Mittwoch, 8.40 Uhr, D-Trakt, Herrengasse, Wien

Michael Lenharts erster Eindruck hatte sich bewahrheitet. Sabine Preiss war von einer angenehmen Geradlinigkeit, arbeitete rasch und zeigte angesichts der mitunter lächerlichen Probleme des gestrigen Tages Humor. Dieser war nicht wie erwartet vom Studium verstaubter Akten geprägt, die lagen vorerst noch unberührt auf dem Wohnzimmertisch, sondern von bürokratischer Mühsal.

Jene Stelle im Ministerium musste ausfindig gemacht werden, die dafür sorgte, dass nicht nur ihre Computer funktionierten, sondern auch die Festnetztelefone. Die Putzfirma war zu informieren, dass der D-Trakt nun in Betrieb und in den Reinigungsplan zu integrieren war. Die allgemeine Verwaltung wollte ohne Anweisung kein Druckerpapier herausrücken, und die Haustechnik bedurfte einiger Überzeugungsarbeit, damit sie die automatische Netzfreischaltung deaktivierte und der D-Trakt auch außerhalb der Dienstzeiten mit Strom versorgt wurde.

Als sich die EDV weigerte, ohne schriftlichen Befehl des Brigadiers – dieser weilte auf einer ganztägigen Konferenz außer Haus – die neu gegründete Abteilung zur Kenntnis zu nehmen und in das allgemeine Verzeichnis zu integrieren, verzweifelte Michael Lenhart für einen Augenblick, bevor er eine Eingebung hatte. Hier konnte nur noch Siglinde Wolf helfen, und er wagte einen Versuch, mit Erfolg. Sein Kompliment vom Montag war auf fruchtbaren Boden gefallen. Mit einem »Gehn’s, Herr Hauptmann, des werdn ma glei habn« antwortete sie auf seine Bitte um Unterstützung. Eine halbe Stunde später war die neue Abteilung unter der Bezeichnung »Sonderfälle« in das EDV-System des Innenministeriums integriert, und ein Bürobote brachte gleich mehrere Kartons Papier, je ein Set Ersatzkartuschen für ihre Drucker, Reserveflaschen für den Seifenspender, Toilettenpapier für die nächsten Jahre, eine Kaffeemaschine plus Kaffee für eine ganze Kompanie und, zu guter Letzt, einen nagelneuen Farbkopierer. Den hatte er zwar genauso wenig erbeten wie die Kaffeemaschine, nahm aber beides gerne. So viel zum Thema Dienstweg. Ja, die Frau Wolf war ein echter Schatz und hatte sich einen Strauß Blumen verdient.

Heute früh hatten sie den überschaubaren Aktenstapel nach dem Zufallsprinzip geteilt und begonnen, sich in längst vergangene, aber noch immer ungeklärte Fälle einzulesen, als das Telefon läutete.

»Lenhart, lassen Sie die alten Akten, Sie haben einen aktuellen Fall. Am Zentralfriedhof ist eine übel zugerichtete Leiche in einem Sarg gefunden worden und die Mordkommission hat um Unterstützung gebeten. Keine Ahnung, was da wirklich los ist, angeblich sollen es sogar zwei Leichen sein, aber das übernehmen Sie. Die Kollegen von der Mordkommission sind mit anderen Fällen ausgelastet und die aktuelle Grippewelle hat deren Reihen stark gelichtet. Gehen Sie zur Wolf, die gibt Ihnen die Schlüssel für einen Wagen. Und damit das klar ist: Den Wagen bekommen Sie nur vorübergehend, wir müssen sparen.«

Gut gelaunt holte er seinen Mantel und ging ins Nebenzimmer: »Sabine, der Fritsch hat uns einen aktuellen Fall gegeben. Eine, vielleicht auch zwei Leichen am Zentralfriedhof. Näheres wusste er selbst nicht. Ich hole mir bei der Wolf die Schlüssel für einen Wagen. Wir treffen uns unten im Hof.«

Wie schnell sich doch alles ändern kann! Im Büro von Siglinde Wolf bedankte er sich nochmals für die Unterstützung und erspähte aus dem Augenwinkel jenen Blumenstrauß, den er ihr in seinem und im Namen von Sabine Preiss via Fleurop hatte zukommen lassen. Im Gegensatz zu früher wurde er überaus freundlich empfangen und mit einem Lächeln drückte ihm Frau Wolf einen Autoschlüssel in die Hand.

