val einfach nur sie selbst war und all die dunklen Gedanken vergaß, lebte. Denn ich konnte schwören, dass zu Hause alles wieder seinen Lauf nehmen würde. Doch ein letzter großer Funken Hoffnung blieb in mir am Leben, der nichts unversucht lassen würde, dieses Lächeln noch einmal zu sehen.
»Stimmt, tut mir leid.« Ich verbeugte mich spielerisch vor ihr und legte dabei die Handflächen aneinander. »Meine Königin.« Schon während ich die Worte aussprach, prustete ich los und schlug mit der Hand auf die Tischplatte.
»Scheiße, endlich hast du es eingesehen!«, legte Val einen drauf und stimmte in das Lachen ein. »Dafür hat es viel zu lange gedauert.« Derweil stand sie auf und tapste zum Kühlschrank.
»Das weiß ich schon ziemlich lang, nur du anscheinend nicht.« Belustigt zwinkerte ich
ihr zu, worauf sie mit einem Lächeln auf den Lippen die Augen verdrehte. In der Zwischenzeit nahm ich das Lederarmband und die Uhr von den Handgelenken und fuhr mir durch die Haare. Kronkorken fielen auf die Arbeitsplatte, eine Schublade wurde zugeschoben und keine Sekunde später setzte sich Valentina mir wieder gegenüber, reichte mir eine Flasche herüber.
»Caden, die überromantische Art passt so gar nicht zu dir.«
»Ich weiß, lieber ficke ich dich auf dem Boden und zolle dir damit meinen Dank.« Wir tranken beide einen Schluck.
»Das ist schon eher dein Stil«, hauchte sie verführerisch, während ihre Iriden meinen Oberkörper inspizierten.
»Ich verdeutliche ihn dir gerne.« Scheiße, für langatmigen Sextalk war ich nicht geschaffen. Lieber fickte ich gleich drauflos und sparte mir die ganzen Worte. Ruckartig erhob ich mich ein Stück vom Stuhl, kam Val näher. Ihre Finger tänzelten über meinen Arm zu meinem Handgelenk … und fuck. Sie hatte die Narbe ertastet. Schlagartig löste sie den Blick von mir, schaute hinab auf Stelle. Fuck! Darüber hatte ich vorhin beim Ablegen des Bandes und der Uhr gar nicht nachgedacht.
»Was ist das?«, fragte sie verwirrt und packte meine Handgelenke fester.
»Nichts«, kam es patzig von mir, als ich mich von ihr löste und zurück auf den Stuhl sank. Unglaubwürdig starrte sie mir in die Augen und der Abend war gelaufen.
»Die Antwort kannst du dir sonst wo hinschieben! Sowas ist nicht nichts!« Die Stuhlbeine scharrten über den Boden, als sie aufsprang und um den Tisch herum auf mich zukam, meine Hände packte und die andere Narbe mit dem Zeigefinger nachzeichnete. »Caden …« Ihre Stimme glich einem Hauch, zart und schmerzerfüllt.
»Lass das.« Genervt schob ich sie von mir und drängte mich an ihr vorbei, hinüber ins Badezimmer. Ganz bestimmt schüttete ich ihr jetzt nicht mein Herz aus und erzählte, wo ich letztes Jahr wirklich gewesen war. Niemals sollte sie die Schwäche in mir sehen, die mich dazu getrieben hatte. Nicht den gebrochenen Mann, der keinen Ausweg mehr gewusst hatte und dem Elend ein Ende hatte setzen wollen.
»Hey!«, schrie sie und folgte mit eiligen Schritten. »So kommst du mir nicht davon!« Ich spürte sie schon hinter mir, wirbelte herum und schenkte ihr einen zornerfüllten Augenaufschlag. Nicht jetzt, nicht hier. Das würde alles in vollkommener Zerstörung enden.
»Was soll ich nicht? Dir die Vergangenheit verschweigen, so wie du es die ganze Zeit tust?!« Meine Stimme erhob sich mit jedem Wort mehr, schallte durch die Suite.
»Das ist etwas ganz anderes«, druckste sie herum, versuchte, nach mir zu greifen, doch ich schlug ihre Hände von mir und wich einen Schritt zurück.
