Das Leben war manchmal hart
– sehr sogar. Verlangte viel von einem ab und hatte Höhen und Tiefen. Für manche gab es viel Schatten und wenig Licht. Eine lange Zeit hatte es sich für mich so angefühlt, als hätte ich ein Abo für das mieseste Karma abgeschlossen. Ich dachte, ich würde kämpfen, doch im Grunde hatte ich alles nur tief in mir vergraben. In den letzten Wochen hatte ich allerdings gelernt, dass es okay war, wenn man weinte. Dass es nicht okay war, den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, alles würde vorbeigehen. Dass es nicht okay war, sich die Liebe zu verbieten.
»Val, alles in Ordnung?« Celia tippte mich von der Seite an, ich blickte zu ihr auf und lächelte. »Ja, ich hab nur nachgedacht. Alles gut«, kam es direkt von mir. Es rührte mich,
wie sich alle um mich sorgten. Doch es ging mir gut. Wirklich. Robert würde heute seine gerechte Strafe bekommen, obwohl mir die Dauer, die er in Haft verbringen sollte, immer noch zu wenig vorkam. Aber einige Männer wurden nie verurteilt, daher war dies schon ein Sieg.
Und ich hatte Caden zurück. Für immer. Ich glaubte an ihn. An uns. Und ich würde ihm nie genug dafür danken können, dass er mich nicht aufgegeben hatte. »Hey, Val, hör auf, so verträumt zu schauen, und reich mir lieber die Schachtel rüber«, gab Theo lachend von sich, woraufhin ich ihm den Mittelfinger entgegenstreckte. »Fick dich, Kennedy.« Er erhob sich, ging zu mir und wuschelte mir durchs Haar. »So mag ich dich viel lieber. Kratzbürstig.« Ich stach ihm in die Seite, stand aber auch auf, um mit ihm auf den Balkon zu verschwinden. Celia begleitete uns. »Und, bist du froh, dass es jetzt alles vorbei ist?« Bei den Worten musterte mich meine beste Freundin.
»Ja, ich hätte gleich auf dich hören und ihm alles erzählen sollen.« Dafür könnte ich mir wirklich in den Arsch treten. Ich hörte nie darauf, was die Gesellschaft sagte, doch hatte ich die ganze Zeit darauf gehört, was mein Peiniger von sich gab. Nur daran gedacht, was Caden von mir halten würde. Dass er mich nicht mehr ansehen könnte. Und dass er seinen Platz, den er sich hart in der Firma erarbeitet hatte, verlieren würde. Und am wichtigsten: dass er seine Familie verlieren würde. Dabei hätte ich an mich denken sollen. Im Grunde hatte Caden nie eine Familie gehabt. Für sie waren wir alle nur Schachfiguren, in einem Spiel, welches sie verloren hatten.
»Willst du mir jetzt endlich erzählen, wieso ich nicht nach Hause darf?«, fragte ich nun doch lachend nach. Celia schüttelte grinsend den Kopf. »Da musst du dich noch einige Minuten gedulden«, fügte sie kryptisch hinzu. Ich verdrehte spielerisch die Augen und seufzte. Gerade als ich etwas erwidern wollte, klingelte mein Handy, ich nahm es aus der Hosentasche und erblickte Cadens Namen auf dem Display. Ich drückte auf Annehmen
. »Guten Morgen, Liebling«, kam es süßlich von mir, mit einem Blick zu Theo, der Kotzgeräusche machte. Celia schlug ihm auf die Schulter. Mein Grinsen wurde breiter. Caden gab im ersten Moment keinen Ton von sich, wahrscheinlich musste er kurz überlegen, ob er die richtige Valentina am Telefon hatte. »Hallo, meine Schöne«, erwiderte er schlussendlich. Wegen der Verhandlung hatte ich die Nacht über bei Celia geschlafen – und alle Harry-Potter-Filme mit ihr angesehen. Doch nicht, ohne Caden heute Morgen etwas liefern zu lassen. »Du hast mir Blumen geschickt«, kam es auch gleich amüsiert von ihm. »Darf eine Frau einem Mann keine schenken?«, wisperte ich und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Klar, besonders mit so einer Nachricht«, hauchte er und ich nahm seinen dunklen Unterton in der Stimme wahr, die mir sofort eine Gänsehaut verpasste. Ich konnte endlich mit ihm leben – und das ohne ständige Selbstzweifel und
Ängste. Und deshalb hatte ich ihm die Worte geschickt, die ich so lange hatte zurückhalten müssen. »Ich liebe dich«, flüsterte ich die Worte, die heute Morgen auf einem Zettel mit zu den Blumen geliefert worden waren. Er seufzte erleichtert.
