Die Messung der Lichtgeschwindigkeit

Wann hat man wohl das erste Mal die Lichtgeschwindigkeit berechnet? Vielleicht in den 60 er-Jahren des 20 . Jahrhunderts, als Computer und Laser aufkamen, mit denen man gezielte Experimente und Messungen vornehmen konnte? Nicht ganz. Die erste Berechnung stellte der dänische Astronom Ole Christensen Rømer im Jahr 1676 an. 223 Lange Zeit hatte man vermutet, dass Licht möglicherweise unendlich schnell sei. Doch Rømers Experimente belehrten die Fachwelt eines Besseren.

Abbildung 7.1:
Berechnung der Lichtgeschwindigkeit im Jahr 1676

66 Jahre nachdem Galileo Galilei durch sein Fernrohr die Monde des Jupiters entdeckt hatte (siehe Kapitel 2 ), stellte Ole Rømer Nachforschungen über den innersten Jupiter-Trabanten Io an. 17 Io umkreist den Jupiter innerhalb von ca. 1 ,8 Erdtagen einmal und wird, von der Erde aus gesehen, pro Umrundung einmal vom Jupiter verdeckt (man spricht dabei von einer Eklipse). Bei seinen Beobachtungen stellte Rømer Erstaunliches fest: Je näher die Erde am Jupiter ist, desto früher findet diese Eklipse statt, und je weiter sie sich von ihm wegbewegt, desto später wird Io von seinem Planeten verdeckt. Der Astronom berechnete, dass die Eklipse etwa elf Minuten früher stattfand, als die bis dato akzeptierten Vorhersagen behaupteten, wenn die Erde an E1 stand (Abbildung 7 .1 ), also in kürzestmöglicher Entfernung vom Jupiter. Diese Vorhersagen beruhten auf durchschnittlichen Werten, die man anhand von Beobachtungsdaten über die Jahre gesammelt hatte. Rund sechseinhalb Monate später, wenn die Erde am weitesten vom Jupiter entfernt ist (an Punkt E2 in Abbildung 7 .1 ), verdeckt der Jupiter den Mond rund elf Minuten später als vorhergesagt. Rømer erkannte, dass diese zeitliche Verschiebung nicht mit einer tatsächlichen Veränderung in der Umlaufbahn des Mondes Io um Jupiter zusammenhing, sondern mit der Lichtgeschwindigkeit zu tun haben musste. Viele Gelehrte nahmen damals an, Licht sei unendlich schnell, 224 doch der Däne hatte gerade einen Gegenbeweis zu dieser These gefunden. Denn wenn Licht unendlich schnell wäre, dann dürfte es bei der Eklipse des Jupitermonds keine Verzögerung geben. Aber genau das hatte Rømer beobachtet, woraus er schloss: Die Lichtgeschwindigkeit muss begrenzt sein. Ein genialer Gedanke! Anscheinend variierte die Distanz zwischen Erde und Jupiter innerhalb eines Jahres so stark, dass das Sonnenlicht, das von seiner Oberfläche reflektiert wird, unterschiedlich lange braucht, um bis zu uns zu gelangen. Tatsächlich trennen uns »nur« 588 Millionen Kilometer, wenn wir dem Jupiter am nächsten stehen. 225 Für diese Distanz braucht Licht ca. 32 ,5 Minuten. Steht die Erde sechs Monate später auf der anderen Seite der Sonne, haben wir unsere maximale Distanz erreicht, und der Jupiter ist 968 Millionen Kilometer von uns entfernt. Das Licht braucht knapp 54 Minuten, also etwa 22 Minuten länger, um diese Strecke zurückzulegen. Genau diese 22 Minuten Unterschied hatte Rømer durch Beobachtung der Regelmäßigkeiten bei den Eklipsen festgestellt.

Mit dieser zeitlichen Differenz und der genauen Entfernung zwischen Erde und Jupiter hätte man nun die Lichtgeschwindigkeit berechnen können, doch Rømer lag bei seinen ersten Versuchen leider daneben. Der damals akzeptierte Wert für die Distanz zwischen Erde und Sonne beziehungsweise Erde und Jupiter war nämlich nicht korrekt, außerdem hatte er einen kleinen Fehler beim Messen der Eklipsen gemacht. 226 Doch wichtiger als den genauen Wert zu kennen, ist es, zu verstehen, dass Rømers Erkenntnis über die Begrenztheit der Lichtgeschwindigkeit den ersten großen Schritt auf dem Weg zu Einsteins Relativitätstheorie bildete.

