Mikołaj Kopernik wurde etwa 30 Jahre nach Erfindung des modernen Buchdrucks mit beweglichen Lettern in Pommern geboren. Er war quasi eine Art Digital Native in der neu boomenden Medienwelt der Bücher. Plötzlich besaß fast jede Bibliothek jeder größeren Stadt Ausgaben der größten Werke der Wissenschaftsgeschichte. Mikołaj studierte an der Universität Krakau und las Werke von Archimedes, Ptolemäus, Al-Battani und vielen mehr. Es war auch etwa um diese Zeit, dass er seinen polnischen Geburtsnamen ab- und sich einen lateinischen Gelehrtennamen zulegte: Nikolaus Kopernikus.
Als er 1514 im Alter von 41 Jahren seinen Commentariolus – seinen »kleinen Kommentar« – verfasste, hatte sich in der Wissenschaft die Auffassung durchgesetzt, dass der Almagest dringend überarbeitet werden müsse. Für Kopernikus warf die Epizykellösung Probleme auf. Es störte ihn, dass sich die Planeten mit ungleichmäßigen Geschwindigkeiten über den Himmel fortbewegten. Im »kleinen Kommentar« hielt er erstmals seine Überzeugung fest, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums sei, sondern die Sonne. Zusätzlich erklärte er die Bewegung der Himmelskörper damit, dass sich die Erde um ihre eigene Achse dreht. Na, guck mal einer an! Das sind doch einige gute Punkte, die Herr Kopernikus da aufführte! Den Commentariolus veröffentlichte er übrigens nie, die Schrift zirkulierte nur in seinem Bekanntenkreis.
Kopernikus’ Hauptwerk, De revolutionibus orbium coelestium (Über die Umlaufbahnen der Himmelssphären) , erschien 1543 , fast 30 Jahre später. Im selben Jahr starb der vielseitige Wissenschaftler im Alter von 70 Jahren. Obwohl seine Theorie schon viel früher ausgereift war, hielt er sie vor der Öffentlichkeit geheim, bis er auf dem Sterbebett lag. Der Grund dafür? Er hatte, ähnlich wie etwa 300 Jahre später Charles Darwin, Angst vor den Konsequenzen, die eine Veröffentlichung nach sich ziehen würde. Vor allem fürchtete er die Reaktion der Kirche, und wie sich herausstellen sollte, tat er das zu Recht. 1616 wurde das kopernikanische Weltbild von der Kirche verboten, eine Entscheidung, die später zur Verhaftung von Galileo Galilei führen sollte. 46 Aber eins nach dem anderen.
Mit Kopernikus traute sich zum ersten Mal ein Wissenschaftler, das geozentrische Weltbild anzuzweifeln und eine clevere Alternative vorzustellen. Das Problem war nur: Kopernikus’ Modell, so simpel es erschien, brauchte ebenfalls Epizykel, um zu funktionieren. 47 Auch er wollte auf die perfekten, erhabenen Kreise, die die Umlaufbahnen der Planeten angeblich beschrieben, nicht verzichten, was der Genauigkeit seines heliozentrischen Weltbilds schadete. Die Vorhersagen, die man damit treffen konnte, waren kaum zuverlässiger als die des ptolemäischen Systems. Dennoch bekehrte De revolutionibus einige clevere Astronomen zu Kopernikanern, die im Verlauf des 17 . Jahrhunderts das Rätsel um die wahre Natur unseres Sonnensystems endlich lösen sollten.