»Kannst du aus dem Fenster schauen?«, kam es von ihm, woraufhin ich verwirrt die Stirn runzelte. »Aus dem Fenster?« Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sich Theo und Celia in die Hände klatschten. Was hatten die drei ausgetüftelt? »Ähm, okay …«
Zögerlich schob ich die Balkontür wieder auf und lief in die Wohnung. »Zu welchem?«
»Küchenfenster!«, rief Theo, der mich praktisch schon hinschob. »Pass auf, du Penner«, entgegnete ich lachend, denn er schob mich so weit, dass ich fast über meine Füße stolperte. Gespannt betrat ich den Raum, lief zur Gardine und bewegte sie etwas zur Seite.
»Caden?« Erstaunt riss ich den Vorhang fast ab. »Hast du ein Motorrad gekauft?!« Ich schrie ins Telefon, sofort drang sein Lachen an mein Ohr. »Ja, ich hab es gekauft und bin gekommen, um dich zu entführen. Ich hab doch gesagt, ich zeige dir irgendwann, wie ich fahren kann«, sagte er dunkel. Seine Augen durchbohrten mich selbst von dort und eine Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper aus. Mein Herz schlug schneller und ich wurde ganz hippelig vor Vorfreude. »Mich wird er trotzdem nicht schlagen können!«, hörte ich Theo, der direkt hinter mir stand. Ich drehte mich um. »Ihr kommt mit?«
»Denkst du, das lassen wir uns entgehen?«, warf Celia in den Raum und ich wurde noch aufgeregter. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dass wir zuletzt alle bei einem Rennen gewesen waren. »Phil und ich haben die ganze Woche schon an unseren Motorrädern gearbeitet!«, gab Theo an und rieb sich die Hände.
»Er kommt auch?«
»Na klar, was denkst du, woher Caden die Kontakte hatte? Und mir hat der Penner nichts von seinen Quellen erzählt … jahrelang. Da denkst du, du kennst jemanden …«
»Jaja, eure Beziehungsprobleme könnt ihr ja nach dem Rennen klären.«
»Fick dich, Caruso.« Hastig zog ich mir im Flur die Schuhe an, warf die Lederjacke über und stürzte schon zur Tür heraus, bevor Celia und Theo ansatzweise fertig waren. »Hey, warte!«, rief sie mir noch hinterher, doch ich drückte schon den Fahrstuhlknopf und schickte gedanklich ein Stoßgebet in den Himmel, als das Ping
ertönte und die Türen aufglitten.
Ich trat ein, hörte die zufallende Wohnungstür und entdeckte die beiden, wie sie auf
mich zurannten, hielt den Fahrstuhl zurück. »Scheiße, früher konntest du nicht schnell genug von ihm wegkommen und heute rennst du ihm wie Usain Bolt in die Arme«, stellte Theo gluckernd fest und legte mir eine Hand auf die Schulter.
»Da haben wir wohl etwas gemeinsam, mein Lieber«, setzte ich einen drauf und zwinkerte ihm zu, woraufhin er Celia näher zu sich zog. Sie schmiegte sich mit dem Rücken an seine Brust und schlang sich seine Arme um die Mitte.
»Wohl war«, sinnierte er glücklich und gab ihr einen Kuss auf den Hinterkopf. »Ich hoffe, ihr habt genug Taschentücher zu Hause«, fuhr er wenige Sekunde später fort.
»Was?« Perplex starrte ich ihn von der Seite an.
»Die wird Caden brauchen, wenn ich ihn nass gemacht habe«, witzelte er über seine eigenen Worte.
»O Mann … Überheblichkeit hat auch seine Schattenseite. Merk dir das.«
Der Fahrstuhl blieb ihm Erdgeschoss stehen, die Türen glitten auf und wir traten in die Vorhalle. »Welche denn bitte schön?« Theo verwuschelte meine Haare, wofür er einen Stoß in die Rippen kassierte. »Der Fall ist wesentlich tiefer und schmerzhafter«, warf ich ihm mit einem Lächeln an den Kopf und entfernte mich von den beiden.
Während Celia und Theo in die Tiefgarage gingen, passierte ich den Portier und verließ das Gebäude. Davor saß Caden auf dem Motorrad, wartete auf mich und hielt einen Helm in der Hand.
»Du bist wirklich wahnsinnig und musst mir bei Gelegenheit erzählen, wie es dazu kam.« Mir sah man die Überraschung wohl immer noch an, denn Caden fixierte mich mit seinen wunderschönen, grünen Iriden und drückte mir den Helm in die Hand.
»Gerne, aber zuerst genießen wir den Tag«, entgegnete er und zog seinen Motorradhelm auf. »Steig auf.« Ich tat wie geheißen, setzte mich hinter ihn auf die Sitzbank und vergrub meine Finger in den Taschen seiner Lederjacke. Rückte näher zu ihm und presste mich gegen ihn.
»Hast du mich so sehr vermisst?« Er wandte den Kopf zu Seite und lugte über seine Schulter.
»Ja.« Und das meinte ich ernst. Endlich konnte ich ihm meine Gefühle mitteilen, hatte keine Angst mehr davor, damit alles ins Chaos zu stürzen. Ein wohliges Ziehen breitete sich in meinem Magen aus, wärmte mich und gab mir die Bestätigung, angekommen zu sein. Bei ihm.
Wir hörten ein Hupen, schauten nach vorne und entdeckten Theo, der uns zuwinkte.
Caden drehte daraufhin den Schlüssel im Zündschloss, startete die Maschine und gab Gas. Das Gefühl auf dem Motorrad war berauschend und das letzte Mal viel zu lange her. Auf der Interstate erhöhte Caden das Tempo, woraufhin auch Theo schneller wurde und uns überholte. Sichtlich überrascht über die Fahrkünste von Caden blickte ich Celia beim Vorbeifahren an. Auch ihr war das Erstaunen ins Gesicht geschrieben. Immer weiter folgten wir der Straße hinaus aus New York und ins Industriegebiet, wo eine Traube von Menschen schon in Feierlaune war. Was zur Hölle war hier los?
Caden stellte die Maschine an der Startlinie ab, klappte den Seitenständer heraus und stieg ab. Elegant tat ich es ihm gleich, öffnete den Riemen des Helms und zog ihn ab. Nebeneinander legten wir sie auf dem Boden ab und warteten auf Celia und Theo, die neben uns hielten. Gemeinsam gingen wir auf die anderen zu, hierbei hielt ich Cadens Hand fest in meiner und konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. Außerdem blickte ich mich zu allen Seiten um und suchte ein mir bekanntes Gesicht.
»Suchst du etwa mich?«, flüsterte mir jemand ins Ohr, woraufhin ich vor Schreck ausholte und Phil eine mit dem Ellenbogen verpasste. »Oh, sorry«, entschuldigte ich mich aufrichtig. »Aber ich hab dir schon tausend Mal gesagt: Schleich dich nicht so an!« Auch Caden musste lachen und schlug ihm aufmunternd gegen den Arm.
»Ja, jetzt habe ich es tatsächlich kapiert«, erwiderte Phil, reichte meiner Begleitung die Hand und verdutzt sah ich den beiden zu, wie sie wie alte Freunde anfingen zu quatschen.
»Ich bin gespannt, wie du dich auf dem Motorrad machst, Bishop. Die Leute sind ganz heiß darauf, den Newcomer in Action zu sehen«, flachste Phil und führte uns zu einem Tisch, auf dem Bierkästen standen. Ich kam mir weiterhin vor wie in einem falschen Film, packte Celia am Handgelenk und zog sie zu mir.
»Kneif mich mal«, flüsterte ich ihr ins Ohr, woraufhin sie es tat und grinste.
»Hättest wohl nie gedacht, das zu erleben oder?« Gleichzeitig blickten wir zu den Jungs und beobachteten sie bei ihrer Unterhaltung.
»Nicht in einhundert Millionen Jahren, C.« Wie die Damen vom Grill standen wir am Rande der Menge und folgten dem Spektakel. Über was sie redeten, war mir völlig egal, nur dass alles harmonisch wirkte, zählte.
»Hey, kommt rüber und steht da nicht wie bestellt und nicht abgeholt herum«, riss uns Theo aus den Gedanken und winkte uns zu ihnen hin. Gleichzeitig setzten wir uns in Gang, gesellten uns dazu und nahmen von Phil jeweils eine Bierflasche an.
»Bevor das Rennen losgeht, trinken wir uns alle noch etwas Mut an, damit der Gashebel schön aufgerissen wird«, grinste Phil, bevor wir anstießen.
