Es war sechs Uhr früh, am Bahnhof von Milane, Kopano Shamong sah sich um. Der Außenstellenleiter des Amtes für nationale Sicherheit, Tido Sipoyo, hatte sich hier mit ihm verabredet, sie wollten den Ortstermin zusammen wahrnehmen. Doch Sipoyo war nirgends zu sehen, als ihn ein junger Mann ansprach und um Feuer für eine Zigarette bat. Shamong bedauerte, kein Feuer zu haben. Der junge Mann sagte leise: »Vorne, im dritten Wagen, gehen Sie einfach zum Zug nach Genove«, drehte sich um und fragte einen anderen Passanten nach Feuer.
Er ärgerte sich ein wenig, immer mussten die Beamten des Amtes für Sicherheit ihre Agenten-Spielchen aufführen. Der dritte Wagen war ein Wagen der vornehmlich von den Einheimischen genutzten »Holzklasse«, er betrat ihn durch die enge Tür und drückte sich an einer Familie vorbei, die mit ihren vielen Kindern, großem Gepäck und einem riesigen Korb mit vier Hühnern ein Abteil und gleich auch noch den Platz davor belagerte. Es roch nach ungewaschenen weißen Menschen und schmutzstarrenden Kindern, er wandte sich ab und ging weiter.
Im nächsten Abteil saßen fünf schwarze Soldaten, einfache Dienstgrade, die in den Sitzen eingerollt waren und offenkundig Schlaf nachzuholen hatten. Vor dem dritten Abteil stand mit verschränkten Armen ein Mann in Zivilkleidung, mit wulstigen Augenbrauen, groß wie ein Schrank, mit einem rasierten schwarzen Schädel und dicken Hautfalten im Nacken, der drehte sich zu ihm, musterte ihn mit undeutbarer Miene, nickte leicht, ohne auch nur die Spur eines Lächelns zu zeigen, trat zur Seite und öffnete die Abteiltür.
»Ah, lieber Tido, hier hast du dich versteckt. Warum fahren wir denn nicht erster Klasse?«
»Guten Morgen, Kopano. Wenn wir zusammen erster Klasse fahren, dann erfährt gleich jeder in Milane, dass etwas im Busch ist, die Stadt ist ein Dorf. Besser so, hier sind wir ungestört und können uns unterhalten, in das Abteil kommt sonst keiner mehr.« Sipoyo machte eine Kopfbewegung in Richtung des breiten Rückens vor der Abteiltür. Das Gespräch erstarb bald, Tido Sipoyo schien ebenso müde wie Kopano.
Die Bahnstrecke von Milane nach Genove, wohin dieser »Express« fahren sollte, war immer noch in erbärmlichem Zustand, seit dem großen Krieg hatte sich hier nicht viel getan. Es handelte sich ohnehin um eine Kolonialstrecke, also einfach und billig mit schmaler Spur, gebaut für den Abtransport von Rohstoffen, weniger für den Personenverkehr. Wohl oder übel mussten die Kolonialbeamten auf der Fahrt zum Hafen von Genove die Strecke benutzen, denn die Straße war in einem noch schlechteren Zustand.
Sie würden heute nicht bis Genove fahren, sondern oben in den Bergen vor der Hafenstadt aussteigen, die Umgebung des Fundorts der giftigen Substanz besuchen, die den bedauernswerten Geologen dahinzuraffen drohte, und die dort zur großräumigen Sicherung ergriffenen Maßnahmen inspizieren.
Die Lokomotive an der Spitze des Zuges ließ ein lautes Hupsignal hören, dann begann ein gewaltiges Gebrüll des Dieselmotors, das in keinem Verhältnis zu der geringen Beschleunigung des Zuges stand, der nur langsam aus den schäbigen Elendsvierteln von Milane hinausschaukelte und gemächlich in die freie Landschaft der weiten Flussebene vorstieß.
Tido Sipoyo döste vor sich hin und auch Kopano waren die Augen zugefallen. Als das Gerumpel des Wagens in ein rasselndes Dröhnen umschlug, schreckte Kopano auf. Der Zug überquerte in langsamer Fahrt einen großen Fluss, das konnte nur der Puh sein, auf einer stählernen Brücke, deren Einzelteile bedenklich unter der Last schepperten, offenbar einer Behelfsbrücke, denn nebenan konnte er die gesprengten Reste von steinernen Brückenpfeilern erkennen. Es würde noch dauern, bis die Infrastruktur der Kolonie die Folgen des Krieges überwunden hatte.
