39

Berlin-Mitte

Sonntag, 18:00 Uh r

»18:00«, stand groß auf Ninas Handy.

Die Uhrzeit, zu der vor dem Olympiastadion Sylvias Chip ausgeschaltet werden sollte. Eine Aktion, von der jeder wusste, dass sie nie und nimmer stattfinden würde. Trotzdem machten alle weiter, weil sie sich gegenseitig hereinlegten. Nur befürchtete Nina, dass die einzigen Dummen am Ende Tim und seine Leute sein würden. Sie wusste nicht, ob er wirklich mit Mel oder einem anderen Köder zu der Säule vor dem Stadion gehen wollte. Aber wenn, dann konnte das nur schlimm enden. Auch wenn Tim es nicht hatte hören wollen: Sie übersahen etwas. Nachdem sie schon wieder viel zu lange gehadert hatte, nahm sie ihr Handy erneut hoch und wählte Kemals Nummer.

Sie wartete auf die Verbindung, während sie Christoph an der Bar nicht aus den Augen ließ. Er trank seinen Longdrink hastiger, als er das normalerweise tat. Endlich antwortete Kemal.

»Nicht jetzt, Nina. «

»Der Stream ist manipuliert«, stieß sie hervor.

»Was?«

»Ich bin bei GEM und habe Charlotte hier gesehen. Ihr schaut auf einen falschen Stream.«

Sie machte nicht noch einmal den Fehler, ihm Vermutungen mitzuteilen. Es musste Charlotte sein, und das musste heißen, dass mit dem Stream etwas nicht stimmte. Wenn der Killer Zugang zum Gebäude von GEM hatte, dann hatte er vielleicht auch Zugang zu den Originalstreams, und damit konnte man im Prinzip alles manipulieren. Und man konnte sie ausschalten.

»Bist du sicher?«, fragte Kemal.

Sie hörte viele Stimmen um ihn herum. Eine davon war garantiert auch die von Tim auf einer anderen Leitung.

»Schau dir den Stream an«, sagte Nina.

»Warte«, rief Kemal aufgebracht.

Sie war sich nicht sicher, dass sie gemeint war. Für endlose Sekunden hörte sie nur Tastengeklapper und entfernte Stimmen. Eine dunkle Männerstimme sagte über Funk: »SEK ist in Position.« Eine andere sagte: »Sie kommen raus.« Dazwischen herrschte Kemal jemanden an, still zu sein. Plötzlich hörte Nina ihn etwas rufen, das sie lieber nicht gehört hätte: »Verdammte Scheiße, es ist ein Loop!«

Der Stream von Charlotte lief in einer Schleife. Er zeigte immer wieder alte Bilder.

»Abbruch!«, schrie Kemal in sämtliche Handys und Funkgeräte. »Abbruch!«