20
»Die Bilder sollten in seinem Büro oder an einem ähnlichen Ort sein. Dort würde ich so etwas aufbewahren. Am besten durchsuchen wir es zuerst«, fing Caden an. Die Rodriguez-Villa war schon voller Menschen, alle wollten die Spenden-Veranstaltung der Familie nicht verpassen. Da sie genau am Valentinstag stattfand, hingen bunte Luftballons in Form von Herzen stilvoll im Raum.
»Ich glaub es nicht, dass wir so den Tag verbringen«, schnaubte Caden belustigt, als wir die Vorhalle durchquerten, und legte mir eine Hand auf den Rücken.
»Jemandem zu seinem Glück zu verhelfen, macht den Tag doch so richtig besonders«, erwiderte ich daraufhin und entdeckte Celias Eltern am Treppenabsatz mit einem weiteren Pärchen.
»Unsere Tochter befindet sich gerade in Spanien und hilft ihrem Onkel«, gab Tatjana von sich. Am liebsten würde ich hingehen und ihr sagen, wo sich Celia wirklich befand: wahrscheinlich unter Theo. Am besten setzte ich noch einen drauf und berichtete, wie er weißes Pulver von ihrem Körper zog und dass sie schon schwanger war. Auch wenn kein Wort stimmte, der Ausdruck in ihrem Gesicht wäre göttlich. O ja, ihren Blick würde ich zu gern sehen.
»Dein Grinsen gefällt mir nicht.« Misstrauisch beäugte mich Caden von der Seite und schnaubte. Sicherlich traute er mir zu, gleich die Krallen auszufahren.
»Es gefällt mir nicht, wie dieses Miststück über sie redet.«
»Aber jetzt dorthinzugehen, wird ihnen nicht helfen.« Er schob mich weiter vorwärts. »Komm.« Zum Glück war Caden von uns beiden derjenige, der an die Vernunft appellierte.
»Okay, okay. Ich werde in der Küche nachschauen gehen.«
»Warum sollte er die Unterlagen gerade da versteckt haben?« Mein Verlobter blieb stehen, hob verständnislos die Hände in die Luft und blickte mich mit gerunzelter Stirn an.
»Keine Ahnung, könnte ja sein«, entgegnete ich kurz angebunden und zuckte mit den Schultern. Einen Abstecher war die Küche doch wert. Caden zog die Augenbrauen bei meinen Worten hoch und fing an zu grinsen, als wäre der Groschen bei ihm gefallen. »Du bist hungrig, oder?« Kopfschüttelnd strich ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Ich denke darüber nach, dich aufzuessen, sobald wir hier rauskommen. Wie klingt das für dich?«, neckte ich ihn, woraufhin er einen Arm um meine Taille legte und wir uns wieder in Bewegung setzten.
»Dann gehen wir in die Küche etwas essen und danach auf die Suche«, willigte er ein und unterdrückte ein Lachen. Mit einer hungrigen Frau war nämlich nicht zu spaßen! Valentina!« Die Stimme erkannte ich sofort und drehte mich freudig um.
»Everly!«, tat ich es ihr mit einem breiten Grinsen gleich. Wir stürmten aufeinander zu und umarmten uns.
»Die Veranstaltung ist so lahm«, stöhnte sie.
»Warum bist du dann noch hier?«, erkundigte ich mich lachend.
»Ach, Collin wollte unbedingt hierher. Keine Ahnung, warum. Eigentlich ist er froh, Anthony nicht vor die Füße zu laufen, und nun taucht er freiwillig hier auf? Und da dachte ich: Ach, machst du ihm eine Freude und kommst mit. Doch jetzt find ich ihn nicht mehr. Wie vom Erdboden verschluckt.« Mit dem Latein am Ende schaute sie in alle Richtungen und suchte die Menge ab. Was sich durch die vielen Gäste allerdings als schwierig herausstellte.
»Ist er vielleicht irgendwo bei Alvaro?«, kam es nun von Caden, der mit den Schultern zuckte und die Hände in den Hosentaschen vergrub.