Der Wagen schwankte bedenklich, endlich erreichte der Zug das südliche Ufer, die Lok begann wieder zu brüllen und der Zug beschleunigte. Bei seiner Antrittsreise vom Hafen nach Milane hatte er im komfortablen Erste-Klasse-Wagen nicht auf den Fluss geachtet, und seitdem hatte er leider keinen Anlass zu einer Fahrt nach Genove gehabt. Ab jetzt würde er häufiger Reisen unternehmen, um seine Kolonie besser kennenzulernen, nahm er sich vor.
»Wieso hat eigentlich der Fall des Geologen in der Hauptstadt so viel Aufsehen erregt?«
Tido wusste es auch nicht: »Ich bin genauso gespannt wie du. Letzte Woche sind Experten eingetroffen, von denen werde ich heute hoffentlich mehr erfahren.«
Nach einem Zwischenhalt brüllte die Diesellokomotive noch lauter, denn jetzt ging es in einem engen Tal bergauf. Eine halbe Stunde später trötete das Signalhorn, der Zug wurde langsamer.
»Wir sind gleich da«, sagte Tido.
Kopano sah aus dem Fenster. »Hier ist doch gar kein Ort?«
»Der Zug hält heute da, wo wir aussteigen müssen.«
Der Sicherheitsbeamte öffnete auch bereits die Abteiltür und wies ihnen den Ausgang. Tido ging voraus, er musste von der untersten Stufe hinabspringen und landete im Schotterbett der Strecke. Kopano tat es ihm nach, fast wäre er gestürzt.
Der Sicherheitsbeamte gab ein Zeichen, die Lokomotive antwortete mit einem lauten Tröten und begann wieder mit ihrem Gebrüll. Die Passagiere nahmen wenig Notiz von dem außerplanmäßigen Halt, nur aus dem letzten Wagen, dem der ersten Klasse, blickten verwundert einige schwarze Gesichter.
Ein Armeeoffizier, der offenbar auf sie gewartet hatte, trat auf Kopano und Tido zu und salutierte. »Hoffe, Sie hatten eine angenehme Fahrt. Ich bin tätig im Stab des Kommandierenden und bringe Sie jetzt zu einem Wagen, der Sie ins Einsatzgebiet fährt.«
»Wie weit ist es denn bis zur Höhle?«
»Wir fahren nur bis zur Einsatzleitung, und dann können wir zu Fuß noch ein Stück ins Sperrgebiet gehen.«
Zuerst passierten sie einen Polizeiposten, an dem drei Beamte den Wagen mit Hand an der Mütze begrüßten, dann fuhren sie durch eine Ansiedlung von weißen Einwohnern, die allerdings vollkommen menschenleer war. Die meisten der Hütten waren abgebrannt, die Reste rauchten noch.
»Wo sind denn die Bewohner dieser Ortschaft?«, fragte Kopano Shamong den Offizier.
»Gestern Morgen wurden hier alle evakuiert. Der Standort dieser Siedlung ist nicht erwünscht.«
»Evakuiert? Wohin denn?«
»Frauen und Kinder sind auf dem Marsch zu einem Lager in der Ebene, die Männer wurden aus Sicherheitsgründen getrennt, dabei kam es leider zu Rangeleien, drei der Randalierer wurden auf der Flucht erschossen.«
»Ist das in Ordnung, dass die Armee hier eine Vertreibung durchführt, deren Rechtmäßigkeit fraglich ist?«
»Herr Generalbevollmächtigter, in der Sicherheitslage, in der wir uns befinden, sind alle Maßnahmen gerechtfertigt, da haben wir eine Umsetzung als vertretbares Mittel gewählt, das durchaus im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist. Im Übrigen: Die Polizei-Einsatzleitung war beteiligt und hat zugestimmt.«
Kopano Shamong erwiderte nichts, Tido Sipoyo schwieg ebenfalls.
Es begann eine holprige Fahrt auf einem steil bergauf führenden Weg, der offenbar gerade erst in das Waldgebiet geschlagen worden war, der Motor des Wagens jaulte immer wieder auf. Auf der Talseite lagen noch die Bäume, die hatten weichen müssen, es roch harzig nach frisch geschlagenem Holz. Nach ungefähr einer Viertelstunde erreichten sie ein kleines Armeelager. Geschützt durch einen Wall aus Sandsäcken und Baumstämmen waren Verteidigungsstellungen aufgebaut, eine Maschinenwaffe zeigte drohend in die Luft.
