Kapitel 3
Zélie
Der nächtliche Regen in Jimeta wäscht die Schwere des Tages von mir. Ich gehe mit Nailah von Bord des Kriegsschiffs. Heulender Wind schlägt uns entgegen, zusammen mit dem süßen Geruch von Salzwasser und Tang; in der überfüllten Kapitänskammer habe ich nur noch brennendes Holz und Asche gerochen. Nailahs schwere Pfoten hinterlassen tiefe Abdrücke im Sand. Auf ihrem Rücken reite ich aus der Hafenanlage in die gewundenen Straßen von Jimeta. Beim Laufen hängt meiner Löwenesse die lange Zunge aus dem Maul. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal bei Vollmond im Freien galoppiert sind.
»So ist es fein, Nailah!« Auf dem Weg durch die verwinkelten Straßen zwischen den Sandsteinklippen von Jimeta halte ich die Zügel straff. Wenn die Dorfbewohner ihre Lampen löschen, um das kostbare Öl zu sparen, werden die an die hoch aufragenden Klippen gebauten Häuser zu schwarzen Umrissen. Wir biegen um eine Ecke, wo Matrosen die hölzernen Aufzüge verschließen, mit denen sie die Klippen hinauf- und hinunterfahren. Mit großen Augen entdecke ich neue Buchstaben an einer Steilwand. Die karmesinroten Pigmente glänzen im Mondlicht, mit vielen unterschiedlich großen Pinseltupfern bilden sie ein I.
Es sind Maji, die sich Iyika nennen . Roëns Worte gehen mir durch den Kopf. Das heißt ›Revolution‹. Sie haben Lagos gestürmt, kaum dass sie ihre Kräfte zurückhatten. Angeblich sind sie direkt zum Palast vorgestoßen .
Ich ziehe an Nailahs Zügeln und stelle mir den Maji vor, der diesen Buchstaben gemalt hat. Bei Roën hörte es sich nicht so an, als seien die Iyika nur eine kleine Gruppe Aufständischer.
Es klang wie eine ganze Armee.
»Mama, guck mal!«, ruft ein kleines Mädchen.
Ich nähere mich einer Ansammlung altersschwacher Zelte. Das Mädchen steht auf der Straße und drückt eine schwarze Porzellanpuppe an seine Brust, deren aufgemaltes Gesicht und Seidenkleid auf die adelige Abstammung der Kleinen verweisen. Das Kind ist nur einer der neuen Bewohner von Jimetas schmalen Gassen, eigentlich nur unbefestigte Wege zwischen den Zelten. Als das Mädchen durch den Regen patscht, stelle ich mir vor, was für ein Leben sie früher geführt hat. Was sie durchgestanden haben muss, um herzukommen.
»Ich habe noch nie eine Löwenesse gesehen.« Sie reckt ihre kleine Hand nach Nailahs mächtigen Hörnern. Ich amüsiere mich über die leuchtenden Augen der Kleinen, doch als sie näher kommt, entdecke ich eine weiße Strähne in ihrem Haar.
Noch ein Tîtán.
Bei dem Anblick wächst der Groll in mir. Nach Roëns Schätzung besitzt jetzt ungefähr ein Achtel der Bevölkerung magische Kräfte. Davon verfügt ungefähr ein Drittel über die Magie der Tîtánen.
Erkennbar an ihren weißen Haarsträhnen, tauchten die Tîtánen nach dem Ritual unter den Adeligen und im Militär auf. Ihre Kräfte sind mit denen der zehn Maji-Clans vergleichbar. Doch anders als bei uns benötigt ihre Gabe keine Beschwörungsformel, um freigesetzt zu werden. Und wie bei Inan sind ihre rohen Kräfte ziemlich stark.
Ich weiß, dass die Magie der Tîtánen auf einen Fehler zurückzuführen ist, den ich beim Ritual gemacht haben muss. Deshalb schnürt sich mir immer der Hals zu, wenn ich einen von ihnen sehe.