»Kein bisschen. Also bevor du nicht den Mund aufmachst, hörst du keinen Ton von mir! Und jetzt geh raus.« Knurrend drehte ich ihr den Rücken zu, zog das Hemd endgültig aus und schmetterte es in die Ecke. Valentina stand weiterhin wie angewurzelt mit zu Fäusten geballten Händen im Türrahmen. Man sah ihr an, dass sie mit sich haderte. Nicht wusste, welchen Schritt sie als Nächstes tun sollte. Sichtlich verwirrt bewegte sie sich zurück in den Wohnraum, um sofort wieder umzudrehen und sich entschlossen vor mir aufzubauen.
»Nein«, entgegnete sie mit harter Stimme und stemmte die Hände in die Hüfte. Woher kam plötzlich dieser Wille? Sonst rannte sie vor jeder brenzligen Situation weg, suchte Auswege, Fragen zu umgehen oder Worte nicht hören zu wollen. Und genau jetzt stellte sie mich zur Rede, obwohl sie mir selbst rein gar nichts anvertraute.
»Vergiss es.« Ich stürmte an ihr vorbei, stieß sie zur Seite, sodass sie gegen den Türrahmen prallte, und setzte mich haareraufend auf das Bett. Gleichzeitig hörte ich ihre Tapser über dem Steinboden. Erinnerungen an einen der dunkelsten Tage in meinem Leben kamen hoch, zeigten mir, was für eine Flasche ich eigentlich war. Sogar Dad benutzte den Spitznamen, machte keinen Hehl daraus, dass er seinen eigenen Sohn für rückgratlos hielt. Alles, was ich spürte, war Schmerz, der durch meine Adern zog, mich völlig vereinnahmte und an dem ich vor über einem Jahr zerbrochen war. Valentinas Stimme und ihre gestikulierenden Hände nahm ich nur dumpf wahr, starrte unentwegt auf den Boden. Der einzige Hoffnungsschimmer damals war der Moment gewesen, als all der Schmerz nachgelassen hatte und das Licht endlich nähergekommen war.
»Caden!« Sie rüttelte an meinen Schultern, holte mich zurück. All das lag hinter mir und daran zu denken, sollte sich verfickt noch mal nicht mehr so anfühlen, als würde ich es ein weiteres Mal durchleben.
Nie wieder darf dir der Bezug zur Realität und vor allem zu dir selbst entgleiten
, hörte ich die Worte meiner damaligen Therapeutin. Ich musste kämpfen, mit schwierigen Situationen umgehen zu können und nicht daran zu zerbrechen. Fuck, ich versuchte es so sehr! Aber Val der Verzweiflung so nah hier stehen zu sehen, riss mir das Herz aus der Brust und warf es in hohem Bogen in das tiefschwarze Wasser des Sees. Mit letzter Kraft verbannte ich die Gedanken in die hinterste Ecke meines Bewusstseins, sprang auf und packte Val seitlich bei den Oberarmen. Ich drängte sie durch den Raum, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand prallte und nach Luft schnappte.
»Du hast kein verdammtes Recht, mich hier zur Rede zu stellen! Nicht du, die vor zu viel Nähe flüchtet und verstummt, wenn man Fragen stellt, und mir nicht die beschissene Wahrheit sagt, woran unsere Beziehung gescheitert ist!« Es sprudelte nur so aus mir heraus. Ein unangenehmer Druck breitete sich in meinen Schläfen aus und Vals Augen wanderten über mein Gesicht und den Hals. Sicherlich quollen meine Adern bedrohlich hervor, zeigten ihr, wie sehr ich mich gerade beherrschte. Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln, während sie ihre Hand hob und mir etwas von der Wange wischte. Bei mir liefen sie offenbar bereits, ohne dass ich es bemerkt hatte. Abrupt ließ ich von ihr ab, ging zurück zum Bett und setzte mich, sackte zusammen wie ein Häufchen Elend.