Hier begrüßten Soldaten das ächzend holpernde Fahrzeug, das schließlich unter eine Tarnplane fuhr. Dort gab es ein kleines Zeltdorf mit befestigten Unterständen.
Sie traten in eines der Zelte, in dem es muffig nach Armeelagerhaus roch und dessen Dunkelheit nur durch eine Lampe über dem Tisch spärlich erhellt wurde. »Willkommen in der Einsatzleitung der Operation ›Ultra‹. Von hier aus koordinieren wir die Abschirmung und die Arbeit der Experten direkt am Punkt Null.« Ein Uniformierter im Generalsrang, aber ohne Namensschild, empfing sie und ergriff das Wort.
Kopano sah verwundert und fragend Tido an, Operation Ultra, Punkt Null, hatte er diese Begriffe schon gehört? Tido ließ sich nicht anmerken, ob er bereits im Bilde gewesen war.
»Ich bin Leiter und Koordinator der Operation Ultra, an der die Armee und Spezialkräfte vom Amt für Sicherheit beteiligt sind. Wir sind Ihnen, Herr Shamong, sehr dankbar, dass Sie sofort die polizeiliche Sicherung veranlasst haben, bevor wir vor Ort sein konnten. Ihre Kräfte müssen hier weiterhin großflächig alles absperren. Die Absicherung der näheren Umgebung von Punkt Null hat jetzt die Armee übernommen, unmittelbar am Punkt Null sind nur die Spezialkräfte des Amtes für Sicherheit zusammen mit weiteren Ultra-Experten tätig.«
Der namenlose General zeigte ihnen auf einer großen Karte mit einem Zeigestab den »Punkt Null«, den Standort der Einsatzleitung und die Verteidigungsstellungen im Sperrgebiet.
Shamong fühlte sich irgendwie entmachtet. Eigentlich war er Generalbevollmächtigter in der Kolonie, wieso war jetzt ein Teil von der Armee übernommen, die weiße Bevölkerung, die sich nichts zuschulden hatte kommen lassen, vertrieben, obwohl sie die Tabuzone mit dem »Punkt Null« ohnehin gemieden hatte? Sein Anliegen war es, erträgliche Lebensbedingungen für alle in der Kolonie zu schaffen, Frieden und einen gewissen Wohlstand. Er ahnte, dass dies alles ernsthaft gefährdet werden könnte durch diese Operation – was auch immer deren Ziel eigentlich war.
»Wir haben für Sie als entsandte Vertreter in der Kolonie zwei unterschiedliche Programme vorgesehen: Sie, Herr Sipoyo, werden weiter zum Untersuchungsfeld gebracht, dort werden Sie von den Wissenschaftlern Näheres über den Untersuchungsgegenstand erfahren. Sie, Herr Shamong, werden von den hier verantwortlichen Militärs und der örtlichen Polizeiführung über die Absicherung und die weiteren Maßnahmen informiert.«
Kopano Shamong verstand: Tido Sipoyo sollte deutlich mehr davon mitbekommen, was hier eigentlich vor sich ging.
»Kann ich Tido Sipoyo nicht begleiten?«
»Tut mir leid, Sie sind nicht Ultra-ermächtigt, der Kreis der dort zugelassenen Personen wird äußerst restriktiv gehandhabt, aus Sicherheitsgründen.«
Jetzt war es heraus: Die Kolonialverwaltung, und damit er als Generalbevollmächtigter in der Kolonie, war entmachtet, das Amt für Sicherheit hatte das Kommando übernommen. Sollte er protestieren? Das brachte nichts, er musste der Kolonialverwaltung in der Hauptstadt mitteilen, was hier vor sich ging. Mit den nachgeordneten Leuten vor Ort zu streiten machte keinen Sinn.
Gegen Abend wurde Kopano zusammen mit Tido zurück zur Bahn gebracht. Unterwegs kamen sie wieder an dem Dorf vorbei, oder dem, was von ihm noch übrig war. Kopano ließ den Fahrer anhalten, stieg aus, trat vor den Wagen, wo die Scheinwerfer den Straßenrand erleuchteten, und schüttelte den Kopf über die Zerstörung. Er lief etwas weiter hinein in die frühere Siedlung, zwischen verkohlte Reste von Hütten, soweit das Licht der Scheinwerfer reichte. Der Brandgeruch reizte seine Nase und Kopano Shamong spürte die Wärme, die immer noch von den Ascheresten aufstieg.