»Des is da 5er-BMW. Oder wollns den altn Golf, Herr Hauptmann?«

Mit einem »Sie sind ein Schatz, Frau Wolf!« nahm Michael Lenhart den Schlüssel des BMW.

Am Haupteingang des Zentralfriedhofs ließen sie sich von einem uniformierten Kollegen den Weg beschreiben und fanden im Bereich der Armengräber das gesamte Aufgebot aus Spurensicherung, Amtsarzt, einem Vertreter der Mordkommission sowie einigen uniformierten Beamten, die sich um die Absicherung des Bereiches kümmerten.

Der Vertreter der Mordkommission erkannte seine ehemalige Kollegin und ging ihnen entgegen.

»Servus, Sabine, ich habe schon gehört, Abteilung für Sonderfälle.« Und an Michael Lenhart gewandt: »Und Sie sind der legendäre Lenhart. Ihre Ohrfeigen für den Kabinettschef werden unter den Kollegen nach wie vor heiß diskutiert. Ich schätze, fast alle stehen auf Ihrer Seite, aber zumindest die höheren Ränge getrauen sich nicht, es zuzugeben. Wie auch immer. Wir sind im Moment unterbesetzt und stecken mit anderen Fällen bis über beide Ohren in Arbeit. Die Leiche gehört also euch. Die Bestatter, die die Leiche gefunden haben, sind da drüben, die Spurensicherung ist noch bei der Arbeit, ebenso der Amtsarzt.«

Im Gehen wandte er sich nochmals um und meinte: »Schaut euch die Leiche oder vielmehr die Leichen an, dazu noch hier am Zentralfriedhof. Ich finde, das ist doch ein passender Einstand für die Abteilung Sonderfälle.«

Ihre erste Anlaufstelle war der Amtsarzt, Dr. Hans-Peter Kraus, ein alter Bekannter.

»Na, wenn das keine Überraschung ist, Bonnie and Clyde, oder wie soll ich euch beide nennen?! Sabine, Michael, ich habe schon gehört, Abteilung für Sonderfälle. Ich weiß nicht, ob ich euch dazu gratulieren soll oder ob Mitleid angebrachter wäre. Die Kollegen haben euch intern auf jeden Fall schon einmal umbenannt, in Abteilung für Abfälle.«

»Servus, Hans-Peter, danke für die neueste Latrinenparole. In gewisser Weise war diese Namensgebung ja naheliegend. Also, was hast du für uns?«

»Es ist zwar makaber und in mancher Hinsicht beängstigend, aber ich bin sicher, ihr werdet diesen Fall mögen.«

Nachdem sich Michael Lenhart und Sabine Preiss ebenfalls Einweghandschuhe und Plastiküberzieher für die Schuhe angezogen hatten, zeigte ihnen Dr. Kraus die beiden Leichen.

»Wie ihr seht, handelt es sich um eine über 90 Jahre alte Dame sowie einen rund 25-jährigen Mann, die sich aus unerfindlichen Gründen einen Sarg teilten. Die Frau sollte heute beigesetzt werden. Name, Anschrift sowie die anderen Daten kann euch das Bestattungsunternehmen geben. Ganz anders sieht es bei dem jungen Herrn aus. Der wurde fachmännisch aufgeschnitten, warum, kann ich euch erst nach der Obduktion sagen, und hier eingeschmuggelt.«

Das Bild, das sich den beiden bot, war in der Tat ungewöhnlich. Die Spurensicherung hatte nach ihrer Vermessungsarbeit und Fotodokumentation einige Teile des kaputten Sarges beiseite geräumt und so den Blick auf die beiden ungleichen Leichen frei gemacht. Unter dem Leichnam des Mannes fast nicht zu sehen, lagen die sterblichen Überreste einer alten Dame. Der Leichnam des Mannes war nackt und wies einen langen, nur mit ein paar Klammern verschlossenen Schnitt unterhalb des Rippenbogens auf. Während Michael Lenhart langsam um die beiden Leichen herumging, drehte sich Sabine Preiss nach einem Blick auf die beiden Leichen zu Dr. Kraus um und fragte ihn direkt: »Hans-Peter, was war dein erster Gedanke, als du den Schnitt gesehen hast?«