»Wie kommst du denn darauf?« Irritiert blickte sie ihn an, doch er überhörte ihre Worte und räusperte sich. Okay, wir sollten wohl das Thema wechseln.
»Was ist mit Phil?«, grätschte ich zwischen die Fronten und hörte von Everly nur ein Schnalzen.
»Natürlich fragt sie danach«, knurrte Caden leise hinter mir und ich verdrehte grinsend die Augen.
Everly hingegen wandte sich bei der Frage wieder zu mir, sie biss sich auf die Lippen. »Ich hab ihm geschrieben, ob er vorbeikommen möchte. Aber sicher hat er keine Lust …«
»Das glaub ich nicht«, machte ich ihr gleich Hoffnung und konnte mir nicht vorstellen, dass Phil eine Chance ausließ, um sich mit ihr zu treffen. Besonders, wenn er auf eine solche Party gehen durfte.
»Wir haben keine Zeit, jetzt über sowas zu reden. Los jetzt.« Caden wollte mich weiterziehen, doch ich blieb standhaft.
»Willst du mitkommen? Wir sind auf geheimer Mission.« Sofort leuchteten Everlys Augen. Der Vorschlag schien ihr besser zu gefallen, als den ganzen Abend nach Collin suchen zu müssen.
»O ja! Endlich etwas Spannendes. Ich hatte schon überlegt, mich hier irgendwo einzusperren und einfach anzufangen, eine Serie zu schauen«, erwiderte sie.
»Uh, welche denn?«, erkundigte ich mich gleich.
»Mädels«, zischte Caden und stellte sich zwischen uns. Rasch legte ich die Hände in seinen Nacken, drehte seinen Kopf zu mir herum und grinste ihn an.
»Du musst solche versteckten Ermittlungen witziger angehen«, gab ich belustigt von mir und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sofort legten sich seine Hände auf meine Hüfte.
»Ich werde entspannen, sobald wir hier raus sind«, erwiderte er und hatte dabei ein anzügliches Grinsen auf dem Gesicht, woraufhin ich lachen musste und mich von ihm löste.
»Also, Everly, wir werden in Anthonys Büro einbrechen. Da werden wir wohl am meisten Erfolg haben.« Wie ich und Celia letztes Mal.
»Was?!« Sie schaute mich geschockt an, ich nickte trocken und weihte sie, soweit es ging, auf dem Weg ins Büro ein. Dadurch dass hier alle durcheinanderliefen, war es dieses Mal ein Leichtes, dorthin zu gelangen. Als ich die Klinke nach unten drückte, entfleuchte mir allerdings ein leises Zischen.
»Natürlich verschlossen.« Fluchend drehte ich mich zu den beiden um und löste eine Spange aus meinen Haaren. »Rückt mal so nah aneinander, als würdet ihr hier rummachen, solange ich das Schloss knacke.«
»Das ist ein schlechter Witz, oder?«, kam es von Caden und Everly gleichzeitig, die unbewusst einen Schritt nähertraten und somit fremde Blicke abschirmten.
»Perfekt!«, meinte ich nur, kniete mich hin und vernahm ihr Fluchen. Konzentriert widmete ich meine volle Aufmerksamkeit dem Schloss, während die beiden hinter mir leise tuschelten. Es war nicht gerade leicht, das Knacken trotz der vielen Stimmen im Hintergrund zu hören. Doch dann ertönte ein ‚Klick‘ und die Tür öffnete sich, als ich ein weiteres Mal den Türgriff betätigte.
»Das beantwortet mir die Frage, wie du immer in mein Haus gekommen bist«, murmelte Caden und schüttelte den Kopf.
»Yeees!«, rief ich und schlüpfte durch den Türspalt hindurch. Die beiden folgten und Everly schloss die Tür hinter sich. »Durchsucht einfach alles«, murmelte ich noch, fing an, wie letztes Mal zu suchen und dort zu schauen, wo Celia und ich etwas entdeckt hatten. Fehlanzeige. Mist. Selbst am Stuck-Rahmen des verfickten Kamins suchte ich nach einem Knopf, der irgendwas öffnen konnte. Bösewichte hatten doch immer so etwas. Auf einmal hörten wir, wie jemand die Türklinke drückte, lauschten gedämpften Stimmen.