»Ich fass es nicht …« Vor mir schritt sie auf und ab, warf fassungslos die Hände in die Luft. »Du bist so scheinheilig, sagst ständig: Du musst mir die Wahrheit sagen und selbst bist du keinen Deut besser!«
»Sei ruhig!«, brüllte ich völlig außer mir. »Was willst du hören? Dass ich am Ende unserer Beziehung zerbrochen bin? Dass ich den größten Fehler begangen habe und mir nicht vorstellen konnte, ohne die Liebe meines Lebens weiterzumachen? Bitte schön!« Valentina erstarrte zur Salzsäule, verspannte sich am ganzen Körper. »Fuck, ich war am Ende, Val, und hab keinen anderen Ausweg mehr gewusst.« Zur Verdeutlichung stand ich auf, hob ihr meine Handgelenke unter die Nase, damit sie die Narben noch mal sehen konnte. »Die erinnern mich jeden Tag daran, wie ich dem Ganzen wie ein Feigling ein Ende setzen wollte.« Ich machte eine kurze Pause, gab ihr Zeit, das Gesagte und den Schmerz dahinter zu realisieren. »Graham hat mich blutbesudelt im Badezimmer gefunden, als ich schon längst bewusstlos war. Wir waren nicht verabredet gewesen, nein, er kam spontan vorbei und … hat mein Leben gerettet.« Ihr Kopf schnellte nach oben, völliges Entsetzen stand Val ins Gesicht geschrieben. »Ich verdanke ihm alles«, redete ich weiter, fühlte mich mit einem Schlag emotional ausgebrannt.
»Deshalb hältst du so an dem Mistkerl fest«, nuschelte Val und verstummte sofort wieder, als sie den unpassenden Kommentar schnell bereute.
»Ja, genau deswegen.« Gequält verzog ich die Mundwinkel. Auch wenn ich Gray 95 Prozent unserer gemeinsamen Zeit den Hals umdrehen und ihn in die Wüste schicken wollte, kam es mir unmöglich vor, es durchzuziehen. Dafür stand ich zu sehr in seiner Schuld. Ohne ihn hätte es die schönen Momente mit Valentina nicht gegeben und die erneute Annäherung. Außerdem wäre ich nie in den Genuss von Vals unbedachten Blicken, Worten und Gefühlsausbrüchen gekommen, die unser Zusammenleben so kostbar und reizvoll machten. Nie wieder wollte ich so einen Augenblick der Schwäche verspüren, nur nach vorne schauen und glücklich sein. Mit Valentina.
»Das Studienjahr im Ausland …?«, drang ihre Stimme leise zu mir durch. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich und zeigten keinerlei Regung. Die Antwort konnte sie sich sicherlich schon denken.
»Eine Lüge.« Fuck, diese Worte auszusprechen, kostete mich all meine Kraft. Sofort schlug ihre Miene in Besorgnis um. Nie hatte Valentina die zerbrechliche Seite in mir sehen sollen. Ihren traurigen Gesichtsausdruck hielt ich nicht mehr aus, wandte mich von ihr ab und eilte zur Terrassentür. Mit einem Ruck zog ich sie auf, trat an die frische Nachtluft und nahm einen tiefen Atemzug. Statt mir zu folgen, blieb sie in der Suite und beobachtete mich durch die Fensterscheibe. Erschöpft fiel ich auf den Rattan-Sessel, legte den Kopf in den Nacken und einen Unterarm über die Augen. Ihr die Wahrheit gesagt zu haben, veränderte alles. Aber was hatte ich erwartet? Dass es für immer unausgesprochen bleiben würde? Wahrscheinlich hatte sich Dad den großen Knall für die Hochzeitsansprache aufgehoben, um seinen Sohn vor all den Gästen, insbesondere Valentina, bis aufs Mark zu blamieren. Gefühlt für eine Ewigkeit verharrte ich in der Position, konnte mich nicht regen. Wie sollte es nun weitergehen? Sah sie noch den gleichen Mann in mir wie vor einer halben Stunde? Oder nur einen schwächlichen Versager?
Nein, ich sollte nicht hier draußen sitzen, allein Trübsal blasen und Zorn gegen Val hegen, weil sie mich zur Rede gestellt hatte. Was passiert war, gehörte zu meiner Vergangenheit. Nichts machte es ungeschehen und ich musste langsam lernen, damit umzugehen, und dementsprechend auch darüber reden. Gerade als ich mich aufraffen wollte, erschien Valentina auf der Terrasse. Eine Weste über die Schultern gelegt stand sie mit verschränkten Armen da.
»Kommst du rein?«, kam es zögerlich von ihr. Ich nickte, erhob mich und folgte ihr in die Suite. Statt etwas zu sagen, nahm Val meine Hand, lief hinüber zum Bett, auf das wir uns nebeneinanderlegten. Keine Berührung, nichts. Aber genau das half mir, loszulassen, mir die Scheiße endlich von der Seele zu reden.