Dr. Kraus gab ihr mit einem Wink zu verstehen, ihm zu folgen. Ein wenig abseits zog er die Handschuhe aus und zündete sich einen Zigarillo an. Die Zigaretten hatte er, ganz Arzt, aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben.

»Mein erster Gedanke war: Dem wurde etwas entnommen. Was genau, kann ich euch erst nach der Obduktion sagen. Aber schau dir den Leichnam an, das ist ja fast ein Musterexemplar von einem ehemals gesunden Menschen. Dazu ein Einstich in der linken Armbeuge, Spuren von Heftpflaster sowohl in der Armbeuge als auch rund um den Mund, obendrein Anzeichen einer Schwellung im Rachenraum. Da wurde allem Anschein nach einem gesunden Mann zumindest ein Organ entnommen, und das hat er nicht überlebt. Mehr kann ich dir im Moment nicht sagen. Aber dieser Fall ist auch für den Stand der Ärzteschaft von Bedeutung. Das waren keine Laien, da waren offensichtlich Kollegen am Werk, und alleine diese Vorstellung lässt mich schaudern. Ich sorge dafür, dass hier umgehend eine Obduktion vorgenommen wird, alles andere muss warten. Wenn ihr am Nachmittag in die Gerichtsmedizin kommt, kann ich euch sicher schon mehr sagen.«

Inzwischen hatte sich auch Michael Lenhart zu ihnen gesellt.

»Hans-Peter, schaut nach Organraub aus. Was meinst du?«

»Ich habe es Sabine schon gesagt, ja, es sieht so aus. Jetzt muss ich aber zurück und mich um die Obduktion kümmern. Der Fall ist schlimm! Wenn das in die Medien kommt, ich will gar nicht daran denken.«

»Ich glaube, da kann ich helfen. Wir sind die Abteilung für Sonderfälle, die sich um alte ungeklärte sowie ungewöhnliche Gewaltdelikte kümmert. Das klingt auf den ersten Blick nicht gerade nach Aktualität. Sollte jemand nachfragen: Wir haben kein Sekretariat, und wenn bei uns niemand ans Telefon geht, werden die Anrufe zu Frau Wolf weitergeleitet. Glaub mir, an der Wolf beißt sich jeder Journalist die Zähne aus. Den Mitarbeitern der Bestattung sowie der Friedhofsverwaltung werden wir eindringlich klarmachen, dass die Weitergabe von Informationen ernste berufliche beziehungsweise juristische Konsequenzen haben würde. Die werden den Mund halten, alleine schon, weil die ganze Sache ein schlechtes Licht auf sie wirft.«

Nachdem der Amtsarzt gegangen war, widmeten sie sich der Spurensicherung, die ihnen aber vorerst nichts Neues mitteilen konnte. Aufschlussreicher dürften die Aussagen der Bestatter sein.

Die standen in einer kleinen Gruppe zusammen und wirkten ziemlich verunsichert. Michael Lenhart beschloss, diesen Umstand zu nutzen.

»Ich bin Hauptmann Lenhart, das ist Leutnant Preiss. Damit wir uns von Anfang an richtig verstehen: Dies ist ein erstes allgemeines Gespräch. Jeder von Ihnen wird noch gesondert einvernommen. Sollten wir dabei den Eindruck gewinnen, dass Sie uns etwas verheimlichen, sich intern abgesprochen haben oder uns sonst in irgendeiner Form hinters Licht führen wollen, dann gnade Ihnen Gott, habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«

Nachdem die Bestatter nur mit einem leichten Kopfnicken reagierten, wiederholte Michael Lenhart die Frage nochmals deutlich schärfer: »Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?!«

Angesichts dieses Befehlstones ging ein Ruck durch die Gruppe und alle antworteten mit einem vernehmbaren »Ja!«.

