Wetten, dass …

Na gut, ob die drei Herren, um die es nun gehen soll, tatsächlich eine britische cup of tea tranken, während sich die folgende Geschichte abspielte, ist nicht überliefert. Klar ist aber, dass sich im Januar des Jahres 1683 drei Männer von enormer Prominenz auf eine folgenschwere Wette einließen. Zum einen war da Edmund Halley, dessen Biografie sich liest, als wäre er eine Mischung aus Jack Sparrow und Indiana Jones gewesen. Heute ist er bekannt für die Berechnung der Umlaufbahn des nach ihm benannten »Halleyschen Kometen«, den wir übrigens das nächste Mal am 28 . Juli 2061 werden sehen können. Zu seinen Lebzeiten war er aber auch »Kapitän zur See, Kartograf, Professor für Geometrie an der Universität zu Oxford, stellvertretender Aufseher der königlichen Münze, königlicher Astronom und Erfinder der Tiefsee-Taucherglocke«. 74 Da sieht man mal, was man alles in einem Leben geschafft bekommt, wenn man nicht den ganzen Tag auf Social Media abhängt.

Neben ihm saß Robert Hooke, ebenfalls eine schillernde Persönlichkeit aus der Welt der Wissenschaft des 17 . Jahrhunderts. Er war vielleicht nicht der Erste, der durch ein Mikroskop blickte, aber der Erste, dessen Arbeiten für jede Biologin und jeden Biologen fortan zur Standardausbildung gehörten, denn er entdeckte die damals kleinste biologische Einheit: die Zelle.

Und zu guter Letzt vervollständigte Christopher Wren die Runde, Erbauer der St. Paul’s Cathedral in London. Die drei Männer unterhielten sich angeregt über die Bahnen der Himmelskörper, insbesondere die der Planeten. Wie Kepler unter Beweis gestellt hatte (siehe Kapitel 2 ), bewegen diese sich in Form einer Ellipse, nicht in der eines perfekten Kreises, wie lange angenommen worden war. Aber woran lag das? Was verursachte diese Bewegung, und gab es eine mathematische Formel, mit der man präzise vorausberechnen konnte, wann welcher Himmelskörper wo auftauchen würde? Halley vermutete, dass die Anziehungskraft der Sonne und ihre Entfernung zu den Planeten mit dem Gesetz der umgekehrten Quadrate zusammenhänge. Anders gesagt: Wäre die Erde doppelt so nah an der Sonne, würde diese mit der vierfachen Anziehungskraft auf unseren Planeten wirken. Wäre sie doppelt so weit weg, wäre die Schwerkraft viermal so schwach. Dies würde auch die elliptische Umlaufbahn verursachen, wie Kepler sie beobachtet hatte. So weit Halleys Annahme, beweisen konnte er das jedoch nicht.

Es wurde hitzig diskutiert. Hooke, der extrem viel von sich selbst hielt, behauptete, er habe alles bereits berechnet und wisse die Antwort, wolle sie aber nicht verraten, damit es spannend bleibe. 75 Wer’s glaubt … Christopher Wren hatte genug von Hookes einfältiger Art und lud ihn und Halley zu einer Wette ein: Bücher im Wert von 40 Shilling, heute knapp 2000  Euro, für den Mann, der innerhalb der nächsten zwei Monate nachweisen konnte, wie die Anziehungskraft der Sonne die Umlaufbahn der Planeten verursachte. 76

Die beiden Gentlemen machten sich daran, das Problem zu lösen, jedoch erst mal ohne Erfolg. Monate vergingen, und weder Hooke noch Halley brachte eine zufriedenstellende Antwort zu Papier. Die Wette war gescheitert, dennoch ließ Halley das Problem nicht los. Also reiste er im August 1684 nach Cambridge, um Professor Isaac Newton ebendiese Problemstellung vorzulegen.

Zu seinem Glück empfing ihn der Professor bei guter Laune, und die beiden unterhielten sich für einige Stunden. Schließlich fragte Halley Newton, wie seiner Ansicht nach die Kurve aussehe, mit der man die Bewegung der Planeten beschreiben könne, wenn man davon ausgehe, dass die Anziehungskraft der Sonne umgekehrt proportional zum Quadrat ihrer Entfernung sei. 77

Newton antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Eine Ellipse!« 78 Woher er das wisse? Er habe es bereits berechnet, schon vor vielen Jahren. Moment, irgendwo hier müssten die Unterlagen noch herumfliegen, sagte er und verlor sich für einen Moment in den Stapeln seiner Aufzeichnungen. Halley konnte sein Glück kaum fassen. Hatte Newton tatsächlich die Lösung, nach der er und Robert Hooke die letzten Monate vergeblich gesucht hatten?

Nun, fast.

Newtons Suche blieb an diesem Tag ohne Erfolg. Stellt euch vor, ihr seid Kriminalkommissar und habt herausgefunden, wer der Mörder ist, nur leider könnt ihr den Beweis nicht mehr finden. Das ist Isaac Newton! Er schickte Halley nach Hause und versprach, die nötigen Berechnungen nachzuliefern. Und das tat er schließlich auch. Zunächst verfasste er einen Aufsatz über die Bewegung von Körpern auf einer Umlaufbahn, in dem genau die Rechnungen enthalten waren, nach denen Halley vergeblich gesucht hatte. Der drängte Newton dazu, seine Forschungen weiter auszuführen, und Newton tat genau das. Nach zwei Jahren akribischen Ausarbeitens alter Ideen veröffentlichte er sein Meisterwerk, die Philosophiae Naturalis Principia Mathematica, zu Deutsch: Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie.