Die Curies: ein strahlendes Ehepaar

Fünf Jahre vor Entdeckung der radioaktiven Eigenschaften von Uran durch Henri Becquerel zog die polnische Lehrerin Maria Skłodowska nach Paris, um an der renommierten Sorbonne ein Physikstudium aufzunehmen. Ihre Studentinnenjahre verbrachte sie äußerst spartanisch, sie arbeitete bis spät in die Nacht und aß so gut wie nichts außer Brot und Butter (heute wären es wahrscheinlich Nudeln mit Pesto oder Instant-Ramen). Maria, die sich inzwischen den französischen Vornamen Marie zugelegt hatte, schloss das Studium im Jahr 1893 mit Bravour ab und lernte im darauffolgenden Frühjahr ihren späteren Mann, den Chemiker Pierre Curie kennen. Die beiden sollten zu einem der einflussreichsten Wissenschaftspaare aller Zeiten werden. Gemeinsam mit Henri Becquerel erhielten sie 1903 den Nobelpreis für Physik, und zwar für die Entdeckung der Radioaktivität. Marie Curie bekam für ihre Arbeiten rund um das Radium im Jahr 1911 außerdem noch einen Nobelpreis für Chemie. 198 Damit war sie die erste Frau überhaupt, die mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, und der erste Mensch, der ihn gleich zwei Mal absahnte. 199

Ihre wissenschaftliche Leidenschaft für die Radioaktivität begann, als sie von den Röntgenstrahlen und den damit verbundenen Entdeckungen Becquerels erfuhr. Ganz Europa war fasziniert von dem Stoff, mit dem man durch Haut und sogar Wände gucken konnte. Kein Wunder, es grenzte ja auch fast an Zauberei! Nachdem Becquerel 1896 die Strahlung von Uran festgestellt hatte, untersuchte Marie das Ganze genauer, und zwar mit einem Elektrometer, das Pierre für seine Doktorarbeit gebaut hatte. Kurz darauf entdeckte sie, dass Thorium dieselbe Strahlung wie Uran abgab. Gemeinsam machten sich Marie und Pierre auf die Suche nach noch mehr Stoffen, die diese merkwürdige Strahlung absonderten. Sie arbeiteten jahrelang Tag und Nacht, um Erze, Minerale und seltene Steine in kleinste Teile zu zerlegen und zu testen. 1898 stießen sie auf eine Substanz, die 300 -mal aktiver war als Uran. Sie vermuteten, dass sie ein bislang unbekanntes Metall gefunden hatten, und nannten es Polonium, zu Ehren von Maries Heimatland. 200 Kurze Zeit später entdeckten sie Radium, eine ebenfalls stark strahlende Substanz. In derselben Arbeit, in der sie die Existenz von Polonium beschrieben, verwendeten sie auch zum ersten Mal das Wort »Radioaktivität« .

Dabei war ihnen noch komplett schleierhaft, wie gefährlich das Material war, mit dem sie Tag für Tag ihre Experimente durchführten. So band sich Pierre Curie für zehn Stunden ein Stück Radium am Arm fest, um zu sehen, was das radioaktive Material mit seiner Haut anstellte. Er trug eine Verbrennung davon, deren Heilungsprozess er genauestens verfolgte und die als graue Narbe sichtbar blieb. 201 Pierre Curie folgerte daraus, dass man Radium eventuell in der Medizin nutzen könnte, um Hautkrebs effektiv »herauszubrennen« 202 , eine Idee die eine Zeit lang tatsächlich umgesetzt wurde. 203

Mit der Zeit bemerkten Pierre und Marie jedoch, dass es ihnen gesundheitlich nicht gut ging. Pierre konnte kaum mehr aufrecht stehen, Maries Finger waren vernarbt, und beide waren ständig müde. Kein Wunder, sie waren ja auch ununterbrochen radioaktiver Strahlung ausgesetzt: Pierre trug ein Stück Radium in einem Beutel am Gürtel mit sich, da er es gerne spontan herumzeigte, und Marie hatte eine Röhre mit Radium auf ihrem Nachttisch liegen und benutzte sie, weil sie im Dunkeln leuchtete, als Leselampe. 204 In der Bibliothèque Nationale in Paris sind heute ihre Notizbücher ausgestellt, die noch immer Strahlung absondern. Es dauert sage und schreibe 1620 Jahre, bis die Strahlenaktivität von Radium nur noch halb so stark ist wie zu Beginn.

1903 bemerkte Pierre Curie, dass Radium eine Menge Energie in Form von Hitze abgab. So viel, dass ein Kilogramm Radium innerhalb von einer Stunde ein Kilogramm Eis zum Schmelzen bringen konnte! 205

Drei Jahre später kommt Pierre Curie bei einem Unfall mit einer Pferdekutsche zu Tode. Marie stirbt 1934 an Leukämie, ausgelöst vermutlich durch die Strahlung, mit der sie sich tagtäglich umgab. Doch ihre Entdeckungen und die unermüdliche Arbeit, die sie in die Erforschung radioaktiver Stoffe steckten, bescherten ihnen einen Ruhm, der bis heute anhält. Unter anderem hatte das Forscherpaar auch die Bestimmung des Alters der Erde auf ein neues Erkenntnislevel befördert.