Kapitel 54
Zélie
Es beginnt mit einem Beben.
Mit einem Riss im Boden.
Monströse Schemen erheben sich aus der Erde, und der erste Berg des Sanktuars stürzt ein.
Die Geister klettern aus dem Boden, jeder so groß wie ein Gorillion. Wenn ich sehr gut bin, kann ich allein ein paar Dutzend Schemen heraufbeschwören. Zusammen mit Mâzeli hingegen erschaffe ich Hunderte.
»… mo ké pè yin ní òní.«
Die Adern an unserem Hals schwellen an, immer mehr Geister erheben sich aus dem Boden. Wenn sie sich bewegen, rieselt Erde von ihnen herab. Ein Tsunami aus Schemen fegt über das Land.
Die Cênter-Frau schwingt ihre Sense, und unser gewaltiger Schemen wird zerschmettert. Doch sie ist nicht stark genug, um alle Schemen gleichzeitig auszuschalten. Nach einem halben Kilometer erstirbt der Wind.
»Weiter!«, rufe ich. Mâzelis Herz klopft in meiner Brust. Unsere Ashê haben sich vereint. Ich spüre, wie mein Körper brennt.
Der magische Mondstein verbindet unser beider Seelen und schafft eine Macht, wie ich sie noch nie in den Händen hatte. Geister kriechen auf die Streitwagen und zerreißen die Soldaten. Die Schreie der Tîtánen gellen mir in den Ohren. Doch je länger
wir dagegenhalten, desto anstrengender wird es. Desto stärker spüre ich den Schmerz.
»Zélie …«, presst Mâzeli hervor. Ganze Hautstücke lösen sich von seinen Armen. Er beginnt zu schreien.
Die mächtige Ashê rauscht durch unsere Adern. Sie brennt in uns beiden. So gerne ich aufhören würde, die Cênter-Frau geht nicht in die Knie.
»Noch einmal!«, rufe ich. »Ẹmí àwọn tí ó ti sùn …«
Vor Schmerzen beiße ich die Zähne aufeinander. Wir hören nicht auf, unsere Formel zu rufen. Ein Hügel nach dem anderen explodiert. Die Kraft von Oya durchströmt uns.
Neue Geister erheben sich wie Berge, überbrücken die Entfernungen innerhalb von Sekunden. Als unsere Schemen sich auf die Generalin stürzen, heult sie auf. Endlich stürzt sie, und silbernes Licht flackert unter den aus Erde geformten Körpern. Die Schemen verziehen sich, die Leiche der Frau bleibt wie eine Lumpenpuppe im Schutt liegen.
»Wir haben sie!«
Ich drehe mich zu Mâzeli um, doch er rührt sich nicht. Blut rinnt aus seinen Mundwinkeln. Seine Hand hängt schlaff hinunter.
»Mâzeli?«
Das violette Licht erlischt in seinem Blick. Er taumelt rückwärts, verdreht die Augen. Die Anstrengung unserer vereinten Magie, die gewaltige Macht, hat ihn zerfressen.
Er presst die Hände auf die Brust. Ich spüre in meinem Körper, wie sein Herz krampft.
»Mâzeli!« Ich will ihn auffangen, bevor er zu Boden fällt.
Als er zusammenbricht, geben auch meine Beine nach.