»Ja genau, oder, Caden?«, warf Theo in die Runde und wackelte mit den Augenbrauen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er unterschätzte die Situation etwas, denn anstatt zu antworten, nahm Caden einen Schluck aus der Flasche und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
Phil beäugte das neue Motorrad von Caden mit einem Pfeifen und umrundete es mehrere Male. »Du weißt aber schon, dass du mit dem Teil jetzt öfters zu den Rennen kommen musst.«
»Vielleicht«, antwortete dieser und schenkte mir ein zaghaftes Lächeln. Vielleicht? Das sollte wohl ein Scherz sein!
»Ansonsten kann ich es immer noch fahren!«, warf ich ein. Seit Celia einmal bei einem Autorennen mitgefahren war, trauten sich immer mehr Mädels, nicht nur hinten zu sitzen, sondern auch das Kommando zu geben. »Muss ich die Schlüssel nun auch noch verstecken?«, scherzte Caden und ich gab ihm spielerisch einen Hieb in die Seite. Dann gesellte ich mich zu Phil, während Caden mit Theo plauderte. Ich mochte es, wie er mir vertraute und ich ihm. Wir näherten uns langsam dem, was wir früher hatten. Über die Schattenseiten zu reden, keine Geheimnisse voreinander zu haben und den anderen so zu lieben, wie er war. Obwohl Caden das schon immer getan hatte. Im Gegensatz zu anderen versuchte er nie, mich zu verbiegen. Ich lehnte mich an die Wand.
»Seit wann seid ihr so befreundet?« Nicht dass es mich störte, aber neugierig war ich schon.
»Hast du Angst, dass Caden mich dir wegnimmt?«, witzelte Phil.
»Vielleicht etwas«, gab ich grinsend zurück und nahm einen Schluck von meinem Bier.
»Ich hab verstanden, dass ihr zusammengehört«, fing er dann an und ich verschluckte mich beinahe. Mit dem Themenumschwung hatte ich jetzt nicht gerechnet. »Und fuck, ich will dich wirklich nicht als Freundin verlieren. Ich komm drüber hinweg«, erzählte er weiter, während seine Augen dunkel in die Ferne gerichtet waren.
»Phil …«, wisperte ich, doch er unterbrach mich mit einer Handbewegung.
»Val, sag nichts dazu. Du hattest recht. Wenn ich dich wirklich … Dann hätte ich mich mehr eingesetzt, dich zu bekommen. Am Ende hätte es wohl eh nichts genützt, verdammt«, zischte er, trank noch einen Schluck und vermied es, mich anzusehen. Ich lächelte leicht. »Du würdest mich niemals als Freundin verlieren«, hauchte ich und stieß ihm gegen seine Schulter. »So schnell wirst du mich nicht los. Irgendjemand muss dich doch von Dummheiten abhalten«, fügte ich hinzu und hörte, wie ein Lachen aus seiner Kehle drang.
Durch die traumatischen Erfahrungen in seiner Kindheit hatten sich Grundsteine für seine Verlustängste gelegt, ständig dachte er, wir würden ihn verlassen. Dabei wusste er gar nicht, wie wichtig er mir und Theo war. Und noch anderen Menschen.
»Warum ist Everly eigentlich nicht hier?«, versuchte ich das Thema darauf zu lenken.
»Was sollte sie hier verdammt noch mal wollen? Du weißt, dass es alles fake bei uns ist. Sie interessiert sich nicht für mein Leben.« Ich verdrehte die Augen, dann presste ich die Lippen aufeinander. Nein, das musste er selbst herausfinden. Ein Mädchen schrieb bestimmt niemandem wegen einer Veranstaltung und wollte unbedingt, dass der Junge kam, ohne Gefühle für ihn zu hegen. Aber Phil hatte keine Ahnung von Liebe, wie sollte er es merken? Für jemanden, der noch nie welche erfahren hatte, war es einfach nicht greifbar. Deshalb suchte er auch so krampfhaft nach Liebe, nur nicht an den richtigen Stellen. Er lebte in der Dunkelheit und sie in ihm. »Phil, ich werde dich nie allein lassen. Und Theo auch nicht, wir alle nicht«, fügte ich deshalb nur noch hinzu, er blickte sofort zu mir und lächelte. »Danke.« Es war genau das, was er hören musste.