Durch die Schuhsohle drückte ein harter Gegenstand, Kopano kratzte mit seinem Schuh in der Asche. Er sah etwas aufblitzen, bückte sich, fand eine Art Münze, nahm sie an sich und ging zurück zum Wagen.
Bei näherer Betrachtung schien es doch keine Münze zu sein, sondern eher eine Art Schmuckstück, mit Schriftzeichen darauf.
Tido wurde aufmerksam. Kopano reichte ihm das Fundstück durch die offene Wagentür, Tido drehte es um, deutete auf das eingravierte Zeichen, zwei in sich verschlungene Dreiecke. »Ein merkwürdiges Zeichen.« Tido dachte nach, dann fügte er hinzu: »Nimm es mit, vielleicht etwas für das Völkerkundemuseum: ›Zurückgelassenes Schmuckstück aus einem Bergdorf, das von den Bewohnern wegen der harten Lebensbedingungen aufgegeben werden musste‹.«
Kopano steckte das Amulett ein und stieg wieder in den Wagen. Die Männer schwiegen, als die Fahrt in Richtung der Eisenbahnstrecke weiterging.
An einem Bahnwärterhaus mussten sie warten, schließlich drang aus dem Tunnel ein langes Hupen, ein Zug tauchte auf und hielt mit kreischenden Bremsen. Sie stolperten über die Schottersteine am Gleis entlang zum Ende des Zuges, wo der grimmig dreinschauende Sicherheitsmann vom Morgen stand und ihnen beim Hochklettern zur Wagentür behilflich war.
Wieder nahmen sie in einem reservierten Abteil der Holzklasse Platz, wieder waren die Nachbarabteile wie zufällig von Soldaten belegt. Mit einem Ruck setzte sich der Zug in Bewegung, Kopano ließ sich in das Sitzpolster sinken. Der Fahrtlärm schwoll an, besonders in den Tunneln dröhnte es laut. Er nutzte den Lärm, um sich vorzubeugen und Tido eine Frage zu stellen, ohne dass es jemand hören konnte.
»Was suchen die da? Warum ist dieses giftige Zeug so wichtig?«
Tido ging beiläufig zur Abteiltür, sah hinaus, vergewisserte sich, dass die Tür ganz geschlossen war, kam dann Kopano ganz nahe. »Vollkommen verstanden habe ich es auch nicht. Es handelt sich wohl um die Forschung an einer neuen Waffe, etwas mit Physik.« Tido konzentrierte sich, um das, was er heute erfahren hatte, wiederzugeben. »Es gibt sehr schwere Stoffe, Elemente, also Atome, die sind nicht stabil, sondern zerfallen mit der Zeit, dabei werden Energie und Strahlung frei. Die Wissenschaftler versuchen, noch schwerere Atome durch Bestrahlung künstlich herzustellen, die sind dann erst recht nicht stabil. Wenn man eine bestimmte Menge, ungefähr zehn oder zwanzig Kilogramm, von diesen unstabilen Stoffen zusammenbekommt, kann man eine Bombe mit unglaublicher Sprengkraft bauen, weil sie durch den Zerfall enorm viel Energie freisetzt. Mit einer kleinen Bombe«, Tido formte eine Kugel von der Größe eines Fußballs, »kann man so viel Wirkung erzielen wie sonst mit Zehntausenden oder sogar hunderttausend Tonnen Sprengstoff. Mit solchen Stoffen hat die Ostnation wohl tatsächlich schon experimentiert, wie wir herausgefunden haben. Jetzt versuchen sich unsere Leute daran, hoffentlich mit mehr Erfolg.«
»Eine Wirkung wie hunderttausend Tonnen Sprengstoff? Das zerstört mit einer Bombe eine ganze Stadt …«
»Und jeden Bunker, da kann man einen ganzen Berg in die Luft sprengen, oder eine ganze Flotte, auf einen Schlag.«
Kopano grübelte und fragte dann: »Und was hat das alles mit unserem Fall hier zu tun, mit dem Fund von diesem giftigen Zeug in der Höhle?«
»Diese sehr schweren Elemente, die man künstlich herstellen muss, hat man bisher nur in ganz winzigen Mengen produzieren können, gerade so viel, dass man sie überhaupt nachweisen konnte. Es gibt sie nicht in der Natur, dachte man bisher. Und jetzt kommt der Hammer: In dieser Höhle, du glaubst es nicht, da liegt dieses Zeug offenbar kiloweise einfach so herum, zusammen mit allen möglichen anderen gefährlichen Substanzen. Der Geologe hat es gefunden und versehentlich Staub davon eingeatmet. Es ist sehr giftig, deshalb ist er krank geworden.«
Beide schwiegen, Kopano sah aus dem Fenster in die weite Ebene, das hektische Geklapper und Geschaukel des Zuges zeigte die schnelle Fahrt auf gerader Strecke, sein Kopf wiegte sich im Takt mit den Schienenstößen leicht hin und her, Milane kam näher.
