Auge um Auge, Stern um Stern

Die Bewegungen von Sonne und Mond lassen sich einfach mit bloßem Auge von der Erde aus verfolgen. So schrieb der griechische Gelehrte Claudius Ptolemäus im 2 . Jahrhundert u.Z. sein Werk Almagest , das sich mit den Bewegungen der Himmelskörper befasste und über 1400 Jahre als Goldstandard der Wissenschaft galt.

Das ptolemäische Weltbild erklärte das Universum so, wie es sich darstellt, wenn man es von der Erde aus betrachtet: Wir stehen im Zentrum, während Sonne, Sterne und Planeten auf perfekten Kreisbahnen um uns herumziehen. Ausgehend von dieser Vorstellung wurde das Universum beobachtet und erklärt, zudem wurden große Ereignisse wie Sonnenfinsternisse oder Konjunktionen, scheinbar direkte Begegnungen von zwei Himmelskörpern, vorausgesagt. Damit war der Almagest , wie der Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen schreibt, das »erfolgreichste erfolglose Werk der Astronomiegeschichte«. 40

Abbildung 2.3:
Das »Sonnensystem« nach Claudius Ptolemäus

Eineinhalb Jahrtausende lang glaubte man an ein komplett falsches Weltbild, das muss man sich mal vorstellen! Wie kann so was passieren? Nun, zum einen war es gar nicht so leicht, das ptolemäische Weltbild zu widerlegen, denn es hatte zwei verdammt gute Argumente auf seiner Seite.

Das erste Argument? Kreise. Perfekte Kreise. Das klingt jetzt erst mal unspektakulär, aber Kreise waren einfach der absolute Oberhit für die Wissenschaftler und Astronomen, die auf Ptolemäus schworen (und das waren lange Zeit fast alle). Ihrer Ansicht nach war der Kreis die erhabene, perfekte Form. Unantastbar, vollendet, göttlich. Und in Ptolemäus’ Verständnis des Universums bewegten sich wie gesagt alle Himmelskörper, Sonne, Mond und die Planeten, auf perfekten Kreisbahnen um die Erde herum. Wer den Kreis anzweifelte, der konnte sofort einpacken. So fangen wir hier gar nicht erst an. Da könnte man ja direkt behaupten, die Erde würde sich um die Sonne drehen, pah. Was für ein Humbug!

Und da sind wir auch schon beim zweiten Argument angekommen: dem geozentrischen Weltbild, der Idee, dass die Erde im Mittelpunkt des Universums steht. (Stellt man die Sonne ins Zentrum, spricht man von einem heliozentrischen Weltbild.) Dieses geozentrische Weltbild, das passte der Kirche natürlich gut in den Kram. Der Mensch als Krone der Schöpfung, die Erde im Zentrum des Universums, das klingt doch super! Die Institution Kirche wird uns hier im Buch immer wieder als größte Kritikerin und Widersacherin des wissenschaftlichen Fortschritts begegnen, aber ganz so schwarz-weiß war es nicht immer. Viele der Wissenschaftler, um die es hier geht, waren selbst strenggläubig und besetzten hohe Positionen in der Kirche. Sie wollten ihren Glauben mit ihrer Forschung verbinden, teilweise die Bibel belegen oder ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse verfeinern. Dabei riskierten sie, eingesperrt, exkommuniziert, also aus der Kirche ausgeschlossen, oder gar als Ketzer verbrannt zu werden.

Wenn man es mit dem von den mächtigen Kirchenmännern vertretenen geozentrischen Weltbild aufnehmen wollte, musste man wirklich sicher sein, dass man eine bessere Alternative entdeckt hatte. Und so kam es dann irgendwann. Die ersten Zweifel an der Unanfechtbarkeit des Modells wurden laut, weil es die Bewegungen der Himmelskörper doch nicht so akkurat vorhersagen konnte wie ursprünglich gedacht. Teilweise verfehlten die Astronominnen und Astronomen die Wirklichkeit um mehrere Wochen, oder sie lagen gleich komplett daneben.