Bis die Dämmerung einbrach, setzten Celia und ich uns an die Seite, unterhielten uns und beobachteten die wenigen Frauen, die in ihren knappen Höschen zur Musik tanzten. »C, du musst mir noch irgendwann erzählen, was ihr nun mit den Bildern von letztens gemacht habt«, warf ich ein und Celia presste die Lippen aufeinander. »Sorry. Wenn du nicht willst …«
»Schon gut, er interessiert mich nicht mehr. Theo ist meine Familie. Und ihr. Mehr brauch ich nicht.«
»Komm her!« Ich konnte nicht anders, ging auf sie zu und schlang die Arme um sie. Wir umarmten uns, ich blieb neben ihr sitzen und wir tranken unser Bier. »Wir wollen die Bilder einem Anwalt geben, zusammen mit den Unterlagen, die wir damals von dem Einbruch bei ihm haben. Wir wollen uns nicht mehr unsicher fühlen.« Ich verstand ihre Bedenken und nickte. »Durch die Sache, die du die letzten Wochen durchgestanden hast … Ich hab umso mehr kapiert, dass es nichts bringt, Sachen zu ignorieren, bis sie explodieren.« Ich nickte, wollte etwas erwidern, als wir sahen, wie die Jungs auf uns zukamen.
»Hey, Mädels, wollte ihr weiter quatschen oder mitfahren?«, scherzte Caden und riss uns damit aus den Gedanken. Die Jungs zogen sich mittlerweile schon die Helme auf und setzten sich auf die Maschinen. Hastig standen wir auf und gingen auf sie zu, packten uns den Kopfschutz und schlossen den Riemen unter dem Kinn.
Neben mir und Caden stand Phil mit seinem Motorrad. Hinter ihm ein junges,
dunkelhaariges Mädchen, das sich an ihm festkrallte wie ein Äffchen. Dabei sah sie sich um, nach rechts und links, wobei ihre Hände weiter nach unten wanderten. Schlagartig packte Phil sie und legte sie sich an die Seiten. »Behalt deine Flossen bei dir. Genau hier bleiben sie, verstanden?«, pflaumte er sie an, worauf sie sichtlich ertappt mit einem leisen »Ja« reagierte.
»Was hat er?«, fragte mich Caden.
»Gewinnen. Er will sich nicht ablenken lassen«, konnte ich daraufhin nur erwidern. Mehr zu sagen, stand mir nicht zu. Den Grund, wieso Phil kein einziges Rennen verlieren wollte.
»Dann hab ich mit dir schlechte Karten«, witzelte Caden und zog mich von der Maschine aus näher zu sich ran, um mir einen Kuss auf die Lippen zu hauchen. »Hmm, ja, ich lenke wirklich gerne ab.« Ich biss ihm zart in die Lippen. »Dann sollte ich ein anderes Mädchen fragen, ob sie bei mir mitfährt«, scherze er, woraufhin ich lachte. »Wehe!«
»Woher kannst du eigentlich Motorrad fahren?«
»Wieso? Angst, dass ich dich umbringe?«, scherzte er. »Ich war in meinem Auslandsjahr bei Alvaro zu Besuch. Und er fährt halt alles«, erzählte er mir dann und ich nickte. Ich war froh, dass er die ganze Zeit Alvaro gehabt hatte. Wir beließen es dabei, den anderen nichts davon zu erzählen, wo Caden wirklich in seinem »Auslandsjahr« gewesen war. Wir redeten viel darüber, lagen uns in den Armen und versuchten uns gegenseitig den Halt und die Unterstützung zu geben, die uns im letzten Jahr verwehrt worden waren. Caden erzählte mir, dass er sofort nach seinem Aufenthalt in der Klinik zu mir hatte fahren wollen, aber dass er gewusst hatte, ich würde nie mit ihm reden. Deshalb hatte er es mit der Verlobung versucht – klar, es war nicht die beste Idee gewesen, doch ich verstand nun, dass es bei meiner Sturheit keine andere Lösung gegeben hatte. Und Caden versicherte mir, er hätte es niemals zur Hochzeit ohne meinen Willen kommen lassen. Und das tat er auch jetzt nicht. Wir erzählten meiner Familie, sie wäre wegen den Umständen erst mal auf Eis gelegt. Den Ring abzulegen, kam für mich allerdings nicht infrage. Denn Grams würde mich wohl schlagen, würde ich ihn ihr zurückgeben, und ich konnte ihn mir nicht mehr von meinem Finger weg vorstellen.
Wer weiß … vielleicht mache ich Caden einfach irgendwann einen Antrag.
Bei diesem Gedanken musste ich grinsen. Ja, das klang gar nicht so verkehrt.