Wissenschaftler führten wieder und wieder Experimente zur Lichtgeschwindigkeit durch, oft mit verblüffenden Ergebnissen. Das Experiment von Albert Michelson und Edward Morley ist so eines. Eigentlich wollten die beiden die Existenz eines »ruhenden Äthers« nachweisen, durch den sich die Erde und auch das Licht angeblich bewegten. Dieser ruhende Äther, so vermutete man in der Wissenschaft lange Zeit, sei das Medium, in welchem sich Licht ausbreite, so wie sich zum Beispiel Schall in der Luft ausbreitet. Michelson, der das Experiment erdachte und es 1881 in Potsdam erstmals durchführte, stellte zunächst fest, dass sich die Erde mit ca. 30 km/s um die Sonne bewegt. So weit, so richtig. Nun vermutete er, dass die Geschwindigkeit des Lichts in Richtung der Erdbewegung eine andere sein müsse als die Lichtgeschwindigkeit senkrecht zur Erdbewegung.

Als Beispiel tauschen wir mal die Erde gegen einen Zug und das Licht gegen einen Ball. Wenn ich in einem Zug stehe, der mit 100 km/h fährt, und einen Ball mit 5 km/h in Fahrtrichtung werfe, so addieren sich die Geschwindigkeiten, der Ball fliegt also mit 105 km/h (relativ zum stillstehenden Boden). Wenn ich ihn aus dem Fenster werfe, bewegt er sich mit weniger als 105 km/h.

Abbildung 7.2:
Das Michelson-Morley-Experiment

So ähnlich stellte sich Michelson das mit der Lichtgeschwindigkeit vor. In Richtung der Erdumlaufbahn müsste sie größer sein als senkrecht dazu. Nun wollte er schauen, ob er diesen Unterschied messen konnte. Seine Versuchsanordnung sah vor, Licht durch einen halbdurchlässigen Spiegel zu schicken (siehe Abbildung 7 .2 ).

Der halbdurchlässige Spiegel S in der Mitte spaltet das Licht aus der Quelle in zwei Strahlen auf, sodass es zum einen geradeaus auf den Spiegel S1 trifft, von dort reflektiert und über den mittleren Spiegel in ein Fernrohr geleitet wird, zu sehen links in der Versuchsanordnung. Zum anderen wird das Licht aus der Quelle um 90 ° abgelenkt, trifft auf den Spiegel S2 und geht von dort ins Fernrohr, den Detektor der Lichtgeschwindigkeit. Michelson vermutete nun, dass es im Fernrohr zu einer Überlagerung der Lichtwellen, einer sogenannten Interferenz, kommen müsse. Das Licht, das in Richtung der Erdumlaufbahn gesendet wurde, hätte eher im Fernrohr ankommen müssen als das Licht, das um 90 ° umgelenkt wurde. Wenn man dann die ganze Versuchsanordnung um 90 ° Grad rotierte, würde sich das Muster verlagern. Darauf hofften zumindest Michelson und Morley, als sie das Experiment durchführten.

Nur leider hatten sie sich getäuscht. Obwohl ihre Apparaturen im Laufe der Zeit immer präziser wurden, konnten sie den erhofften Effekt niemals feststellen. 227 Merkwürdig. Licht schien sich also nicht so zu verhalten wie ein Ball im Zug. Um bei dem Beispiel zu bleiben: Michelson und Morley warfen ihren Ball (das Licht) aus einem fahrenden Zug in alle möglichen Richtungen. Nur irgendwie erreichte der Ball dabei immer dieselbe Geschwindigkeit. Das widersprach den Gesetzen der Physik, wie die beiden Forscher sie kannten, weshalb sie kaum fassen konnten, dass sich ihre Ergebnisse wieder und wieder bestätigten.

Und das war nicht der einzige Fall, in dem die Physik von damals an der Nase herumgeführt wurde: Ende des 19 . Jahrhunderts sammelte man Unmengen von Beobachtungsdaten, in denen sich Licht einfach nicht wie vermutet verhielt. Und dann betrat Albert Einstein 1905 mit seiner Speziellen Relativitätstheorie die Bühne und postulierte, dass die Geschwindigkeit von Licht in jedem Bezugssystem immer konstant ist, egal, von wo aus man sie betrachtet. Eine geniale Erkenntnis mit weitreichenden Folgen. Denn wenn Licht aus jedem Blickwinkel immer mit derselben Geschwindigkeit unterwegs ist – und das wurde nun in unzähligen Experimenten nachgewiesen –, dann hat das dramatische Konsequenzen für Raum und Zeit. Und die schauen wir uns jetzt an.