Epizykel: Verrenkungen in der Astronomie

Also, was passiert wirklich am Himmel? Bewegt sich die Erde? Oder bewegt sich alles andere – Sonne, Mond, Sterne – um uns herum? Und wie zur Hölle findet man das eigentlich heraus? Wenn man es nicht besser weiß, ist es erst mal keine ganz unlogische Annahme, dass die Himmelskörper um unsere Erde kreisen, also um das vermeintliche Zentrum des Universums. Wobei alles, was wir da oben sehen können, immer von Osten nach Westen zieht. Na ja, fast alles. Ein paar kleine Gestirne, die oft bei Einbruch der Nacht oder früh am Morgen als helle Punkte zu erkennen sind, verhalten sich im Verlauf eines Jahres zeitweise doch irgendwie … merkwürdig.

Wenn sich alle Himmelskörper, wie Ptolemäus es in seinem Almagest beschreibt, auf perfekten, erhabenen Kreisbahnen um die Erde bewegen würden, dann müssten sie das alle stets mit derselben Geschwindigkeit tun. Was auf die Planeten aber nicht zutrifft. Die sind mal schneller, mal langsamer, und noch viel schlimmer: Manchmal, wenn man sie über mehrere Monate hinweg betrachtet, bewegen sie sich plötzlich in die andere Richtung und ziehen kleine Schleifen am Himmel. Bitte, was?! So haben wir aber nicht gewettet. Wie kommt die Wissenschaft denn aus diesem Schlamassel wieder raus? Die geozentrische Ordnung wurde, als dieses seltsame Verhalten der Planeten erstmals auffiel, sicher umgehend für ungültig erklärt und festgestellt, dass die Erde DOCH nicht das Zentrum des Universums sein kann … oder?

Nein. Wie wir bereits wissen, dauert es meist eine ganze Weile, bis ein altes Weltbild gestürzt wird. Wenn Zweifel aufkommen, hilft man sich lieber erst mal mit Sub-Hypothesen, die das vertraute Konstrukt zusammenhalten sollen.

Aber wieso bewegen sich dann die Planeten manchmal schleifenförmig vorwärts und rückwärts über den Himmel? Nun, hier kommen die sogenannten Epizykel ins Spiel.

Ein Epizykel ist, wie wir in Abbildung 2 .4 sehen können, eine Umlaufbahn auf einer Umlaufbahn. Um die scheinbar unsinnigen Bewegungen der Gestirne erklären und gleichzeitig das vertraute Weltbild beibehalten zu können, wurde folgendes gedankliches Konstrukt entwickelt: Ein Planet, der um unsere Erde kreist, befindet sich nicht auf der direkten Umlaufbahn, genannt Deferent, sondern auf einer Umlaufbahn um einen Punkt auf dieser Umlaufbahn. Dieses Modell, ursprünglich im 3 . Jahrhundert v.u.Z. entwickelt (vermutlich von Apollonius von Perge 41 ) und später von Ptolemäus in seinen Almagest übernommen, konnte die merkwürdigen Bewegungsmuster der Planeten erklären, ohne die Erde als Zentrum des Universums aufgeben zu müssen. Bingo! Wir sind wieder der Mittelpunkt von allem!

Abbildung 2.4:
Epizykel

Abbildung 2.5:
Geozentrisches Modell mit Epizykeln

Heute, Tausende Jahre später, fällt es leicht, darüber zu schmunzeln und sich zu fragen, wie eine solche Vorstellung sich so lange halten konnte. Das geozentrische Modell wurde durch den Einsatz unzähliger Epizykel nämlich immer chaotischer (siehe Abbildung 2 .5 ). Nur so passte die Theorie mit den Beobachtungsdaten zusammen. Von den schönen, erhabenen Kreisformen blieb dabei irgendwie wenig übrig.

Schließlich muss sich die Wissenschaft aber immer wieder mit der Wirklichkeit auseinandersetzen, und wenn Theorie und Praxis ständig nicht zueinanderpassen, dann braucht es früher oder später eine Revolution. Die ließ zwar lange auf sich warten, aber eines Tages war es so weit …