Deutlich freundlicher fuhr Michael Lenhart fort: »Gut, meine Herren, nachdem das geklärt ist, möchte ich gerne von Ihnen wissen, was hier passiert ist, wenn möglich, schön der Reihe nach.«

Ein stämmiger Mann, schätzungsweise Anfang vierzig, ergriff das Wort.

»Eigentlich war es ein ganz normales Armenbegräbnis. Sie müssen wissen, wenn niemand für die Kosten aufkommen will, übernimmt das der Steuerzahler und nach einer kurzen Zeremonie erfolgt die Beisetzung. Solche Armenbegräbnisse haben wir hier fast jeden Tag in der Früh, bevor der normale Betrieb losgeht. Heute ist uns allerdings einer von den elektrischen Wagen, mit denen wir die Särge transportieren und in das Gab senken, ausgefallen. Also haben wir den zweiten Sarg auf den ersten gestellt. Das ist zwar nicht ganz nach Vorschrift, aber es sieht ja keiner. Außer uns ist da kein Mensch. Dann wollten wir den oberen Sarg herunterheben, damit wir den unteren ins Grab absenken können, und da ist er uns weggerutscht und auf dem kleinen Grabstein aufgeschlagen. In dem Moment haben wir gesehen, dass etwas nicht stimmt. Es sollte ja nur eine alte Frau drin sein, aber da war die Hand von einem Mann.«

Ein anderer Bestatter hatte in der Zwischenzeit ebenfalls Mut geschöpft und berichtete: »Wie wir den Sarg in der Leichenhalle auf den Wagen gehoben haben, habe ich mir noch gedacht: Der ist aber verdammt schwer und ziemlich groß für eine ältere Dame. Das sind ja in der Regel eher Fliegengewichtler. Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür, mit der Erfahrung, meine ich. Aber dann haben wir gesehen, warum der so schwer war.«

Einer Intuition folgend, mischte sich Sabine Preiss in das Gespräch ein.

»Sie sind ja routiniert im Umgang mit Särgen. Insofern wundert es mich, dass Ihnen als Profis so ein Missgeschick passiert. Hauptmann Lenhart, es ist zwar noch sehr früh, aber wir sollten einen Alkoholtest machen, nur um sicherzugehen.«

Den betretenen Gesichtern der Bestatter nach zu urteilen, hatte sie ins Schwarze getroffen. Michael Lenhart übernahm diese Vorlage seiner Kollegin.

»Sehr gut. Die Kollegen sollen mit einem Alkomat kommen, und am besten rufst du den Amtsarzt zurück, der hat die nötigen Utensilien für die Blutabnahme immer im Auto.«

Der Anführer der Bestatter meldete sich, mit leichter Panik in der Stimme, zu Wort.

»Muss das sein? Ich meine, wir hatten gestern eine Geburtstagsfeier. Der Heinzi, das ist der dort, hat seinen Vierzigsten gefeiert, und ja, es hat etwas länger gedauert und wir sind keine Kostverächter. Aber ich bitte Sie, was hat das mit der Sache hier zu tun? Ich meine, dass uns der Sarg runtergerutscht ist, stimmt. Unser Fehler, aber wir haben niemanden umgebracht.«

Nach diesem Eingeständnis hatten Lenhart und Preiss leichtes Spiel.

»Das wollen wir hoffen. Aber Sie haben recht, im Moment gelten Sie alle als Zeugen, nicht als Verdächtige. Und ganz ehrlich, ich halte das alles für nichts weiter als ein blödes Missgeschick. Vergessen wir also die Alkoholkontrolle. Im Gegenzug müssen Sie uns aber eines versprechen: kein Wort, zu niemanden. Weder eine Andeutung am Telefon, noch eine Bemerkung in der Sauna oder im Stammbeisl, nichts.«

