Bis in der Wissenschaft eine Revolution unseres Weltbilds akzeptiert und ein altes verabschiedet wird, dauert es oft eine ganze Weile. Nur weil Lemaître und Hubble scheinbar den Urknall entdeckt hatten, bedeutete das noch nicht, dass die Schulbücher gleich neu geschrieben wurden. So einfach funktioniert Wissenschaft nicht. Zum Glück! Gerade wenn es darum geht, eine bahnbrechende neue Weltanschauung zu etablieren, braucht es mehr als nur einen Artikel und ein paar fancy Formeln.
Die Wissenschaft spaltete sich mal wieder in zwei Lager (was sie sehr häufig tut): Die Verfechter der Urknalltheorie rund um Hubble und Lemaître auf der einen, die überzeugten Astronomen der Steady State Theory von Fred Hoyle auf der anderen Seite. Wie in einem Boxkampf versuchten die Wissenschaftler, Schwachstellen in der Theorie des Gegners zu finden und gleichzeitig neue Belege zu sammeln. Doch es dauerte noch einige Jahrzehnte, bis eins der beiden Teams per Knock-out den Kampf gewann.
Zunächst stellte ein in Russland geborener amerikanischer Physiker namens George Gamow im Jahr 1940 mit seinen Kollegen an der George Washington University erstmals Berechnungen an, die zum Urknallmodell passten. 19 Die Idee war simpel: Wenn wirklich alles im Universum ursprünglich eng beieinander war, dann sollte man das bis in die Gegenwart irgendwie messen können. Noch präziser fassten Ralph Alpher und Robert Herman den Gedanken acht Jahre später. Sie behaupteten, dass es eine Art kosmischer Reststrahlung geben müsse: Licht, mittlerweile so alt, dass man es nur noch als Mikrowellen messen könne. 20 Diese Strahlung sollte sich ihnen zufolge überall im Universum nachweisen lassen. Auch auf der Erde. Doch wieder mal ließ die Wissenschaft eine wichtige Theorie zunächst unbeachtet. Hermans und Alphers Berechnungen gerieten fast in Vergessenheit, bis sich in den 1960 er-Jahren einer der wahnwitzigsten Zufälle der Wissenschaftsgeschichte ereignete.