»Wie kommt dieses Zeug hierher in die Kolonie? Das ist die Frage, die jetzt die Leute der Operation Ultra klären wollen.« Tido setzte hinzu: »Aber behalte das alles bloß für dich.«
Er schwieg eine Weile, doch dann nahm er den Faden wieder auf: »Die Frage, die ich mir als Geheimdienstmann stelle: Ist es Zufall, dass die Weißen diese Gegend gemieden haben, oder wussten sie von den gefährlichen Stoffen – haben sie das Zeug vielleicht sogar für die Ostnation versteckt? Aus den Dorfbewohnern hat man nichts herausbekommen, die wussten wohl tatsächlich nichts. Drei sind umgekommen, ohne dass man aus ihnen etwas herausprügeln konnte. Keine schöne Geschichte, und wahrscheinlich völlig sinnlos und unnötig.«
Kopano runzelte die Stirn.
»Vielleicht kannst du etwas herausfinden?«
Kopano antwortete: »Danke für dein Vertrauen. Wenn ich etwas erfahre, gebe ich Bescheid. Ich weiß schon, wen ich fragen könnte, was es mit diesen No-Go-Zonen auf sich hat. Aber, bitte, mache deinen Einfluss geltend, dass keine derart brutalen Methoden mehr angewandt werden, die bringen bloß Unruhe in die Kolonie. Ich will hier keine Weißen-Aufstände wegen überflüssiger und sinnloser Massaker.«
Tido pflichtete bei: »Ich bin da ganz deiner Meinung. Aber du musst mir auch etwas versprechen: Alles, was ich dir erzählt habe, muss absolut unter uns bleiben. Irgendwann wirst du auch ›Ultra-ermächtigt‹, das muss ich einleiten. Du solltest auch offiziell Bescheid wissen in deiner Funktion.«
Shamong dachte nach. »Ich kenne tatsächlich Leute, die würden euch sicher nichts erzählen, mir aber schon.«
»Das habe ich mir gedacht, deshalb habe ich dich auch eingeweiht, das nehme ich auf meine Kappe.«
Inzwischen bremste der Zug, draußen war es dunkel, ein Blick auf die Uhr zeigte Kopano, dass die Ankunft in Milane bevorstand.
Tido nutzte das laute Bremsgeräusch, um das Gespräch abzuschließen: »Wenn jemand anders auf der Welt vor uns solche Ultra-Waffen bauen kann, dann gute Nacht. Deshalb: Wenn du irgendetwas erfährst, das wichtig für uns sein könnte, lass es mich sofort wissen.«
»Versprochen.«
Am nächsten Morgen saß Kopano auf der Terrasse beim Frühstück mit seiner Frau Elikia. »Wie war deine Reise?«
Kopano gab nur einen nichtssagenden Laut von sich und wiegelte ab: »Alles hochgeheim.«
»Jetzt sag doch was, Kopano, so kenne ich dich ja gar nicht.«
»Ist wirklich sehr geheim, und wenig erfreulich. Das Militär und das Amt für Sicherheit machen sich breit, und auf die Weißen nimmt niemand Rücksicht, das kann sich noch rächen.«
Elikia sagte nichts, sah ihn skeptisch an. »Bist du mit deiner Arbeit hier noch zufrieden? Du hattest doch große Ziele, die Entwicklung der Kolonie und so.«
»Man kann sich nicht immer aussuchen, was es zu tun gibt.«
»Aber du bist doch der Generalbevollmächtigte, wieso kannst du dich nicht durchsetzen?«
»Manchmal gibt es übergeordnete nationale Interessen. Dann bin ich machtlos.« Kopano sah auf die Uhr: »Jetzt muss ich los.«