Kapitel 40
Inan
Selbst mich am anderen Ende des Gangs erschüttert die Explosion bis ins Mark.
Unerträgliche Hitze versengt meine Haut.
Schwarzer Rauch erfüllt die Luft.
»Jokôye!«, rufe ich hustend. Ruß und verkohlte Pergamentschnipsel fliegen herum. Ojore zieht mich zurück, reißt mich aus dem Kampfgeschehen. Meine Augen brennen.
»Lasst sie nicht entkommen!« Mutter weist auf die sieben Gestalten, die durch die schwarzen Wolken stürzen. Als sich der Qualm auflöst, sehe ich überall Soldaten liegen. Jokôye ist bewusstlos, ihr Unterschenkel seltsam verdreht.
Mutter läuft nach vorn, bringt das grüne Licht in ihrer Brust zum Leuchten. Doch Amari weicht nicht zurück. Mit großen Augen sehe ich, dass hinter ihren Rippen ein dunkelblaues Licht strahlt.
Magie umwirbelt Amaris Körper wie ein Taifun, bringt jedes Glied zum Strahlen.
»Ya èmi, ya ara!« , ruft sie.
Von ihren Händen geht wellenartiges blaues Licht aus, das die Soldaten vor ihr durchdringt.
Mutter stößt einen Schmerzensschrei aus, drückt den Rücken durch und sackt zu Boden, die Hände um den Kopf geschlungen. Ihre goldene Maske schlittert über die Steine.
Amari streckt die Hand in meine Richtung. In meiner Brust zieht sich alles zusammen. Doch als sich unsere Blicke treffen, schlägt sie nicht zu. Obwohl sich unsere Leute bekämpfen, erkenne ich meine Schwester. Ich sehe mein Blut.
»Amari!« Meine Schritte werden langsamer, ich will stehen bleiben, doch Ojore zieht mich um die nächste Ecke und schiebt mich eine Treppe hoch. Ich habe Mühe, mich aufrecht zu halten. Wir laufen einen langen Gang hinunter. Als die Iyika näher kommen, schießt mein Puls hoch.
»Hier rein!« Ojore schubst mich in einen vollgestellten Raum und hält mir den Mund zu. Donnernd nähern sich die Stiefel der Iyika. Schweiß rinnt mir übers Gesicht.
Ojore rührt sich nicht, bis die Schritte verstummt sind. Ich spähe nach draußen. Die Iyika sind über eine weitere Treppe verschwunden.
»Ihr Himmel!« Zitternd stützt sich Ojore an der Steinwand ab. Ich versuche zu atmen, doch je weiter sich Zélie von mir entfernt, desto enger zieht sich meine Kehle zusammen. Ihr Geist ruft meinen. Es ist, als sei sie immer noch in meiner Seele verankert.
Ich versuche, sie in meine Traumwelt zu ziehen, doch als meine Magie sich entzündet, bekomme ich rasende Kopfschmerzen.
»Alles in Ordnung?«, fragt Ojore.
Ich krümme mich, er hält mich fest, ich nicke. Seltsam, dass ich selbst im Tempel keinen Zugang zur Traumwelt habe.
»Bleib hier!«, befiehlt Ojore. »Ich hole die anderen.«
Ich halte die bronzene Münze fest umklammert und sehe ihm nach, als er losläuft, um Jokôye und meine Mutter zu holen. Nachdem er um die Ecke verschwunden ist, schaue ich die Treppe hoch.
Ich ignoriere die Stimmen, die mir zurufen, ich solle stehen bleiben, und laufe los, Zélies Meersalzseele hinterher.