»Fuck«, hauchte ich. Wir drei sahen uns nacheinander an und schauten zum Schreibtisch, hinter dem wir uns schnell versteckten. Wenn das jetzt Anthony oder Tatjana waren, waren wir sowas von erledigt. Die Zimmertür knarzte, die Musik und das Gebrabbel der Gäste drangen laut zu uns, bevor es wenige Sekunden später wieder verebbte.
»Verdammt, Alvaro, warum kannst du nicht normal mit mir auf dem Flur reden?« Everlys Augen weiteten sich. Anscheinend hatte sie ihren Bruder gefunden.
»Wenn du nicht ständig näherkommen würdest, sodass ich irgendwo gegen eine Wand lande, müsste ich das nicht«, kam es drohend von Alvaro. Bis hierher hörte ich das Beben in seiner Stimme.
»Vielleicht hast du einfach eine starke Anziehung auf mich?«
»Fick dich, Collin.«
»Ich würde ja lieber–« Bevor das Gespräch ausartete, stand ich auf und machte auf uns aufmerksam. Die beiden erschraken, wichen voneinander zurück.
»Was treibt ihr hier?«, knurrte Alvaro.
»Die Frage ist wohl eher: Was macht ihr hier?«, kam es direkt von Everly, die sich ebenfalls erhob, gefolgt von Caden.
»Schiebt ihr hier einen Dreier?«, gab Collin belustigt von sich. »Der Ort ist wohl schon besetzt, komm …«, fügte er hinzu, wollte Alvaros Hand greifen, doch der wand sich sofort aus der Berührung, woraufhin Everlys Bruder die Lippen zusammenpresste. Autsch, das war definitiv eine Abfuhr.
»Ich will lieber wissen, was ihr im Büro meines Onkels macht«, murrte Celias Cousin und ich seufzte frustriert. Konnte er es nicht einfach sein lassen, sich Collin schnappen und so tun, als hätte er uns nie gesehen? Während meine beste Freundin damals zur Bestrafung in den Keller eingesperrt worden war, hatte man versucht, aus Alvaro einen emotionslosen, aggressiven Mistkerl zu machen. Doch ich wusste ganz genau, dass er ein Herz hatte. Denn sein warmer und sanfter Blick glich in keiner Weise den eisigen Augen des Anthony Rodriguez.
»Celia braucht etwas. Sie hat das Gefühl, ihr Dad beschattet sie.« Ich sah ihn flehend an.
»Bitte.«
»Beschatten? Diese Familie ist wirklich so …«, fing Everlys Bruder an und erntete sofort einen giftigen Blick von Alvaro. »… herzallerliebst«, redete er weiter. Als er den Kopf wieder zu mir drehte, schüttelte Collin seinen grinsend. Er schien Humor zu haben, den man bei dem hitzköpfigen Spanier wohl brauchte.
»Wonach suchen wir?«, gab sich Alvaro nach kurzer Überlegung geschlagen und fing direkt an zu stöbern, ebenso wie seine Begleitung. Aber nichts.
»Hey, ich hab da was.« Alle liefen sofort zu Collin, der in einem Schrank hinter Büchern einen Tresor entdeckt hatte.
»Den hat Anthony sicher nach eurem letzten Einbruch einbauen lassen«, kam es nachdenklich von Alvaro.
»Letzten Einbruch?«, hakte Caden geschockt nach.
»Erzähl ich dir ein an–« In dem Moment wurde die Tür aufgerissen, wir erschraken alle und fuhren herum.
»Hier ist wohl nicht die Toilette«, lachte Phil und wir atmeten erleichtert aus.
»Fuck, was machst du denn hier?«, fluchte ich.
»Noch mal macht mein Herz das nicht mit«, hauchte Everly und sein Grinsen wurde breiter, als er sie entdeckte.
