Die nächsten Wochen waren Urlaubszeit, dann Dienst im Stützpunkt. Nachmittags kam ich pünktlich zu Uris Studentenbude oder nach Binyamina, zu unserem Haus. Der Garten hatte gelitten unter den Bauarbeiten, aber das würde schnell wieder zuwachsen, meinte Uri. Er hatte drei Kinderzimmer in den Plan gezeichnet.
»Jetzt übertreibst du aber! Ich will ein Arbeitszimmer, und ein Gästezimmer brauchen wir auch. Mach mal nur ein Kinderzimmer.« Ich setzte hinzu: »Vorerst.«
Mein Übermut in jener Nacht der Versöhnungseuphorie hatte nicht zu einer Schwangerschaft geführt, und nach einem kurzen Moment der Enttäuschung überwog die Erleichterung darüber, dass wir noch ein wenig Zeit hatten.
Auch wenn es Momente des Zweifels gab: Mit der Hochzeit konnte ich nicht mehr zurück, es war allen verkündet, der Termin festgelegt. Uri hatte versprochen, dass wir alles fair aufteilen würden, auch die Kinderbetreuung. Das beruhigte mich zwar, aber konnte ich sicher sein, dass er sich daran hielt, wenn es ernst wurde?
Die Verwandtschaft war aufgeregter als ich, jeder hatte etwas beizutragen, hatte Vorschläge, oder als Vorschläge formulierte Forderungen, wer alles eingeladen werden musste, die Liste der Gäste wurde immer länger.
Uri bastelte einen ganzen Nachmittag an einer Excel-Tabelle, mit vielen Zeilen für die Gäste, die Spalte ganz rechts war mit »Geschenk« bezeichnet, und das Feld war mit dem Schekel-Zeichen formatiert, um den genauen Geldbetrag zu notieren, denn es würde wie üblich hauptsächlich Geldgeschenke geben.
»Willst du ernsthaft in einer Excel-Liste aufschreiben, wie viel wir von wem bekommen haben?«
»Kann sich doch sonst kein Mensch merken, wie viel in Dutzenden von Umschlägen jeweils war.«
»Aber wozu braucht man das?!«
»Denk doch mal nach: Wir werden zu einer Hochzeit eingeladen, bei Leuten, die jetzt unsere Gäste waren. Dann darfst du nicht weniger schenken, sonst halten sie dich für knausrig, aber auch nicht viel mehr, sonst halten sie dich für einen Angeber oder denken nachträglich, sie hätten zu wenig gegeben.« Uri machte eine Bewegung mit den Schultern, die ein »ist halt so« ausdrücken sollte. »Man muss sich so was schon aufschreiben, wie soll es sonst gehen.«
»Vielleicht ist es doch besser, wir feiern keine religiöse Hochzeit mit den Familien, sondern fliegen für einen Tagesausflug nach Zypern, nur wir zwei, und heiraten dort. Machen doch viele, Hochzeit ohne Rabbi.«
»Denk doch an Oma Sarah, die wäre sehr traurig. Die freut sich doch schon so auf unsere Hochzeit!«
Ich gab mich geschlagen. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, es ging inzwischen nur noch um das, was die Familien wollten, und nicht darum, wie Uri und ich uns das Fest vorstellten.
Die nächste Seefahrt stand an, diesmal keine langweilige Patrouille, sondern zur Abwechslung wieder eine spannende Übung. Rachel hatte sich wochenlang vorbereiten müssen, ohne uns erzählen zu dürfen, was genau sie da übte. Als wir abgelegt hatten, klärte uns der Kommandant auf.
»Wir fahren zu einer unserer Bohrinseln westlich des Tamar-Gasfelds und versuchen dort, mit einem Roboter an das Bohrgestänge heranzukommen, ohne von unseren Überwasserschiffen und Hubschraubern entdeckt zu werden, die die Bohrinseln schützen.«
Das Tamar-Gasfeld war eines der neu erschlossenen Gasfelder, von denen Israel jetzt immer mehr der benötigten Energie bezog. Weit draußen im Meer waren die Bohr- und Förderanlagen ein ideales Sabotage-Ziel für jeden, der Israel schaden wollte. Die Marine musste mehr und mehr Schiffe abstellen, um die Anlagen zu schützen. Jetzt sollten wir einen Test-Angriff als U-Boot fahren.
Komplett getaucht, fuhren wir in die Nähe der Ziel-Bohrinsel und peilten die Lage. Wir waren noch etwa fünf Meilen entfernt in hundertfünfzig Metern Tiefe, als Hanah rief: »Überwasserschiff aus Süd, Kurs auf die Bohrinsel.« Und kurz darauf: »Es ist die HANIT.« Die Korvette HANIT war eins der drei großen Kriegsschiffe der israelischen Marine; eins davon war oft für den Schutz des Gasfelds abgestellt.
