Warum klettern Fische auf Berge? Das klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes, ist aber tatsächlich eine Frage, die sich Menschen bereits seit Jahrtausenden stellen. Denn schon früh wurden bei Arbeiten in Steinbrüchen versteinerte Tierskelette gefunden, sogenannte Fossilien, und zwar an Orten, wo sie eigentlich nicht hingehörten. Zum Beispiel die Überreste von Fischen im Libanongebirge, etwa 500 Jahre v.u.Z. 131
Aber was genau ist eigentlich ein Fossil? Laut Digitalem Wörterbuch der deutschen Sprache ist es ein »als Abdruck oder Versteinerung erhaltener Überrest vorzeitlicher Tiere oder Pflanzen«. 132 Das San Diego Natural History Museum betont noch, dass diese Überreste mindestes 10000 Jahre alt sein müssen, sonst zählen sie nicht. 133 Diese 10000 Jahre sind nicht willkürlich gewählt, sondern markieren – von heute aus rückwärts gerechnet – den Übergang zum Pleistozän, dem letzten großen geologischen Zeitalter vor der Jetztzeit, dem Holozän.
Schön und gut, aber wie kann ein Lebewesen denn bitte versteinern? Nun, stellen wir uns einen Fisch vor, der nach seinem Ableben am Strand angespült wird. Er fängt an zu verwesen und verliert allmählich Schuppen, Haut und weiteres organisches Material. Nach und nach wird er von einer Schicht Sand und Schlamm bedeckt, was den Prozess der Verwesung aufhält, da es den Fisch sozusagen »luftdicht« verpackt. Im Laufe der Zeit sammeln sich immer mehr Schichten Erde, Schlamm und Sand über ihm an; die Rede ist nun von Sedimenten. Und mit »im Laufe der Zeit« meine ich nicht ein paar Wochen, sondern eher ein paar Millionen Jahre. Diese Sedimentschichten üben zunehmend Druck auf das Skelett unseres Fisches aus, wodurch der Prozess der Versteinerung in Gang kommt. Später dann können die Sedimente durch Wind und Wasser wieder abgetragen werden; diesen Vorgang nennt man Erosion. So wird das Fossil freigelegt und kann viele Millionen Jahre später von fleißigen Geologen und Geologinnen entdeckt werden.
Aber wie ist es nun zu erklären, dass man Fossilien urzeitlicher Fische in Bergregionen findet? Als Eusebius von Caesarea, der sogenannte Vater der Kirchengeschichte, 134 etwa im Jahr 300 seine große Chronik verfasste, ein wirklich beachtliches Werk, das die komplette Menschheitsgeschichte bis dato zusammenzufassen glaubte, schloss er aus dem Fund von Fischfossilien auf Bergspitzen, dass die biblische Geschichte der Sintflut wahr sein müsse. 135 Ein glorreicher Tag für die christliche Schöpfungsgeschichte! Doch mit der Zeit fand man mehr und mehr Fossilien und begann zu verstehen, woher sie kommen und welche Geschichte sie über unsere Erde erzählen.
Während der industriellen Revolution fing man Ende des 18 . Jahrhunderts auf der Suche nach Kohle in großem Stil an, den Boden umzugraben, und stieß dabei tiefer ins Erdreich vor als je zuvor. Plötzlich konnte man Schlüsse ziehen, die die Erde (und alle christlichen Theorien über ihr Alter) ganz schön alt aussehen ließen. Der deutsche Mineraloge Abraham Gottlob Werner stellte im Jahr 1793 fest, dass sich im Boden immer wieder die gleichen Sedimentschichten befanden, selbst über enorme Distanzen hinweg. 136 Wo heute ein Wald stand, musste früher irgendwann mal Meer gewesen sein. Und das nicht nur in Deutschland und England, sondern womöglich auch in Südamerika und China. Das konnte nichts anderes bedeuten, als dass Veränderungen am »Gesicht« der Erde nicht nur lokal, sondern global vonstattengingen. Dem englischen Kanalarbeiter und Geologen William Smith fiel auf, dass diese Sedimentschichten außerdem immer dieselbe Reihenfolge aufwiesen und sich in den jeweiligen Schichten auch immer die gleichen Fossilarten befanden. 137 Wenn sich nun auch noch feststellen ließ, wie alt eine bestimmte Sedimentschicht war, konnte man damit klare Indizien für das wahre Alter der Erde sammeln. Wie lange es wohl gedauert hatte, bis sich die Erdoberfläche einmal von Meer zu Berg, von Berg zu Wald und von Wald zu Steppe geändert hatte? Konnte das Ganze wirklich, wie die Kirche behauptete, in nur wenigen Tausend Jahren passiert sein?
Das Zeitalter der Geologie war angebrochen, und auf einmal wollte jeder englische Gentleman, der etwas auf sich hielt, der 1807 frisch gegründeten Geological Society beitreten. Diese Organisation vereinte Männer gehobenen Standes, die in ihrer Freizeit gerne im Dreck spielten. Frauen war die Mitgliedschaft, wie in vielen Wissenschaftsvereinen der damaligen Zeit, strengstens verboten. Eine dämliche Entscheidung, denn nur 200 Kilometer südöstlich des Londoner Vereinssitzes schrieb eine junge Dame geologische Geschichte, ganz ohne wissenschaftliche Ausbildung oder finanzielle Mittel.