»Das wäre aber verdammt schade, Prinzessin«, gab er von sich, zwinkerte und schloss die Tür hinter sich. »Ich hab deine Nachricht erhalten und wollte dir Gesellschaft leisten. Hier angekommen hab ich dich gesucht und nicht gefunden. Dafür aber die schicken Kellner, die dir jeden Wunsch ablesen. Ende vom Lied: Ich musste pissen. Und wusste, in einem Blumentopf darf ich mich nicht erleichtern.« Bei seinen Worten schob er einen Stuhl zur Tür, verkantete die Lehne unter dem Knauf, sodass man sie von außen nicht mehr aufbekam.
»Hier wird’s langsam eng drin«, knurrte Caden, woraufhin Phil sich zu ihm umdrehte und sie sich beide anstarrten. Während seine Augen sich verdunkelten, holte Phil sich eine Zigarette aus der Hosentasche. Oh, eine sehr gute Idee.
»Ach ja? Dann verpiss dich doch«, brummte Phil zurück. Als er sich einen Glimmstängel zwischen die Lippen klemmte, ging ich zu ihm, nahm die Schachtel an mich und zündete mir kurz darauf ebenfalls eine an.
»Du willst echt sterben, oder?«, gab Caden gefährlich von sich, während ich einen Zug nahm, an meinen Platz neben ihm zurückschlenderte und eine Hand auf seine Brust legte.
»Hey, ihr verliert gerade etwas das Ziel aus den Augen.«
»Das ist ja schlimmer als jede koreanische Drama-Serie«, gab Everly kopfschüttelnd von sich. Phil lief zu ihr und platzierte einen Arm auf ihrer Schulter. »Du riechst nach Alkohol.« Bei den Worten rümpfte sie leicht die Nase, aber ging nicht von ihm weg. Ich grinste. Nach einer Fake-Beziehung sah das nicht aus.
»Wir waren bei einem Rennen, als du mir die Nachricht geschickt hast.« Ich wusste nicht, was erstaunlicher war. Dass Phil für Everly ein Nachtrennen sausen ließ oder dass Theo eins fuhr, während wir hier unseren Arsch riskierten.
»Wie bekommen wir jetzt den verdammten Tresor auf?«, murrte Alvaro und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn, nachdem er uns alle betrachtet hatte. »So wie ihr ausschaut, kommt es mir vor, als wären wir in einer Kneipe statt in einem Büro. Soll ich euch vielleicht noch den Scotch rausholen?«, witzelte er herum und Phil war sofort Feuer und Flamme.
»Boah, ich bin voll dafür!« Seine Euphorie war so spürbar, dass ich mich beim Ausatmen am Rauch verschluckte. Everly stach ihm mit den Ellbogen in die Seite.
»Habt ihr alle noch nie einen Tresor geknackt?«, kam es von Phil, woraufhin er seiner Begleitung die Zigarette gab und zu dem Prachtstück ging. »Da hat der Pisser echt am Geld gespart«, erklärte er grinsend. Alle sahen nun ihn an. »Gezielte Vibrationen auf den Tresor können das Verriegelungssystem öffnen. Liegt hier zufällig irgendwo ein Magnet herum?«, murmelte er, drehte sich zu Alvaro um, der zum gegenüberliegenden Schrank trottete. »Dein Onkel ist als Bösewicht echt erbärmlich«, fügte Phil noch brummend hinzu und schaute seinem Gehilfen bei der Suche zu.
»Hier hatte ich letztens irgendwo einen großen gesehen. Anthony hatte ihn mal als eine Art Briefbeschwerer benutzt.« Oder um Leuten den Kopf einzuschlagen. »Ah, da!« Alvaro kam wieder und übergab Phil das schwarze, runde Teil. Dieser legte den fetten Magneten auf die Außenhülle des Tresors und ein Piepen ertönte. Sofort trat ich vor, stieß ihn weg und öffnete die Tür. Dahinter befand sich eine schlichte, schwarze Ledermappe. Ich holte sie raus, löste die Verknotung und klappte sie auf.