»Übungsbeginn!«, rief der Kommandant.
Wir machten ein Manöver, passierten die Bohrinsel und fuhren dann wieder auf sie zu, geschützt im Lärm der Bohrgeräusche.
»Wo ist die HANIT abgeblieben? Hört ihr sie noch?«
»Kapitän, die HANIT ist zwei Seemeilen nordöstlich der Bohrinsel, macht nur kleine Fahrt in Richtung Ost.«
Der Kommandant mutmaßte: »Die lassen vielleicht Hubschrauber starten oder landen. Jetzt oder nie, Leah, steig ganz sachte auf fünfzig Meter, ohne Fahrt und Tiefenruder.«
Aus den Ausgleichstanks pumpte ich Wasser heraus, machte uns leichter, wir stiegen. Das Steigen wurde schneller, wahrscheinlich hatte sich das Wasser verändert, Temperatur und Salzgehalt oder beides, ich musste den Aufstieg bremsen. Jetzt kam das Heikelste, das Einpendeln auf fünfzig Meter, es gelang nicht ganz, wir landeten bei fünfundvierzig Metern.
»Fünfundvierzig Meter ist auch gut. Leah, versuch uns hier zu halten. Rachel: Jetzt kannst du deinen Roboter starten.«
»Rohr eins, Mündungsklappe öffnen. Gerät ausstoßen!«
Alle sahen jetzt zu Rachel und ihren Frauen, die an den Waffen-Steuerungsmonitoren saßen. Rachel selbst bewegte einen Tauchroboter, eine Unterwasserdrohne, gesteuert über ein langes Kabel. Auf dem Monitor mit der Aufnahme der Roboterkamera war nur graublaues Nichts zu sehen, dann senkrecht ein Schatten. Rachel rief: »Das ist das Bohrgestänge!« Sie fuhr näher heran.
»Ich fahre jetzt das Ding nach unten«, rief Rachel.
»Zweihundert Meter«, meldete Roni, auf einem anderen Monitor purzelten die Zahlen nach unten, immer tiefer, lange Zeit. Erst bei tausendfünfhundert Meter Tiefe bremste Rachel die Abwärtsfahrt des Roboters. Dann wurde das Wasser um den Roboter trübe. »Das ist eine Schlammwolke, nichts mehr mit Sicht, umschalten auf Sonar!« Jetzt starrten alle auf einen anderen Monitor, der einen Umriss zeigte. Mit viel Fantasie konnte man darin das Bohrgestänge erkennen, dann tauchten weitere Schatten auf.
»Und hier ist auch schon unsere kleine Trophäe!«, rief Rachel. Auf dem Bildschirm schwebte rund um den metallenen Schaft eine Schwimmleine im Wasser, wie Rettungsringe sie haben. »An der Leine hängt als Beschwerung ein Bleigewicht, und das Zeug sollen wir heraufholen, als Beweis, dass unser kleiner Helfer hier ganz schön Schaden hätte anrichten können, ohne dass die oben überhaupt etwas mitbekommen hätten.«
Rachel arbeitete jetzt mit zwei Schalthebeln, die wie Playstation-Joysticks aussahen. Mit einem Greifer klemmte sie die Schwimmleine an den Roboter, mit einem anderen Manipulator schnitt sie die Leine durch. Dann ließ sie den Roboter rückwärts davonschweben, die Schwimmleine und das daran befestigte Gewicht wurden hinterhergezogen.
Der Kommandant hatte ihr über die Schulter geschaut und schien fasziniert. »Musstest du dafür lange üben?«
»Ja, schon, ein paar Stunden, im Hafen. Eigentlich ist das Gerät dafür da, Unterwasserkabel anzuzapfen oder durchzuschneiden, je nach Auftrag. Aber wir wollten mal ausprobieren, ob man damit auch Bohrinseln stören kann. Wie ihr seht: Man kann.«
Inzwischen war der Roboter oben, Rachel versuchte, ihn in die Nähe des Bootes zu bringen. Plötzlich tauchten auf dem Monitor unser Ruder und die Schraube auf.
»Mist, falsches Ende.« Der Kommandant fuhr dazwischen. »Weg da, sonst verheddert sich dein Kabel in der Schraube! Das ist unsere empfindlichste Stelle.« Rachel ließ den Roboter wieder rückwärts schweben und fuhr ihn an unserem Boot entlang, um ins Torpedorohr zurückzufinden. Nach einigem Gefummel hatte sie den Roboter in das enge Rohr bugsiert.
Nachdenklich lag ich später in der Koje. Solche kurzen, spannenden Seefahrten würden mir fehlen, wenn ich wirklich aus dem U-Boot-Dienst aussteigen sollte. Ob es in einem anderen Beruf auch so gute Kameradinnen gab?