Wie in einer eingespielten Doppelconférence übernahm Sabine Preiss: »Meine Herren, ich glaube, damit sind wir uns einig. Wie gesagt, Sie müssen alle noch zur Einvernahme kommen, aber wenn Sie bei der Wahrheit bleiben und uns helfen, indem Sie ansonsten den Mund halten, werden wir Ihnen keine Steine in den Weg legen und Ihren Vorgesetzten gegenüber betonen, wie überaus kooperativ Sie sich verhalten haben. Herr Hauptmann Lenhart, was meinen Sie?«

Innerlich lachend, aber mit nach außen ernster Miene erwiderte Michael Lenhart: »Damit lehnen wir uns zwar weit aus dem Fenster, aber ich glaube, wir können den Herren vertrauen. Eines hätte ich aber gerne noch gewusst: Wenn Sie hier eine Leiche einschmuggeln wollten, wie würden Sie das machen?«

Die Erleichterung in den Gesichtern der Bestatter war unübersehbar. Diesmal war es der Heinzi, das Geburtstagskind, der als Erster antwortete: »Ganz ehrlich, ich würde es genauso machen. Schauen Sie, der Zentralfriedhof ist riesig. Hier haben über drei Millionen Menschen ihre letzte Ruhestätte gefunden. Sie können sich also vorstellen, was da für ein Kommen und Gehen herrscht, von den Touristen ganz zu schweigen. Auf dem Friedhof gibt es im Grunde ja auch nichts zu holen. Da gibt es keine ausgeklügelten Sicherheitssysteme, die man überwinden müsste, wie im Film oder so. Wozu auch? Mit ein wenig, wie soll ich sagen, kriminellen Grundkenntnissen wäre es kein Problem, hier in der Nacht eine Leiche verschwinden zu lassen.«

Michael Lenhart hatte genug gehört.

»Gut, meine Herren, das war es vorerst.«

Damit verabschiedeten sie sich und statteten der Friedhofsleitung einen Besuch ab.

Nachdem sie von einem Mann, ganz in Schwarz gekleidet und von undefinierbarem Alter, mit der Bemerkung, die »Frau Chef« würde gleich kommen, aufgefordert wurden, Platz zu nehmen, geschah eine Viertelstunde lang nichts. Für Sabine Preiss waren das zumindest zehn Minuten zu viel. Nach einem Blick zu Michael Lenhart ging sie zum Schreibtisch des Friedhofmitarbeiters, eines Herrn Navratil, und fragte diesen mit engelsgleicher Stimme: »Herr Navratil, vor fünfzehn Minuten sagten Sie, gleich. Wer weiß, vielleicht ist es nur eine Art polizeilicher Reflex, der sich bei Mordermittlungen manchmal einstellt, aber jetzt frage ich mich: Ist der Herr Navratil ein Polizistenhasser, hat er selbst etwas zu verbergen oder deckt er, aus welchen Gründen auch immer, seine Chefin?«

Panisch sprang Herr Navratil auf, während Michael Lenhart seine Kollegin bewundernd ansah.

»Aber nein! Ich weiß ja gar nichts. Ich bin hier nur für den Empfang zuständig. Die ›Frau Chef‹ wird gleich kommen. Sie sollte eigentlich schon hier sein, aber heute ist Mittwoch, und da hat sie für gewöhnlich Termine außer Haus, und ich habe die Anweisung, wenn jemand nach ihr fragt, dann mögen diese Herrschaften doch einen Augenblick warten. Ich habe mit der Sache nichts zu tun, ich habe mit gar nichts etwas zu tun, ehrlich!«

Weiterhin engelhaft lächelnd, nahm Sabine Preiss ein Blatt Papier, notierte die Adresse des D-Trakts und reichte es Herrn Navratil.

»Herr Navratil, Ihre Chefin erscheint morgen um Punkt 7.30 Uhr bei uns zur Einvernahme. Sollte sie sich verspäten, unter einem plötzlichen Anfall von Migräne leider oder im Stau stecken, lassen wir sie von den Kollegen in Uniform abholen und zwangsweise vorführen. Haben Sie das verstanden?«

Mehr als ein panisches Nicken war dem verunsicherten Herrn Navratil nicht zu entlocken.

»Sehr schön, Herr Navratil. Im Namen der Abteilung für Sonderfälle danke ich Ihnen für Ihre Kooperation, auf Wiedersehen.«