»Bingo«, hauchte ich und alle versuchten mir über die Schultern zu schauen.
»Das ist krank. Einfach krank«, murmelte Collin, während Caden scharf die Luft einzog, genau wie Everly.
Und du hast nichts gewusst?«, fragte mein Verlobter seinen Kumpel. Doch dieser schüttelte nur den Kopf und begutachtete die Bilder misstrauisch.
»Was Celia angeht, weiht er mich kaum ein. Ich glaube, er ahnt, dass er nicht meine vollkommene Unterstützung bei dem Thema hat.«
»Können wir bitte draußen weiterquatschen? Bevor noch jemand hereinstürmt«, warf Everly ein und fuchtelte mit den Händen herum. Phil legte einen Arm um ihre Taille.
»Ich würde dich schon beschützen, Prinzessin.«
»Du würdest eher deine Kippen beschützen«, neckte sie ihn und er lachte.
»Ich kann auf euch beide aufpassen.«
»Wenn wir nacheinander durch die Tür gehen, ist es zu auffällig, aber wenn welche warten, ist es noch gefährlicher …«, überlegte ich laut.
»Wie wär‘s mit dem Fenster? Anthony, Tatjana und die Angestellten sind mit den Gästen beschäftigt. Außerdem vermutet er bestimmt nichts, also werden nicht so viele Wachleute herumlaufen, zumindest habe ich vorhin nur zwei am Eingang gesehen«, stellte Caden fest und schaute zu Alvaro, der nickte. Bevor noch weiter gegrübelt wurde, lief ich zum Fenster, öffnete es und blickte nach rechts und links. Überzeugt, dass die Luft rein war, drehte ich mich um und zog das Hemd meines Verlobten aus dessen Hose.
»Was wird das?«, fragte er belustigt und schaute mir dabei zu, wie ich die Ledermappe in seinen Hosenbund steckte und das Oberteil wieder herunterzog. »Ach, bin ich jetzt deine persönliche Handtasche?«
»Vielleicht«, raunte ich ihm grinsend zu.
»Können wir jetzt?«, murrte Phil.
Wir stiegen alle nacheinander aus dem Fenster, liefen los und taten so, als wäre nichts passiert. Auch wenn mir ganz flau im Magen wurde, als uns jemand vom Wachpersonal entgegenkam und einen nach dem anderen musterte. Als er jedoch Alvaro erblickte, nickte er ihm freundlich zu und widmete sich wieder der Umgebung.
»Und du bist also der Freund meiner Schwester?«, fing Collin an und ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen, als Phils Gesichtszüge entgleisten.
»Schwester?«, kam es sofort von ihm. Scheiße, die beiden hatten sich noch gar nicht kennengelernt. Wie geil war diese Situation bitte? Auch Everly konnte das Grinsen nun nicht zurückhalten.
»Kommt jetzt deine Ich-bin-ihr-großer-Bruder-Nummer?«, kam es neckend von ihr.
Collin schüttelte lächelnd den Kopf. »Er scheint in Ordnung zu sein.«
»Er hat einen Tresor geknackt, die Bude mit Rauch verpestet und du gibst ihm gefühlt den Preis zum Mitarbeiter des Monats?!« Alvaro sah ihn verständnislos an. »Er wollte in einen Blumentopf pissen!«, rief er nun etwas lauter und fuchtelte mit den Händen herum.
»Mein Geschmack scheint eben nicht der Beste zu sein«, meinte Collin zwinkernd.
»Danke!« Phil klopfte seinem Schwager in spe auf die Schulter. »Ich verspreche auch, in deinem Zimmer werde ich niemals irgendetwas in der Art machen.«
»Ich wohne in einem Hotel, ich denke nicht, dass mein Zimmer in dem Haus meiner Eltern noch existiert.«
»Natürlich tut es das. Dad würde nie zulassen, dass Mom …«, begann Everly.
