Die Hochzeit lag Monate hinter uns. Oma Sarah war glücklich, dass wir in Binyamina lebten. Ich besuchte sie so oft wie möglich, wenn ich nicht zur See fuhr, und sie bekochte Uri gelegentlich, wenn ich unterwegs war.
Eines Abends nahm sie mich zur Seite, griff meine Hand und legte etwas hinein. Ich spürte eine kühle Kette und etwas Größeres, vielleicht einen Anhänger. Sarah hielt meine Hand geschlossen. »Das ist von meiner Großmutter, ich wollte es immer deiner Mutter geben, aber jetzt gebe ich es dir. Halte es in Ehren, und gib es weiter eines Tages.« Vorsichtig öffnete ich die Hand, eine silberne Kette mit einem Amulett in der Größe einer Münze, nur viel dicker, auf einer Seite ein Davidstern, auf der anderen Schriftzeichen, die ich nicht deuten konnte. »Danke, Oma Sarah. Ich werde es in Ehren halten.«
Auch meine Mutter umarmte Uri jetzt immer, wenn sie ihn traf, und nicht nur, weil es sich so gehörte.
Die Blicke der Arbilis, des irakischen Teiles von Uris Familie, hatten sich seit der Hochzeit verändert, bildete ich mir ein. Vor allem die Frauen musterten mich mit einem unausgesprochenen: »Na, kündigt sich schon etwas an?« Heiraten, das hieß für sie: In dem Jahr danach sollte sich dann schon was tun in Sachen Nachwuchs.
Doch nicht nur die Arbilis, auch ich wurde langsam ungeduldig. Monat für Monat eine Enttäuschung, dabei hatte ich mir schon mindestens ein Dutzend Mal zurechtgelegt, wie ich in der Personalabteilung anrufen und meine Schwangerschaft bekannt geben würde, was mit sofortiger Wirkung hieß: borddienstuntauglich. Dann wahrscheinlich irgendein Innendienst bis zum Mutterschutz und einen neuen Job suchen für danach, so war der Plan, zu dem ich mich durchgerungen hatte.
Uri war auch jedes Mal enttäuscht, auch wenn er nur selten direkt auf das Thema zu sprechen kam.
Als es ungefähr ein halbes Jahr nicht funktioniert hatte, begann ich mich im Internet schlauzumachen und kaufte mir einen Ovulationstest. Die Frauenärztin hatte mir gesagt, ich sei gesund und es dauere einfach manchmal etwas, bis es klappe, aber ich wollte nichts dem Zufall überlassen.
Nach einigen Tagen war es dann soweit: Der Ovulationstest zeigte mir an, dass jetzt meine fruchtbare Zeit war. Mir wurde heiß im Kopf. Jetzt war Uri bei der Arbeit, wieder ein Monat verloren, danach stand eine erneute Seefahrt an. Ich musste Uri anrufen, er musste sofort kommen. Meine Finger zitterten, als ich auf seinen Namen drückte. Es dauerte etwas, bis er dranging. »Ja, was ist?«, flüsterte er ins Telefon, im Hintergrund waren Stimmen zu hören. Ich hörte mich nur ein Wort sagen, leise, nicht dass jemand neben ihm saß und mithören konnte: »Eisprung.« Am anderen Ende war Schweigen, dann: »Was heißt das?«
»Dass du nach Hause kommen musst, jetzt.«
Nach einer Pause kam ein lang gedehntes »Ok« und dann: »… muss mich hier noch abmelden.« Dann legte er auf. Was hatte ich da bloß gemacht? War das der richtige Start für ein Baby? Wie fühlte Uri sich dabei?
Noch acht Tage Urlaub, in zehn Tagen Abfahrt für die nächste Sechs-Wochen-Patrouillenfahrt. Wieder Langeweile auf See, schlimmer: unter Wasser, sechs Wochen ohne Uri, ohne eine Chance, schwanger zu werden, wenn es jetzt nicht geklappt hatte. Ich musste einen Termin mit meiner Frauenärztin vereinbaren, kurz vor meiner Abreise. Die Ärztin konnte eine Schwangerschaft nach sechs bis zehn Tagen nachweisen, hatte ich im Internet gelesen. Früher als jeder Test aus der Apotheke und noch vor dem Zeitpunkt der Regel, dann könnte ich mich von der Fahrt abmelden.
Die letzten Tage des Urlaubs war ich unruhig, ich glaubte immer wieder, Veränderungen an meinem Körper wahrzunehmen, dann überließ ich es einfach wieder dem natürlichen Lauf. Uri war besonders aufmerksam, wollte mich mit gesundem Essen füttern, erzählte etwas von Folsäure, die ich jetzt nehmen müsste, und Vitamin-Bsoundso, als sei schon sicher, dass ich schwanger war. Es waren wunderschöne Tage, aber das Ende des Urlaubs und der Dienstbeginn rückten näher, zwei Tage noch bis zum Einrücken in den Stützpunkt. Ich war mir plötzlich sehr sicher, dass ich nicht würde mitfahren müssen.