Es ist schwer, bei weißen Strähnen nicht an ihn zu denken.
»Likka!« Die Mutter des Mädchens kommt nach draußen in den Regen, schlingt ihrer Tochter einen dicken gelben Schal um den Hals und greift nach deren Handgelenk. Als die Frau mein weißes Haar sieht, versteift sie sich.
Ich schnalze mit der Zunge und reite weiter. Obwohl ihre Tochter jetzt magische Kräfte besitzt, hasst diese Frau mich wegen meiner Gabe.
Am Ende des Wegs steige ich vor Roëns Höhle ab.
»Sieh mal einer an!«, empfängt mich eine heisere Stimme, als ich mich dem Eingang der Höhle nähere, in der Roëns Leute leben. Der Söldner zieht seine schwarze Maske herunter, und ich verdrehe die Augen. Es ist Harun, Roëns Mann fürs Grobe. Als wir uns kennenlernten, habe ich ihn zu Boden geworfen. Roën hat mir erzählt, ich hätte Harun mehrere Rippen gebrochen. Seitdem hat er nicht mehr mit mir gesprochen. Jetzt blitzt es gefährlich in seinen Augen.
»Heraus mit der Sprache!« Schwer legt er mir den Arm um die Schultern. »Warum kommt meine Lieblingsmade aus ihrem Loch gekrochen?«
Ich schüttele seinen Arm ab und ziehe meinen Stab. »Ich bin nicht zu Spielchen aufgelegt.«
Ich mustere ihn abschätzig, er grinst mich an und bleckt seine gelben Zähne. »Hier kann es nachts gefährlich werden. Besonders für eine Made wie dich.«
»Nenn mich nie wieder ›Made‹!«
Meine Narben kribbeln, wenn ich das Schimpfwort höre, dass König Saran mir in den Rücken ritzte. Weitere Söldner treten aus dem Dunkeln. Ich umfasse meinen Stab fester. Ehe ich mich versehe, drängen mich fünf von ihnen an die Höhlenwand.
»Auf deinen Kopf ist eine Prämie ausgesetzt, du Made !« Harun macht einen Schritt nach vorn, sein Blick huscht über die goldenen Symbole auf meiner Haut. »Ich wusste immer schon, dass man für dich eine ordentliche Belohnung bekommt, aber selbst ich hätte nicht gedacht, wie hoch der Preis steigen würde.«
Sein Lächeln verschwindet, ich sehe eine Klinge blitzen.
»Das Mädchen, das die Magie zurückgebracht hat. Direkt vor uns.«
Bei jedem seiner Sätze brodelt die Magie, von der er spricht, stärker in meinem Blut. Meine Ashê zischt wie eine aufgeladene Gewitterwolke, wartet nur darauf, mit einer Beschwörung freigesetzt zu werden.
Doch ich werde sie nicht loslassen, egal, wie viele Söldner noch auftauchen. Ich darf es nicht. Die Magie ist der Grund dafür, dass Baba nicht mehr da ist. Es wäre ein Verrat, sie jetzt einzusetzen …
»Was ist denn hier los?«
Plötzlich steht Roën vor uns. Er legt den Kopf schräg. Am Eingang der Höhle fällt das Mondlicht auf sein Gesicht. Man kann sehen, dass sein Kinn blutverschmiert ist. Ich weiß nicht, ob es sein eigenes Blut ist oder das eines anderen.
Roëns Auftreten und sein Fuchser-Grinsen vermitteln Lockerheit, doch seine sturmgrauen Augen durchdringen mich wie Messer.
»Ihr feiert doch hoffentlich nicht ohne mich«, sagt er. »Ihr wisst beide, wie eifersüchtig ich werden kann.«
Der Kreis der Söldner teilt sich wie von Zauberhand und macht Platz für ihren Anführer. Harun schnalzt mit der Zunge, als Roën ein Klappmesser zückt und aufspringen lässt, um mit der Spitze den Schmutz unter seinen Fingernägeln zu entfernen.