»Lass das Thema, bitte«, unterbrach Collin sie. Oh, oh. Da schien etwas in der Luft zu liegen. Doch ich würde den Teufel tun und nachfragen, wenn sie nicht drüber reden wollten. Zumal vor so vielen Leuten sowieso nicht der richtige Zeitpunkt war. Das Recht besaß ich nun wirklich nicht. Phil hatte wohl denselben Gedanken, denn er presste die Lippen aufeinander, sagte aber nichts. Er drückte nur Everly enger an sich, als sie traurig auf den Boden blickte. Wir waren fast beim Ausgang angekommen und die Mission somit erledigt.
»Und was habt ihr nächstes Wochenende geplant?«, kam es nun amüsiert von Alvaro, der wohl die Stimmung etwas lockern wollte. »Wollen wir dann beim Präsidenten einbrechen?«
»Ich schau mal in meinen Terminkalender«, erwiderte ich grinsend. Als wir das Tor erreichten und einen Fußtritt über die Schwelle machten, fiel uns wohl allen ein Stein vom Herzen. Während die anderen wieder zurück auf die Party gingen, entschlossen Caden und ich uns dafür, nach Hause zu fahren. Die Veranstaltung von Celias Eltern interessierte mich nur aus einem bestimmten Grund und den hatte mein Partner im Hosenbund stecken.
»Ah, scheiße«, fluchte er, als wir beide in den Wagen stiegen, hob die Hüften an und zerrte die Mappe hervor. »Das Drecksteil hätte mich fast kastriert.« Er warf sie auf die Rückbank und fuhr sich behutsam über den Schritt.
»Keine Angst, dir nimmt so schnell keiner deine Männlichkeit«, flachste ich und drehte mich im Sitz zur Seite, um die Fotos aufzuheben und wieder einzusortieren. »Und jetzt lass uns von hier verschwinden, ich kann diese unheimliche Stimmung, die das Haus umgibt, nicht mehr ertragen«, bat ich und schnallte mich an.
»Nur zu gerne.« Caden drehte den Kopf zu mir herum und setzte ein schelmisches Lächeln auf, zog dabei seine Augenbrauen zusammen. Würde ich nicht schon sitzen, wären genau jetzt meine Knie zu Wackelpudding geworden und scheiße, der Blick ging direkt zwischen meine Beine und verursachte ein Kribbeln in meiner Magengegend. Schnell wandte ich das Gesicht ab, presste die Oberschenkel sanft aneinander und genoss das wohlig warme Gefühl im Bauch, räusperte mich. Ich lauschte dem tiefen Knurren des Motors, nachdem Caden ihn gestartet hatte, und sah durch den Rückspiegel dabei zu, wie die Villa des Grauens immer kleiner wurde. Nicht eine Sekunde hätte ich es dort länger ausgehalten, dem Schein zu liebe ein Lächeln bewahren können, denn die Wut auf Anthony und Tatjana war viel zu groß. Und ich hoffte, dass die Beweise, die wir hatten sichern können, ihr Übriges taten. Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster, nahm die vorbeirauschenden Gebäude nur vage wahr und spürte eine zarte Berührung am Oberschenkel. Den Blick nach vorne gerichtet, auf die Straße konzentriert, glich es einer Selbstverständlichkeit und fühlte sich so unfassbar gut an. Schon mit dieser kleinen Annäherung löste Caden einen Orkan in mir aus, der tosend mein Herz in Beschlag nahm. Zu verlockend schien es, ihn darum zu bitten, einfach weiterzufahren, damit wir alles hinter uns lassen könnten. Ein neues Leben anfangen könnten. Aber ich war mir der unheimlich dunklen Kraft sehr wohl bewusst, die unsere Beziehung fest in einer Schlinge gefangen hielt, welche sich immer enger und enger zuzog, bis wir uns selbst ruinierten. Ich legte meine Hand auf seine, drückte sanft zu und bemerkte seine zuckenden Mundwinkel. So war es perfekt. Alles.