Ich bekam einen Termin bei der Frauenärztin, einen Tag vor dem Auslaufen, früh am Morgen. Borddienstuntauglich zu werden, einen Tag vor der Abfahrt, das würde zwar nicht besonders kameradschaftlich aussehen, aber einer Frau konnte man doch nicht übel nehmen, wenn sie schwanger wurde, oder?
»Kapitän, ich habe morgen früh noch einen wichtigen privaten Termin«, sagte ich beiläufig bei meiner Ankunft in der Marinekaserne. »Kann ich erst um elf kommen?«
»Ja, geht klar, wenn du gegen elf da bist, ich weiß Bescheid. Alle müssen noch mal zum Taucherarzt an dem Vormittag, da bist du dann eben die Letzte. Nachmittags musst du da sein, Tanken.«
Ich stieg in einen frühen Zug nach Tel Aviv und nahm dann den Bus zur Praxis meiner Frauenärztin. Sie nahm mir Blut ab und verabschiedete mich mit: »Ich rufe Sie an. In fünf Stunden haben wir das Ergebnis.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich das Telefon angeschaltet lassen kann. Ich rufe dann zurück. Wie lange kann ich Sie erreichen?«
Ich fuhr zurück nach Binyamina, zog die Militärklamotten an und traf pünktlich um elf in der Basis ein. Die ärztliche Untersuchung dort war wie üblich, auch die letzte Frage: »Schwanger?« Ich antwortete: »Nicht, dass ich wüsste.« Den Satz hatte ich mir zurechtgelegt, das war unverfänglich, ich wusste es ja noch nicht, hoffte es nur.
Für den Nachmittag war das Tanken angesetzt. Der Großteil der Besatzung musste das Boot verlassen, nur fünf von uns blieben an Bord. Zuerst der Dieseltreibstoff, das war die einfachere Sache, ein dicker Schlauch wurde von stämmigen Hafenarbeitern an den Tankstutzen im Achterschiff geschraubt, aus der Leitung in der Pier strömte Diesel ins Boot, das gleichmäßige Befüllen der Tanks hatten wir zu überwachen. Nach zwanzig Minuten war alles erledigt, die Tanks randvoll.
Dann kamen die heikleren Lieferungen. Jetzt wurde auch die Pier komplett abgesperrt, nur Judith und ich blieben an Bord. Ein Tanklaster wurde von Arbeitern mit orangefarbenen Overalls vorsichtig ans Boot herandirigiert. Vom Laster wurde ein Schlauch zum Boot verlegt, ein metallisch glänzender Stutzen angeschlossen. Wir mussten die Druck- und Temperaturverhältnisse in den einzelnen Tankmodulen im Auge behalten, wo der Wasserstoff unter hohem Druck in die Metallhydrid-Strukturen gepresst wurde, beim Tanken musste fortlaufend gekühlt werden. Nach zwei Stunden waren auch alle Wasserstoff-Speicherelemente voll. Der Tanklaster fuhr vorsichtig wieder von der Pier hinunter, draußen wartete bereits ein Gas-Tanklaster mit reinem Sauerstoff. Nach einer Stunde waren auch die Sauerstoff-Tanks voll, der Kommandant und die Waffentechnikerinnen kamen wieder an Bord. »Kapitän, alle Tanks hundert Prozent voll!« Auch wenn ich wahrscheinlich gar nicht mitfahren würde, wollte ich meinen Job bis zum letzten Moment ordentlich machen.
Jetzt wurde das große Torpedoluk auf dem Vorschiff geöffnet, Judith und ich mussten runter vom Schiff, nur der Kapitän und die Waffentechnikerinnen durften an Bord bleiben, wenn die Waffen geladen wurden. Als wir die Pier entlanggingen, kam schon der erste der drei Armeelaster mit einem Kran herangefahren; unter der Plane sah man die Umrisse der länglichen Waffencontainer.
Wir gingen zur Unterkunft, ich holte mir mein Telefon. Die Frauenärztin hatte schon versucht, anzurufen, ich drückte »zurückrufen«.
Was sie sagte, änderte alles, oder eigentlich: Es änderte sich nicht, was sich hätte ändern sollen. Einen Moment musste ich mich auf mein Bett in der Unterkunft setzen. Sie sagte: »Es tut mir leid, der Test ist leider nicht positiv. Sie sind also nicht schwanger.«