Roëns Vollstrecker mustert mich noch einmal von oben bis unten, ehe er geht. Seine Drohung hinterlässt einen faden Geschmack in meinem Mund. Die anderen Söldner tun es ihm nach und entfernen sich langsam, bis Roën und ich allein sind.
»Danke«, sage ich.
Roën steckt sein Messer wieder ein und betrachtet mich mit gerunzelter Stirn. Er schüttelt den Kopf und gibt mir ein Zeichen, ihm zu folgen.
»Egal, was du zu sagen hast, meine Antwort lautet: Nein.«
»Hör mich doch wenigstens an!«, bitte ich.
Er marschiert so forsch voran, dass ich Mühe habe, mit seinen langen Beinen Schritt zu halten. Ich rechne damit, dass er mich in die Höhle der Söldner führt, doch er geht zu dem Felsvorsprung, der sich draußen an der Klippe entlangwindet. Der Weg wird immer schmaler, je höher wir steigen. Trotzdem wird Roën stetig schneller. Ich drücke mich an den Felsen, während tief unter mir weiße Wellen an den Klippen bersten.
»Es gab einen Grund dafür, dass ich durch den Regen zum Schiff marschiert bin«, erklärt Roën. »Du vergisst gerne, dass meine Leute dein wütendes kleines Gesicht nicht so gerne sehen wie ich.«
»Was hat Harun da eben gesagt?«, frage ich. »Auf mich ist ein Kopfgeld ausgesetzt?«
»Zïtsōl , du hast die Magie zurückgebracht. Es mangelt nicht an Menschen, die Geld dafür zahlen würden, dich in die Finger zu bekommen.«
Wir erreichen das Ende des Felsvorsprungs. Dort steigt Roën in eine große, mit Eisen verstärkte Holzkiste. Er bedeutet mir, zu ihm zu kommen, doch ich zögere und mustere das Bündel von Seilen, das den einfachen Flaschenzugmechanismus mit irgendwas weiter oben verbindet.
»Weißt du, dass Zïtsōl in meiner Heimat ein Kosename ist? Er bedeutet: Mädchen, das Angst vor Dingen hat, die ungefährlich sind.«
Ich verdrehe die Augen und steige zu ihm auf die ächzenden Bretter. Grinsend zieht Roën am Strick. Ein Gegengewicht fällt herunter, und der Holzkorb setzt sich stockend in Bewegung. Wie Vögel steigen wir in den Himmel auf.
Als wir so weit oben sind, dass ich die neuen Zelte in Jimeta sehen kann, klammere ich mich am verwitterten Rand des Aufzugs fest. Vom Kriegsschiff aus konnte ich nur die Zelte am Nordkai sehen, jetzt erkenne ich, dass noch Hunderte entlang der Felsenküste aufgeschlagen sind.
Etwas weiter sehe ich eine lange Schlange weißhaariger Maji und schwarzhaariger Kosidán, die sich auf ein kleines Schiff drängen. Es fällt mir schwer, mich nicht für ihr Leid verantwortlich zu fühlen. Ich kann kaum glauben, dass die Rückkehr der Magie jetzt schon so viele Orïshaner aus ihrer Heimat vertrieben hat.
»Es ist Zeitverschwendung, nach unten zu sehen«, sagt Roën. »Schau nach oben!«
Ich hebe den Blick und öffne staunend den Mund, als ich sehe, was sich vor mir dreißig Meter in die Luft erhebt. Jimetas hohe Klippen sind dunkle, in den Nachthimmel ragende Silhouetten. Helle Sterne am Firmament funkeln wie Diamanten auf dem dunklen Gewand der Nacht. Bei dem Anblick wünsche ich mir, Baba würde noch leben; er hat immer so gerne in die Sterne geguckt.
Als wir höher steigen, wage ich dennoch einen Blick auf die Menschen unten. Fast wäre es mir lieber, mit ihnen an Bord eines Schiffes zu gehen. Wie wäre es wohl, dem versprochenen Frieden entgegenzusegeln? In einem Land zu leben, wo Maji nicht als Feinde betrachtet werden? Wenn ich dies alles hinter mir ließe, täte das Atmen dann immer noch so weh?
