Prolog

A m 7. April 2018 beginnt in Zermatt am Fuß des Matterhorns eine mysteriöse Geschichte, die sich liest wie aus einem Hollywood-Drehbuch. Es ist die Geschichte des Tengelmann-Chefs Karl-Erivan Haub, der an diesem Tag frühmorgens zu einer Skitour aufbricht und seitdem verschollen ist. Es ist eine Geschichte von Macht und Betrug, von Geheimdiensten und Oligarchen, von Gier und Größenwahn. Eine Geschichte, an deren Ende zwei Privatermittler tot sein werden.

Der breiten Öffentlichkeit sind bis zu jenem Tag weder der Name Karl-Erivan Haub noch sein Gesicht sehr präsent, die Milliardärsfamilie lebt äußerst zurückgezogen. Die Firmen ihres Familienimperiums kennt jedoch fast jeder. Bis zu seinem Verschwinden lenkte Karl-Erivan Haub die Tengelmann Warenhandelsgesellschaft KG. Zu ihr gehören über die Jahre nicht nur die Supermärkte Kaiser’s und Tengelmann, sondern auch große Ketten wie OBI, KiK, Netto, TEDi und Internetbeteiligungen wie Zalando, Westwing und viele mehr. Die Familie ist in der Wirtschaft ganz oben angekommen. Sie pflegt außerdem enge Kontakte zu den höchsten Kreisen der deutschen und amerikanischen Politik.

Unmittelbar nach dem Verschwinden in den Schweizer Alpen beginnt eine beispiellose Suche, finanziert aus privaten Mitteln der Familie und von Tengelmann-Mitarbeitern koordiniert. Im Verlauf der Jahre steigen die Kosten auf mehrere Millionen Euro und es werden weltweit Ermittlerteams beschäftigt. Denn schnell wird klar: In Zermatt wird man nicht fündig. Die Ermittler müssen ihren Fokus ausweiten – bis nach Russland.

Nach und nach kommt ans Licht: Karl-Erivan Haub, für viele bis dahin der Inbegriff eines »ehrbaren Kaufmanns«, pflegte offenbar über Jahre hinweg intensive Kontakte und Geschäftsbeziehungen in Russland. Seine dortigen Partner: mitunter dubiose Gestalten mit höchst krimineller Vergangenheit. Auch seine Beziehung zu einer jungen Russin wirft viele Fragen auf. Allem Anschein nach ist Veronika, so ihr Name, eine aktive Agentin eines russischen Nachrichtendienstes. Sie begleitet den Milliardär auf Reisen. Auch in der Nacht vor seinem Verschwinden hat sie mehrere Stunden mit ihm telefoniert.

In welche dunklen Machenschaften ist der deutsche Milliardär möglicherweise verstrickt? Ist er als eine Art Doppelagent für Russland tätig, was die internen Tengelmann-Ermittler inzwischen als Option in Betracht ziehen?

Warum waren kurz nach seinem Verschwinden sowohl der amerikanische Inlandsgeheimdienst FBI als auch der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA in Zermatt vor Ort? Warum verschließen die deutschen Behörden bis heute ihre Augen?

Welche Rolle spielt Christian Haub, Karl-Erivans jüngster Bruder und der heutige Firmenlenker, in der ganzen Geschichte? Weiß er womöglich mehr, als er zugeben will?

Bis heute fehlt von »Charlie«, wie ihn seine Familie und enge Freunde nennen, offiziell jede Spur. Doch stimmt das wirklich? Oder soll die Öffentlichkeit dies glauben?

Investigativjournalisten konnten im Jahr 2021 einen umfassenden Einblick in die jahrelangen Nachforschungen der internen Tengelmann-Ermittler nehmen und die streng geheimen Dokumente auswerten. Auf dieser Grundlage wurde der Fall Karl-Erivan Haub in einer knapp zweijährigen journalistischen Recherche neu aufgerollt und durch eine Vielzahl von Ermittlungsergebnissen ergänzt: Offenbar ist der Aufenthaltsort des verschollenen Milliardärs innerhalb seiner Familie zeitweise bekannt. Doch warum wird er verheimlicht? Und welchen Zusammenhang gibt es zwischen den internen Tengelmann-Ermittlungen und dem plötzlichen Tod von zwei externen Privatdetektiven?