Wenige Minuten später lenkte Caden den Wagen in die Einfahrt, parkte und stellte den Motor ab. Mit einem leichten Seufzen sehnte ich mich nach seiner Nähe, als er seine Hand von meinem Oberschenkel nahm und ausstieg. Ich wollte mehr davon, doch wie sollte ich das schaffen, ohne daran zu zerbrechen? Ohne ihn wieder von mir zu stoßen? Langsam stieg ich aus, während er schon an der Haustür stand, sie aufschloss, mit einem Schwung aufdrückte und mir gentlemanlike Eintritt gewährte. Zögerlich ging ich an ihm vorbei. Mein Kopf befahl, ihn auf Abstand zu halten und im Gästezimmer zu verschwinden. Mein Herz jedoch setzte sich dafür ein, ihm einen weiteren Schritt entgegenzukommen, und schlug sofort rasend schnell.
»Also dann, gute Nacht«, sagte Caden, verriegelte die Tür und ging die Stufen hoch. Jetzt oder nie. Entscheide dich!
Mit einem tiefen Atemzug folgte ich ihm, senkte für einen Moment die Lider und stolperte direkt in ihn herein. Verwundert starrte er über die Schulter zu mir.
»Was machst du da?« Er traute seinen Augen wohl nicht.
»Ich komme mit, wonach sieht es denn aus?« Sachte gab ich ihm einen Stoß, damit er weiterlief – was er auch tat.
»Mit Kissen oder ohne?« Seine Stimme besaß einen belustigten Unterton und obwohl er mir gerade den Rücken zudrehte, konnte ich das spitzbübische Grinsen auf seinem Gesicht sehen.
»Haha, sehr witzig. Noch ein blöder Spruch und ich ersticke dich im Schlaf!« Daraufhin lachte er lauthals los und legte den Kopf in den Nacken, lief ins Schlafzimmer und setzte sich auf die Bettkante. Unbeholfen stand ich da, beobachtete ihn dabei, wie er sich die Schuhe auszog und auf die Seite warf. Sein Blick wirkte triumphierend, als hätte er gewonnen, da wir beide im gleichen Zimmer waren, obwohl ich es immer vermieden hatte. Ihn kritisch musternd verschränkte ich die Arme vor der Brust.
»Ich kann auch wieder gehen.« Gespielt eingeschnappt drehte ich ihm den Rücken zu.
»Fuck, niemals.« Rasch packte er mein Handgelenk und zog mich zu sich. Nicht dass ich irgendeinen Schritt hinausgewagt hätte. Dafür fühlte es sich in seiner Nähe viel zu schön an. »Du gehst nirgendwo hin«, flüsterte Caden mit dunkler Stimme und einem Lächeln auf den Lippen. Bevor es ausartete, bevor wir wieder von unserem Verlangen eingenommen wurden, löste ich mich von ihm, ging hinüber zu seinem Schrank und zog mir ein Shirt heraus. Im Badezimmer strampelte ich mir die Schuhe von den Füßen, entledigte mich des Kleides, warf das viel zu große weiße Shirt über und entfernte endlich die Schminke aus dem Gesicht.
Als ich wieder ins Schlafzimmer zurückging, lag Caden mittlerweile im Bett, der Oberkörper nackt und seine Augen geschlossen. Einen Arm hinter den Kopf geklemmt, schien ihm ebenfalls einiges an Schlaf zu fehlen, denn seine Atmung ging schon flach und gleichmäßig. Barfüßig tapste ich auf die andere Bettseite, schlug die Decke zur Seite und schlüpfte darunter. »O Gott …«, stöhnte ich leise auf und genoss die weichen Kissen. Dieses Bett war der absolute Traum gegen die Streckbank im Gästezimmer. Hatte er das vielleicht extra gemacht? Zuzutrauen wäre es ihm. Grinsend wandte ich mich ihm zu, streckte langsam die Hand aus und fuhr mit dem Zeigefinger seine Konturen nach, strich über seine Schläfe. Genoss die Berührung, wenn ich die Herrscherin darüber war und alles kontrollieren konnte. Caden regte sich keinen Millimeter, schien tief und fest zu schlummern. Ich fasste mir ein Herz, rückte zu ihm auf, legte den Kopf auf seiner Brust ab und schloss die Augen.