»Ich war ein Jahr in Therapie«, glitt es mir über die Lippen, die Augen dabei auf die Decke gerichtet. Sie antwortete nicht, wartete, bis ich weitersprach und legte ihren Kopf auf ihrem Unterarm ab. »In Los Angeles. Dad hat es allen als Auslandsjahr verkauft. Es sollte sich ja niemand über seinen suizidgefährdeten Sohn das Maul zerreißen und ihn damit lächerlich machen, weil er so einen Schlappschwanz aufgezogen hat.« Bei dem Gedanken an seine Ansprache im Krankenhaus musste ich auflachen. Genau das war der Tag gewesen, an dem unsere Beziehung völlig den Bach runtergegangen war und keine Chance mehr bestanden hatte, sie zu kitten. »Ich war nicht ich selbst, saß tagelang da und hab nur aus dem Fenster gestarrt, nichts gegessen und den Sinn im Leben gesucht. Das
Einzige, was mir einfiel, warst du … und dich hatte ich verloren. Für immer. Hätte jemand in dem Zustand ein Messer neben mir liegen gelassen, hätte ich es sofort wieder getan. Doch ich stand 24 Stunden unter Beobachtung.«
Valentina rückte ein Stückchen näher, fuhr mir liebevoll durch die Haare und legte mir ihre Hand auf die Brust. »Und irgendwann kam der Tag, an dem alles aus mir rausquoll. Fuck, ich hab den ganzen Frust aus mir herausgeschrien, kein Detail ausgelassen und meinen Gedanken freien Lauf gelassen. Es hat gutgetan und von da an ging es auch bergauf. Graham hat mich alle zwei Wochen besucht, mir den Rücken gestärkt und ich kann selbst kaum glauben, es auszusprechen … aber er hat mir auf die Beine geholfen. Mir die schönen Dinge des Lebens, für die es sich zu leben lohnt, vor Augen geführt.« Wer hätte gedacht, dass Graham eine fürsorgliche Seite hatte? Wahrscheinlich niemand. Doch in der dunkelsten Stunde hatte er zu mir gestanden, im Gegensatz zu meinen Eltern. Langsam drehte ich den Kopf zu Valentina, sah in ihre rotunterlaufenen, braunen Augen. »Ich weiß, dass ich dich zutiefst verletzt habe, und kann dir nicht oft genug sagen, wie sehr ich es bereue.« Vorsichtig robbte sie zu mir, drückte ihre Lippen auf meine. Der sanfte und zugleich impulsive Kuss sagte mehr als tausend Worte. War das die Vergebung, auf die ich so lange gehofft hatte?
Schweren Herzens ließ ich zu, dass Val sich von mir löste, und war überrascht, als sie ihren Kopf auf meiner Brust ablegte. Seit einer Ewigkeit hatten wir nicht mehr so beieinandergelegen und ich würde einen Teufel tun, daran etwas zu ändern. Das Gefühl, einander ein Stück nähergekommen zu sein, brachte alles in mir zum Beben und unzählige Glücksgefühle schossen umher. Musste erst die Welt über einem zusammenbrechen? Fuck, wenn es notwendig war, konnte sie in Schutt und Asche liegen, solange Val weiterhin an meiner Seite war.
»Es tut mir so leid …«, flüsterte sie. Erleichtert darüber, dass Valentina nun Bescheid wusste, fiel es mir schwer, ihre Worte einzuordnen. Tat es ihr leid, weil sie nichts von sich preisgab? Stopp, so durfte ich nicht denken, sondern musste ihr Zeit geben. »Ich finde, du bist alles andere als schwach. Du hast gegen deine inneren Dämonen gekämpft und lässt sie nicht weiterhin über dich bestimmen. Das zeigt von großer Stärke, Caden, weshalb ich dich auf keinen Fall verurteilen würde, wie deine Eltern es tun«, sagte sie einfühlsam und strich mit dem Zeigefinger meine Bauchmuskeln nach. Ihre Mauer bekam Risse und irgendwann würde der Tag kommen, an dem sie so weit war, an dem sie einstürzte und ich an ihrer Seite stand, um sie aufzufangen. Es wäre ein leichtes Spiel gewesen, sie in diesem Zuge auf die Tabletten anzusprechen, ich schluckte die Frage allerdings herunter, um die eingekehrte Ruhe nicht zu zerstören. Ihrem gleichmäßigen Atem lauschend fuhr ich Valentina sanft über den Hinterkopf, schloss die Augen und fiel nach wenigen Minuten in
einen eher leichten Schlaf. In der Nacht wachte ich einige Male auf, spürte, dass sie weiterhin in meinen Armen schlief, und dämmerte selbst sofort wieder weg.