»Glaubst du, ihnen geht es besser dort, wo sie hinwollen?«, frage ich.
»Eher nicht«, erwidert Roën. »Wenn man schwach ist, ist es egal, wo man ist.«
Meine Schuldgefühle werden immer größer und entfesseln meine Phantasie. Doch als Roën mir einen Arm um die Taille legt, beginnt mein Magen zu flattern.
»Außerdem: Welcher Menschenseele soll es so weit weg von mir schon besser gehen?«
»Ich gebe dir drei Sekunden, dann reiße ich dir den Arm ab.«
»Drei ganze Sekunden?« Roën grinst, während der Korb schwingend zum Stehen kommt. Wir schweben hoch oben vor einem Felsvorsprung, der sich zu einer bescheidenen Höhle öffnet. Mit verschränkten Armen trete ich ein. Der Fels ist zu einem Tisch und einem Stuhl gehauen. Mehrere Pantheressenfelle bilden ein Bett. Ich hätte nicht gedacht, dass Roën so schlicht lebt.
»Das ist alles?«
»Wie, hast du vielleicht einen Palast erwartet?« Er geht zu dem einzigen Möbelstück, einem Schrank aus Marmor, in dem er verschiedene Waffen und Klingen aufbewahrt. Er holt zwei Schlagringe aus Messing aus der Tasche und legt sie auf ein Gitter. Das glänzende Metall ist noch immer voller Blut.
Ich bemühe mich, mir nicht das Gesicht vorzustellen, das Roën damit traktiert hat, sondern suche nach den richtigen Worten, um ihn von dem zu überzeugen, was er für uns tun soll. Ich möchte nicht zu lange mit ihm allein sein. Auch wenn er gerade den Annäherungsversuch gemacht hat, traue ich weniger mir als ihm.
»Wir sind dir sehr dankbar für alles, was du getan hast«, sage ich. »Für die Geduld, die du mit uns hattest …«
»Amari hat hoffentlich noch ein paar bessere Sätze mit dir eingeübt.« Roën will sich auf einen Stuhl setzen, zuckt aber zusammen. Er greift sich in den Nacken und zieht sein Hemd über den Kopf. Beim Anblick seiner wohlproportionierten Muskeln, über die sich alte und neue Narben ziehen, wird mir ganz anders. Dann entdecke ich eine klaffende Wunde unter Roëns Schulterblatt.
Das ist eine Chance, ihm näherzukommen. Ich nehme einen schmutzigen Lumpen vom Boden. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgt er, wie ich den Lappen in einem Eimer Regenwasser auswasche, bevor ich seine Wunde damit betupfe.
»Du bist süß, Zïtsōl. Aber ich habe es nicht so mit Gefallen.«
»Das ist kein Gefallen«, entgegne ich. »Hilf uns, eine Kundgebung zu organisieren, dann bekommst du das Doppelte von dem, was du eh erhältst.«
»Klär mich mal auf!« Roën legt den Kopf schief. »Was ist das Doppelte von nichts?«
»Wenn das Ritual wie geplant verlaufen wäre, säße Amari jetzt auf dem Thron. Dann hättest du dein Gold längst.«
Und Baba wäre noch am Leben.
Ich verdränge den Gedanken, bevor er mich aufs Neue quälen kann. Über das zu grübeln, was hätte sein können, wird mir nicht helfen, Roën zu überreden.
»Zïtsōl, und wenn ich noch so charmant bin, willst du mit Sicherheit keine Männer wie mich oder Harun an deiner Seite haben. Und ganz bestimmt willst du nicht in unserer Schuld stehen.«
»Wenn Amari den Thron nicht für sich beansprucht, wird es jemand anders tun.«
»Das ist ihr Problem.« Roën zuckt mit den Schultern. »Was kümmert dich das?«
»Weil …« Die Worte, die ich sagen müsste, wollen nicht heraus. Weil sie das Beste für dieses Königreich ist. Weil sie die Einzige ist, die die Maji-Jagd des Militärs beenden kann.
Ich will Roën nicht anlügen.
Das käme mir vor, als würde ich mich selbst belügen.
»Ich dachte, alles würde besser werden.« Ich schüttele den Kopf. »Die Magie sollte alles besser machen.«
Als ich die Wahrheit laut ausspreche, wird mir das Ausmaß meiner Enttäuschung klar. Fast zerbreche ich daran. Das Herz wird mir schwer.
»Babas Tod, die Tîtánen, die Jagd auf die Maji …« Ich seufze. »All die Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen. Das Ritual ist noch keinen Mond her, und doch kommt es mir vor, als hätte die Magie das gesamte Königreich zerstört. Alles ist schlimmer als vorher.« Ich wringe den Lappen aus und würde am liebsten die Zeit zurückdrehen. »Jetzt, da wir sie haben, will ich sie nicht mehr. Hätte ich sie doch nie zurückgeholt!«
Bebend atme ich aus und will Roëns Wunde weiter versorgen, da packt er mich am Handgelenk und zwingt mich, ihn anzusehen. Bei seiner Berührung summt meine Haut. Es ist das erste Mal seit der Nacht auf dem Kriegsschiff, dass wir ganz allein sind. Damals teilten wir unsere Albträume und Verletzungen unter dem gelben Mond.
Die Art, wie Roën mich ansieht, bringt meinen Körper zum Kribbeln. Ich möchte ihn an mich drücken. Es ist, als würden seine sturmgrauen Augen meinen Panzer durchdringen und sehen, in was für einem furchtbaren Zustand ich tatsächlich bin.
»Wenn du deine Magie nicht mehr willst, was willst du dann?«
Seine Frage lässt mich innehalten. Ich will die Menschen zurück, die ich verloren habe, mehr nicht. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fehlt mir Mamas Umarmung. Die Erlösung, die der Tod bietet.
»Ich will frei sein«, flüstere ich. »Ich will mit allem durch sein.«
»Dann sei doch damit durch.« Roën zieht mich an sich und betrachtet mich, als sei ich ein Knoten, der gelöst werden muss. »Warum bittest du mich um Hilfe, wenn du selbst einen Schlussstrich ziehen und den Schaden begrenzen kannst?«
»Weil alles umsonst war, wenn Amari nicht auf den Thron kommt. Dann wäre mein Vater umsonst gestorben. Und wenn das passiert …« Bei dem Gedanken zieht sich mein Magen zusammen. »Und wenn das passiert, werde ich niemals frei sein. Nicht mit diesen Schuldgefühlen.«
Roën sieht mich an, und ich spüre, dass ihm eine Erwiderung auf der Zunge liegt. Doch er sagt nichts, sondern lässt zu, dass ich die Hand unter sein Kinn lege und sein Gesicht vom Blut säubere.
Er senkt den Blick. Ich sehe die Kerben an seinem Arm, seine schlimmsten Narben. Er hat mir erzählt, dass die Folterknechte für jedes Crewmitglied, das sie vor seinen Augen töteten, einen Strich in seinen Arm ritzten; dreiundzwanzig Kerben für dreiundzwanzig Leben. Tief in mir bin ich überzeugt, dass diese Narben der Grund sind, warum Roën seine Heimat verließ. Der Grund, warum er mich besser versteht als jeder andere.
»Bei mir gibt es keine zweite Chance, Zïtsōl. Das wäre schon deine dritte.«
»Du kannst mir vertrauen.« Ich halte ihm die Hand hin. »Das schwöre ich dir bei Babas Leben. Hilf uns, das Ganze durchzuziehen, und du wirst in Gold entlohnt.«
Roën schüttelt den Kopf, dann legt er jedoch seine Hand in meine. Erleichterung breitet sich in mir aus.
»Gut«, sagt er. »Wir brechen noch heute Abend auf.«